Gesellenvereinigungen und Zünfte

Gemeinsame Interessen oder erbitterter Kampf?


Hausarbeit, 2009

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grunde zur Entstehung von Gesellenorganisationen

3. Konfliktlinien: Gesellen vs. Meister
3.1. Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gesellen
3.2. Forderungen der Gesellen
3.3. Mittel des „Arbeitskampfes“ zur Durchsetzung der Forderungen
3.3.1. Verruf
3.3.2. Streik

4. Gemeinsame Interessen von Zunft und Gesellen
4.1. Die Zunft als Vorbild
4.1.1. Ideale
4.1.2. Organisationsstruktur
4.1.2.1. Gesellenschaft
4.1.2.2. Bruderschaft
4.2. Die selbstandige Arbeitsvermittlung der Gesellen
4.3. Die Gesellen als zukunftige Zunftmeister

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Gesellenschaften wurden nicht nur nach dem Vorbild der Zunfte organisiert, sie
blieben diesen auch stets eng verbunden.“[1]

Mit diesem Zitat ist eine der Positionen benannt, die sich mit dem Verhaltnis von Gesellenvereinigungen und Zunften beschaftigt. Bereits seit dem 14. Jahrhundert verbanden sich Gesellen in lokalen Vereinigungen von 10 bis 50 Mitgliedern, wobei regionale Schwerpunkte bis in das 15. Jahrhundert am Oberrhein und in den Hansestadten lagen.[2] In groBeren Stadten konnten sich neben den Zunften auch die Gesellenvereinigungen leichter etablieren, da es hier zahlenmaBig groBere und vor allem viele verschiedene Gewerbe gab.

Solche Zusammenschlusse von Meistern einerseits und Gesellen andererseits sprechen immer fur zweierlei Tatsachen: zum einen schlieBen sich Personen aus Grunden der Geselligkeit zusammen, um soziale Kontakte zu schlieBen und ahnliche Interessen auszuleben. Zum anderen spricht eine solche Vereinigung auch immer dafur, dass unterschiedliche Vereinigungen auch unterschiedliche Ziele verfolgen und somit in Spannungen zueinander geraten konnen, wobei diese Konflikte in differenter Auspragung eskalieren konnen.

In diesem Spannungsfeld zweier verschiedener personeller Zusammenschlusse, den Zunften einerseits und den Gesellenvereinigungen andererseits, sowie ihren Ahnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, aber auch moglichem Konfliktpotential, ist diese Arbeit angesiedelt.

Ohne auf detaillierte Definitionsversuche einzugehen, wird „Zunft“ dabei als eine Vereinigung von Handwerkern desselben Gewerbes verstanden, die sich aufgrund gemeinsamer sozialer und wirtschaftlicher Interessen zusammenfanden.[3] Der zeitliche Fokus liegt auf dem 14.-16. Jahrhundert und reicht somit bereits in die Fruhe Neuzeit hinein. Dennoch konnen aus einigen dieser spateren Quellen Erkenntnisse gezogen werden, die Ruckschlusse auf das spate Mittelalter zulassen.

Die Erforschung der mittelalterlichten Zunftgeschichte wurde in den letzten Jahrzehnten sehr umfassend betrieben.[4] Bei der Betrachtung der Zunfte stehen jedoch meist die Zunftordnungen sowie die Wahrung der gemeinsamen Interessen, mitunter auch Zunftzwang und Konkurrenzvermeidung, also meist wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Oftmals geht es auch um politische Dimensionen, wenn der Versuch der politischen Einflussnahme und die Auseinandersetzungen mit dem stadtischen Rat um Mitbestimmungsrechte in der Stadt betrachtet werden.

