Die politische Funktionalisierung des Strafrechts am Beispiel des § 129a StGB


Hausarbeit (Hauptseminar), 1996

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I. Einleitung

II. Die Einführung des § 129a StGB in den siebziger Jahren

III. Die Novellierung des § 129a StGB in den achtziger Jahren

IV. Die politische Funktionalisierung des Strafrechts

V. Amtliche Quellen

VI. Literatur

I. Einleitung

Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Seminararbeit ist der § 129a StGB, der als Qualifikationstatbestand zu § 129 StGB („Bildung krimineller Vereinigungen“) 1976 ins Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland eingefügt wurde und die „Bildung terroristischer Vereinigungen“ sowie die Mitgliedschaft, Unterstützung oder Werbung für eine solche Vereinigung kriminalisiert.1 Zur Konkretisierung des vagen Begriffs „terroristische Vereinigung“ dient ein Katalog von Straftaten, die als Indikator für „Terrorismus“ vom Gesetzgeber angesehen werden. Zu diesen Straftaten gehören Mord, Totschlag, Völkermord, schwere Brandstiftung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, die Herbeiführung kerntechnischer Explosionen, Sprengstoffexplosionen, Überschwemmungen sowie die Freisetzung ionisierender Strahlen. 1986 wurde dieser Katalog ausgedehnt auf die Straftatbestände: Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schifffahrts- und Luftverkehr, die Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel von Wirtschaftsunternehmen, Polizei und Bundeswehr, Störung öffentlicher Betriebe (Post, Eisenbahn, Stromversorgung) und gemeingefährliche Vergiftung, d.h. Brunnenvergiftung.2 Gleichwohl existiert bis heute weder eine „Legaldefinition (...), noch eine wissenschaftlich exakte oder allgemein akzeptierte Definition dieses Begriffs.3 Wer eine Vereinigung gründet, deren Zweck das Begehen einer der genannten Straftaten ist oder wer sich als Mitglied in einer solchen Vereinigung betätigt, wird nach geltendem Recht, mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 10 Jahre bestraft. Die Unterstützung oder Werbung für eine „terroristische Vereinigung“ wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren geahndet.4 Der § 129a StGB gilt als „das zentrale Instrument der politischen Justiz in der BRD“, womit gemeint ist, dass „das Strafrecht als ein Instrument in der Auseinandersetzung der etablierten Staatsmacht mit radikaler Opposition und (zur) Absicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse“ funktionalisiert wird.5 Eine besondere Bedeutung im Kontext staatlicher „Terrorismusbekämpfung“ kommt diesem kaum eingrenzbaren Tatbestand zu, weil er eine „ zentrale Anknüpfungsnorm für zahlreiche Sonderbestimmungen und -ermächtigungen“ der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes darstellt, die aktiviert werden sobald, gegen einen Verdächtigen nach § 129a StGB ermittelt wird. Hiermit sind Sonderhaftbedingungen, Einschränkung der Verteidigungsrechte, Zentralisierung der Ermittlungen und eine politische Sondergerichtsbarkeit verbunden.

Im folgenden Hauptteil soll versucht werden, die Motive des Gesetzgebers zur Einführung des §129a StGB im Jahr 1976 sowie zur Verschärfung und Erweiterung dieser Strafrechtsnorm im Jahr 1986 herauszuarbeiten. Dabei soll anhand von Protokollen der entsprechenden Bundestagsdebatten sowie der jeweiligen Gesetzentwürfe geklärt werden, wie die rechtspolitischen Entscheidungen von den Vertretern der einzelnen Parteien begründet wurden und auf welche Anlässe sie reagierten. Der zeithistorische Kontext, d.h. die Entwicklung des Phänomens „Terrorismus“ in den 70er- und 80er Jahren ist hierbei jeweils mit zu berücksichtigen. Die Struktur des § 129a StGB, die Definition der einzelnen Tathandlungen (Bildung, Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung), die Rechtsprechung und die Verfolgungspraxis des Staates können aus Gründen der Umfangsbegrenzung nicht detailliert erörtert werden. Abschließend soll versucht werden, die Frage zu beantworten, inwieweit von einer politischen Funktionalisierung des Strafrechts zur Bekämpfung politischer Gegner im Zusammenhang mit dem § 129a StGB gesprochen werden kann.

