Die Entstehung der ersten Erwachsenenlehrwerke für Deutsch als Fremdsprache nach dem Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung ihres Deutschlandbildes


Diplomarbeit, 2001

166 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort und „Fahrplan“ dieser Arbeit

2 Einleitung: Deutsch und Deutsch als Fremdsprache vor und nach 1945
2.1 Stellung des Deutschen und sein Status als Fremdsprache
2.2 DaF an Schulen
2.3 Anteil ausländischer Studenten
2.4 Flüchtlinge, Vertriebene, Gastarbeiter

3 Wiederaufbau der auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik nach dem Krieg
3.1 Kultur und Zurückhaltung statt politisches Gewicht
3.2 Rolle der Sprache
3.3 Organisation
3.3.1 Goethe-Institut
3.3.2 Universitäten
3.4 Zersplitterung
3.5 Ost-West-Gegensatz und Öffnung nach Osten

4 Das Fach Deutsch als Fremdsprache nach dem Krieg
4.1 DaF vor 1945
4.2 DaF nach dem Krieg. Neubeginn und Konstituierung des Faches
4.3 DaF-Entwicklung in der DDR

5 Entwicklung der Lehrmethodik
5.1 Lehrmethoden
5.1.1 Grammatik-Übersetzungs-Methode
5.1.2 Direkte Methode
5.1.3 Georg Lappers „Singendes Lernen“
5.2 Kurze Bemerkung zum Lernort

6 Weiterentwicklung der DaF-Lehrwerke nach dem Krieg in Ost und West
6.1 Walter Webers Deutsch für Ausländer und Schulz/Sundermeyers Deutsche Sprachlehre für Ausländer
6.2 Klee/Gerkens Gesprochenes Deutsch
6.3 Hermann Kesslers Deutsch lernen – leicht gemacht!
6.4 Schulz/Griesbachs Deutsche Sprachlehre für Ausländer
6.5 Das Herder-Lehrwerk Deutsch. Ein Lehrbuch für Ausländer

7 Problematik von Lehrwerksbeurteilungen und Analyserastern
7.1 Theorie versus Praxis
7.2 Voreingenommenheit
7.3 Zeitverschiebung
7.4 Die Faktoren „Schüler“ und „Lehrer“

8 Analyse der Lehrwerke
8.1 Generelles
8.2 Struktur
8.2.1 Aufbau des Lehrwerks
8.2.2 Zusatzmaterialien
8.2.2.1 Lehrerhinweise
8.2.2.2 Wörterverzeichnisse
8.2.2.3 Medien
8.2.3 Aufbau der Lektionen
8.2.4 Gestaltung/Layout/Visualisierung
8.3 Inhalt
8.3.1 Themen
8.3.2 Textsorten
8.4 Linguistische Kriterien
8.4.1 Aussprache
8.4.2 Sprache
8.4.3 Grammatik
8.5 Methode/didaktische Konzeption
8.5.1 Übungen
8.5.2 Die vier Fertigkeiten
8.5.2.1 Hören
8.5.2.2 Sprechen
8.5.2.3 Lesen
8.5.2.4 Schreiben
8.5.3 Didaktik der Grammatik
8.5.4 Wortschatz
8.6 Gesamteindruck

9 Das Deutschlandbild der Lehrwerke
9.1 Vorüberlegungen
9.2 Personen
9.2.1 Namen
9.2.2 Nationalität und Sprache
9.2.3 Alter
9.2.4 Geschlecht
9.2.5 Tätigkeit
9.2.6 Freizeit, Hobbies, Interessen
9.2.7 Wohnen
9.2.8 Besitz
9.2.9 Essen und Trinken
9.2.10 Gesundheit, Körperpflege
9.3 Andere landeskundliche Informationen...
9.3.1 bei Kessler...
9.3.2 ... und Schulz/Griesbach
9.4 Affirmative Darstellung
9.5 Typisierung
9.6 Hinweise auf Nationalsozialismus bei Kessler

10 Ausblick: Wie geht es weiter mit
10.1 ... der Stellung des Deutschen, der auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik
10.2 ... dem Fach Deutsch als Fremdsprache
10.3 ... der Methodenentwicklung
10.4 ... der Lehrwerksentwicklung/Lehrwerksanalyse
10.5 ... dem Deutschlandbild in den DaF-Lehrwerken

11 Zusammenfassung, Schluß

12 Literaturverzeichnis
12.1 Lehrwerke
12.2 Sekundärliteratur

13 Anhang
13.1 Auszüge aus Georg Lappers Lehrheft Winter und Weihnacht. Glaube und Hoffnung von 1931.
13.2 Auszüge aus Georg Lappers Unterrichtsmaterial Ich lerne singend Deutsch, das vermutlich am Goethe-Institut verwendet wurde.
13.3 Herrmann Kesslers Lehr- und Anschauungsbilder

1 Vorwort und „Fahrplan“ dieser Arbeit

Diese Arbeit versteht sich als ein Glied in einer Reihe von Diplomarbeiten, die verschiedene Abschnitte der neueren DaF-Geschichte behandelt. Damit trete ich die Nachfolge von Saskia Albert (1998) an, die in ihrer Diplomarbeit die erste universitäre Lehrwerksgeneration für Deutsch als Fremdsprache von Walter Weber während des Zweiten Weltkrieges untersucht. Um der Kontinuität der Darstellung willen, werde ich mich öfter auf diese Arbeit beziehen. Webers Lehrwerk wurde 1943 von Hermann Kessler neu bearbeitet. Das ist der Punkt, an dem meine Arbeit zeitlich ansetzt. Mein Untersuchungszeitraum erstreckt sich ungefähr bis Ende der 60er Jahre, als die erste Institutionalisierung und Konsolidierung des Faches DaF weitgehend abgeschlossen war und der Lehrwerksmarkt mit dem Einzug der audiolingualen/audiovisuellen Methode zu explodieren begann.

Das erste Lehrwerk, Kesslers Deutsch lernen – leicht gemacht! fällt zeitlich gesehen eigentlich noch in die Zeit während des Krieges. Dies dient aber der Veranschaulichung des Übergangs von Kriegs- zu Nachkriegszeit. Neben Schulz/Griesbachs Deutscher Sprachlehre für Ausländer, dem ersten wirklich neuen Nachkriegslehrwerk für DaF, war noch vorgesehen, das Buch Deutsch. Ein Lehrbuch für Ausländer aus der DDR zu untersuchen. Da es mir aber trotz vielfacher Versuche nicht gelungen ist, eine Erstauflage dieses Lehrwerks aufzutreiben, mußte ich leider darauf verzichten. Ich habe trotzdem in meiner Arbeit die DDR ausführlich berücksichtigt und hoffe, der Leser[1] kann sich auch ohne eine umfassende Analyse ein Bild von der Entstehung des Lehrwerks machen. Statt des DDR-Lehrwerks habe ich allerdings anderes, nicht weniger wichtiges Lehrmaterial gefunden, das heute völlig in Vergessenheit geraten ist und in meinem „Lehrwerks-Weltbild“ für den einen oder anderen überraschenden Aha-Effekt gesorgt hat. In keiner moderneren Abhandlung über Lehrwerksgeschichte wird es erwähnt, obwohl es gerade bei der Entwicklung des Schulz/Griesbach eine wichtige Schlüsselrolle spielte. Die Rede ist von Georg Lappers Methode „Singendes Lernen“, die in Auszügen im Anhang beigefügt ist.

Die Entstehung der ersten DaF-Lehrwerke nach dem Krieg darzustellen, hat sich als wesentlich komplexer erwiesen als ursprünglich angenommen. Daher auch der Umfang der Arbeit. Ich wollte allerdings versuchen, dieses vielschichtige Bild aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, und dem Leser nicht nur zeigen, wie die ersten DaF-Lehrwerke nach dem Krieg aussehen, sondern auch darstellen, unter welchen Umständen sie entstanden sind und warum sie ausgerechnet so aussehen, wie sie uns heute vorliegen.

In der Einleitung will ich kurz umreißen, wie es sich mit dem Status des Deutschen und des Deutschen als Fremdsprache während des Krieges und in der Nachkriegszeit verhielt. Durch die gebotene Kürze eines Überblicks mußte ich ein paar wenige Schwerpunkte setzen und kann daher zwangsläufig nur ein grobes Bild zeichnen, das aber trotzdem einer ersten Einführung Genüge leisten dürfte. Die wohl umfassendste Bestandsaufnahme zur Stellung der deutschen Sprache stammt von Ammon (1991), der sowohl viele Daten zusammengetragen als auch die bisherigen Bestandsaufnahmen kritisch bewertet hat.

Kapitel 3 behandelt speziell den Wiederaufbau der auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Fremdsprachenunterricht ist jederzeit ein politisches Ereignis; er baut ebenso viele Brücken für das gegenseitige Verständnis sprachverschiedener Menschen, Gruppen und Völker, wie er Barrieren zwischen diesen errichten kann. [...] Er ist Mittel und Gegenstand der Politik und er zeitigt [sic!] seinerseits politische Auswirkungen.[2]

Schließlich liefert ja die Politik die institutionellen und finanziellen Voraussetzungen für den Sprachunterricht, gibt aber auch das Programm vor, nach dem sich der Sprachunterricht zu richten hat. Auf dieses Programm, aber auch auf die Organisation der auswärtigen Kulturpolitik und den Konkurrenzkampf zwischen der BRD und der DDR werde ich näher eingehen.

Die Entstehung der ersten DaF-Lehrwerke nach dem Krieg hängt natürlich eng mit der Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache zusammen. Zunächst gab es so ein Fach lediglich unter dem Aspekt des Sprachunterrichts und es dauerte viele Jahre, bis es sich zu der vielschichtigen Disziplin entwickelte, die „Deutsch als Fremdsprache“ heute ist. Um die Anfänge und die erste Etablierung des Faches geht es in Kapitel 4.

Um die Konzeption der analysierten Lehrwerke besser verstehen und einordnen zu können, ist in Kapitel 5 ein kurzer Überblick über die Hauptströmungen der Lehrmethodik nötig, die zu ihrer Entstehungszeit aktuell waren. Wichtig ist hier weniger ihr theoretischer Inhalt als vielmehr die Rolle, die diese Methoden in der Fremdsprachendidaktik und im Bildungswesen gespielt haben. Auf die Methode Lapper, oder „Singendes Lernen“, will ich etwas genauer eingehen, da sie in keinem moderneren Buch über Lehrmethoden erwähnt wird. Das ist auch kein Wunder, denn sie dürfte wohl selbst für die damalige Zeit ziemlich kurios gewesen sein. Dennoch war es diese Methode, die bei der Entstehung des Schulz/Griesbach eine entscheidende Rolle spielen sollte. Die Deutsche Sprachlehre für Ausländer ist meiner Ansicht nach auch deshalb zum „Buhmann“ der DaF-Lehrwerke geworden, weil die eigentlichen Umstände ihrer Entstehung in der Literatur nicht ausreichend berücksichtigt werden. Durch die Darstellung dieser Umstände möchte ich dazu beitragen, dieses zu Unrecht entstandene Negativbild etwas gerade zu rücken.

