Warum ist der Direktwahlparlamentarismus in Israel gescheitert?


Seminararbeit, 2009

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Weg zur Wahlreform
2.1. Durch die Verhältniswahl zur Regierungskrise
2.2. Die Wahlrechtsreform und der Direktwahlvorschlag

3. Das Scheitern des Direktwahlparlamentarismus

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Israel hat 1996 seine ungeschriebene Verfassung geändert um eine Direktwahl des Premierministers einzuführen. (Vgl. Shugart/Samuels 2009: S. 158). Diese Direktwahl sollte die Fragmentierung der Parteienlandschaft eindämmen und ist heute als ein misslungenes Experiment anzusehen. Israel ist ein Land das stark kulturell, religiös und sozial zersplittert ist. Mehrheitlich standen die Gruppierungen, oder auch Stämme (Ramon 2002: S. 4) genannt, hinter dem Likud und der Arbeitspartei. Diese beiden Parteien haben es allerdings geschafft, durch das fehlende Integrationsvermögen eine politische Frustration bei den Menschen zu schaffen. Somit haben sie „eine deutliche Fragmentierung der israelischen Parteienlandschaft“ (Ramon 2002: S. 4) hervorgerufen. Wenn man in Israel von einer politischen Partei spricht, ist eher die kulturell-religiöse und soziale, als ideologische Identität gemeint (Vgl. Ramon 2002: S.4). Daher kann man die Parteien auch als Vertreter der Stämme ansehen. Die Stämme teilen sich wie folgt auf:

- Der arabische Stamm;
- Der Stamm der Einwanderer, der sich ab 1989 mit der großen Einwanderungswelle bildete;
- Der ultraorthodoxe Stamm;
- Der sephardische Stamm, sowie
- Der säkular-ashkenasische Stamm.

Da jeder Stamm eine eigene Partei gründete, führte dies zur bereits erwähnten Fragmentierung. 1996 wurde die bereits 1992 beschlossene Direktwahl des Premierministers zum ersten Mal durchgeführt. Es wurde mit einer Direktwahl der Versuch unternommen eine „echte“ Mischform aus Parlamentarismus und Präsidentialismus zu schaffen. „Ziel dabei war es den Premierminister zu stärken und diesen aus der notorischen Abhängigkeit von den kleinen Koalitionspartnern im zersplitterten israelischen Parteiensystem zu befreien.“ (Decker 2006: S. 298). Bereits sieben Jahre später wurde diese Reform jedoch rückgängig gemacht und das alte Wahlsystem wieder eingeführt. Warum ist die Reform gescheitert? Was waren die Gründe dafür, dass das Mischsystem in Israel im Gegensatz zu dem in Frankreich keinen Erfolg hatte?

Um diese Fragen zu beantworten müssen wir uns das politische System Israels genauer anschauen. Hierzu wird zuerst das Verhältniswahlsystem mit seinen Problemen in Israel erklärt, sowie das Direktwahlsystem, das von 1996 bis 2003 Anwendung fand. Anschließend werden die Gründe des Scheiterns des Direktwahlsystems beleuchtet und eingegrenzt.