Neben den Protokollen der Bundestagsdebatten zum § 129a StGB wurden hauptsächlich eine Dissertation von Martin Fürst, die sich mit der Präzisierung der weit gefassten Straftatbestände §§129, 129a StGB beschäftigt sowie Aufsätze von Helmut Janssen, Ulrich K. Preuß und Fritz Sack zum Themenkomplex politische Justiz und Funktionalisierung des Strafrechts als Quellen für diese Seminararbeit genutzt.6

[...]


1 Zur Genese des §129 vgl. Grässle-Münscher, Josef: Der Tatbestand der kriminellen Vereinigung (129 StGB) aus historischer und systematischer Sicht, Diss. Jur., München 1982

2 Giehring, Heinz: Der Straftatbestand des § 129a StGB - geltendes Recht und rechtspolitische Überlegungen, in: ID- Archiv im IISG (Hg.): Aufruhr - Widerstand gegen Repression und § 129a. Materialien und Texte zur Diskussion, Berlin 1991, S. 30

3 Gössner, Rolf: Das Anti-Terror-System. Politische Justiz im präventiven Sicherheitsstaat, Hamburg 1991, S. 261; vgl. hierzu auch Hess, Henner: Terrorismus und Terrorismus-Diskurs, in : Angriff auf das Herz des Staates. Soziale Entwicklung und Terrorismus, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1988, S. 55-74. Hess unterscheidet darin zwischen dem repressiven Terrorismus staatlicher Apparate sowie para-staatlicher oder nichtstaatlicher Gruppen und dem revoltierenden Terrorismus nationaler sowie sozialrevolutionärer Art. Da die Definition dieses Begriffs der politischen Sprache sehr umstritten ist, wird er in der vorliegenden Hausarbeit stets in Anführungszeichen gesetzt.

4 Vgl. Abdruck des § 129a StGB in den Fassungen von 1976 und 1986 in: Fürst, Martin: Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB. Zu Umfang und Notwendigkeit der Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes bei der Bekämpfung krimineller und terroristischer Vereinigungen, Frankfurt a. M.; Bern; New York; Paris 1991,S. 293 f.

5 Lau, Stefan / Mischau, Anina: Normgenese, Zielsetzung und Rechtswirklichkeit des § 129 (R)StGB und des § 129a StGB, in: Kriminologisches Journal, 3. Beiheft 1991, S. 65 f.

6 Fürst, Martin: Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB. Zu Umfang und Notwendigkeit der Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes bei der Bekämpfung krimineller und terroristischer Vereinigungen, Frankfurt a. M.; Bern; New York; Paris 1991; Janssen, Helmut: Der Sicherheitsstaat und die „RAF“ - Wie man mit Recht eine „terroristische Vereinigung“ (be-)gründet und sie (recht wirkungslos) bekämpft, in: Ders. / Schubert, Michael (Hg.): Sicherheitsstaat. Die Bekämpfung des politischen Feindes im Inneren, Bielefeld 1990, S. 116-139; Preuß, Ulrich K.: Politische Justiz im demokratischen Verfassungsstaat, in: Luthardt, Wolfgang / Söllner, Alfons (Hg.): Verfassungsstaat, Souveränität, Pluralismus. Otto Kirchheimer zum Gedächtnis, Opladen 1989, S. 129-152; Sack, Fritz: Recht und soziale Bewegungen. Die Transformation politischer in rechtliche Konflikte, in: Haug, Wolfgang F. / Pfefferer-Wolf, Hans (Hg.): Fremde Nähe. Zur Reorientierung des psycho-sozialen Projekts. Festschrift für Erich Wulff, Argument-Sonderband 152, Hamburg 1987, S. 146-170

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die politische Funktionalisierung des Strafrechts am Beispiel des § 129a StGB
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto Suhr Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar: Kriminalpolitik in Deutschland
Note
1,0
Autor
Jahr
1996
Seiten
18
Katalognummer
V148058
ISBN (eBook)
9783640590704
ISBN (Buch)
9783640590933
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtspolitik, Strafrecht, Terrorismus, Kriminalität, RAF
Arbeit zitieren
Dipl. Pol. Jörg Klitscher (Autor:in), 1996, Die politische Funktionalisierung des Strafrechts am Beispiel des § 129a StGB, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148058

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