Kapitel 6 beschäftigt sich mit den maßgeblichen Lehrwerken des Beobachtungszeitraums. Ich beschränke mich hierbei auf Erwachsenenlehrwerke für Anfänger. Natürlich gab es auch Unterrichtsmaterial für Fortgeschrittene, aber Anfängerlehrwerke spielen die wichtigste Rolle im Fremdsprachenerwerb. Fast kein Deutschlerner kommt um sie herum; der Großteil der DaF-Lerner kommt über das Anfangsstadium gar nicht hinaus.[3] Wörterbücher, Grammatiken, Übungssammlungen, Lesebücher, sowie ausländische Produktionen werden in dieser Arbeit auch nicht behandelt. Es gab sicherlich viele davon.

In fast jeder Art von Fremdsprachenunterricht kommt dem Lehrwerk eine zentrale Stellung zu. Schließlich müssen die Vorgaben, die hinsichtlich bestimmter Methoden, Lernziele, Übungsformen usw. gemacht werden, in adäquates Lehrmaterial umgesetzt werden.[4] Die Analyse von solchem Lehrmaterial bildet den eigentlichen Kern meiner Arbeit.

Krumm (1994, S. 24) zitiert eine Studie von Lothar Quetz[5], wonach in manchen Klassen bis zu 82% des Unterrichts mit dem Lehrbuch bestritten werden. Es gab auch Versuche, den Anteil des Lehrwerks im Unterricht zu reduzieren. So versucht z.B. die Freinet-Pädagogik, das Lehrwerk durch Bausteine und abgegrenzte Unterrichtseinheiten zu ersetzen, aus denen sich die Schüler den Lernstoff selbst auswählen und somit ihren eigenen Lernplan erstellen können.[6]

Ganz kann schulischer Fremdsprachenunterricht allerdings kaum auf Lehrwerke verzichten. Der Zwang, den Lernstoff zwischen verschiedenen Klassen vergleichbar zu halten [...], der durch Lehrpläne und Prüfungen ausgeübte Zwang, im Unterricht bestimmte Probleme zu behandeln, aber auch Bedürfnisse der Schüler, Lernstoff bei Krankheit nachzulernen, organisatorische Probleme im Umgang mit Arbeitsblättern und Karteikästen lassen Lehrer wie Schüler häufig wieder zum Lehrbuch greifen. So ist wohl unvermeidlich, daß Versuche, Deutschunterricht ohne Lehrbuch durchzuführen, doch immer wieder zu schriftlich dokumentierten Materialien und Kurskonzepten führen.[7]

Jeder Lehrer ist heute mit einer schier unüberschaubaren Masse an Lehr- und Übungsmaterial konfrontiert und muß bei der Wahl des einen oder anderen Lehrwerks entscheiden können, welche Stärken und Schwächen es hat, und ob es sich überhaupt für die jeweilige Unterrichtssituation eignet. Die Bedeutung dieser Fähigkeit für die Unterrichtspraxis kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.[8]

Bevor ich weiter fortfahre, möchte ich einige oft verwechselte Begriffe klären. Diese haben zwar alle mit der Untersuchung von Lehrwerken zu tun, setzen aber jeweils unterschiedliche Schwerpunkte: Die Analyse eines Lehrwerks ist eine möglichst wertneutrale Bestandsaufnahme dessen, was ein Lehrwerk faktisch enthält oder nicht enthält. Die Kritik eines bestimmten Lehrwerks, also das Herausstellen dessen, was man gut bzw. schlecht findet, kommt später und muß auf einer solchen gründlichen Analyse des Lehrwerks beruhen.[9] Auch Heuer/Müller/Schrey (1970, S. 1), die zu den Vorreitern der Lehrwerkanalyse gehören, stellen heraus, „daß Lehrwerkkritik nur dann sinnvoll ist, wenn sie von einer tragfähigen Grundlage aus erfolgt und wenn sie zu objektiven Befunden führen kann“. Unter der Begutachtung eines Lehrwerks verstehe ich die abschließende Abwägung der Pros und Kontras aus Analyse und Kritik vor der Frage, ob das Lehrwerk in einer konkreten Unterrichtssituation zum Einsatz gebracht werden könnte oder nicht.

In dieser Arbeit vergleiche ich die beiden Lehrwerke Deutsch lernen – leicht gemacht! von Hermann Kessler und Deutsche Sprachlehre für Ausländer von Schulz/Griesbach. Da diese beiden Lehrwerke hinsichtlich ihrer Entstehungszeit und ihrer Konzeption sehr unterschiedlich sind, kann ein solcher Vergleich Probleme mit sich bringen, die in Kapitel 7 behandelt werden.

In Kapitel 8 geht es um die Analyse der beiden Lehrwerke. Ich habe zunächst aus vielen Arbeiten und Vorschlägen zur Lehrwerksanalyse ein großes Raster erstellt, das die Grundlage zu den Analysen in dieser Arbeit bildet.[10] Das Problem dabei war, daß eine sehr lange Kriterienliste entstand, die zunächst einmal vereinfacht, geändert oder umformuliert werden mußte. Mit dem so entstandenen, trotzdem ziemlich umfangreichen Kriterienraster hoffe ich, die Grundlage für eine möglichst neutrale Analyse geschaffen zu haben. Viele Lehrwerkanalysen machen den Fehler, an älteren Lehrwerken kein gutes Haar zu lassen, um die neueren, an denen die Kritiker der älteren nicht selten selbst mitgearbeitet haben, in um so besserem Licht erscheinen zu lassen. Dies wollte ich bewußt unterlassen.

Aufgrund der unterschiedlichen Konzeption der untersuchten Lehrwerke, ließen sich gleiche Fragenstellungen oft nicht auf beide Lehrwerke gleichzeitig anwenden, so daß ich die Fragen etwas flexibel handhaben mußte. Als grobe Richtschnur für die Analyse haben sie sich jedoch als sehr praktisch erwiesen. Ich habe bei der Analyse immer ein möglichst wertfreies Bild der Lehrwerke zum Ziel gehabt. Dies beinhaltet im wesentlichen die Erfassung dessen, was das Lehrwerk enthält und – ebenso wichtig – was es nicht enthält und durch den Lehrer ergänzt werden müßte. Ich hoffe, dieses neutrale Bild ist mir gelungen. Sollte die eine oder andere Wendung doch wie eine Wertung aussehen, so sei sie als Feststellung zu interpretieren und nicht als Urteil.

Kapitel 9 behandelt schließlich, nach einigen Vorüberlegungen, das Deutschlandbild der Lehrwerke. Eine umfassende Untersuchung aller Aspekte des Deutschlandbildes der Lehrwerke würde allein schon eine Diplomarbeit, wenn nicht sogar eine Doktorarbeit füllen.

Ich konzentriere mich deshalb in erster Linie auf die Lehrwerkspersonen, werde aber auch auf andere landeskundliche Aspekte eingehen. Was die thematische Gliederung angeht, so habe ich mich aufgrund ihrer Übersichtlichkeit für die Themenliste des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache entschieden. Bei den Fragen des Analyserasters orientiere ich mich an Ammer (1988) und Dengel (1997).

Zum Schluß möchte ich noch all denjenigen Personen danken, die mir beim Fertigstellen der Arbeit mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben:

- Herrn Griesbach, der mir in vielen persönlichen Gesprächen und E-Mails wertvolle Informationen über Georg Lapper und die Anfangsphase des Goethe-Instituts gegeben hat. Ebenso bin ich den ehemaligen Mitarbeitern des Goethe-Instituts Herrn Gawronski und Herrn George zu Dank verpflichtet.
- Herrn Gerber von der Universität Potsdam für die Informationen zum Herder-Lehrwerk Deutsch. Ein Lehrbuch für Erwachsene.
- Herrn Kelz, der mir viele Informationen und Tips zur Recherche über Kessler gegeben hat.
- Frau Lenzen vom Stam-Verlag, die mir aufgrund ihrer jahrelangen Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Hermann Kessler unbezahlbare Informationen zu seiner Person und seinem Werk liefern konnte.
- Herrn Prof. Glück für die Betreuung dieser Arbeit.

2 Einleitung: Deutsch und Deutsch als Fremdsprache vor und nach 1945

Als führende Fremdsprache oder gar als Verkehrssprache gilt das Deutsche anders als vor 1945 nirgends mehr. [...] Hier haben die Hitler’sche Katastrophenpolitik, die ihr folgende Vertreibung der Deutschen und der Sturz Deutschlands in vorübergehende Machtlosigkeit schwere, wohl nicht mehr revidierbare Folgen gehabt.[11]

2.1 Stellung des Deutschen und sein Status als Fremdsprache

Deutschland hatte im Vergleich zu anderen Ländern eine relativ kurze, wenig erfolgreiche koloniale Vergangenheit und ist daher außerhalb Europas nirgends Amts- oder Verkehrssprache geworden. Zudem hatte Deutschland beide Weltkriege verloren. Eine Weltsprache wie Englisch oder Französisch konnte Deutsch also gar nicht werden, zumal man in Deutschland nach 1945 ohnehin kaum noch Hoffnung hatte, daß die deutsche Sprache als politische Größe jemals wieder auf die Beine kommen würde. Zumindest war klar, daß es nicht sehr leicht sein würde, den enormen Rückschritt, den das Deutsche durch den Krieg machen mußte, wieder einzuholen. Obwohl in Europa die meisten Menschen Deutsch als Muttersprache sprechen[12], hat das Deutsche einen wesentlich geringeren Status als Englisch und Französisch. Als Amts- oder Arbeitssprache in weltweit arbeitenden Organisationen wurde Deutsch nur wenig anerkannt.[13] Der Bericht der Bundesregierung „Die Situation der deutschen Sprache in der Welt“ von 1967 (S. 8)[14] schreibt dazu:

Deutsch war weder eine historische Verhandlungssprache (selbst der Friedensvertrag von 1871 ist nur auf Französisch abgefaßt), noch ist es eine moderne Konferenzsprache. Verhandlungssprachen in den Vereinten Nationen sind Englisch, Französisch, Chinesisch, Russisch und Spanisch. Die NATO erkennt nur Englisch und Französisch als Amtssprachen an. Im Europarat ist es nicht anders. Amtssprache ist Deutsch nur in der EWG, obwohl auch dort Französisch als „Arbeitssprache“ führend ist.

Angesichts der weiten Verbreitung und der langsam wiedererwachenden Nachfrage nach Deutsch, wurde die junge Bundesregierung bezüglich der deutschen Sprache zuversichtlicher und seit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Erhard 1965 werden allmählich einsetzende Bemühungen deutlich, Deutsch nicht nur in der Sprachlehre, sondern auch in internationaler Verwendung (als Wissenschaftssprache oder Verhandlungs- und Vertragssprache in internationalen Gremien) zur Geltung zu bringen. Diese Bestrebungen waren allerdings nicht sonderlich erfolgreich. Noch 1967 wurde darauf hingewiesen, „daß die Bundesregierung in ihren Bemühungen, Deutsch vermehrt als Arbeitssprache in internationalen Organisationen einzuführen, nicht auf die Unterstützung ihrer militärischen Verbündeten rechnen kann, zumindest nicht der angelsächsischen Länder“[15].

Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutschsprachige Länder in vielen Wissenschaften führend waren, wurde das Deutsche nach 1945 zunehmend bedeutungsloser für die Wissenschaft. Deutschkenntnisse sind natürlich auch heute noch für jeden ausländischen Wissenschaftler eine Selbstverständlichkeit, wenn er in Deutschland leben und arbeiten will. Aber der Bedarf im Ausland an Deutsch als Fach sprache beschränkt sich im Großen und Ganzen auf die Fächer Musik, Philosophie, Archäologie und Theologie.[16]

2.2 DaF an Schulen

Deutsch als Fremdsprache war vor dem Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern ein verbreitetes Schulpflichtfach an höheren Schulen. Auch diese Stellung ging ihm nach dem Krieg verloren. Es ist so gut wie nirgends mehr meistgelernte Fremdsprache oder als erste Fremdsprache obligatorisch und wird, von praktisch fehlendem Deutschunterricht z.B. in Italien bis hin zu relativ stark etablierter Stellung wie in den Niederlanden und Osteuropa, ziemlich uneinheitlich unterrichtet. Nach 1945 nahm das Englische fast überall die Spitzenposition als Fremdsprache ein. In den Ländern des Warschauer Pakts wurde Russisch als erste Fremdsprache gelernt. Gerade hier war jedoch auch das Deutsche als Fremdsprache, vor allem aufgrund der geographischen Nähe und der Existenz zweier deutscher Staaten unterschiedlicher Blockzugehörigkeit, sehr populär[17]. So kam Deutsch ungefähr gleich mit dem Spanischen an dritter oder vierter Stelle der als Fremdsprache gelernten Sprachen auf der Welt hinter Englisch und Französisch.[18]

2.3 Anteil ausländischer Studenten

Nicht zuletzt wegen der bereits angesprochenen Spitzenstellung Deutschlands in vielen Bereichen der Wissenschaft war der Ausländeranteil an deutschen Universitäten vor dem Zweiten Weltkrieg sehr hoch. 1890 stand Deutschland an der Spitze der studentischen Gastländer. Prozentsätze wie der von 1911/12 – 10,7% aller Studenten kamen damals aus dem Ausland – wurden seitdem nie wieder erreicht.[19]

Während dieses Zeitraums konnte man zumindest bei den Europäern gute Deutschkenntnisse voraussetzen. In den meisten Gymnasien gab es Deutschunterricht, in Rußland wurden sogar manchmal naturwissenschaftliche Fächer auf Deutsch unterrichtet. Adlige und reiche bürgerliche Familien stellten sich häufig einen deutschen Hauslehrer ein.[20]

Während der 20er Jahre stagnierte die Zahl der ausländischen Studenten und fiel bis zur Machtübergabe an die Nationalsozialisten derartig katastrophal, daß sie im Sommersemester 1935 mit 3940 Studenten ihren bisher tiefsten Stand erreichte.[21]

2.4 Flüchtlinge, Vertriebene, Gastarbeiter

Doch waren es nicht nur ausländische Studenten, die Deutsch konnten oder als Fremdsprache lernten bzw. lernen mußten. In noch höherem Maße als der erste Weltkrieg, war der Zweite Weltkrieg gezeichnet von Flucht, Vertreibung, Deportationen und Zwangsarbeit. Selbst nach dem Krieg ging es für Millionen von Menschen mit den Zwangswanderungen weiter.[22]

1944 gab es in allein in Deutschland fast acht Millionen ausländische Zwangsarbeiter aus insgesamt 26 Ländern. Besonders hoch war ihre wirtschaftliche Bedeutung z.B. in der Landwirtschaft oder im Bergbau, wo ihr Anteil 1944 bei 46% bzw. 36% lag. In anderen Branchen waren es sogar noch mehr; selbst für die Wehrmacht wurden Ausländer zwangsrekrutiert.[23]

1950 wurde in West- und Ostdeutschland eine Volkszählung durchgeführt, nach der insgesamt knapp 12,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene in den beiden deutschen Staaten lebten. Weitere 500000 lebten in Österreich und anderswo. Damit stand Deutschland in den frühen 50er Jahren europaweit an zweiter Stelle nach Frankreich, nahm jedoch bald den ersten Rang ein, als die große Zuwanderungswelle nach Europa kam. Im politischen Leben der BRD spielten die Vertriebenen lange Zeit eine große Rolle, in der DDR wurde ihre „Integration“ Anfang der 50er Jahre für abgeschlossen erklärt und das Thema aus der öffentlichen Diskussion getilgt.[24] Die Ausländer in Deutschland waren in vielen Fällen ein unterprivilegierter Personenkreis, die sich mit meist wenig geschätzten Beschäftigungen begnügen mußten. Das hat sich zum Teil bis heute nicht geändert.[25]

3 Wiederaufbau der auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik nach dem Krieg

Nach dem Krieg war Deutschland total zerstört und außenpolitisch fast vollständig isoliert. Zum ersten Mal seit 1814 war das gesamte Territorium Deutschlands von fremden Mächten auf unbestimmte Zeit besetzt.[26] Die Macht und die Regierungsbefugnis über Deutschland lag bei den alliierten Militärgouverneuren. Deutschlands politische Rolle war zunächst auf die eines Befehlsempfängers reduziert.[27] Den Wendepunkt zur Eigenverantwortung Deutschlands bildete die Frankfurter Konferenz von 1948. Ein Jahr später, im September 1949, trat der erste deutsche Nachkriegsstaat ins Leben. Trotzdem engten die Besatzungsmächte bis 1955 die Souveränität nach außen und nach innen stark ein und behielten sich selbst danach noch Vorbehaltsrechte.[28] Für Alter (2000, S. 79) war die Nachkriegszeit „mit ihren vielfältigen Improvisationszwängen und Einschränkungen“ erst Anfang der 60er Jahre überwunden.

Die auswärtige Kulturpolitik war während des Zweiten Weltkriegs mehr oder weniger zu einer Propagandaveranstaltung verkommen, deren erklärtes Ziel die Sympathiewerbung für ein totalitäres Regime war.[29] Natürlich ist die auswärtige Kulturpolitik eines Landes immer stark von den anderen politischen Umständen der Zeit abhängig. In Deutschland haben z.B. Regierungswechsel oder die Entwicklung des Ost-West-Konflikts das kulturpolitische Programm zum Teil sogar erheblich verändert[30]. Nach dem Krieg (und teilweise noch heute) war jedoch vor allem ein Gedanke maßgeblich für das Selbstverständnis der Bundesrepublik und ihr Vorgehen in der auswärtigen Kulturpolitik: die deutsche Kriegsschuld und –niederlage.

Es ist klar, daß in vielen Ländern nur zu verständliche Vorbehalte gegen Deutschland bestanden. Angesichts der politischen Isolierung Deutschlands gehörte es zu den Hauptzielen der Ära Adenauer, die bundesdeutsche Souveränität, die Gleichberechtigung auf internationaler Ebene und die Handlungsfreiheit in den Außenbeziehungen zu erreichen.[31]

3.1 Kultur und Zurückhaltung statt politisches Gewicht

Da Deutschland über so gut wie gar kein politisches Gewicht mehr verfügte, wurde im Gegensatz dazu großer Wert auf das gelegt, was den Krieg unversehrt überstanden hatte: die deutsche Kultur und die klassische Bildung.[32]

Doch hat die deutsche Sprache das Jahr 1945 als Bildungssprache überlebt. [...] Deutsch ist neben dem Englischen und Französischen die dritte „klassische“ Bildungssprache.[33]

Die kulturellen Beziehungen sollten das Deutschlandbild im Ausland verbessern helfen und neues Vertrauen aufbauen. Dadurch sollte die auswärtige Kulturpolitik von Anfang an die Bündnis- und die Wirtschaftspolitik als „dritte Säule“ unterstützen. Auch für Hansgerd Schulte, den ehemaligen Präsidenten des DAAD, war die Verlagerung auf den kulturellen Bereich „der zunächst einzig gangbare Weg, um Deutschland wieder zu einem Gesprächspartner zu machen“[34]. Außerdem sollte die auswärtige Kulturpolitik ganz allgemein die Tagespolitik in Krisenzeiten stabilisieren helfen.[35]

Die Betrachtung von Kultur und Kulturkunde geschah in strenger Abgrenzung zu derjenigen der Weimarer Republik und des Dritten Reiches. In der Weimarer Zeit, als der Schock über die Niederlage im Ersten Weltkrieg noch tief saß und das Selbstverständnis der Deutschen zutiefst erschüttert war, verstand man Kulturkunde nämlich als Kontrastfolie, um den Wert der eigenen Kultur als höher herauszustellen als den anderer Kulturen. Die Zeit des Nationalsozialismus hatte schließlich gezeigt, wohin eine solche Kulturbetrachtung führen konnte.[36] In der Abgrenzung von der nationalsozialistischen Kulturpolitik wollte man die deutsche Kultur als Teil der europäischen Kultur und der Weltkultur darstellen und den Austauschcharakter der Kulturbeziehungen hervorheben. Inhaltlich überwog der Rückgriff auf das klassische Bildungsgut.[37]

Der Bericht zur Situation der deutschen Sprache in der Welt von 1967 (S. 8) hebt ausdrücklich hervor, daß für eine „‘Deutschtumspolitik’ früherer Zeit“ kein Raum mehr sein kann. Das bedeutet aber nicht, daß die „Pflege des deutschen Volkstums“ nicht auch weiterhin ein wichtiges Ziel der auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik war. Sie hatte nur einen wesentlich geringeren Stellenwert als zuvor. In diesem Zusammenhang spielten diejenigen Deutschen eine große Rolle, die vor und während des Krieges ins Ausland ausgewandert waren. Von ihnen erhoffte sich die Bundesregierung, das Bild vom „anderen Deutschland“ zu erhalten und so den Wiederaufbau des Vertrauens zu unterstützen. Was die Menschen deutscher Herkunft im Ausland angeht, so darf man allerdings nicht nur diejenigen berücksichtigen, die mehr oder weniger freiwillig ins Ausland ausgewichen sind; man muß auch jene sehen, die millionenfach in „neuen Lebensraum“ zwangsumgesiedelt wurden. Das Ende des Krieges bedeutete nur für wenige das Ende der Misere. Viele „Umsiedler“ versuchten zurückzuwandern oder wurden weiter verschleppt. Deutsche Soldaten waren in 20 Staaten, v.a. in den USA, Großbritannien und der Sowjetunion als Kriegsgefangene inhaftiert. Teilweise wurden sie sogar zu Wiederaufbauarbeiten untereinander ausgetauscht.[38]

An die Stelle nationaler Leitbilder traten nunmehr Ideale von Toleranz und Kooperation, die durch sprachliche Verständigung und gegenseitige Kenntnis der Lebensbedingungen und politischen Motive gefördert werden sollten. Dabei hat gewiß auch der Wunsch eine Rolle gespielt, auf einem politisch nicht mißdeutbaren Weg die Isolation Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg zu überwinden.[39]

Eine weitere Maxime der 50er Jahre lautete „Zurückhaltung“. Man wollte zwar systematische, aber auf keinen Fall aufdringliche Werbung für Deutschland und die deutsche Sprache machen.[40]

Im Vordergrund dieser Politik stand [...] eine vorsichtige Selbstdarstellung der deutschen Kultur; es galt, die guten Seiten Deutschlands zu zeigen und das Vertrauen anderer Völker zurückzugewinnen. [...] Bei allem war das Prinzip bestimmend, nur auf ausdrücklichen Wunsch anderer Staaten tätig zu werden und sich niemandem aufzudrängen.[41]

3.2 Rolle der Sprache

Gemäß der eben erwähnten Ideale von Toleranz und Kooperation waren die Gründerjahre von dem Gedanken beseelt, „über den Unterricht in lebenden Fremdsprachen einen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Entstehen eines allgemein-europäischen Bewußtseins zu leisten“[42]. Dieses Ziel war ganz im Sinne des Alliierten Kontrollrats, dem im zerstörten und zerstückelten Deutschland der Neuaufbau des Bildungswesens unterlag. In einem Erlaß vom 25. Juni 1947[43] maß er dem Fremdsprachenunterricht die Aufgabe zu, Verständnis und Achtung für andere Völker zu erwecken. Als Voraussetzung oder Bedingungsfaktor für dieses Völkerverständnis galt also die Kenntnis von Fremdsprachen.

