"Vom Volk für das Volk"

Die Utopie sozialistischer Architektur am Beispiel der Stalinallee


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Hauptteil
II.1. Aufbau
II.1.1. Die Große Frankfurter Straße bis zum Zweiten Weltkrieg
II.1.2. Erst Neubebauung und Entstehung des Ausbaugesetzes
II.1.3. Planung der Neubebauung
II.1.4. Aufbau -10
II.2.Symbolik und Propaganda
II.2.1. „Vom Volk für das Volk“
II.2.2. Wirkung auf den Westen
II.2.3. Leben in der Stalinallee
II.2.4. Konsum und Vergnügen

III. Schluss

IV. Literatur

I Einführung

Die Karl-Marx-Alle, vormals Stalinallee, davor Große Frankfurter Straße genannt, ist heute die imposanteste Allee in Berlin, nicht nur Ost-Berlins. Das Besondere der Straße ist deutlich im Vergleich mit anderen großen Straßenzügen in West- und Osteuropa zu erkennen. Die Westberliner Architektur wirkt kleinstädtisch im Gegensatz zu dem Stolz und der Siegesgewissheit der Anfangsjahre des Sozialismus, den die Allee ausstrahlt. In der Literatur zu sozialistischer Architektur beziehungsweise DDR- Architektur ist die Stalinallee ein häufig behandeltes Thema, das Historiker und Architekten von damals wie heute beschäftigt.

Es sind vor allem die Ausmaße der Magistrale, die die Stalinallee zum Vorbild und Sinnbild der sozialistischen Architektur machten. Eine Straßenbebauung von sieben- bis neungeschossigen Wohngebäuden mit homogenen Fassaden auf 1,8 Kilometer Länge, zwischen Straußberger Platz und Frankfurter Tor, dazu die schalenförmige Randbebauung am Straußberger Platz mit Punkthäusern von bis zu dreizehn Geschossen. Und das alles wurde in nur zweijähriger Bauzeit unter der Beteiligung des Ostberliner Bevölkerung errichtet.[1]

Es ist auch die Idee des Neuen, die Neuformung der Gesellschaft, die dank der Restaurierung und des Denkmalschutzes wieder lebendig wurde. Es galt, „...die zerstörten Städte im Osten Deutschlands so schnell wie möglich wieder auf zu bauen und den Menschen wenige Jahre nach dem Inferno des Krieges eine Perspektive aufzuzeigen.“[2]

Die sozialistische Ideologie, die in der Sowjetunion so großes geschaffen hatte, sollte auch in Ostdeutschland ihre Spuren hinterlassen. Nach dem Ende des Dritten Reiches und den Jahren von Tod und Zerstörung war eine neue gemeinsame Perspektive das, was die Berliner zu einem solchen Projekt bewegte. Die rasche Fertigstellung der Magistrale sollte gleichzeitig den weiteren Weg des Sozialismus aufzeigen. „Die Vorzüge des Lebens im Sozialismus“[3] waren hervorzuheben. Insofern ist die Stalinallee als Propagandabau zu verstehen.

Der Stalinallee ließ auch die Westmächte nicht unbeeindruckt. Die West-Berliner Stadtpolitik geriet in Zugzwang. Im zerstörten Deutschland wurde im Osten wie im Westen um die Überlegenheit einer Ideologie über die andere gekämpft. Wie in anderen Bereichen des täglichen Lebens, war besonders in den Fünfziger Jahren die Architektur ein Mittel des Machtgebahres der Besatzungsmächte.[4]

In der folgenden Arbeit möchte ich die Entstehung der Stalinallee von der Ausfallstraße Richtung Frankfurt/Oder zur Repräsentation des Sozialismus und der DDR betrachten und dabei darstellen, inwiefern das Konzept des Baus „Vom Volk für das Volk“ tatsächlich umgesetzt wurde.

