Die Suez-Krise

Eine Analyse der Interventionen und Interessenkonstellationen der „äußeren Mächte“ während der Suez-Krise 1956 und deren Folgen für die Region


Seminararbeit, 2009

11 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Suez-Krise von 1956 und die daran beteiligten Mächte
2.1 Historischer Kontext
2.1.1 Ursachen der Krise
2.1.2 Das Geschehen während der Krise und deren Ende
2.2 Welche „äußeren Mächte“ waren an der Krise beteiligt und in welcher Form?
2.2.1 Formen der außenpolitischen Intervention
2.2.2 Großbritannien und Frankreich
2.2.3 USA, Sowjetunion und UN

3. Die verschiedenen Interessen der „äußeren Mächte“ und die Konsequenzen der Krise
3.1 Die Konstellation der Interessen der „äußeren Mächte“
3.1.1 Großbritannien und Frankreich
3.1.2 USA und Sowjetunion
3.2 Die Folgen der Krise und deren heutige Wahrnehmung
3.2.1 Die Folgen der Suez-Krise für die Region
3.2.2 Die heutige Wahrnehmung der Krise

4. Schluss

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es vergeht wohl kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht über die Entwicklung der Lage im Nahost-Konflikt berichtet wird. In unserer mitteleuropäischen Gesellschaft assoziieren viele Menschen den Nahen Osten mit Selbstmordanschlägen, ständigen militärischen Auseinandersetzungen, Interessenkonflikten zwischen den einzelnen Staaten und Religionsgruppen und zumeist ergebnislosen Friedenskonferenzen. Der Ursprung dieses seit mehr als einem halben Jahrhundert andauernden Konflikts liegt in der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 und er wurde bis heute nicht für alle Parteien zufriedenstellend gelöst. In der Zwischenzeit kam es immer wieder zu mehr oder weniger schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten. Zu den schwerwiegenderen Konflikten dieser Dauerfehde gehört sicherlich die Suez-Krise im Jahre 1956, da diese nicht nur für die unmittelbare Region bedrohlich war, sondern wegen der Einmischung „äußerer Mächte“ auch für den Weltfrieden.

Das Forschungsinteresse der vorliegenden Seminararbeit zielt auf eine genaue Untersuchung der Interventionen der äußeren Mächte Großbritannien, Frankreich, USA, Sowjetunion und UNO ab. Schwerpunkte der Arbeit sind die verschiedenen Formen der Intervention, die Konstellation der Interessen der äußeren Mächte, die Folgen der Suez-Krise für die Region und die heutige Wahrnehmung der Suez-Krise aus Sicht der unmittelbar beteiligten Nationen.

Diese Zielsetzung führt zu der im Folgenden erläuterten Gliederung. Im zweiten Kapitel wird dem Leser zur Einführung in die Thematik ein kurzer Überblick über den historischen Kontext der Suez-Krise gegeben. Danach werden einige Formen der außenpolitischen Intervention erläutert — zunächst im Allgemeinen und dann auf das Fallbeispiel bezogen. Das dritte Kapitel behandelt im ersten Teil die Konstellation der Interessen der äußeren Staatsmächte und im zweiten Teil die Folgen der Krise für die Region sowie die heutige Wahrnehmung der Suez-Krise durch die direkt beteiligten Staaten.

2. Die Suez-Krise von 1956 und die daran beteiligten Mächte

2.1 Historischer Kontext

2.1.1 Ursachen der Krise

Die Ursachen für den Ausbruch der Suez-Krise im Herbst 1956 waren vielfältig. Eine der Hauptursachen lag sicherlich in der Ideologie der panarabischen Bewegung. Diese wollte eine Revolution im Inneren und war außenpolitischer gegen jedwede Form der Einmischung äußerer Mächte gerichtet. Lange jedoch mangelte es ihr an einer geeigneten Führungsperson. Dies änderte sich mit der Machtübernahme in Ägypten 1952 durch Gamal Abdel Nasser (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 175-176).