Der Bundestagsbericht von 1985 betont, daß die Sprachenpolitik der BRD nach dem Krieg, dem Erlaß entsprechend, schon immer eine hervorragende Rolle in der Kulturpolitik gespielt habe:

Bis Mitte der sechziger Jahre stand dabei der Gedanke im Mittelpunkt, daß ein vertieftes Verständnis für die deutsche Kultur und ihren Beitrag zur Zivilisation Kenntnisse der deutschen Sprache im Ausland voraussetzt. Durch Sprachförderung sollte der Zugang zur deutschen Kultur erleichtert und über die kulturellen Werte Deutschlands das verlorengegangene Vertrauen bei anderen Völkern wiedergewonnen werden.[44]

Ammon (1989, S. 232f.) sieht die Schwerpunktsetzung ein bißchen anders: Obwohl seit Beginn der auswärtigen Kulturpolitik gleichzeitig auch Sprachförderung betrieben wurde, besaß diese bis Anfang der 60er Jahre einen relativ niedrigen Stellenwert. Noch 1957 wurde in einer Debatte über die auswärtige Kulturpolitik die Rolle der Sprache gar nicht erwähnt. Sprachpolitik galt damals weitgehend als „Bestandteil der auswärtigen Kulturpolitik, in der Themen wie Wissenschaftskontakte mit dem Ausland, deutsche Auslandsschulen, kulturelle Außenrepräsentation der BRD, Vermittlung eines ‘realistischen’ Deutschlandbildes oder abwehrende Reaktionen und Vorbeugemaßnahmen gegen die kulturellen Außenaktivitäten der DDR im Vordergrund standen.“[45] Wenn auch die Tradition der auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands bis in die wilhelminische Zeit zurückreichte, so wurde doch im Bundestag auch darüber diskutiert, ob man die Verbreitung der deutschen Sprache weiterhin fördern oder sich mehr auf Übersetzungen verlegen solle. Ein interessanter Punkt sei hier noch erwähnt, daß man sich nämlich im Bundestag über den Nutzen deutscher Sprachkenntnisse für ausländische Lerner eher nur am Rande Gedanken machte.[46]

Schneider (2000, S. 48) meint, man könne in den Anfangsjahren der Bundesrepublik eigentlich nicht von Sprachpolitik oder Sprachverbreitungspolitik sprechen, weil es gar keine expliziten Konzepte zur Förderung der deutschen Sprache gab. Auch in der DDR wurde beobachtet, „daß die kulturellen Auslandsaktivitäten der BRD relativ konzeptionslos und sporadisch durchgeführt und daher oft in ihrer Effektivität beeinträchtigt wurden. [...] Die [bis zum Regierungsantritt Willi Brandts im Jahre 1969] praktizierte kulturelle Selbstdarstellung der BRD im Ausland unter vorzugsweiser Ausnutzung traditioneller Mittel bei ungenügender Beachtung spezifischer Zielgruppen räumte der auswärtigen Kulturpolitik der BRD [...] nur eine begrenzte Wirksamkeit ein“[47]. Die Bundesrepublik betrieb zwar spätestens seit den 60er Jahren eine verhältnismäßig kontinuierliche und immer aufwendiger werdende Sprachpolitik, aber erst 1966 kommt es „zu einer differenzierten Konzeption auswärtiger Sprachverbreitungspolitik, die damit zumindest konzeptionell auch zu einem relativ selbständigen Teil auswärtiger Kulturpolitik wird“[48].

1967 erreichte die Auseinandersetzung um die auswärtige Sprachpolitik einen Höhepunkt. Mit dem Bericht über „Die Situation der deutschen Sprache in der Welt“ äußerte sich die Bundesregierung erstmals umfassend zu ihrer Sprachpolitik. Auf der Basis einer Analyse der internationalen Stellung des Deutschen, sollte dieser Bericht einige Überlegungen zum Ausbau der Sprachförderung liefern und dadurch helfen, politische Entscheidungen über die Gestaltung der Sprachverbreitung treffen zu können. Dabei sollte besonders gezeigt werden, wo Schwierigkeiten liegen, bei wem besondere Aufnahmebereitschaft herrscht und welche Erfahrungen man mit neuen Medien, wie z.B. dem Sprachlabor gemacht hatte. Außerdem diente der Bericht weiteren Planungen zur Sprachverbreitungspolitik, wie z.B. der 1970 vom Bundestag bestellten Enquete-Kommission „Auswärtige Kulturpolitik“, als Grundlage. Ammon (1989, S. 243) sieht als einen Hauptmangel des Berichts den unzureichenden Vergleich mit „konkurrierenden“ Sprachen.

Der Mangel an Vergleichsdaten dürfte, in Verbindung mit Wunschdenken, maßgeblich zu einer teilweisen Überschätzung der internationalen Stellung der deutschen Sprache und der politischen Einwirkungsmöglichkeiten darauf beigetragen haben.

Trotzdem gibt der Bericht einen hinreichenden Überblick über die bis dahin praktizierten Mittel der Sprachverbreitung sowie eine Liste von Vorschlägen, wie die deutsche Sprache weiterhin gefördert werden könne.[49]

Entsprechend der oben erwähnten Schwerpunktverlagerung auf die deutsche Kultur, ist es ein Hauptziel im Bericht, die Stellung des Deutschen als Weltbildungssprache zu erhalten. Allerdings wird bereits deutlich, daß die Möglichkeit zur Verbreitung der deutschen Sprache von Erfolgen auf anderen Gebieten abhängig sei, vor allem im Bereich der Wissenschaften.[50]

Ihre weitere Stellung als Sprache der Wissenschaft und Technik wird aber in Zukunft von dem Grad der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wissenschaft und Technik wesentlich mitbestimmt. [...] Heute wird die Wahl des Deutschen nicht nur von zeitbedingten Sympathie- und Antipathiegefühlen bestimmt, sondern auch von der Frage der Zweckmäßigkeit als Wissenschafts- und Schulsprache. Hieraus folgt, daß die Förderung der deutschen Sprache mit der Förderung der deutschen Wissenschaft und Forschung beginnen sollte.[51]

3.3 Organisation

Die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik wurde in bewußter Abkehr von der Organisationsstruktur der NS-Zeit geregelt. Man knüpfte vielmehr an Strukturen der Weimarer Republik an, indem man die Entscheidungsprozesse weitgehend dezentralisierte und möglichst viele Aufgaben an nichtstaatliche Institutionen auf Bundes- und Länderebene delegierte.[52]

Für die allgemeine politische Abstimmung in Fragen der auswärtigen Kulturpolitik sind insbesondere die Ministerpräsidentenkonferenz und die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) zuständig.[53]

Die Ständige Konferenz der Kultusminister (KMK) wurde bereits 1948, also noch vor Gründung der Bundesrepublik, ins Leben gerufen. Hier sollten wichtige Fragen der Bildungspolitik – auch der auswärtigen Kulturpolitik – erörtert werden. Im Herbst 1949 wurde in der Verbindungsstelle des Bundeskanzleramtes zur Alliierten Hohen Kommission ein Kulturreferat geschaffen. Das Auswärtige Amt wurde erst im März 1951 gegründet. Da dieser Zeitpunkt relativ spät war, hatte das Bundesinnenministerium inzwischen ein paar kulturpolitische Aufgaben übernommen.[54] 1951 erfolgte die Gründung des Auslandsschulausschusses der KMK, der die Zusammenarbeit von Bund und Ländern koordinieren sollte. Ein Jahr später gründete die KMK den Pädagogischen Austauschdienst (PAD) als Referat beim DAAD. Seit 1955 ist der PAD selbständige Arbeitsgruppe der KMK.[55]

Aber nicht nur staatliche Behörden waren mit Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik betraut, sondern auch sogenannte „Mittlerorganisationen“. Düwell (2000, S. 107) nennt diese Organisationen scherzhaft „Quangos“ („quasi non-governmental organizations“) und spielt damit auf die „prekäre Autonomie“ dieser Institutionen an: Einerseits sind sie nichtstaatlich, rechtlich unabhängig und genießen mehr oder weniger großen Gestaltungsfreiraum, andererseits sind sie finanziell vom Auswärtigen Amt abhängig, was sie wiederum kontrollierbar macht. Viele dieser Institutionen wurden bereits vor dem Krieg gegründet[56]. Das zeigt nicht zuletzt, daß man in den „goldenen“ 20ern kulturpolitisch gesehen schon ziemlich eifrig war.[57]

Ziel all dieser Einrichtungen, seien sie nun staatlich oder nichtstaatlich, war es, die politische und moralische Isolation Deutschlands zu überwinden und wieder mit der Welt in Kontakt zu treten. Die Isolation war ja nicht unerheblich. Das Land war, was Information von außen anging, schon viele Jahre lang fast vollständig von der Welt abgeschnitten gewesen und die geistige Neugier auf ausländische, insbesondere westliche Literatur, Kunst und Wissenschaft war entsprechend groß.[58]

Mit dem Wunsch, „der heranwachsenden Generation den Blick über die Grenzen zu ermöglichen und einem unerwünschten, engstirnigen Provinzialismus [...] entgegenzuwirken“[59], stand Deutschland durchaus nicht alleine da. Die rasche Neugründung solcher Organisationen bald nach der Gründung der BRD geschah oft auf Drängen aus dem Ausland, da sie schon vorher sehr gute und für die auswärtige Kulturpolitik wertvolle Arbeit geleistet hatten. Die Initiative zur Neugründung des DAAD ging z.B. schon 1947 von der britischen Besatzungsmacht aus. Laut Sir Robert Birley, einem einflußreichen Berater der Militärregierung in Deutschland, hatte Deutschland auf dem Gebiet des akademischen Austausches sogar einen beträchtlichen Erfahrungsvorsprung:

Germany, in fact, had much more experience of Academic Exchange than we had. No one could have been more pleased than we were when the Deutscher Akademischer Austauschdienst was revived.[60]

Die Vereinigten Staaten waren zunächst nicht so wohlwollend. Sie forderten nach Kriegsende eher die endgültige Auflösung bestehender Organisationsstrukturen, wie z.B. der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (später umbenannt in Max-Planck-Gesellschaft).[61]

Diese Arbeit kann nicht auf all die Institutionen eingehen, die im Kontext der auswärtigen Kulturpolitik gegründet wurden. Einen guten und relativ aktuellen Überblick über die wichtigsten Behörden und Mittlerorganisationen geben Glück/Schmöe (o.J.), Schneider (2000) sowie die Sondernummer 1993 der Zeitschrift Fremdsprache Deutsch. Da sie für die später behandelten Lehrwerke von Bedeutung sind, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf das Goethe-Institut und, etwas kürzer, auf die Universitäten.

