Bazarovs Bild im Roman „Väter und Söhne“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

21 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bazarov als eine der Hauptfiguren des Romans
2.1. Beziehung Bazarovs zu dem Adel und den Bauern
2.2. Die politischen Ansichten Bazarovs
2.3. Die wissenschaftlichen Auffassungen Bazarovs
2.4. Bazarovs Nihilismus
2.5. Bazarov und Odincova
2.6. Die seelische Krise Bazarovs

3. Zusammenfassung

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Figur von Evgenij Bazarov, einer der Hauptfiguren des Romans „Väter und Söhne“ von I.S.Turgenev. Es wird versucht, die politischen Ansichten und die wissenschaftlichen Auffassungen Bazarovs vorzustellen und zu analysieren. Es wird auf die Beziehung Bazarovs zu dem Adel und zu den Bauern eingegangen. Außerdem wird der Begriff des Nihilismus kurz vorgestellt. Und es wird untersucht, wie Bazarovs Anschauung und Charakter durch das Zusammentreffen mit der klugen, schönen Witwe Anna Odincova auf die entscheidende Probe gestellt werden und wie sein unerwidertes Gefühl für die Odincova seine schwächste Stelle, seine Verhärtung und menschliche Isoliertheit offenbart.

2. Bazarov als eine der Hauptfiguren des Romans

Das Romangeschehen läuft in 27 Kapiteln während etwa zwanzig Sommertagen ab. Der Handlungsbeginn ist auf den 20. Mai 1859 datiert. Im 28. Kapitel folgt ein halbes Jahr später als kurze Episode der Hochzeit Arkadijs sowie ein Epilog. Die Handlung läuft vornehmlich in Mať ino, auf dem Landgut der Brüder Nikolaj und Pavel Kirsanov, wo Nikolajs Sohn Arkadij, ein frischgebackener „Kandidat“, und dessen älterer Freund und Mentor, der Medizinstudent Bazarov, ihre Ferien verbringen. Der Roman spiegelt den Konflikt „zwischen der in den vierziger Jahren groß gewordenen, von einem idealistischen Humanismus geprägten Generation der „Väter“ und der rebellierenden, illusionslos-materialistischen Jugend der sechziger Jahre“, - schreibt H.Gü1. Die liberalen „Väter“ werden im Roman durch die dem Landadel zugehörigen Brüder Kirsanov repräsentiert, den weichen, schwächlichen Nikolaj Petrovič, der außerstande ist, den Verfall seines Gutbesitzes aufzuhalten, und den melancholischen, vornehmen „Gentleman“ Pavel Petrovič, ehemals ein berüchtigter Frauenheld, der sich nach einer unglücklichen Liebe resigniert aufs Land zu seinem Bruder zurückgezogen hat. Typischer Vertreter der Jugend ist Evgenij Vasiľevič Bazarov.

2.1. Beziehung Bazarovs zu dem Adel und den Bauern

Der Leser lernt Bazarov im 2. Kapitel kennen: „Николай Петрович быстро обернулся и, подойдя к человеку высокого роста в длинном балахоне с кистями, только что вылезшему из тарантаса, крепко стиснул его обнаженную красную руку, которую тот не сразу ему подал.» Душевно рад, - начал он - и благодарен за доброе намерение посетить нас; надеюсь ... позвольте узнать ваше имя и отчество?“ - Евгений Васильев, - отвечал Базаров ленивым, но мужественным голосом и, отвернув воротник балахона, показал Николаю Петровичу все свое лицо. Длинное и худое, с широким лбом, кверху плоским, книзу заостренным носом, большими зеленоватыми глазами и висячими бакенбардами песочного цвету, оно оживлялось спокойной улыбкой и выражало самоуверенность и ум. - Надеюсь, любезнейший Евгений Васильич, что вы не соскучитесь у нас, - продолжал Николай Петрович. Тонкие губы Базарова чуть тронулись; но он ничего не отвечал и только приподнял фуражку. Его темно-белокурые волосы, длинные и густые, не скрывали крупных выпуклостей npocTopHoro черепа“ 2. Es ist erstaunlich, wie heftig die Eindrücke des Lesers schon im ersten Moment des Kennenlernens von Bazarov wechseln. Man befindet sich noch ganz unter dem Charme von Nikolaj Petrovič, einer etwas schwächlichen Persönlichkeit, die lächerlich schutzlos vor seinem Diener ist. Man erlebt noch die Geschichte seines Lebens mit. Und plötzlich erscheint ein Charakter, der hart und scharf ist, der den Leser mit seinen Männlichkeit, Stärke und Offenheit verzaubert. Neben dem weichen und leichtgläubigen Nikolaj Petrovič lockt und beunruhigt die Schroffheit Bazarovs den Leser. Laut Lebedev: „Есть в резкости Базарова какая-то надменность: даже руку «Евгений Васильев» не сразу подает готовому весь мир обнять от радости Николаю Петровичу. И голос его производит двойственное впечатление: он мужествен, но ленив.Базаров подчеркнуто немногословен и подчеркнуто равнодушен. Он обращается со «старичком» Кирсановым отчужденно и небрежно. Есть в поведении его какое-то высокомерие, напоминающее отдаленно манеру отношений начальника с подчиненным“3. Aber Arkadij sagt, dass er sehr einfach ist4, dass sein Hauptfach die Naturwissenschaften sind, dass er sein Doktorexamen machen will, und bittet seinen Vater nett zu ihm sein, weil Arkadij seine Freundschaft sehr schätzt5.