2. Der Weg zur Wahlreform

2.1 Durch die Verhältniswahl zur Regierungskrise

„Israel ist bis heute die einzige verfassungsstaatliche Demokatie des Nahen Ostens geblieben“ (Vgl. Decker 2006: S. 278). Auch wenn sich die äußere Sicherheitslage weitestgehend entspannt hat, bleiben die inneren Probleme noch ungelöst. Auf das demokratische Selbstverständnis wirft der Status einer Besatzungsmacht einen dunklen Schatten (Vgl. Decker 2006: S. 278). So stellt dieser Status nicht nur die „legitimen Besitzrechte des palästinensischen Volkes“ in Frage, sondern macht auch den Umgang mit der verbliebenen arabisch-palästinensichen Minderheit, im Kernland, unmöglich (Vgl. Decker 2006: S. 278). Dies weist, unter demokratischen Gesichtspunkten, auf das schwierige Problem mit der jüdischen Identität Israels, die einem aufgeklärten, ethnisch neutralen, Staats- und Nationverständnis im Wege steht (Vgl. Decker 2006: S. 278 - 279). „Der Demokratie Israels drohen vor allem durch die immer stärker wachsende innerjüdische Polarisierung Gefahren“ (Decker 2006: S. 279), wodurch die Spannungslinien innerhalb der Gesellschaft verstärkt werden. Es gibt nicht nur eine ethnische Spaltung zwischen Aschkenasim und Sephardim, sondern auch einen Konflikt zwischen säkularen und strenggläubigen Juden. Dieser Konflikt weist auf das Kernproblem des jüdischen Charakters Israels zurück (Vgl. Decker 2006: S. 279). Der Religion kommt in Staat und Politik Israels traditionell große Bedeutung zu. Bis zum Sechstagekrieg gab es wenig Probleme die orthodoxen Parteien, die überwiegend pro-zionistisch (Vgl. Decker 2006) ausgerichtet waren, in das politische System Israels ein zu beziehen (Vgl. Decker 2006: S. 279). Nach 1967 kam es durch den Streit um das Besatzungsregime jedoch zu einer stärkeren Politisierung (Vgl. Decker 2006: S. 280). Das religiöse Lager entfremdete sich von der Regierungspartei und die orthodoxen Vertreter näherten sich den „erstarkenden rechtsnationalen Kräften“ an (Vgl. Decker 2006: S. 280). Die religiösen Parteien wurden nach 1977 immer mehr zum Königsmacher (Decker 2006) und entschieden welche der beiden großen Blöcke, Likud oder Arbeitspartei, die Regierung bilden kann. Es ist nicht ungewöhnlich, dass kleinere Parteien das Zünglein an der Waage in parlamentarischen Systemen darstellen. In Israel hingegen hat dies dazu geführt, dass seit den Achtziger Jahren die Regierungskrisen verstärkt zu „einer permanenten Systemkrise wurden“ (Vgl. Decker 2006: S. 280).

Es gab eine Kombination von Umständen, die diese „Systemkrise“ begünstigten. Das Verhältniswahlrecht Israels begünstigte eine extreme Fragmentierung der Parteienlandschaft. Die 120 Mitglieder der Knesset werden in einer landesweiten Verhältniswahl gewählt. Die Kombination aus der Wahlkreisgröße und der sehr niedrigen Zugangsschwelle generierte unter anderem die Parteienfragmentierung. (Vgl. Samuels/Shugart 2009: S. 177). Es gab innerhalb des religiösen Lagers zahlreiche Abspaltungen und Neugründungen und aufgrund der sehr niedrigen Zugangsschwelle von einem Prozent, gab es für kleinere Parteien keinen Anreiz sich zusammenzuschließen. Für die Regierungspartei gab es daher nicht nur einen Koalitionspartner, sondern bis zu Elf (Vgl. Decker 2006: S. 280). Die religiösen Parteien profitierten vor allem durch sicherheits- und friedenspolitische Themen. Sie trugen zwar das sicherheitspolitische Vorgehen der Regierungspartei, bekamen allerdings dafür zahlreiche Privilegien zugesprochen (Vgl. Decker 2006: S. 280). Letztendlich muss auch die Rivalität der beiden großen Blöcke berücksichtigt werden. Seit den Achtziger Jahren haben sich die friedenspolitischen Vorstellungen von Arbeitspartei und Likud voneinander entfernt. 1984 haben sich beide Parteien widerwillig auf eine große Koalition geeinigt. Man verständigte sich darauf das Amt des Premierministers rotieren zu lassen, was bisher einmalig in westlichen Demokratien war. Anfang 1990 kündigte die Arbeitspartei ihre Zusammenarbeit auf, da es unüberbrückbare Differenzen in der „Palästinenserfrage“ gab, „und brachte die Regierung anschließend mit dem ersten erfolgreichen Misstrauensvotum in der noch jungen Geschichte des Staates Israel zu Fall.“ (Decker 2006: S. 281). Die Bemühungen Shimon Peres, eine neue Mehrheit ohne den Likud-Block zu bilden, blieben allerdings ergebnislos (Vgl. Decker 2006: S. 281).

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Details

Titel
Warum ist der Direktwahlparlamentarismus in Israel gescheitert?
Hochschule
Universität Potsdam  (Vergleichende Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in die Vergleichende Politikwissenschaften
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V148053
ISBN (eBook)
9783640579938
ISBN (Buch)
9783640580361
Dateigröße
374 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Israel, Direktwahlparlamentarismus, Zolfagharieh, Vergleichende Politikwissenschaft, Naher Osten
Arbeit zitieren
Mehran Zolfagharieh (Autor:in), 2009, Warum ist der Direktwahlparlamentarismus in Israel gescheitert?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148053

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