Theodizeefrage im Islam


Hausarbeit, 2009

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung

Hauptteil
1. Allgemeines
2. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch im Islam
3. Das Böse
4. Geduld

Schluss

Quellenangabe

Einleitung

Artikel aus „Der Spiegel‘[1] uber die Flutkatastrophe in Istanbul vom 09.September.2009:

„Nach heftigen Unwettern ist der Grofiraum Istanbul von meterhohen Flutwellen heimgesucht worden. Mindestens 30 Menschen starben, zahllose andere versuchten verzweifelt, sich vor den Wassermassen in Sicherheit zu bringen. (...) Bis zu zwei Meter hohe braune Fluten walzten sich am Mittwoch durch die turkische Millionenmetropole am Bosporus. Medien berichten, das Wasser sei „wie ein Tsunami“ uber Istanbul hereingebrochen undzeigen dramatische Bilder. (...) U.a. wie ein 4- jahriges Madchen aus den Handen ihrer Mutter gerissen und in den Tod gespult wird, wahrend sich die Mutter und die Schwester der Kleinen retten konnten.“

Die Flutkatastrophe erfasste in Istanbul viele an einem gewohnlichen Arbeitstag. Trotz Regen und Vorwarnungen waren hunderte von Menschen unterwegs, da sie sich aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen auch an einem solchen Tag nicht freinehmen konnten und zur Arbeit mussten. 30 von ihnen wurden in den Tod gerissen, unter diesen ein 4-jahriges Madchen, welches die Mutter nicht langer halten konnte und somit gezwungen war die Tochter der Flut zu 'uberlassen'. Das Madchen wurde zunachst vermisst, als man sieben Tage nach der Flut ihre Leiche finden konnte. Die Mutter gab in diesen sieben Tagen uber den turkischen Nachrichtensender ntv[2] eine Vermisstenanzeige auf und erwahnte mehrmals, dass sie als eine glaubige Muslimin ihre religiosen Pflichten noch nie vernachlassigt hatte und deshalb auf die Gute Gottes hoffe. Sie war sich sicher, dass ihre Tochter am Leben war und bat den moglichen Finder sie ihr dann schnellst moglichst zu bringen. Umso mehr enttauscht und verlassen von all ihrer Zuversicht, Hoffnung und Glaube an die Gerechtigkeit Gottes, stand sie zuletzt am Sarg.

Der Glaube an die Allmacht, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes ist ein zentraler wie fundamentaler Teil des islamischen Bekenntnisses. Die stets grofiere Gerechtigkeit Gottes zu bejahen und auf sie zu vertrauen entspricht der glaubigen Grundhaltung eines jeden Muslims. Was konnte aber der Islam z.B. gerade dieser trauernden Frau uberhaupt noch versprechen, wenn ihre Frommigkeit quasi durch den Tod der Tochter bestraft wurde?

Dieses Ereignis ist beispielhaft fur viele andere Situationen, in denen Gottes Gerechtigkeit hinterfragt werden konnte.

In diesem Kontext ist es unerlasslich, den Ursprung des Leids zu suchen: Bei Gott oder beim Menschen selber? Um die letztgenannte Frage beantworten zu konnen, musste vorher geklart werden, ob der Mensch frei handeln kann, d.h. aus eigener Kraft, Verantwortung und eigenem Willen oder ob all seine Taten letztendlich auf Gott zuruckzufuhren ist. Herrscht eine Handlungsfreiheit des Menschen, so sollte auch der Mensch fur Boses verantwortlich sein. Doch was wenn man Boses erfahrt ohne es verdient zu haben? Wie ist unverschuldetes Leid mit der Barmherzigkeit Gottes zu vereinbaren?

Ist der Mensch jedoch in seinem Handeln von Gott bestimmt, musste dann nicht jede leidvolle Widerfahrnis und jedes existierende Ubel ebenfalls gottlichen Ursprungs sein? Doch so wurde die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes in Frage gestellt werden.