Weitaus weniger umfangreich ist die Untersuchung speziell der Gesellenvereinigungen, die nahezu zeitgleich mit der zunftischen Organisation entstanden. Die Analysen konzentrieren sich hierbei meist ahnlich wie bei den Studien zu den Zunften allgemein auf okonomische und (arbeits-)politische Bereiche, so dass Gesellenvereinigungen in jungerer Zeit in Zusammenhang mit der fruhburgerlichen Revolution und in Bezug auf Konflikte zwischen Gesellen und dem stadtischen Rat beachtet werden.[5] Weiterhin wird ein Bild gezeichnet, das die Gesellenvereinigungen und ihre Streitigkeiten mit den Zunftmeistern als Vorreiter des modernen Arbeitskampfes erscheinen lasst. Insgesamt werden somit die Konfliktfelder sowie der Kampf um die Herrschaft in der mittelalterlichen Stadt sehr stark betont.[6] Dieser Umstand konnte in der teils schwierigen Quellenlage begrundet sein. Erhalten sind insbesondere Protokolle der stadtischen Rate, in denen Streitigkeiten zwischen Gesellen und Meistern oder Gesellen und der stadtischen bzw. landesherrlichen Obrigkeit verhandelt wurden, so dass es nur folgerichtig ist, dass die Konfliktlinien besser erforscht sind. Daneben existieren Briefwechsel verschiedener Gesellenvereinigungen im Streikfall, durch welche der Arbeitskampf ebenfalls gut rekonstruiert werden kann. Weiterhin wurden bislang Ordnungen und Satzungen der Gesellenvereinigungen untersucht, allerdings verstarkt mit dem Blick auf die unterschiedlichen Auspragungen ihrer Organisationsformen und weniger mit Blick auf Gemeinsamkeiten zur ubergeordneten Zunft.

In dieser Arbeit soll es daher insbesondere darum gehen, in welchem Verhaltnis Zunfte und Gesellenvereinigungen zueinander standen, inwiefern sie sich „erbittert“ bekampften oder gegenseitig beeinflussten und unterstutzten. Sollte man die Gesellen als unerschrockene und tapfere Kampfer fur mehr Mitbestimmungsrechte betrachten oder ergibt sich bei genauerer Betrachtung ein eher nuchternes Bild?

Zur Klarung des Verhaltnisses von Zunft und Gesellenvereinigung werden in dieser Arbeit zunachst die Konfliktfelder dargestellt. Dazu werden kurz die Arbeits- und Lebensbedingungen der Gesellen umrissen, aus denen einige zentrale, zeitlich sowie uberregional wiederkehrende, Forderungen der Gesellen abgeleitet werden. Die Forderungen seitens der Gesellen sind jedoch kaum explizit niedergeschrieben, da die Quellenlage, wie bereits erwahnt, meist nur Einblick in die Verhandlungsseite des Arbeitskampfes bietet. Motive und Ausloser des Gesellenkampfes konnten daruber hinaus stark variieren, wie beispielsweise ortliche Begebenheiten, zeitliche Dauer, das politische Umfeld sowie Einzelinteressen, so dass sich kaum ein einheitliches Bild des „Arbeitskampfes“ zeichnen lasst.

In dieser Arbeit sollen daher primar grundsatzliche Spannungsfelder und Konfliktherde zwischen Gesellen und Meistern bzw. der Zunft ausgemacht werden, um sie anschlieBend moglichen Gemeinsamkeiten mit der Zunft gegenuberzustellen: Hatten Gesellen und Meister in der Starkung des Handwerks nicht prinzipiell dieselben Interessen? Ahnelten sich die Strukturen ihrer Vereinigung nicht so sehr, dass sich beide Organisationen gegenseitig starkten? Hierzu wird ein kurzer Einblick in die Organisationsstruktur der Gesellenvereinigungen gegeben, um daraus abzuleiten, inwiefern die Gesellenvereinigungen nicht nur Nahrung fur Auseinandersetzungen mit den Meistern boten, sondern sie eventuell sogar entlasteten bzw. starkten. Im Rahmen dieser Arbeit konnen viele Punkte dabei nicht erschopfend betrachtet werden, es geht vielmehr darum, ausgehend von generellen Strukturen das Verhaltnis zwischen Zunft und Gesellenverbanden zu charakterisieren.

2. Grunde zur Entstehung von Gesellenorganisationen

Einen ersten Ansatzpunkt dafur, ob Gesellenvereinigungen als Kampf gegen die Meister oder als unterstutzendes Element der Zunft anzusehen sind, liefert die Diskussion um die Entstehungsursachen der Vereinigungen, die an dieser Stelle kurz skizziert werden soll.