3.3.1 Goethe-Institut

Schon 1925 wurde in München die „Deutsche Akademie“ gegründet. 1932, dem 100. Todesjahr Goethes, wurde sie umbenannt in „Goethe-Institut zur Fortbildung ausländischer Deutschlehrer“. Wie alle anderen Institutionen auch, wurde das Goethe-Institut nach Kriegsende zunächst von den Alliierten aufgelöst. Die Neugründung, diesmal als private Einrichtung, erfolgte aber schon 1951 unter dem Namen „Goethe-Institut e.V. zur Fortbildung ausländischer Deutschlehrer“. Franz Thierfelder, der Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, spielte bei dieser Wiedergründung eine große Rolle, indem er eine rückzahlbare Starthilfe von 30000 Mark erwirkte. Ein Jahr später wurde das Goethe-Institut als „Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland“ als gemeinnütziger Verein anerkannt.[62]

Die Schilderungen Heinz Griesbachs (o.J., o.S.) machen die notdürftigen Umstände und den Improvisationszwang deutlich, der in den Anfangsjahren nach Gründung der BRD nahezu überall geherrscht haben dürfte:

Der Name „Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland“ klang zwar sehr vertrauenerweckend, aber außer einem Rundstempel, der einen soliden und erfolgversprechenden Eindruck zu geben versuchte, und der Idee war zu dieser Zeit noch nichts vorhanden, nicht einmal ein „Briefkopf“.

Obwohl das Goethe-Institut rasch anwuchs, bestand es zunächst nur aus drei Personen.

Das Goethe-Institut war der Geschäftsführer Herr Helmut Brückmann und Frau Dr. Dora Schulz, die beide in München in der Herzog Rudolf Straße 6 in zwei unglaublich primitiven „Geschäftsräumen“ residierten, unterstützt von Frau Utz, einer Halbtags-Bürokraft.

Die Bundesregierung hatte im Ausland zahlreiche Kulturinstitute gegründet, die jedoch während des Krieges konfisziert worden waren. Da man nach dem Krieg möglichst schnell möglichst viele Auslandskontakte knüpfen wollte, war es eine wichtige Aufgabe der Anfangsjahre, diese deutschen Kulturinstitute wieder einzurichten und neue aufzubauen. 1953 nahm in Athen die erste Auslandszweigstelle des Goethe-Instituts ihre Arbeit auf. Parallel dazu richtete die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes Kulturinstitute ein, das erste 1955 in Rom. Ab Anfang der 60er Jahre wurden jedoch diese vom Auswärtigen Amt eingerichteten Kulturinstitute nach und nach der Obhut des Goethe-Instituts übertragen, was ihm die Stellung als einem der bedeutendsten Träger der Sprachförderung neben den Auslandsschulen und den DAAD-Dozenturen einbrachte. 1969 gab es in 60 Ländern der Welt 112 Kulturinstitute der BRD, deren wichtigste Aufgabe die Erteilung von Sprachunterricht an Ausländer war. 1967 nahmen im Jahr durchschnittlich 65000 Erwachsene an Sprachkursen im Ausland teil.[63]

Auch die Nachfrage aus dem Ausland nach deutschen Sprachkursen in Deutschland war bald nach der Gründung des Goethe-Instituts unerwartet groß. Deshalb wurde 1953 in Reichenhall eine Inlandsunterrichtsstätte eingerichtet, der sich bald weitere Gründungen anschlossen. 1959 gab es in der Bundesrepublik und in Berlin (West) 15 Institute, 1967 waren es bereits 21. Die Teilnehmerzahlen im Inland stiegen von 1953 (mit 122 Teilnehmern) über 1967 (mit 6000 Teilnehmern) bis 1981 (mit 21.863 Teilnehmern) stetig an.[64]

Im Herbst 1952 startete in Seeshaupt am Starnberger See ein Lehrerausbildungskurs, an dem immerhin ca. 20 Interessenten für ein Auslandslektorat teilnahmen. Der Informationsaustausch mit Lehrkräften der Hochschulen wurde auch gepflegt. Ab 1962 führte das Goethe-Institut mit diesen gemeinsame Tagungen durch, bei denen Themen wie Lehrangebote, Sprachprüfungen usw. diskutiert wurden. Insofern spielte das Goethe-Institut auch eine entscheidende Rolle bei der Neubegründung von DaF im Hochschulbereich.[65]

Schließlich ging auch die Entwicklung einiger der bedeutendsten DaF-Lehrwerke von Mitarbeitern des Goethe-Instituts aus. Die für diese Arbeit relevanten Lehrwerke sind Gesprochenes Deutsch von Klee/Gerken und die Deutsche Sprachlehre für Ausländer von Schulz/Griesbach. Später wurden am Goethe-Institut Braun/Nieder/Schmöes Deutsch als Fremdsprache und Deutsch aktiv von Neuner/Scherling/Schmidt und Wilms entwickelt. Informationen von Herrn Griesbach zufolge, war Hermann Kessler bis zu dem Zeitpunkt, als er seinen eigenen Verlag gründete, ebenfalls Mitarbeiter der Deutschen Akademie bzw. des Goethe-Instituts gewesen.

3.3.2 Universitäten

Die Hochschulen waren natürlich der Schauplatz für den akademischen Austausch mit dem Ausland. Das machte sie, neben den Auslandsschulen und den Kulturinstituten, zu einem weiteren Hauptträger von DaF in Deutschland.

Die Idee des akademischen Austausches mit der Welt schien nach Kriegsende „auf unabsehbare Zeit in das Reich der Utopie gerückt“[66] zu sein. Deshalb gingen die deutschen Hochschulen, als die britische Besatzungsmacht die Neugründung des DAAD anregte, nur allzu gern auf den Vorschlag der britischen Besatzungsmacht ein, den DAAD neu zu gründen. Die schnelle Konsolidierung des Westdeutschlands, das „Wirtschaftswunder“ und der steigende finanzielle Spielraum sorgten für eine schnelle Intensivierung der Austauscharbeit und schon bald übertraf der Umfang des akademischen Austausches den der 20er und 30er Jahre bei weitem.[67]

Von 1951 bis 1955 war der DAAD sowohl für die Austauschbeziehungen deutscher Hochschulen mit dem Ausland als auch für den internationalen Lehrer-, Schüler- und Au-pair-Austausch verantwortlich; der Lehrer- und Schüleraustausch wurde dann allerdings der KMK unterstellt. Seit 1964 schloß der DAAD Abkommen über den Austausch von Wissenschaftlern.[68]

Wie und durch welche Organisationen der Austausch auch letztlich zustande kommt, spielt für den Sprachunterricht eigentlich keine Rolle. Man muß zwar unterscheiden zwischen einem regelrechten Germanistikstudium und eher praktisch ausgerichteten Sprachkursen, die der Ergänzung eines Studiums in anderen Fächern dienen, aber es versteht sich von selbst, daß der Großteil der nach Deutschland gekommenen Austauschstudenten oder –dozenten an den Universitäten Deutschunterricht hatten.[69]

3.4 Zersplitterung

Die erwähnte Dezentralisierung und Delegierung kulturpolitischer Aufgaben auf viele nichtstaatliche Träger brachte erhebliche Organisationsprobleme mit sich, die in folgendem Abschnitt kurz angesprochen werden sollen.

Da die Gründung des Auswärtigen Amts relativ spät erfolgte, hatte das Bundesinnenministerium inzwischen ein paar kulturpolitische Aufgaben übernommen. Weil diese aber eigentlich in die Zuständigkeit des AA fielen, kam es zu einer komplizierten Überlagerung der Zuständigkeiten von Auswärtigem Amt und Innenministerium, die eine reibungslose Kulturarbeit erschwerten. Auch das Presse- und Informationsamt nahm Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik wahr, das Bundeswirtschaftsministerium vergab Stipendien, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erfüllte kulturpolitische Aufgaben auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe, das Ministerium für Familien- und Jugendfragen beteiligte sich an der Förderung des internationalen Jugendaustausches. Da das Schulreferat des Auswärtigen Amtes mit der organisatorischen und pädagogischen Betreuung der Auslandsschulen allmählich überlastet war, wurde 1968 zu seiner Entlastung die Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) als Abteilung des Bundesverwaltungsamtes gegründet. Während aber das Bundesverwaltungsamt dem Innenministerium unterstellt ist, untersteht die ZfA dem Auswärtigen Amt.[70]

Eine gerade wegen der großen Anzahl staatlicher und nichtstaatlicher Stellen so wichtige Koordination ihrer unterschiedlichen Aufgaben war so gut wie nicht vorhanden. Daher wurden verschiedene Lösungsvorschläge gemacht, die sich an stärkerer Zentralisierung oder Zusammenfassung der Institutionen nach dem Vorbild Frankreichs oder des British Council orientierten. Bei der Machtübergabe an die Nationalsozialisten hatte es schon einmal Pläne zur Zusammenfassung aller kulturpolitischen Aktivitäten in einer Institution gegeben. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Lösungsvorschläge 1959 von der KMK abgelehnt wurden. Erst Anfang der 70er Jahre übernahm der Staat wieder ein bißchen mehr Kontrolle über die Aktivitäten der Mittlerorganisationen, indem er ihre Rolle in der auswärtigen Kulturpolitik festlegte. Der Staat sollte in Zukunft für die Planung und Koordinierung, die Mittlerorganisationen für die Durchführung verantwortlich sein.[71]

3.5 Ost-West-Gegensatz und Öffnung nach Osten

Die Auseinanderentwicklung der Ost- und Westzone war spätestens seit 1947/48 deutlich erkennbar und nach der Gründung der DDR im Oktober 1949 lag Deutschland an der Nahtstelle zwischen völlig entgegengesetzten Gesellschafts- und Machtsystemen. Als 1955 die Bundesrepublik einerseits und die DDR andererseits in die sich feindlich gegenüberstehenden Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt integriert wurden, schien die Trennung zwischen Ost und West ein für allemal besiegelt zu sein.[72] An eine Auflösung des Konflikts war bis auf weiteres nicht zu denken.