Wahrend in der christlichen Tradition die Fragen nach dem Verhaltnis von der Gerechtigkeit Gottes und der Freiheit des Menschen vielfaltig diskutiert werden und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Frage nach offenbar unverschuldetem Leid, das dem Menschen widerfahrt, gerichtet ist, misst der Islam dieser Themenstellung kaum Bedeutung bei. Die islamische Theologie hat die Frage nach dem Leid stets im grofieren Fragenzusammenhang der Allmacht und Gerechtigkeit Gottes und des freien Willens des Menschen verortet. Diese Problematik zu ergrunden, soil Gegenstand dieser der vorliegenden Arbeit sein.

Hauptteil

1. Allgemeines

Die Theodizee.[3] , d.h. die Rechtfertigung Gottes, ist ein klassisches philosophisches und theologisches Problem fur diejenigen religiosen Traditionen, die von der Existenz eines allmachtigen, gutigen und allwissenden Gottes ausgehen.

Das Theodizee - Problem ist im Kern ein Widerspruchsproblem. Auf der einen Seite steht ein allmachtiger und nicht zuletzt ein gerechter Gott, auf der anderen Seite stehen die Erfahrungen von Ubel und Leid in der von Gott geschaffenen Welt.

Eine pragnante, oft zitierte Formulierung des Problems lautet:

„Entweder will Gott die Ubel beseitigen und kann es nicht:

Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,

Oder er kann es und will es nicht:

Dann ist Gott missgunstig, was ihm fremd ist,

Oder er will es nicht und kann es nicht:

Dann ist er schwach und missgunstig zugleich, also nicht Gott,

Oder er will es und kann es, was allein fur Gott ziemt:

Woher kommen dann die Ubel und warum nimmt er sie

nicht hinweg“[4]

Auf zwei Arten wird versucht eine Losung fur dieses Problem zu finden: Der Widerspruch wird aufgelost, indem die eine oder andere der beiden Aussagen eingeschrankt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklart, wie an beiden Aussagen festgehalten werden kann.

Und genau dies versuchte Gottfried Wilhelm Leibniz in seinem 1710 erschienenen Werk „Essais de Theodicee sur la bonte de Dieu, la liberte de Vhomme et t'origine du mat" Er stellte eine Theorie auf, dass Gott in seiner hochsten Weisheit die beste aller moglichen Welten schuf. Er hat die Welt durch seine vollkommene Weisheit erkannt, durch die Macht des Willens, der auf das Gute gerichtet ist, herausgegriffen und durch seine Allmacht geschaffen. Nach Leibniz hat das Ubel zudem seinen Grund und bewirkt oft ein Gut, denn wenn nur das geringste Ubel, das in der Welt eintritt, fehlte, ware es nicht mehr die von Gott als beste befundene Welt. Jede Form des Ubels ist letztlich notwendig und erklarbar[5]

Die Losung erfolgt demnach, wenn Theologen, welcher Religion auch immer, den Nachweis erbringen, dass es sich bei diesem Widerspruch nur um einen scheinbaren handelt, d.h. dass man es eher mit einem Verstandnisproblem zu tun hat. Dies wurde dann auch den Vorwurf entkraften, dass sich Gott und seine Schopfung vor der menschlichen Vernunft zu rechtfertigen habe. Vielmehr geht es darum, dem Menschen die Offenbarung so darzulegen, dass er verstehen kann, wieso es das Leid und gleichzeitig auch einen allmachtigen und gutigen Gott geben kann.