Nasser sah sich als Führer der panarabischen Bewegung und sein erklärtes Ziel war es, die „kolonialen Erblasten abzuwerfen“ und sich für eine Lösung der Palästinenserfrage einzusetzen (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 177-178). Eines seiner Hauptanliegen bestand in der Beendigung der seit über siebzig Jahren andauernden militärischen Präsenz Großbritanniens in Ägypten. Aus diesem Grund nahmen Ägypten und Großbritannien Verhandlungen über einen Abzug der britischen Besatzungstruppen aus der Suezkanalzone auf, die im Oktober 1954 mit einem Truppenabzug endeten (Glasneck & Timm, 1994, S. 118).

Nur kurze Zeit später, Anfang 1955, trat der von den USA lancierte Bagdad-Pakt — ein Bündnis zwischen den USA, der Türkei, dem Irak, Großbritannien, Pakistan und dem Iran — in Kraft. Nasser missfiel dies und so machte er in der arabischen Welt Stimmung gegen den Pakt. Gleichzeitig versuchte er, an Waffen zu gelangen, um die panarabische Bewegung zu stärken. Diese lieferte ihm die Sowjetunion im Herbst 19]55 über die Tschechoslowakei (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 178).

Aus israelischer Sicht war diese Entwicklung besorgniserregend. Diese Einschätzung verschlimmerte sich durch die von Nasser unterstützten Überfälle der „Fedajin“ und die Sperrung der Straße von Tiran, Israels zugang zum Roten Meer. Gleichzeitig verübte auch Israel immer wieder Anschläge auf arabische Personen und Einrichtungen und die Situation spitzte sich zu (Glasneck & Timm, 1994, S. 117-123).

Den eigentlichen Auslöser der Suez-Krise lieferte der ägyptische Präsident Nasser. Dieser plante einen riesigen Nil-Staudamm bei Assuan, um daraus Strom und Wasser für die Industrialisierung und Modernisierung Ägyptens zu gewinnen. Am 26. Juli 1956 verstaatlichte Nasser daher die Suez-Kanal-Gesellschaft, um aus den Kanalgebühren den Bau des Damms zu finanzieren (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 178-179).

2.1.2 Das Geschehen während der Krise und deren Ende

Großbritannien und Frankreich konnten diese Enteignung natürlich nicht ohne weiteres hinnehmen. Während offiziell intensiv nach einer diplomatischen Lösung des Problems gesucht wurde, planten Großbritannien und Frankreich im Geheimen einen Überfall auf Ägypten. Das britisch-französische Bündnis bot auch für Israel eine ausgezeichnete Gelegenheit, gegen Nasser vorzugehen. Die Aktion begann, wie geplant, am 29. Oktober 1956 mit der Landung von knapp 400 israelischen Fallschirmjägern am Mitla-Pass. In den Folgetagen musste die ägyptische Armee aufgrund der Übermacht der Angreifer immer mehr zurückweichen. Am 5. November hatte die israelische Armee die Küstenstadt Scharm el-Scheich eingenommen und konnte damit die Blockade der Straße von Tiran auflösen. Gleichzeitig erreichten die alliierten Truppen Port Said. Das bedeutete edoch auch das Ende des Vormarsches der alliierten Truppen. Aufgrund des Druckes der USA, der UNO und der Sowjetunion, die mit einer militärischen Einmischung drohten, wurde der Waffenstillstand schließlich erzwungen. Die letzten israelischen Truppen zogen sich schließlich am 7. März aus Ägypten zurück (Glasneck & Timm, 1994, S. 125-132).

2.2 Welche „äußeren Mächte“ waren an der Krise beteiligt und in welcher Form?

2.2.1 Formen der außenpolitischen Intervention

Die Intervention ist ein Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Woyke (2006) definiert den Begriff Intervention folgendermaßen: „Intervention bedeutet die Einmischung von Staaten bzw. internationalen Organisationen in Angelegenheiten, die der alleinigen Kompetenz eines Nationalstaates unterliegen“ (S. 267). Er schränkt allerdings ein, dass der Begriff aus einer Zeit stammt, in der das Nationalstaatensystem sehr ausgeprägt war. In unserer heutigen durch die Globalisierung geprägten Welt ist dieser Begriff zu eng gefasst. Ferner muss zwischen der Intervention im völkerrechtlichen Sinn sowie der Intervention als politische Erscheinungsform unterschieden werden. Wie die Geschichte gelehrt hat, sind Interventionen in der internationalen Politik ein oft angewendetes Mittel. Aus völkerrechtlicher Sicht ist der Begriff problematisch, weil es keine einheitliche Auslegung des Völkerrechts gibt und somit auch keine allgemein gültige Definition (Woyke, 2006, S. 267).