Die geopolitisch „heiße“ Lage des deutschen Sprachraums räumte natürlich dem Deutschen im Rahmen der Bündnis- und Kulturpolitik eine wichtige Stelle ein. Außerdem bemerkte man schon Ende der 50er Jahre ein steigendes Interesse des Ostblocks an der deutschen Sprache. Daß das Verhältnis der beiden deutschen Staaten auch im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik alles andere als harmonisch war, braucht kaum noch erwähnt zu werden.[73]

Primäres Ziel der Sprach- und Kulturpolitik der DDR war es zunächst, im In- und Ausland die „sozialistischen Bruderländer solidarisch zu unterstützen“ und jungen Nationalstaaten bei der Heranbildung ihrer nationalen Intelligenz zu helfen. Später ging es dann um eine weltweite Anerkennung der DDR und eine systemstabilisierende und -propagierende Außenpolitik.[74] Noch 1985 schreibt die Bundesregierung in ihrem Bericht, die DDR wolle mit ihrer Sprachpolitik Sympathie für sich und den marxistisch-leninistischen Sozialismus gewinnen. Der Sprachunterricht galt der Selbstdarstellung der DDR als „sozialistischen“, „fortschrittlichen“ und „friedliebenden“ Staat. Von dieser Art der Selbstdarstellung wollte sich die BRD zwar bewußt abgrenzen, ihr ging es aber trotzdem darum, gerade in blockfreien Staaten „nicht nur deutschlandpolitische Präsenz zu zeigen, sondern auch dem kulturellen Einfluß der UdSSR und ihrer Verbündeten, insbesondere der DDR, entgegenzuwirken“.[75]

Im Grunde genommen versuchte jede Seite, die jeweils andere anzuschwärzen, und in der Literatur gibt es zahlreiche Hinweise auf ein ausgesprochen feindseliges Konkurrenzdenken. So schreibt z.B. die Bundesregierung in ihrem Bericht von 1967 (S. 9) über die Sprachpolitik in Ostdeutschland:

Die Behörden im anderen Teil Deutschlands haben Sprachförderung und Forschung politisiert und sind bemüht, im Ausland als einzige, fortschrittliche Erben deutschen Geistes und deutscher Sprachwissenschaften zu erscheinen. Eine Zusammenarbeit der Institute und Sprachwissenschaftler in beiden Teilen Deutschlands scheitert in der Regel an politischen Auflagen.

Es wird auch aus einem Brief zitiert, den das Ostberliner Institut für deutsche Sprache und Literatur der Akademie der Wissenschaften am 14. April 1967 dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim geschickt hat. Darin geht es um die „ideologischen Unterschiede“ zwischen einer östlichen und einer westlichen Variante des Deutschen:

Von wem aber die sprachliche Entfremdung ausgeht, von der DDR, die die Dinge beim wahren Namen nennt, oder von Westdeutschland, wo die herrschende Klasse die Sprache mißbraucht, um ihre bösen Gedanken zu verbergen, ist nicht schwer zu entscheiden. [...] Das ganze Problem ist indessen – wie alle Fragen der Einheit der Nation – nicht von der bloßen staatlichen Spaltung abhängig, sondern vielmehr vom Klassengegensatz, von den „zwei Nationen innerhalb der Nation“ (Lenin).[76]

Zwar ist dieser Brief sicherlich auch zum Zweck der Anti-DDR-Propaganda „handverlesen“, aber es wird jedenfalls deutlich, daß die Gegnerschaft nicht so schnell zu überwinden sein würde.

Dem Bericht sind noch viele weitere Belege für das Konkurrenzdenken gegenüber Ostdeutschland zu entnehmen. Die Aktivitäten der DDR wurden aufmerksam und mit Mißtrauen beobachtet. Meldungen wie die folgenden sollten – sicherlich nicht ohne eine gehörige Portion Panikmache – Westdeutschland zu Gegenmaßnahmen auffordern:

Auf dem Gebiet der Gegenwartssprache wirkt die ostdeutsche Arbeitsstelle „Strukturelle Grammatik“ besonders stark im Ausland und pflegt enge Verbindungen nicht nur mit den Ostblockstaaten, sondern vor allem auch mit den USA und Frankreich. Vor Gründung des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache war allein das Berliner Institut [...] für das Ausland repräsentativ, wie aus ausländischen Verlautbarungen deutlich hervorgeht. Das Ostberliner Institut ist personell und materiell sehr großzügig ausgestattet [...]. Das Mannheimer Institut ist im Vergleich dazu sehr bescheiden [...] und hat es schwer, sich neben dem Ostberliner Institut durchzusetzen. [...] Das Herder-Institut ist bemüht, dem Übergewicht der rund 120 Goethe-Institute in den Ländern außerhalb des Ostblocks entgegenzuwirken. [...] Aus den osteuropäischen Ländern ist bekannt, daß die SBZ nur gründlich geschulte Kräfte ins Ausland entsendet. [...] Die SBZ scheut keine Mittel, um mit brauchbaren Fach- und Sachbüchern, die im Ausland mehr als Propaganda-Literatur gefragt sind, ihre Position besonders in den Entwicklungsländern zu verstärken.[77]

Der Bericht Düwells (2000, S. 114f.) liest sich wie die Schilderung eines zähen Ringens um jeden Meter des kulturpolitischen Bodens:

Tatsächlich gelang es Ostberlin zwischen 1959 und 1972, neben dem akademischen Austausch mit den „sozialistischen Bruderländern“ auch Austauschbeziehungen mit einer Reihe von Entwicklungsländern aufzunehmen. [...] Das Herder-Institut an der Karl-Marx-Universität hat dabei in größerer Zahl Vorbereitungskurse für ein Studium von Ausländern in der DDR organisiert [...]. Dies hat in der Phase des Kalten Kriegs [...] zu verstärkten Anstrengungen der Bundesrepublik Deutschland geführt, den akademischen Austausch im allgemeinen und mit der Dritten Welt im besonderen zu intensivieren.

Schulte (1976, S. 25) nennt die DDR das „scheinbar effizientere, aber wenig glaubwürdige zentralistisch oder totalitär gelenkte“ System. All diese Äußerungen spiegeln die „für die damalige Zeit typische Befangenheit im Ost-West-Gegensatz“[78] wider.

In den 50er und 60er Jahren beanspruchte die Bundesrepublik die alleinige Vertretung auf kulturellem Gebiet. Bei der Selbstdarstellung nach außen wurde auf die Propagierung der kulturellen Einheit Deutschlands Wert gelegt, wogegen sich die DDR den Berichten zufolge sträubte.[79]

Während wir uns bemühen, das kulturell Verbindende zwischen den beiden Staaten in Deutschland zu erhalten, [...] möchte sich die DDR-Regierung von uns kulturell „abgrenzen“, ihrer Bevölkerung objektive Informationen über die Bundesrepublik Deutschland verwehren und die kulturelle Zusammenarbeit mit uns verhindern.[80]

In der DDR selbst wird das gleiche Problem natürlich anders herum interpretiert:

Hinzu kommt, daß solche Vorstellungen von einem „einheitlichen deutschen Sprach- und Kulturraum“ von jenen Politikern der BRD genährt werden, die die irreale Theorie von den „besonderen innerdeutschen Beziehungen“ vertreten und damit die Herstellung normaler völkerrechtlicher Beziehungen zwischen zwei souveränen Staaten verzögern möchten.[81]

Die strikte Abgrenzung von der DDR wurde schon 1955 Teil einer klaren politischen Linie. In der sogenannten Hallstein-Doktrin erklärte die Bundesregierung, daß sie mit keinem Staat Beziehungen aufnehmen werde, der seinerseits Beziehungen zur DDR unterhält. Diese Umstände brachten es mit sich, daß in der auswärtigen Sprach- und Kulturarbeit der 50er und 60er Jahre die Länder Mittel- und Osteuropas und die UdSSR fast gar nicht berücksichtigt wurden. Der Hauptanteil entfiel auf die Verbündeten in Westeuropa und Nordamerika.[82]

1959 vereinbarte die Bundesregierung als „ersten vorsichtigen Ausgleich für die bis dahin einseitige Orientierung des Austausches nach Westen“[83] einen Studenten- und Wissenschaftleraustausch mit der Sowjetunion. Die Annäherung an den Osten blieb aber zunächst „vorsichtig“. Von den bis 1969 geschlossenen 28 Kulturabkommen gab es nur eines mit dem sozialistischen Jugoslawien sowie befristete Austauschvereinbarungen mit der UdSSR (1959) und Rumänien (1969). Nach und nach, spätestens nach Abschluß des deutsch-sowjetischen Vertrages im Jahre 1970, wurden die Grundsätze der Hallstein-Doktrin aufgegeben und es erfolgte ein politischer Entspannungsprozeß zwischen kapitalistischen und sozialistischen Ländern. Dies schuf günstigere Voraussetzungen für ein friedlicheres Zusammenleben der beiden Gesellschaftssysteme, was wiederum die Bedeutung des internationalen Kulturaustausches erhöhte.[84] Die DDR-Wissenschaftler Hirschler und Neumann (1986, S. 59) schreiben dazu:

Die 1969 an die Regierung gekommene sozialliberale Koalition der BRD zeichnete sich gegenüber vorangegangenen Regierungen durch größere Flexibilität und erhöhte Anpassungsfähigkeit aus.

Bedeutsam ist, daß sich die kulturelle Öffnung nach Osten viel früher vollzogen hatte als die politische, ja daß die kulturelle Öffnung die politische überhaupt erst ermöglicht hatte. Der Wissenschafts- und Kulturaustausch konnte hier Brücken zwischen den verfeindeten Blöcken schaffen, als politisch schon fast alle abgebrochen waren.[85]

Nicht zum erstenmal bahnte also der bilaterale wissenschaftliche und kulturelle Austausch der Politik den Weg auf einem schwierigen Terrain. [...] Zu einem Zeitpunkt, an dem der „Kalte Krieg“ zwischen Ost und West kaum noch kälter werden konnte [...].[86]

4 Das Fach Deutsch als Fremdsprache nach dem Krieg

4.1 DaF vor 1945

Wie bereits erwähnt, war der Ausländeranteil an deutschen Universitäten vor den Weltkriegen ziemlich hoch. Der prozentuale Anteil stieg sogar während der Zeit des Nationalsozialismus, was aber nur daran lag, daß die Zahl deutscher Studenten schneller fiel als die der ausländischen. Im Wintersemester 1938/39 studierten 4337 Ausländer in Deutschland.[87]

Die neuere Geschichte des Faches Deutsch als Fremdsprache beginnt an der Universität Leipzig. Hier wurden erstmals im Wintersemester 1910/11 Deutschkurse angeboten, die sich besonders an Ausländer richteten. 20 Jahre später boten bereits die meisten Hochschulen Deutschlands solche Sprachkurse an, während den Ferien wurden sogar an vielen Universitäten Internationale Ferienkurse durchgeführt.[88]

Mehr als die Hälfte aller ausländischen Studenten studierte in Berlin und München. Im Falle Berlins führte das 1922 zur Gründung einer eigenständigen Einrichtung, die ausschließlich für den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache zuständig war, dem „Deutschen Institut für Ausländer“ (DIfA).[89] Es dauerte nicht lange, bis an anderen Orten entsprechende Einrichtungen geschaffen wurden. Ihr Name variierte von „Akademische Auslandsstelle“ zu „Abteilung für Auslandswissenschaft, Austauschdienst und Auslandsbetreuung“, doch waren sie alle bezüglich ihres Aufgabenbereichs Vorgänger der heutigen „Akademischen Auslandsämter“. Die Leiter dieser Auslandsstellen waren meistens auch für die Deutschkurse verantwortlich. Walter Weber, dessen Lehrwerk Deutsch für Ausländer Hermann Kessler neu bearbeitete, war Leiter der Sprachkurse am DIfA.[90]