Georg Schanz’ Auffassung wurde als „AbschlieBungsthese“ bekannt, d. h. dass seiner Meinung nach einige Stadte ubervolkert waren und die Meister die Zunft begrenzten, um auf das Oberangebot an Arbeitskraften zu reagieren. Schanz betont daneben allerdings auch die soziale Entlastung der Meister, da nun einige soziale Absicherungen sowie die Ausbildung zum Kriegsdienst durch die

Gesellenvereinigungen ubernommen wurden. Er kommt daher zu dem Schluss, dass die fruhen Gesellenvereinigungen nicht explizit gegen die Meister bzw. die Zunft gerichtet seien, sondern dass sie sogar zum Teil von den Meistern selbst zur Vereinheitlichung des Zunftwesens gegrundet worden seien[7], was auf eine deutliche Obereinstimmung der Interessen von Gesellen und Meistern hindeutet.

Georg Fischer vertrat die Ansicht, Gesellenvereinigungen seien Familienverbande, um verheiratete Gesellen und ihre Familien zu unterstutzen.[8] Auch wenn inzwischen belegt worden ist, dass Gesellen oftmals gerade nicht verheiratet waren (vgl. Kapitel 3.1 dieser Arbeit), betont diese Sichtweise stark den Aspekt der sozialen Absicherung. Dies wiederum war ebenfalls ein stark betontes Ziel der Zunfte, so dass eine zusatzliche Absicherung der Gesellen eine Entlastung fur die Handwerkerzunft dargestellt hatte und somit ebenfalls eine Gemeinsamkeit beider Vereinigungen darstellen wurde.

Wilfried Reininghaus erklarte die Entstehung mit okonomischen und sozialen Veranderungen der Gesellschaft: Im 14. und 15. Jahrhundert gingen die Stadtegrundungen stark zuruck und die Bevolkerungszahlen stagnierten, so dass die Gesellen flexibel auf den Arbeitsmarkt reagie]ren und mehrmals die Stadte wechseln mussten - je nachdem wo sie groBere Chancen auf einen Arbeitsplatz hatten.[9] Nach dieser Auffassung waren Gesellenorganisationen nicht als „Gegen-Organisation“ zur Zunft zu verstehen, sondern als Mittel, um den Arbeitskraftetausch zu organisieren und somit das Handwerk insgesamt am Leben zu halten bzw. zu fordern (siehe hierzu auch Kapitel 4.2 dieser Arbeit), dies wurde also definitiv einem gemeinsamen Interesse von Meistern und Gesellen entsprechen. Andererseits hob Reininghaus die Konfrontation zwischen Meistern und Gesellen hervor und betonte, dass sich durch die Stagnierung der Bevolkerungszahlen auch gunstige konjunkturelle Bedingungen ergeben konnten, und es einen Mangel an Arbeitskraften gab. Diesen Umstand versuchten die Gesellen laut Reininghaus fur sich zu nutzen und organisierten daher Streiks und Boykotte - fur eine bessere Organisation dieser Aktionen waren sie dabei auf die Gesellenorganisationen angewiesen.[10]

Helmut Brauer sieht den Grund fur die „Anhaufung entsprechenden gesellschaftlichen Sprengstoffes“ hauptsachlich darin, dass die Zunft die Warenherstellung in Obereinstimmung mit dem Marktbedarf garantieren wollte, was die Gesellen am starksten traf, da die Zunft mit Schutzreaktionen zur Produktionssteigerung oder - verminderung reagierte und dies mit dem Bedarf an Arbeitskraften korrelierte.[11] Generell geht er davon aus, dass sich meist aus einem bestehenden Konflikt zwischen Meistern und Gesellen Differenzen ergaben und sich Gesellenorganisationen bildeten, um den Differenzen zu begegnen.[12] Wahrend Reininghaus und Brauer damit insgesamt die Konfliktlinien als Entstehungsursachen nennen, sieht Knut Schulz die Motive der Gesellenbewegung weniger in der einfachen Auseinandersetzung um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen, sondern vielmehr in der Bemuhung, von Beginn an eine „[groBraumige] Organisation'1 und eine „[eigenstandigen] Existenz“ zu errichten[13], was sowohl die Aspekte der Kooperation als auch der Konfrontation einbezieht.