Traditionsgemäß geht mit einer Intervention ein militärischer Zwang einher. Dadurch soll ein Staat gezwungen werden, seine Rechte auszuüben oder sich auf bestimmte Art und Weise zu verhalten. Dies muss allerdings nicht unbedingt in Form eines Militäreinsatzes erfolgen, sondern kann auch verdeckt geschehen, beispielsweise in Form von finanzieller Unterstützung bestimmter politischer Gruppen. Darüber hinaus hat sich die Bedeutung des Begriffes Intervention erweitert.

Gemeint sind andere „Formen der politischen, wirtschaftlichen bzw. nicht-militärischen Einflussnahme wie Boykott, Embargopolitik, Handelsbeschränkungen, politische Druckausübung oder Unterstützung der politischen Opposition“ (Finnemore, 2003, zit. in Wilhelm, 2006, S. 169). Zusammenfassend lassen sich sechs Formen der Intervention herausfiltern: militärische Intervention, geheime politische Aktionen, Demonstration von Stärke, terroristische Maßnahmen, subversive Maßnahmen und diplomatische Einmischung (Wilhelm, 2006, S. 168-169).

Welche Formen der Intervention von den „äußeren Mächten“ während der Suezkrise angewandt wurden, soll in den folgenden zwei Unterkapiteln erörtert werden.

2.2.2 Großbritannien und Frankreich

Durch die Verstaatlichung der bis dahin mehrheitlich britisch-französischen Suezkanal­Gesellschaft im Jahre 1956, wurden Großbritannien und Frankreich gezwungen, auf den Affront zu reagieren. Im Folgenden werden die verschiedenen Formen der Intervention aufgezeigt, die sich aus den Reaktionen Großbritanniens und Frankreichs ableiten lassen.

Von Anfang an bereiteten Briten und Franzosen im Geheimen einen Einmarsch in Ägypten vor, in dessen Planung auch Israel miteinbezogen wurde (Glasneck & Timm, S. 125-127). Eine angewandte Interventionsform Großbritanniens und Frankreichs ist folglich die geheime politische Aktion. Mit dem Einmarsch der britisch-französischen Truppen in Ägypten Ende Oktober 1956 erfolgte dann auch eine militärische Intervention.

Die Interventionen Großbritanniens und Frankreichs werden generell als Misserfolg angesehen. Da es zu keiner diplomatischen Lösung kam, versuchten es die beiden Mächte durch einen Militärschlag. Mit der Drohung der Sowjetunion, sich militärisch in den Konflikt einzuschalten, wurde dieser auf Druck der Weltgemeinschaft zügig beendet. Der große Sieger — obwohl aus militärischer Sicht Verlierer — war jedoch Ägypten, das sich gegen die alten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich durchgesetzt hatte (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 180). Hinzu kam, dass Großbritannien und Frankreich in der Weltöffentlichkeit als Aggressoren betrachtet wurden, da sie die militärische Auseinandersetzung begonnen hatten (Glasneck & Timm, 1994, S. 130).

2.2.3 USA, Sowjetunion und UN

Die Interventionen der drei nicht direkt betroffenen Mächte USA, Sowjetunion und UN fielen unterschiedlich aus. Die USA stellten bereits zwei Tage nach dem israelischen Einmarsch in Ägypten die Entwicklungshilfen für Israel ein. Zusätzlich versuchten sie auch Deutschland zu einer Einstellung der Reparationszahlungen zu bewegen. Beides sind politische Mittel der Druckausübung durch wirtschaftliche Sanktionen. Weiterhin intervenierten die USA im Rahmen einer diplomatischen Einmischung in den Konflikt, da sie zum einen eine außerordentliche Sitzung der UNO-Vollversammlung erwirkten und zum anderen Gespräche mit der israelischen Regierung führten (Glasneck & Timm, 1994, S. 130-132).