Für Eggers (1990, S. 86) gilt das DIfA als die „Keimzelle des Faches Deutsch als Fremdsprache“. Jedenfalls kann man es wohl als die erste amtliche und nichtkommerzielle deutsche Einrichtung betrachten, in der Deutsch als Fremdsprache mehr oder weniger institutionalisiert war. Helm von Faber (1990, S. 10) sieht den institutionellen Beginn von DaF bei der Deutschen Akademie in München (dem späteren Goethe-Institut). Da dieses aber erst 1925 gegründet wurde, muß man hier dem DIfA den ersten Platz einräumen. Im Gegensatz zu den Auslandsämtern anderer Universitäten begnügte man sich hier nicht nur mit Sprachunterricht, sondern legte auch besonderen Wert auf die soziale Integration der Studenten.[91]

4.2 DaF nach dem Krieg. Neubeginn und Konstituierung des Faches

Es darf nicht verwundern, daß die Wiederaufnahme des Fremdsprachenunterrichts nach dem Nationalsozialismus und den Wirren des Kriegsendes zunächst mehr von dem Wunsch gekennzeichnet war, Altes fortzuführen als Neues zu beginnen.[92]

Diese Aussage trifft sicherlich auch auf den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache zu, wo die für die Sprachausbildung maßgeblichen Personen vielfach bereits in der Weimarer Republik und im Dritten Reich tätig waren. Bei dem Versuch, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen, griffen sie nicht selten auf Maßnahmen aus früherer Zeit zurück.[93] Im Zusammenhang mit der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg wird heute oft kritisiert, daß personelle Kontinuitäten, wie sie sich in ungebrochenen Karrieren widerspiegeln, für einen Neuanfang wenig überzeugend gewesen seien.[94] So schreiben auch Christ/Hüllen (1995, S. 566), daß „eine intensive Auseinandersetzung mit den ideologischen und pädagogischen Verwerfungen der zwölf Jahre Diktatur“ zunächst ausblieb und dies sogar „durchaus im Einklang mit einem großen Teil der öffentlichen Meinung“ geschah.

Wer hätte aber andererseits die jahrelange Erfahrung dieser Personen ersetzen können?

Im WS 1947/48 waren 8,2% aller Studenten in Deutschland Ausländer. Das war nicht unbedingt wenig. Diese angesichts der Umstände ziemlich hohe Zahl erklärt sich durch den hohen Anteil ehemaliger Zwangsarbeiter, Kriegsgefangener und sogenannter „displaced persons“. Am 1.3.1949 betrug ihre Zahl über 410000. Unterstützt von der International Refugee Organisation, verließen viele von ihnen Deutschland so bald sie konnten und die Ausländerquote an Universitäten und Technischen Hochschulen sank im Wintersemester 1950/51 auf einen Tiefstand von 1,8% (!).[95]

Nun war aber die Bundesrepublik stark daran interessiert, ihr internationales wissenschaftliches Ansehen wiederzugewinnen und Ausländer an ihre Hochschulen zu holen. Daher bestand zunächst freier Zugang für Studenten aller Nationen zu den Universitäten der BRD und West-Berlins, wodurch die Zahl der ausländischen Studierenden auch rasch wieder anstieg. Sie stieg sogar so schnell, daß die Hochschulen auf den großen Ausländeransturm gar nicht vorbereitet waren.[96]

Ausreichende Sprachkenntnisse wurden einfach vorausgesetzt und nicht weiter überprüft. Man stellte allerdings bald fest, daß viele der nach Deutschland kommenden Studenten so gut wie gar kein Deutsch konnten. Dies lag sicherlich auch an der kriegsbedingten Rückläufigkeit des Deutschunterrichts im Ausland, aber da es so nicht weitergehen konnte, empfahl die Westdeutsche Rektorenkonferenz 1959, eine strengere Auswahl ausländischer Studenten auf der Grundlage ihrer Sprachkenntnisse zu treffen. Die daraufhin an den Universitäten eingerichteten Sprachprüfungen stellten zunächst noch höchst unterschiedliche Anforderungen und brachten so schlechte Ergebnisse, daß man sich veranlaßt sah, studienvorbereitende Deutschkurse durchzuführen. Zu diesem Zweck wurden zwischen 1959 und 1963 18 Studien- und Vorstudienkollegs gegründet, die noch heute bestehen. Erst 1961 erarbeitete die Ständige Konferenz der Kultusminister „Grundsätze für die Zulassung von Studienbewerbern nichtdeutscher Staatsangehörigkeit mit ausländischem Reifezeugnis zum Studium an wissenschaftlichen Hochschulen in der Bundesrepublik“, in denen die Vereinheitlichung der (recht hohen) sprachlichen Anforderungsprofile der Studienkollegs und Hochschulen empfohlen wurde.[97]

Ansonsten überließ man die Einrichtung von Sprachkursen in der Regel den Akademischen Auslandsämtern, was einen entscheidenden Nachteil hatte: Deutsch als Fremdsprache wurde zur Verwaltungssache und somit auf lange Sicht abgeschnitten von den Wissenschaften, die sich mit Sprachvermittlung beschäftigten.[98]

Es dauerte [...] einige Nachkriegsjahrzehnte und bedurfte wohl auch einer ständig steigenden Zahl ausländischer Studierender, ehe sich dieser Bereich aus dem Schattendasein administrativer Umklammerung befreien und sich in Institutionen der Lehre und Forschung einbringen konnte.[99]

Ammer (1988, S. 33f.) nennt noch einen anderen Grund, warum sich DaF erst so spät entwickeln konnte: Weil er während der Zeit des Nationalsozialismus zu Propagandazwecken mißbraucht worden war, wurde der Deutschunterricht nach dem Krieg zunächst einmal zurückgestellt. Das allmählich wieder einsetzende Interesse an der Förderung des Deutschen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre erkenne man u.a. daran, daß endlich Curricula, Prüfungen usw. geschaffen wurden.

Die Qualität des Unterrichts war eher mangelhaft. Meist wurde er von Studienräten gehalten, die außer guten Deutschkenntnissen nicht viel vorweisen mußten, um einen Lehrauftrag zu bekommen. Zudem war das Berufsbild des „Sprachlehrers“ alles andere als attraktiv. Die soziale und rechtliche Absicherung war schlecht, es gab kaum hauptamtliche Stellen und die Bezahlung war ebenfalls miserabel. Sprachlehrer wurde man damals in der Regel „zufällig“, wenn man sonst keine bessere Arbeit bekam.[100] Dies war durchaus nicht nur ein Phänomen der Deutschausbildung, sondern betraf gleichermaßen den Unterricht in allen anderen modernen Fremdsprachen. So sieht auch Pürschel (1989, S. 450) den entscheidenden Mangel der Fremdsprachenausbildung vor 1970 darin, daß die einzige Qualifikation der Lehrer darin bestand, die betreffende Sprache als Muttersprache zu sprechen. Auf die Vermittlung einer Fremdsprache waren sie weder theoretisch noch praktisch vorbereitet. Da die ausländischen Dozenten häufig nach Deutschland kamen, um ihre germanistischen Studien zu vervollkommnen, erteilten sie den Sprachunterricht nur nebenbei.

Die Germanistik in Deutschland war aber auch gar nicht auf die Ausbildung von Deutschlehrern eingestellt. Besonders für Interessenten aus dem Ausland, wo die Nachfrage nach Deutschlehrern groß war, kam ein Studium in Deutschland schon allein wegen der langen Dauer oft nicht in Frage.[101] Ab 1952 führte das Goethe-Institut Ausbildungslehrgänge für junge Sprachlehrer durch. Dies waren aber weniger „Veranstaltungen mit strenger Lehrgangs-, Informations- und Prüfungsrationalität“ als „Gelegenheit menschlicher Kontaktnahme [sic!] und Aussprache“[102].

Die damaligen Aufgaben hießen „ins Wasser springen und nicht untergehen“, Versuch und Irrtum, Risikobereitschaft, Übernahme von Eigenverantwortung ohne das stabilisierende Korsett einer allgemein anerkannten, durchrationalisierten, mittels fester Vorschriften und Verordnungen bis in die kleinsten Bereiche abgesicherten Institution in Anspruch nehmen zu können.[103]

Später richtete das Goethe-Institut auch einen zwanzigmonatigen Ausbildungsgang für ausländische Deutschlehrer ein, den von 1956 bis 1966 380 Lehrer aus dem Ausland absolviert hatten. Besser bezahlt wurde der Deutschunterricht aber trotzdem nicht. Ein Goethe-Dozent erhielt für Kurse, in denen er als Lehrer und Betreuer rund um die Uhr im Einsatz war, 200 DM brutto im Monat.[104]

Als akademisches Fach war Deutsch als Fremdsprache nach dem Krieg weder definiert noch institutionalisiert und mußte sich ebenfalls erst noch entwickeln. Dabei ist es durchaus nicht so, daß man sich nur in Deutschland Gedanken über eine wissenschaftlich fundierte Vermittlung von Sprachen Gedanken gemacht hat. Vielmehr war es eine generelle Tendenz in der Sprachwissenschaft, daß die Philologien endlich die Wichtigkeit der Erforschung der Sprachvermittlung als wissenschaftliche Aufgabe erkannt hatten. Impulse und Ideen internationaler Tagungen und Konferenzen flossen ebenso in die DaF-Entwicklung ein wie eigene Erkenntnisse und Erfahrungen. Wesentliche Ansätze und Fortschritte in dieser Entwicklung vollzogen sich aber dennoch außerhalb der Hochschulen, an der Front der Sprachvermittlungspraxis.[105]

[...]


[1] Wenn in dieser Arbeit von Lesern, Schülern, Lehrern usw. die Rede ist, dann meine ich natürlich auch alle Leser innen, Schüler innen, Lehrer innen usw.

[2] Christ (1981), S. 230ff.

[3] Glück (1994), S. 238.

[4] Vgl. auch Wolf (1978), S. 2; Richards/Rodgers (1995), S. 24f.

[5] Quetz, Lothar (1976): Untersuchungen zum Einfluß eines Lehrbuches auf die kommunikative Struktur des Englischunterrichts. In: Zielsprache Englisch, Heft 1, S. 20-28. Untersucht wurde der Englischunterricht in der Erwachsenenbildung.

[6] Dietrich (1979); Krumm (1994), S. 27.

[7] Krumm (1994), S. 27.

[8] Latour (1989), S. 75.

[9] Vgl. auch Latour (1989), S. 76.

[10] Als Quellen habe ich die Beiträge von Ammer, Kast, Funk, Götze, Mebus, Müller, Krumm und Sturm in Kast/Neuner (1994) herangezogen, sowie auch Engel u.a. (1978), Heyd (1991), Krumm/Stickel/Wierlacher (1980) und Heuer/Müller/Schrey (1970).

[11] Witte (1987), S. 160.

[12] Laut Huneke/Steinig (1997, S. 32f.) sprechen 92 Mio. Menschen in West- und Osteuropa Deutsch als Muttersprache. Somit ist das Deutsche nach Russisch (mit 115 Millionen Sprechern) und weit vor Französisch und Englisch die meistgesprochene Sprache in Europa.