Es kann Gott und das Ubel gleichzeitig geben, wenn man Argumente findet, die das plausibel machen. Dass es aber das Ubel gibt, ist jedem aus alltaglichen Erfahrungen klar und muss nicht weiter bewiesen werden. Die Komponente kann trifft in diesem Fall nur auf Gott zu. Nun hat man es also eher mit der Rechtfertigung des Glaubens an den einen Gott zu tun, die Widerspruchlichkeiten mit sich bringt und irrational zu sein scheint. Man konnte diesen Glauben rational begrunden, wenn all diejenigen Menschen, die sich zu diesem Gott bekennen, keinem Leid mehr unterliegen. Dass dem nicht so ist, ist eine besonders schmerzhafte Erfahrung fur Glaubige und bedarf von daher besonderer Erklarungen. Nun hat gerade der Islam das letztgenannte Problem, da er im Gegensatz zum Christentum und Judentum davon ausgeht, dass Gott nach wie vor mit seiner Schopfung, also auch mit den Menschen, in engem Kontakt steht, ja alles durchdringt und alles hervorbringt. So erscheint es zunachst unerlasslich die Beziehung zwischen Gott und Mensch naher zu betrachten.

2. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch im Islam

Unbestreitbar gilt der entschiedene Monotheismus als das herausragende Merkmal des Korans. Immer wieder wird betont, dass Gott (allah) Einer ist. Vor aller Rede uber den Menschen wird Gott erwahnt. So stehen auch Aussagen uber menschliches Handeln im Kontext der Betonung der Einheit, Gerechtigkeit und Allmacht Gottes. Gott leitet den Menschen und sein Handeln. So herrscht eine scheinbar unlosbare Spannung zwischen der von Gott bestimmten menschlichen Handlung und der dem Menschen doch zukommenden Freiheit und Verantwortlichkeit. Der Koran betont, dass ohne die Annahme eines frei handelnden Menschen, die Gebote Gottes sinnlos sind.

Zwei zentrale Begriffe zur Bezeichnung des Menschen werden im Koranverwendet: Stellvertreter (halifa) und Diener (abd). Das Letztgenannte wird oftmals als Synonym fur „Mensch“ gebraucht und hat auch seinen Grund: Wenn Gott der Herr (rabb) der Menschen ist, dann ist der Mensch der Diener Gottes, von dem Ergebung (islam) in seinem Willen gefordert wird.

[...]


[1] Der Begriff ]geht auf den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz zuruck.

[2]Diese Argumentation wurde von dem Kirchenschriftsteller Lactanitus (ca. 250 bis nach 317) uberliefert, der sie dem Philosophen Epikur zuschrieb.

[3] Siehe: Spaemann, Robert, Leibniz' Begriff der moglichen Welten, in: Schubert, Wissenschaft, 7 - 35. Im Folgenden angegeben als Spaemann, Leibniz' Begriff der moglichen Welten. Leibniz unterscheidet drei Arten des Ubels: das malum metaphysicum, das metaphysische Ubel, d.h. das Geschaffene ist notwendig unvollkommen, da es sonst mit Gott identisch ware. Das malum physicum, das physische Ubel. Das bedeutet Schmerz und Leid sind notwendig, da sie vom Schadlichen abhalten und zum Nutzlichen drangen und das malum morale, das moralische Ubel, das bezeichnet die zur Abwendung von Gott fuhrende Sunde.

[4] Siehe Koran, Ubersetzung von Rudi Paret. Stuttgart u.a. 1982. Im Folgenden als Koran Sure : Vers angegeben.

[5]Siehe Renz, Andreas, Der Mensch unter dem Anspruch Gottes, Offenbarungsverstandnis und Menschenbild des Islam im Urteil gegenwartiger christlicher Theologie. Wurzburg 2002, S.366-367. Im Folgenden angegeben als: Renz, Mensch.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Theodizeefrage im Islam
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
"Warum lässt Gott das zu?" Philosophische, theologische und literarische Antworten auf dem Prüfstand
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V148152
ISBN (eBook)
9783640587902
ISBN (Buch)
9783640587742
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theodizeefrage, Islam
Arbeit zitieren
Ferda Cav (Autor:in), 2009, Theodizeefrage im Islam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148152

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