Auch die Vereinten Nationen bedienten sich des Mittels der diplomatischen Einmischung. Da Frankreich und Großbritannien als Ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Veto eingelegt hatten gegen eine UNO-Verordnung, die Israel auffordern sollte, die militärischen Handlungen einzustellen, kam es zu einer Sondersitzung der UNO- Vollversammlung. In der Resolution 997 wurden alle beteiligten Parteien aufgefordert, das Feuer einzustellen und sich hinter die Waffenstillstandslinien zurückzuziehen. Nur zwei Tage später rief die Versammlung die erste UNO-Friedenstruppe ins Leben, die einerseits überwachen sollte, ob der Waffenstillstand eingehalten wurde und andererseits damit beauftragt war, den Abzug der britischen, französischen und israelischen Truppen aus der Suezkanalzone zu überwachen. Gleichzeitig sollte sie die angespannte Lage entschärfen und erneute Auseinandersetzungen zwischen Ägypten und Israel verhindern (Keil & Lobner, 1994, S. 23-26).

Die Sowjetunion schaltete sich Anfang November in den Konflikt ein. Sie intervenierten durch eine Androhung militärischer Gewalt. Diese Androhung militärischer Gewalt wurde auch von den USA sehr ernst genommen, die einen Einmarsch sowjetischer Truppen um jeden Preis verhindern wollten. Die sowjetische Intervention war zwar keine direkte militärische Intervention, weil sie eben nur angedroht war, aber sie kann in die Kategorie „Demonstration von Stärke“ eingeordnet werden. Sie war schlussendlich ausschlaggebend für die Einstellung der Kampfhandlungen (Glasneck & Timm, 1994, S. 131).

3. Die verschiedenen Interessen der „äußeren Mächte“ und die Konsequenzen der Krise

3.1 Die Konstellation der Interessen der „äußeren Mächte“

3.1.1 Großbritannien und Frankreich

Großbritannien war lange Zeit die bedeutendste Kolonialmacht im Nahen Osten. Die Interessen Großbritanniens vor der Suez-Krise waren daher vielfältig. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang war die Tatsache, dass sich Großbritannien weltpolitisch gesehen auf dem absteigenden Ast befand. Das Land hatte zwar noch das Bewusstsein einer alten und glorreichen Kolonialmacht, doch war dies mehr Wunschdenken als Realität, denn auch aus militärischer Perspektive war das Vereinigte Königreich eher schwach. Hinzu kam der antiimperialistische Gegenwind der arabischen Staaten, der seinen Ursprung im aufkommenden Panarabismus und insbesondere der Person Nassers hatte. Nicht umsonst trat also Großbritannien 1955 neben einigen nahöstlichen Staaten dem Bagdad-Pakt bei. So stellt auch Cohen (2003) fest: „... and her membership of the Baghdad Pact were no more than an attempt to fix another layer of prestige and credibility to her declining economic and military power. ... They hoped indeed that their membership of the Baghdad Pact would help sustain the belief that they still had a major role to play in the region“ (S. 155). Obwohl Großbritannien kaum über die militärischen oder finanziellen Ressourcen verfügte, um die Präsenz im Nahen Osten auf Dauer aufrechtzuerhalten, hatte es diverse Interessen. Diese lagen einerseits in der strategisch wichtigen Lage des Suezkanals. Insbesondere Großbritannien war auf eine freie Durchfahrt angewiesen, um mit arabischem Öl versorgt werden zu können. Andererseits spielte die Region eine wichtige Rolle für die strategischen Planungen der westlichen Mächte im Kontext des Kalten Krieges, in denen die britischen Basen in Ägypten von großer Bedeutung waren (Cohen, 2003, S. 155-156).

Die Interessen Frankreichs waren eher von pragmatischer Natur. Da sich Frankreich seit 1954 im Krieg mit algerischen Aufständischen befand, die von Nasser unterstützt und ermutigt wurden, war die französische Interessenlage recht eindeutig. Ihrer Meinung nach würde sich ein Sturz Nassers positiv auf die Entwicklung in Algerien auswirken. Dies merkt auch Kyle (1994) an: „Des le debut, le gouvernement fran^ais vit dans la crise de Suez une occasion d’attaquer Nasser, source et origine de ses problemes en Algerie“ (S. 84). Zu diesen strategischen Überlegungen kam ein historisch bedingtes Interesse Frankreichs hinzu: der Suezkanal war vom Franzosen Ferdinand de Lesseps ins Leben gerufen worden, der Hauptsitz der Gesellschaft befand sich in Paris und viele Franzosen betrachteten den Suezkanal als französisches Werk. Coutau-Begarie (1994) stellt vergleichend fest: „Enjeu strategique d’importance moindre que pour les Britanniques, sa valeur symbolique est en revanche sans doute plus forte en France“ (S. 102).