Als im 4. Kapitel Onkel Pavel, der einen englischen Swit, eine modische Krawatte und lackierte Halbstiefel trägt im Gegensatz zur „одежонка“ von Bazarov, vorgestellt wird, versteht man schon von dem äußeren Erscheinen, dass es bald zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen kommt. Bazarov und Pavel Petrovič können einander vom ersten Augenblick an nicht ausstehen, und Turgenevs Mittel ist hier die Technik der Komödie, jeder vertraut seine Empfindungen über den anderen getrennt und symmetrisch einem Freund an. So kritisiert Onkel Pavel im Gespräch mit seinem Bruder das schlampige Erscheinungsbild Bazarovs, und nach dem Abendessen kritisiert Bazarov im Gespräch mit Arkadij Pavels sorgsam manikürte Fingernägel. Das ist „eine einfache symmetrische Technik, die besonders deutlich wirkt, weil die Ausschmückung der konventionellen Struktur der Konvention künstlerisch überlegen ist“, - schreibt Vladimir Nabokov6.

Bazarov befindet sich im Nest der Adligen, die ihm fremd sind, obwohl seine Mutter der richtige Frauentyp des russischen Kleinadels aus alter Zeit war. Arina Vlas‘evna heiratete Vasilij Ivanovič gegen ihren Willen. Bazarovs Vater war ein Stabsarzt und hat in der Brigade des Großvaters von Arkadij gedient. Arina Vlas‘evna hat während des langen Herumstreifens mit ihrem Mann fast alle adligen Gewohnheiten vergessen. Sie liebte und fürchtete ihren Sohn unaussprechlich. Sie besaß ein kleines Gut mit zweiundzwanzig Seelen und einem Häuschen, das aus sechs winzigen Zimmern bestand. „Die Verwaltung ihres Gutes überließ sie Vassilij Ivanovitsch - und ließ ihn schalten und walten“7. Der Vater hat bereits die Praxis aufgegeben, aber ab und zu behandelt er noch die Dorfbewohner, da es wenige Ärzte gibt, und arbeitet selbst im Garten. Also wie man sieht, ist Bazarov der Vertreter der „raznočincy“, die im damaligen Russland eine immer größere Rolle spielten. Der höfliche Aristokrat Pavel Petrovič missachtet Bazarov: „Павел Петрович слегка наклонил свой гибкий стан и слегка улыбнулся, но руки не подал и даже положил ее обратно в карман“8 ; „Павел Петрович всеми силами души своей возненавидел Базарова: он считал его гордецом, нахалом, циником, плевеем; он подозревал, что Базаров не уважает его, что он едва ли не презирает его“9. Man kann sagen, dass der kluge und selbstbewusste Bazarov solches Verhalten sich gegenüber erwartet hat, und so wird seine Beunruhigung und sein Hochmut im Umgang mit dem Adel erklärt und der Leser kann seinen erhöhten Ehrgeiz verstehen. Es scheint, dass Bazarov diese Missachtung überhaupt nicht wahrnehmen will, und dass die Kraft und die Macht in ihm stecken. Aber der Autor zeigt uns sehr geschickt durch die leichten Bemerkungen, wie unwohl sich Bazarov fühlt und versucht dabei dies hinter dem Stolz und der Verachtung zu verstecken. Er ist schutzlos und verloren, als sich die Möglichkeit ergibt, allein mit dem selbstbewussten und eleganten Aristokraten zu bleiben: “Постой, я с тобой пойду,-воскликнул Базаров, внезапно порываясь с дивана“10. Auch weiter werden wir mehrmals sehen, dass hinter der äußerlichen Ruhe und Arroganz, versteckt Bazarov ein zartes und empfindliches Herz.