Durch die Diskussion der Entstehungsursachen kann also kein eindeutiges Ergebnis gezogen werden. Daher sollen die bereits implizit angesprochenen Konfliktfelder und Gemeinsamkeiten zwischen Meistern und Gesellen im Folgenden naher betrachtet werden.

3. Konfliktlinien: Gesellen vs. Meister

3.1. Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gesellen

Der Gesellenstatus ergab sich dadurch, dass Handwerker nach der Lehre zunachst eine abhangige Beschaftigung annahmen, um moglichst gute Verdienstmoglichkeiten zu wahren und Kapital anzusparen. Dass dies uberhaupt notwendig wurde, lasst sich nur mit der Etablierung der Zunfte erklaren: Je zunftiger das Handwerkswesen organisiert wurde, desto mehr Qualifikationsstufen wurden ausgebildet und desto mehr Hurden galt es zu uberwinden, um in der Hierarchie ganz nach oben zu gelangen und die Meisterwurde zu erhalten. Damit verbunden waren sowohl finanzielle Aufwendungen als auch gemeindliche Verpflichtungen, wie Burgerrechtsgebuhren oder die Anschaffung einer militarischen Ausrustung, so dass viele Handwerker nicht sofort die Meisterschaft anstrebten, sondern mit einer abhangigen Beschaftigung als Geselle zunachst die finanziellen Mittel dafur ansparen wollten.[14]

Aus diesem Abhangigkeitsstatus der Gesellen ergaben sich mitunter allerdings problematische Lebens- und/oder Arbeitsbedingungen. Zunachst musste der Geselle eine ein- oder zweiwochige Probezeit uberstehen und wurde dann fur einen befristeten Zeitraum eingestellt und konnte im Gegensatz zum Lehrling jederzeit entlassen werden.[15] Zwar gab es eine bestimmte Kundigungsfrist von einigen Wochen und auch der Geselle konnte das Arbeitsverhaltnis seinerseits kundigen, doch mussten sie in diesem Fall die Stadt verlassen, um die verschiedenen Meister einer Zunft nicht gegeneinander ausspielen zu konnen. Diese Sperrfrist und das Kundigungsrecht der Meister wirkten sich fur die Gesellen naturlich direkt negativ aus: Ein Wechsel der Stadt ging mit der muhsamen Suche einer neuen Beschaftigungsmoglichkeit einher und machte der Meister selbst bei schlechter Auftragslage von seinem

Kundigungsrecht Gebrauch, stand der Geselle plotzlich ohne Arbeit und Einkommen da und hatte schlechte Aussichten, in derselben Stadt eine neue Verdienstmoglichkeit zu finden. In beiden Fallen musste der Geselle demnach meist die Stadt verlassen und sich in einer anderen Stadt eine neue Arbeitsstelle suchen.

Gearbeitet wurde auBer an Sonn- und Feiertagen meist zwischen sieben und zwolf Stunden[16], allerdings wurden diese Regelungen je nach Gewerbe, Saison und Konjunktur oftmals umgangen.

Die Arbeit der Gesellen wurde auf unterschiedliche Art vergutet, der Geselle erhielt fur seine Arbeit Geldlohn und/oder Naturallohn. Beide Lohnformen konnten sich als problematisch erweisen. Der Naturallohn bestand in freier Kost und Logis des Gesellen im Meisterhaus, je nach individuellen Umstanden des Meisters konnte die Hohe dieses Lohns dabei erheblich schwanken. AuBerdem unterstanden die Gesellen den Regeln des Meisterhauses und mussten sich entsprechend der Vorgaben seitens der Meister verhalten, was nicht selten zu Konfrontationen fuhrte, wenn die Gesellen sich nicht „anstandig“ verhielten. Auch die Geldlohne konnten zum Streitpunkt werden, da diese meist direkt zwischen beschaftigendem Meister und arbeitendem Gesellen ausgehandelt wurden. Die Situation konnte je nach Art des Geldlohnes fur den Gesellen prekar werden, da er entweder einen Zeitlohn, Provisionen vom Verkaufserlos erhielt oder nach gefertigten Stucken bezahlt wurde. Letzteres wirkte sich besonders in Auftragsflauten negativ fur den Gesellen aus.[17] Insgesamt waren Lebens- und Arbeitsbedingungen fur die Gesellen meist so unsicher, dass sie als Konsequenz auch den personlichen Bereich der Handwerker beruhrten: Die Verdienstmoglichkeiten waren oftmals nicht so gut wie erhofft und die wirtschaflichte Existenz der Gesellen damit gefahrdet, zumal sie nahezu jederzeit entlassen werden konnten. Viele Gesellen blieben daher wahrend dieser Phase ihres Lebens unverheiratet und grundeten erst nach ihrer Gesellenzeit eine Familie. Von vielen Zunften wurde dies daruber hinaus begruBt und durch Vorschriften begunstigt, da verheiratete Gesellen als weniger „gesellig“ und unflexibel galten.[18]