Zusammenfassend kann man also sagen, dass obwohl beide Länder unterschiedliche Interessen verfolgten, dennoch eine Art „Joint Venture“ resultierte, da beider Länder primäres Ziel in der Ausschaltung Nassers bestand.

3.1.2 USA und Sowjetunion

Da beide Länder als Weltmächte aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgingen, übernahmen die USA zunächst schleichend die Rolle des früheren britischen „Empires“, was nicht zuletzt auch aus der Tatsache resultierte, dass die USA „aus innenpolitischen und strategischen Gründen nach 1948 grundsätzlich an der Seite des jüdischen Staates standen“ (Glasneck & Timm, 1994, S. 121).

Die Interessen der USA im Nahen Osten waren vielfältig. Ein Interesse war es, für Israels territoriale und politische Unversehrtheit zu sorgen. Diese Tatsache war eine unmittelbare Konsequenz aus den zuvor erwähnten innenpolitischen Gründen, denn im Kongress gab es schon damals eine einflussreiche pro-jüdische Lobby. Ein weiteres Hauptziel Amerikas bestand darin, die Sowjetunion möglichst außen vor zu lassen. Der sowjetische Einfluss in der Region sollte möglichst gering bleiben. Ein weiteres Anliegen der USA hatte seinen Ursprung im Selbstverständnis der Amerikaner, möglichst überall präsent und involviert zu sein, um Einfluss ausüben zu können. Im Nahen Osten waren die Interessen aber auch verstärkt ökonomischer Natur, denn auch die USA waren auf arabisches Öl angewiesen. Weiterhin war eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und den arabischen Staaten im Interesse der USA (Hacke, 1985, S. 1). Grundsätzlich war den Vereinigten Staaten jedoch eine ruhige Lage in der Region wichtig. Dies erklärt sich auch durch den vehementen Einsatz der USA für einen Waffenstillstand nach Ausbruch der Suez-Krise und insbesondere nach der Drohung der Sowjetunion (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 180). In den Jahren zuvor hatten die USA durch verschiedene Bündnisse wie dem bereits erwähnten Bagdad-Pakt versucht, die arabischen Staaten an sich zu binden. Dadurch sollte ein „weltweites Paktsystem um die Sowjetunion herum aufgebaut werden“ (Schreiber & Wolffsohn, 1996, S. 178).

Die Sowjetunion war lange Zeit mehr vom Geschehen im Nahen Osten mehr oder minder ausgeschlossen. Dies lag zum einen an der frühen Anerkennung der Existenz Israels, was ihr in der arabischen Welt kaum Sympathien einbrachte, und zum anderen am mangelnden Interesse Moskaus an der Region. Dies änderte sich erst mit der sich der Waffenlieferung 1955 an Ägypten. Die Tatsache, dass die meisten arabischen Staaten antiimperialistisch und damit antiwestlich gesinnt waren, war von entscheidendem Vorteil für die Sowjetunion, wenngleich sich deren wahre Interessen kaum von denen der westlichen Mächte unterschieden. Die Unterstützung Ägyptens — zunächst in Form von Waffenlieferungen und finanzieller Unterstützung beim Bau des Assuan-Staudamms, danach in Form einer Intervention nach dem Einmarsch der britischen und französischen Truppen — öffnete der Sowjetunion das Tor zur arabischen Welt. Diese war fortan mehrheitlich pro-sowjetisch gestimmt. Moskau hatte im Prinzip die gleichen Interessen im Nahen Osten wie die USA: möglichst viele Staaten an sich zu binden, um Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Auch wenn sich die Ideologien nicht wirklich ähnlich waren und die meisten Staaten im Nahen Osten politisch gesehen weit vom Kommunismus entfernt waren, war die Region für die Sowjetunion von strategischer Bedeutung (Dawisha, 1982, S. 8-11).