Die Kapitel 12-15 beschäftigen sich mit Arkadijs und Bazarovs Fahrt in die Stadt, wo „einige ganz offensichtlich groteske Gestalten vorgeführt werden“11. Und wieder passt Bazarov nicht in diese Gesellschaft. Das provinzstädtische Milieu präsentiert sich in scharf satirischer Zeichnung. Während des Balls beim Gouverneur, „bei dessen Darstellung das Verfahren des satirisch­resümierenden Erzählberichts zur Anwendung gelangt“12 hat sich Bazarov in eine Ecke des Saales zurückgezogen und tanzte nicht im Gegensatz zu den anderen. Sein selbsternannter „Schüler“ Sitnrkov und die „emanzipierte“, von ihrem Mann getrennt lebende junge Gutsbesitzerin Kukšina wirken als reine Karikaturen. Sitnrkov, Sohn eines Branntweinpächters, verharrt gegenüber Bazarovs Nihilismus im Zustand exaltierter Begeisterung. Laut Peter Brang „sind seine Negation und Kritik nicht aus der Erfahrung der bestehenden Ordnung erwachsen, die ihm ein komfortables Auskommen sichert; sie sind ihm Mittel zur rhetorischen Befriedigung der inneren Notwendigkeit, sein Selbstgefühl durch Verachtung der Umwelt zu festigen“13. Die Kukšina charakterisiert sich durch die Hektik ihres Auftretens, die in Kontrast zu Bazarovs Ruhe steht, durch „einen ins Groteske gesteigerten, rein emotionalen naturwissenschaftlichen Dilettantismus“14. Im Epilog wird die Karikierung des Sitnrkov und der Kukšina bis an eine äußerste Grenze getrieben. Und die Funktion beider Figuren, deren Komik noch durch die Lautgestalt ihrer Namen unterstrichen wird, besteht nicht zuletzt darin, eine indirekt positive Charakterisierung des „echten“ Nihilismus Bazarov zu geben. Also, der Adel versteht Bazarov nicht. Auch sein Freund Arkadij wird nicht immer ihm beistehen. Und so ist er allein.

Jetzt betrachten wir näher die Beziehung Bazarovs zu den Bauern. Es ist zu betonen, dass es in dieser Beziehung überhaupt keine Geziertheit gibt. Dem einfachen Volk gefallt das. Bazarov hat die besondere Fähigkeit, bei den Vertretern der niedrigen Schichten Vertrauen für sich zu wecken. Er betont in den Diskussionen mit Pavel Kirsanov seine Nähe zum Volk («Мой дед землю пахал»15 ) und seine Fähigkeit mit ihnen reden zu können. Die Kinder, die Dienerschaft lieben ihn, das zeigt uns der Autor im Kapitel 10: “Слуги также привязались к нему, хотя он над ними подтрунивал: они чувствовали, что он все-таки свой брат, не барин. Дуняша охотно с ним хихикала и искоса, значительно посматривала на него, пробегая мимо «перепелочкой»; Петр [...] и тот ухмылялся и светлел, как только Базаров обращал на него внимание; дворовые мальчишки бегали за «дохтуром», как собачонки“16. Fenečka vertraut ihm, hat vor ihm keine Angst im Gegensatz zu Pavel Petrovič. Sie kann Bazarov mitten in der Nacht wecken, wenn sie sich Sorgen um ihren kleinen Sohn macht. An der anderen Stelle lesen wir aber: „Увы! презрительно пожимавший плечом, умевший говорить с мужиками Базаров (как хвалился он в споре с Павлом Петровичем), этот самоуверенный Базаров и не подозревал, что он в их глазах был все-таки чем-то вроде шута горохового...“ 17. Diese Aussagen widersprechen einander gar nicht. Mit den Bauern benimmt sich Bazarov ganz einfach, er zeigt keine Herrenmanieren, keinen widerlich süßen Wunsch die Bauersprache nachzuahmen, er belehrt die Bauer nicht. Deswegen fürchten die Bauer ihn nicht, sie sprechen mit ihm ganz offen. Andererseits ist Bazarov für sie fremd. Seine Sprache, sein Umgang, seine Ideen stimmen weder mit diesen der Bauer noch mit diesen der Gutsbesitzer überein. Die Dorfbewohner sind nicht gewohnt, solche Leute zu sehen und ihnen zuzuhören. Deswegen beobachten sie ihn als eine sonderbare Erscheinung. Bazarov gefallt ihnen, weil sie in ihm einen einfachen und intelligenten Menschen sehen, aber gleichzeitig ist er ihnen auch fremd, weil er ihr Alltag, ihre Bedürfnisse, Hoffnungen und Befürchtungen nicht so gut kennt. Er verachtet den tiefen Glauben der russischen Bauern als Nihilist und versteckt seine Verachtung gegenüber dem Volk in seiner aktuellen Lage nicht: „Что ж, коли он заслуживает презрения!“18. Also, die Beziehung Bazarovs zu den Bauern ist kompliziert und widersprüchlich, in der Dorfhierarchie findet sich für ihn kein Platz und er bleibt wieder allein.