3.2. Forderungen der Gesellen

Aus den skizzierten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gesellen lassen sich einige Forderungen ableiten, die vornehmlich drei Konfliktfelder betrafen: die Okonomie im engeren Sinne, die Eigenstandigkeit der Gesellenschaften sowie die Aufrechterhaltung des Zunftwesens.[19]

Forderungen bezuglich des ersten dieser Komplexe, der Okonomie, bezogen sich vielfach auf den Lohn, den die Gesellen fur ihre geleistete Arbeit erhielten. Hierbei ging es jedoch selten um eine faktische Verbesserung der Vergutung bei gleich bleibender Arbeitsbelastung sowie Arbeitszeit. In der Regel wollten die Gesellen weitere Verschlechterungen ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen abwenden. Aus dem Protokoll des Freiburger Rates, der 1365 die Klagen der Tuchzunft uber die Weber- und Wollschlagerknechte behandelte, ist so auch zu entnehmen, dass sich die Gesellen „von des lones wegen“ benachteiligt fuhlen. „[...] Ir wergk und ir arbeit [sei] etzwas gesweret, dann es von alter her si gewesen“, daher fordern sie, „das inen die meister iren lone ouch darnach bessern“.[20] Die Gesellen fordern in diesem Fall also nur mehr Lohn, da sich auch ihre Arbeitssituation verschlechtert hat.

Andere Forderungen betrafen die Arbeitszeit der Gesellen. Man kann davon ausgehen, dass sich die Arbeitszeit im Spatmittelalter immer weiter ausdehnte, zumindest gibt es fur diesen Zeitraum Quellenbelege, die auf eine Arbeit auch an Sonn- oder Feiertagen verweisen.[21] Dies stellte eine Mehrbelastung fur die Gesellen dar, denn auch wenn die zusatzliche Arbeit vergutet wurde, fehlte ihnen freie Zeit, um eigene Angelegenheiten zu erledigen. In vielen Gewerben, in denen die Arbeitszeit ausgedehnt wurde, forderten die Gesellen daher den so genannten „guten“ oder auch „blauen“ Montag immer haufiger.

Die Bezeichnung „blauer“ Montag geht dabei wahrscheinlich auf die Kleiderordnung der Handwerker und Bauern zuruck, die an Arbeitstagen braune oder graue Kleidung trugen und an Feiertagen blaue. Konnten die Gesellen den freien Tag durchsetzen, trugen sie ihre blaue Feiertagskleidung und pragten somit den Begriff des „blauen Montags“.

Die ersten freien Montage sind bei den Lubecker Pergamentern 1330 sowie den Hamburger Bottchergesellen 1375 bekannt und mehrten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts.[22] Forderungen nach diesem freien Tag kamen besonders in Gewerben auf, die auch samstags arbeiten mussten und somit kaum Gelegenheit hatten, das Badehaus aufzusuchen, Zusammenkunfte abzuhalten, eigene Produktionen herzustellen oder schlicht ihre Freizeit auszudehnen. Ebenfalls sollte saisonal anfallende Mehrarbeit durch den freien Tag ausgeglichen werden[23], die Gesellen hatten also ein groBes Interesse, diese Forderung durchzusetzen.