3.2 Die Folgen der Krise und deren heutige Wahrnehmung

3.2.1 Die Folgen der Suez-Krise für die Region

Die Folgen der Suez-Krise waren insbesondere für den Nahen Osten weitreichend. Zunächst ging der ägyptische Präsident Nasser, obwohl militärisch unterlegen, gestärkt aus der Krise hervor. „He became the undisputed figure head of Arab nationalism“ (Halliday, 2005, S. 114). Mit dem Waffenstillstand endete auch der Einfluss der ehemaligen Kolonialmächte in der Region. Diese waren gezwungen, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen, was als Nassers Verdienst angesehen wurde und ihn zum arabischen Helden machte.

Mit dem Rückzug endete auch größtenteils der Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien. Indes versuchten die USA fortan ihren Einfluss in der Region zu mehren. Smith (2007) beschreibt die Konsequenzen der Suez-Krise folgendermaßen: „The events of 1956 are widely interpreted as marking a watershed in both Anglo-American relations and Britain’s status as an imperial power“ (S. 2).

Mit dem wachsenden Einfluss der USA und der Sowjetunion im Nahen Osten hielt auch der Kalte Krieg Einzug in der Region und der vormals arabisch-israelische Konflikt wurde in die Auseinandersetzung der beiden Supermächte miteinbezogen. Diese Ansicht teilt auch Halliday (2005): „The Suez crisis finally brought the Cold War to the Arab Middle East: it set a pattern in the international relations of the Arab world that was to last fort he following two decades“ (S. 114). Insbesondere die Einbettung des Konflikts in den Kalten Krieg hatte für die Region nachhaltige Folgen.

Gleichzeitig sorgten der Waffenstillstand und der israelische Truppenrückzug für eine eher trügerische Ruhe, denn immer wieder kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen insbesondere zwischen Israel und Syrien. Gleichzeitig misstrauten sich Israel und die arabischen Staaten gegenseitig. Dieses Misstrauen führte schließlich zu einer Eskalation der Ereignisse und damit zum dritten arabisch-israelischen Krieg, dem Sechs-Tage-Krieg im Jahre 1967. Diesen konnte Israel in überwältigender Manier für sich entscheiden (Johannsen, 2006, S. 25-26).

3.2.2 Die heutige Wahrnehmung der Krise

Die heutige Wahrnehmung der Krise ist je nach Perspektive der Betrachtung unterschiedlich. In der arabischen Welt steht die Suez-Krise symbolisch für das Ende der Einmischung der ehemaligen Kolonialmächte. Schreiber & Wolffsohn (1994, S. 182-183) stellten jedoch fest, dass es aus gesamtarabischer Sicht eigentlich keinen Grund zum Jubeln gegeben habe, da der Krieg keinesfalls eine gesamtarabische Angelegenheit war. Die Freude in der arabischen Welt war eine vorschnell getroffene Fehleinschätzung der Situation, denn der panarabischen Bewegung hatte die Suez-Krise wenig weitergeholfen. Nur wenige, wie Jassir Arafat, erkannten, dass die arabischen Staaten militärisch schwächer waren als Israel und versuchten nun auf eigene Faust, gegen Israel vorzugehen.

Aus Sicht der ehemaligen Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich war die Suez-Krise ein Debakel, da sie das Ende insbesondere der britischen Hegemonialstellung im Nahen Osten bedeutete. Auch für die Franzosen war die Suez-Krise nicht minder unangenehm. Nur wenige Jahre später wurde Algerien unabhängig — was man durch das Engagement in der Militäraktion eigentlich hatte vermeiden wollen — und peu a peu verloren beide Länder ihre ehemaligen Kolonien in allen Teilen der Welt. Aus britischer und französischer Sicht kann die Suez-Krise als Auslöser für den Verlust der Kolonien und für einen Abstieg hinter die Supermächte USA und Sowjetunion gedeutet werden.