2.2. Die politischen Ansichten Bazarovs

Bevor man zu den politischen Ansichten Bazarovs übergeht, sollte die politische Situation in damaligem Russland kurz vorgestellt werden. Zwischen 1789 und 1917 sind Staat und Gesellschaft Russlands der ungelösten Spannung „Reform von oben“ vs. „Revolution von unten“ ausgesetzt; der Dekabristenaufstand 1825 und die europäischen Unruhen 1848 spalteten zusätzlich die russischen Reaktionen: in eine „linke“ Revolutionshoffnung auf der einen und eine „rechte“ Revolutionsangst auf der anderen Seite.

[...]


1 Gü, H.: “Otcy i deti“ in „Hauptwerke der russischen Literatur. Einzeldarstellungen und Interpretationen“ herausgegeben von Wolfang Kasack, KindlerVerlag, München, 1997, S.310

2 Turgnev, I.S.:“Nakanune. Otcy i deti“, Moskva: Izdateľstvo „Chudožestvennaja Literatura“, 1979, S.151-152

3 Lebedev, J.V.:“Roman I.S.Turgeneva „Otcy i deti“. Posobie dlja učitelja“, Izdateľstvo Prosvescenie, Moskva, 1982, S.51

4 Vgl. Turgenev, S.152

5 Vgl. Turgenev, S.153

6 Nabokov, V.:“Die Kunst des Lesens“, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1991, S.119

7 Turgenjew, I.:“Väter und Söhne“ übersetzt von F. Rubiner, (Hrsg) Thiergen, P., Philipp Reclam, Stuttgart, 2003, S.145

8 Turgnev, I.S.:“Nakanune. Otcy i deti“, Moskva: IzdateTstvo „Chudozestvennaja Literatura“, 1979, S.159

9 Vgl. Turgenev, S.185

10 Vgl. Turgenev, S.160

11 Nabokov, V.:“Die Kunstdes Lesens“, FischerTaschenbuch Verlag, Frankfurtam Main, 1991, S.128

12 Brang, Peter: „Turgenjew. Väter und Söhne“ in „Der russische Roman“ herausgegeben von Bodo Zelinsky, AugustBagelVerlag, Düsseldorf, 1979,S.145

13 Vgl. Brang, P., S.145

14 Vgl. Brang, P., S.145

15 Vgl. Turgenev, S.192

16 Vgl. Turgenev, S.186

17 Vgl. Turgenev, S.318

18 Vgl. Turgenev, S.192

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Bazarovs Bild im Roman „Väter und Söhne“
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V147705
ISBN (eBook)
9783640596249
ISBN (Buch)
9783640595938
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bazarovs, Bild, Roman, Söhne“
Arbeit zitieren
Ada Gorskih (Autor:in), 2008, Bazarovs Bild im Roman „Väter und Söhne“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147705

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