Fur die Meister stellte dieser freie Tag einen Arbeitsausfall ohne Ausgleich dar, der den Gewinn beeintrachtigte und deswegen besonders hei R umstritten war. Auch „die Obrigkeiten bekämpften den Brauch, weil er die Autonomie der Gesellenschaften verkörperte.“.[24]

[...]


[1] Kluge, Arnd: Die Zunfte, Stuttgart 2007, S.203.

[2] Kluge 2007, S.199 und Brauer, Helmut: Gesellenstreiks in Sachsen im Zeitalter der fruhburgerlichen Revolution, in: Jahrbuch fur Regionalgeschichte 14, 1987, S.183.

[3] Auf unterschiedliche Akzentuierungen von Zunftdefinitionen kann im Rahmen dieser Arbeit ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die Entstehungsgeschichte der Zunfte.

[4] Arnd Kluge brachte 2007 dazu ein sehr umfangreiches und detailliertes Werk heraus, siehe Anmerkung 1.

[5] Knut Schulz untersuchte als Erster explizit die Beteiligung der Gesellen an den innerstadtischen Auseinandersetzungen: Schulz, Knut: Handwerksgesellen und Lohnarbeiter. Untersuchungen zu oberrheinischen und oberdeutschen Stadtgeschichte des 14. bis 17. Jahrhunderts, Sigmaringen 1985. Auseinandersetzungen der Gesellen mit dem stadtischen Rat werden in dieser Arbeit allerdings nicht naher betrachtet. Das Hauptaugenmerk liegt auf Konflikten mit der Zunft, an denen der Rat aber durchaus beteiligt sein konnte, wenn beispielsweise eine Stellungnahme von diesem verlangt wurde.

[6] So z.B. Brauer 1987, S.183-199. Die Betonung der Konfliktlinien setzt sich auch in neueren Studien fort, in denen Zunfte als ein „Labor der Arbeitsvertragsregelungen“ beschrieben werden, siehe hierzu Kluge 2007, S.167.

[7] Schanz, Georg: Zur Geschichte der deutschen Gesellenvereine im Mittelalter. Mit 55 bisher unveroffentlichten Documenten aus der Zeit des 14.-17. Jahrhunderts, unveranderter Neudruck der Ausgabe Leipzig 1876, Glashutten im Taunus 1973, S. 10 f. sowie S. 69 ff.

[8] siehe hierzu Kluge 2007, S.200.

[9] Reininghaus, Wilfried: Die Entstehung der Gesellengilden im Spatmittelalter (Vierteljahresschrift fur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 71), Wiesbaden 1981, S. 35 ff.; Brauer, Helmut: Gesellen im sachsischen Zunfthandwerk des 15. und 16. Jahrhunderts, Weimar 1989, S.108f.

[10] Reininghaus 1981, S.60 f.; Kluge 2007, S.201.

[11] Brauer 1989, S.110 f .

[12] Brauer 1989, S.114.

[13] Schulz 1985, S. 59 f.

[14] Kluge 2007, S.165.

[15] Ebd., S.167.

[16] Kluge 2007, S. 168.

[17] Ebd., S.170.

[18] Ebd., S.171.

[19] Ebd., S.221.

[20] Protokoll des Freiburger Rates 1365, in: Reininghaus 1981, S. 60f.

[21] Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeit und Arbeitserfahrungen in der Geschichte (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1514), Gottingen 1986, S.13.

[22] Reith, Reinhold: Lohn und Leistung. Lohnformen im Gewerbe 1450-1900 (Vierteljahresschrift fur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 151), Stuttgart 1999, S. 335.

[23] Reininghaus 1981, S.170.

[24] Kluge 2007, S.216

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Gesellenvereinigungen und Zünfte
Untertitel
Gemeinsame Interessen oder erbitterter Kampf?
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Geschichte)
Veranstaltung
„Wo der Bäcker sitzt, kann der Brauer nicht liegen“ – Dimensionen des mittelalterlichen Zunftwesens
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
27
Katalognummer
V148110
ISBN (eBook)
9783640587599
ISBN (Buch)
9783640587650
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verruf, Streik, Meister, Mittelalter, Bruderschaft, Gesellenschaft, blauer Montag, Trinkstube
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Britta Wehen (Autor:in), 2009, Gesellenvereinigungen und Zünfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148110

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