4. Schluss

Wie die vorliegende Seminararbeit gezeigt hat, waren die Interessen der einzelnen Staaten vor und während der Suez-Krise sehr unterschiedlich und dementsprechend auch die Formen der Intervention. Die Briten wollten aus strategischen Gründen die Verstaatlichung des Suezkanals verhindern, weil dieser insbesondere für die britische Versorgung mit Öl wichtig war. Hinzu kam, dass das britische Selbstverständnis einer Weltmacht durch Nassers Affront empfindlich gestört wurde und sich eine Intervention deshalb auch aus prestigeträchtigen Gründen gebot. Ähnliches galt für Frankreich. Der Suezkanal war seit seiner Erschaffung durch einen Franzosen gewissermaßen als Symbol französischer Kolonialherrschaft angesehen worden. Zu diesen symbolischen Interessen kam hinzu, dass sich eine Intervention in Ägypten positiv im französischen Sinne auf die Entwicklung in Algerien auswirken sollte, so das Kalkül der Franzosen. Die beiden Weltmächte USA und Sowjetunion hatten wiederum eigene Interessen. Beiden war daran gelegen, dass sich die Situation nicht unnötig zuspitzte und beide übten deshalb Druck auf die Konfliktparteien aus, was schließlich zum Ende der Krise führte.

Auch aus weltpolitischer Sicht war die Krise bedenklich, denn die Gefahr einer Einschaltung der beiden Supermächte war nicht unerheblich. Seit der Suez-Krise muss der Nahost-Konflikt immer im Kontext des Kalten Krieges betrachtet werden. Interessant, und vielfach in der Literatur behandelt, ist auch der Zusammenhang zwischen der Suez-Krise und der fast zeitgleich stattfindenden Niederschlagung des ungarischen Aufstandes durch die Sowjetunion. Auch die Folgen der Suez-Krise waren für die Region weitreichend, dauert der arabisch-israelische Konflikt doch im Prinzip noch bis heute an.

5. Literaturverzeichnis

Cohen, M. J. (2003). Prologue to Suez: Anglo-American Planning for Military Intervention in a Middle East War, 1955-1956. The Journal of Strategic Studies, 26(2), 152-183.

Coutau-Begarie, H. (1994). Comment on conduit une coalition: La France et la Grande-Bretagne dans l’affaire de Suez. Histoire, economie et societe, 13(1), 101-110.

Dawisha, A. & Dawisha, K. (Eds.). (1982). The Soviet Union in the Middle East — Policies and Perspectives. London: Heinemann Educational Books.

Glasneck, J. & Timm, A. (1994). Israel — Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung. (2., durchges. u. erw. Aufl.). Bonn: Bouvier.

Hacke, C. (1985). Amerikanische Nahost-Politik — Kontinuität und Wandel von Nixon bis Reagan. München: Oldenbourg.

Halliday, F. (2005). The Middle East in International Relations — Power, Politics and Ideology. Cambridge: Cambridge University Press.

Johannsen, M. (2006). DerNahost-Konflikt. Wiesbaden: VS Verlag.

Keil, I. & Lobner, S. (1994). UNO — Weltpolizei auf dem Prüfstand: 38 Jahre Friedensmissionen vom Suez bis Kambodscha mit einem Vorwort von Prof Ulrich Albrecht. Münster: Lit.

Kyle, K. (1994). La Grande-Bretagne, la France et la crise de Suez. Histoire, economie et societe, 13(1), 79-100.

Schreiber, F. & Wolffsohn, M. (1996). Nahost — Geschichte und Struktur des Konflikts. (4., akt. Aufl.). Opladen: Leske und Budrich.

Smith, S. C. (2007). Power Transferred? Britain, the United States, and the Gulf, 1956-71. Contemporary British History, 21(1), 1-23.

Woyke, W. (Hrsg.). (2006). Handwörterbuch Internationale Politik:. (10., durchges. Aufl.). Opladen: Budrich.

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Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Die Suez-Krise
Untertitel
Eine Analyse der Interventionen und Interessenkonstellationen der „äußeren Mächte“ während der Suez-Krise 1956 und deren Folgen für die Region
Hochschule
Universität St. Gallen
Veranstaltung
Geschichte des Nahen Ostens
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2009
Seiten
11
Katalognummer
V148361
ISBN (eBook)
9783640585885
ISBN (Buch)
9783640585977
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Naher Osten, Suez-Krise, Kalter Krieg, USA, Frankreich, Ägypten, Israel, Sowjetunion, Großbritannien
Arbeit zitieren
Frederik Clement (Autor:in), 2009, Die Suez-Krise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148361

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