[13] Ammon (1989), S. 233ff.; Huneke/Steinig (1997), S. 30f.

[14] Im folgenden zit. als Bericht 1967.

[15] Ammon (1989), S. 233ff.

[16] Huneke/Steinig (1997), S. 31; Sturm (1987), S. 17.

[17] Seit ca. 1987 kam die Möglichkeit, nach Deutschland auszusiedeln, als zusätzliche Motivation dazu. Durch den Zusammenbruch im Osten und die Wiedervereinigung bekam das Deutsche im Osten großen Zulauf. An der generellen Stellung änderte sich aber nicht viel. Vgl. dazu Ammon (1991), S. 432; Glück (1994), S. 219; Sturm (1987), S. 17.

[18] Ammon (1991), S. 431f.; Ammon (1993), S. 12; Nelde (1975), S. 40f.; Stark (2000), S. 25.

[19] Eggers/Palzer (1980), S. 103.

[20] Eggers (1990), S. 84; Eggers/Palzer (1980), S. 104f.

[21] Albert (1998), S. 11f.; Eggers/Palzer (1980), S. 105f.; Laitenberger (1976), S. 267f. Laitenberger (1976, S. 269) gibt dabei zu bedenken, daß ein Rückgang der ausländischen Studierenden von den Nationalsozialisten insofern gern in Kauf genommen wurde, als er auch eine große Zahl jüdischer Studenten betraf.

[22] Bade (2000), S. 284f.

[23] Bade (2000), S. 287ff.; vgl. auch Glück/Sauer (1990), S. 94ff.

[24] Bade (2000), S. 297ff.; vgl. auch Glück/Sauer (1990), S. 94ff.

[25] Blei (1996), S. 264f.

[26] Christ/Hüllen (1995), S. 566.

[27] Benz (1998a), o.S.

[28] Benz (1998b), o.S.; Schneider (2000), S. 43.

[29] Laitenberger (2000), S. 47.

[30] Ammon (1989), S. 229.

[31] Alter (2000), S. 79; Schneider (2000), S. 43.

[32] Ammon (1989), S. 239.

[33] Bericht 1967, S. 8.

[34] Schulte (1976), S. 19.

[35] Schneider (2000), S. 44ff.

[36] Hüllen (1981), S. 27.

[37] Schneider (2000), S. 45.

[38] Bade (2000), S. 296ff.; Schneider (2000), S. 45. Vgl. auch Glück/Sauer (1990), S. 94ff.

[39] Hüllen (1981), S. 28.

[40] Schneider (2000), S. 63.

[41] Auswärtiges Amt (1986): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Bericht der Bundesregierung. 2. Aufl. Bonn (1. Aufl. 1985), S. 9; Im folgenden zit. als Bericht 1985.

[42] Hüllen (1981), S. 28.

[43] Vgl. Christ/Liebe (1978), S. 87.

[44] Bericht 1985, S. 11f.

[45] Ammon (1989), S. 232.

[46] Ammon (1989), S. 235.

[47] Hirschler/Neumann (1986), S. 60.

[48] Ammon (1989), S. 231, 237.

[49] Ammon (1989), S. 240ff.; Bericht 1985, S. 12; Schneider (2000), S. 48ff.

[50] Ammon (1989), S. 239; Schneider (2000), S. 50.

[51] Bericht 1967, S. 8.

[52] Schneider (2000), S. 50.

[53] Schneider (2000), S. 52.

[54] Christ/Hüllen (1995), S. 567; Schneider (2000), S. 51.

[55] Schneider (2000), S. 52f.

[56] IfA 1917, AvH 1925, DAAD 1924/1931, Goethe-Institut 1932.

[57] Eggers (1990), S. 86; Eggers/Palzer (1980), S. 108.

[58] Düwell (2000), S. 108; Schneider (2000), S. 61.

[59] Alter (2000), S. 58.

[60] Auszug aus einem Brief Robert Birleys anläßlich des 50-jährigen Jubiläums des DAAD. Zit. aus: DAAD (1976), S. 47.

[61] Albert (1998), S. 11f.; Alter (2000), S. 55ff.

[62] Faber (1990), S. 10; Griesbach (o.J.), o.S.; Schneider (2000), S. 54.

[63] Bericht 1985, S. 9; Schneider (2000), S. 54f. Der Bericht 1967 (S. 14) nennt für 1967 117 Institute. Das hieße, daß in den folgenden zwei Jahren 5 Institute wieder geschlossen worden wären.

[64] Ammon (1991), S. 465f.; Bericht 1967, S. 14.

[65] Eggers (1990), S. 90f.; Griesbach (o.J.), o.S.

[66] Alter (2000), S. 55.

[67] Albert (1998), S. 12f.; Alter (2000), S. 55ff.

[68] Alter (2000), S. 69; Schneider (2000), S. 56.

[69] Ammon (1991), S. 456.

[70] Bericht 1985, S. 10; Schneider (2000), S. 51f.

[71] Hirschler/Neumann (1986), S. 60f.; Schneider (2000), S. 58f.; Schulte (1976), S. 20.

[72] Bundeszentrale für politische Bildung (1998), o.S.

[73] Ammon (1989), S. 233; Beyermann (1985), S. 380.

[74] Blei (1994), S. 291.

[75] Bericht 1985, S. 25; Schneider (2000), S. 47.

[76] Bericht 1967, S. 9.

[77] Bericht 1967, S. 9f.

[78] Ammon (1989), S. 234.

[79] Schneider (2000), S. 46.

[80] Steltzer, Hans Georg (1971): Die Rolle der Auslandsschulen in der Auswärtigen Kulturpolitik. In: Der deutsche Lehrer im Ausland 11, S. 294. Zit. nach Ammon (1988), S. 23.

[81] Herrde, Dietrich (1971): Landeskunde als integrierter Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts. In: Deutsch als Fremdsprache 6, S. 322. Zit. nach Ammer (1988), S. 40.

[82] Meyers (1992); Schneider (2000), S. 56ff.

[83] Alter (2000), S. 74.

[84] Hirschler/Neumann (1986), S. 59; Meyers (1992); Schneider (2000), S. 59f.

[85] Beyermann (1985), S. 380.

[86] Alter (2000), S. 81.

[87] Eggers/Palzer (1980), S. 105f.; vgl. Kap. 2.3.

[88] Albert (1998), S. 7; Eggers/Palzer (1980), S. 108.

[89] Albert (1998), S. 7ff.

[90] Eggers (1990), S. 86.

[91] Eggers/Palzer (1980), S. 108. Die soziale Integration ausländischer Studenten ist selbst heute noch keine Selbstverständlichkeit. Noch 1980, als der internationale Austausch schon längst in wohlorganisierten Bahnen verlief, wurde auf dem Bonner Symposium „Brücke über Grenzen“ auf die Gefahr der Isolierung ausländischer Gäste in Deutschland hingewiesen. Vgl. dazu Düwell (2000), S. 119.

[92] Christ/Hüllen (1995), S. 565.

[93] Christ/Hüllen (1995), S. 565.

[94] Diese Kontinua bestanden tatsächlich und eine Reihe von Personen, die in dieser Arbeit genannt werden, sind in einem mehr oder weniger dichten Beziehungsgeflecht verstrickt.

Franz Thierfelder, den ich häufig zitiere, war als Opportunist in dieser Hinsicht nicht unproblematisch. Bis 1938 war er Präsident der Deutschen Akademie. 1932 gründete er die Goethe-Instituts-Zeitschrift Deutsch im Ausland. Ab 1939 war Magda Gerken, die Koautorin des Lehrwerks Gesprochenes Deutsch bei dieser Zeitschrift seine ständige Mitarbeiterin. Deutsch im Ausland wurde zwar 1944 eingestellt, 1951/51 aber unter dem Titel Deutschunterricht für Ausländer (1970 umbenannt in Zielsprache Deutsch) neu herausgegeben – von Franz Thierfelder. (Schürmer 1979, S. 208ff.)

Schürmer (1979) weist Thierfelders Neigung zum Nationalsozialismus nach, wovon natürlich in Thierfelders Nachkriegsveröffentlichungen nirgendwo mehr die Rede ist. 1952 wurde Thierfelder Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart und war in dieser Funktion maßgeblich am Aufbau des neuen Goethe-Instituts beteiligt. (Griesbach o.J., o.S.; Schürmer 1979, S. 227) Die Deutsche Sprachlehre für Ausländer von Heinz Griesbach und Dora Schulz plante auch er mit (Thierfelder 1956, S. 107). Dora Schulz war schon vor 1945 Lektorin der Deutschen Akademie und Gründungsmitglied des neuen Goethe-Instituts. Für die Zeitschrift Deutschunterricht für Ausländer war sie Schriftleiterin, am IfA war sie verantwortlich für die Literaturübersicht Hilfsmittel für den Deutschunterricht. (Schürmer 1979, S. 208ff.; Thierfelder 1956, S.117ff.)

[95] Eggers/Palzer (1980), S. 109; Glück/Sauer (1990), S. 94.

[96] Eggers (1990), S. 90.

[97] Eggers (1990), S. 89; Eggers/Palzer (1980), S. 108ff.; Faber (1990), S. 11. An dieser Stelle muß nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß es hier lediglich um ausländische Studierende in Deutschland geht. Die Gesamtzahl der Ausländer in Deutschland war und ist natürlich viel größer. Viele von ihnen hatten niemals richtigen Deutschunterricht und bis heute gibt es keine verbindlichen Regelungen, ob und wie die Sprachkenntnisse z.B. von Gastarbeitern zu überprüfen sind. In den 80er Jahren berichtete Glück (1985, S. 25ff.) von Behörden, die die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen von schriftlichen Proben in Form von Diktaten, Briefen, Aufsätzen o.ä. abhängig machten. Die Bewertung wurde von den Behörden selbst (!) vorgenommen. Die Frage, ob Ausländer in Deutschland Sprachkenntnisse nachweisen können müssen oder zu Sprachkursen verpflichtet werden sollen, wird auch heute noch heiß diskutiert.

[98] Egger/Palzer (1980), S. 111; Eggers (1990), S. 90.

[99] Eggers (1982), S. 12.

[100] Eggers (1990), S. 90; Eggers/Palzer (1980), S. 108ff.

[101] Bericht 1985, S. 9.

[102] Faber (1990), S. 25.

[103] Faber (1990), S. 25.

[104] Bericht 1985, S. 9; Griesbach (o.J.), o.S.

[105] Eggers/Palzer (1980), S. 115; Faber (1990), S. 12.

Ende der Leseprobe aus 166 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung der ersten Erwachsenenlehrwerke für Deutsch als Fremdsprache nach dem Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung ihres Deutschlandbildes
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Institut für Deutsch als Fremdsprache an der Uni Bamberg)
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
166
Katalognummer
V14834
ISBN (eBook)
9783638201353
Dateigröße
2050 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entstehung, Erwachsenenlehrwerke, Deutsch, Fremdsprache, Zweiten, Weltkrieg, Berücksichtigung, Deutschlandbildes
Arbeit zitieren
Stefan Deinzer (Autor:in), 2001, Die Entstehung der ersten Erwachsenenlehrwerke für Deutsch als Fremdsprache nach dem Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung ihres Deutschlandbildes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14834

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