II. Hauptteil

II.1. Der Aufbau

II.1.1. Die Große Frankfurter Straße bis zum Zweiten Weltkrieg

Bis ins 17. Jahrhundert bestand Berlin aus eigentlich zwei Städten, Berlin und Cölln, die durch eine gemeinsame Stadtmauer verbunden waren. Die Stadtmauer umfasste in etwa den heutigen Bezirk Mitte. Ende des 17. Jahrhunderts wurden zur Erweiterung des Siedlungsgebietes Vorstädte südlich und nördlich Berlin-Cöllns errichtet. Östlich davon, heute Friedrichshain/Prenzlauer Berg, waren Äcker und Wiesen. Nur eine Handelsstraße führte aus diesem Teil der Stadt Richtung Frankfurt an der Oder hinaus.[5] Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Areal mit Mietshäusern bebaut. In den 1870er Jahren entstand ein Nahverkehrssystem, das auch die Große Frankfurter Straße mit einschloss. Mit der Industrialisierung entwickelte sich zur Jahrhundertwende der Alexanderplatz vom einem Handelsplatz zu einem bedeutenden Verkehrsknotenpunkt.[6]

Der Baustil der Häuser auf der Allee entsprach der damals typischen Berliner Bauart: die Fassade des mehrgeschossigen Vorderhauses der Straße zugewandt, hinter diesem noch ein oder zwei Hinterhäuser, die kleinen Innenhöfe waren durch eine breite Durchfahrt verbunden. Die Häuser waren keine reinen Wohnhäuser, sondern hatten meistens kleine Betriebe oder Werkstätten in den Hinterhöfen angesiedelt.[7] Die enge Bebauung und maximale Ausnutzung des Baugrunds und den daraus resultierenden günstigeren Mietpreisen machten aus dem Osten der Stadt ein Arbeiterviertel, in dem es kaum Grünfläche gab und das Elend wuchs.

1925 trat eine neue Bauordnung in Kraft, die den Bau von Bau vom Mietskasernen stoppen sollte. Unter Stadtbaurat Martin Wagner (1885-1957) wurde mit einem Umbau begonnen, der eine offenen Bauweise schaffen sollte. Dieses Vorhaben konnte nicht beendet werden, die Wirtschaftskrise ließ viele große Bauprojekte Berlins scheitern.[8]

„Die alte Frankfurter Allee war bis zu ihrer Zerstörung somit eine enge (...) Korridorstraße mit lichtarmen Hinterhöfen und tristen Mietskasernen.“[9] Und sie blieb trotz ihrer Funktion als wichtigste Ausfallstraße Richtung Osten vom Verkehr im Zentrum getrennt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Frankfurter Allee fast vollständig zerstört. Vom Alexanderplatz blieben der Bahnhof aus dem 19. Jahrhundert erhalten, ebenso wie zwei Bauten aus der Weimarer Republik: das Berolina-Haus und das Alexander-Haus.[10]

II.1.2. Erste Neubebauung und Entstehung des Aufbaugesetz bzw. der Grundsätze des Städtebaus

Die Aufräumarbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg und der Wiederaufbau vollzogen sich zunächst schleppend. Erst nach der Gründung der DDR 1949 begann die erste Neubebauung der Frankfurter Allee unter Hans Scharoun (1893-1972) und Ludmilla Herzenstein. Es war ein Wohnkomplex neuer Mietshäuser an der Südseite der Frankfurter Allee geplant innerhalb eines so genannten Kollektivplans, die „Wohnzelle Friedrichshain“.[11] Diese sollte über verschiedene Wohnungstypen verfügen, die sich an der Bettenzahl orientierte. Eins dieser Gebäudetypen waren die Laubenganghäuser, die auch nach der Änderung der Strategie zur Bebauung der Alle bestehen blieben. Ende 1949 wurde tatsächlich mit dem Bau begonnen, zur gleichen Zeit bekam die Straße einen neuen Namen.[12]

In der DDR hatte sich der Personenkult um Josef Stalin (1878-1953) durchgesetzt, so dass zu seinem 70. Geburtstag im Dezember 1949 der Straßenzug Frankfurter Straße – Große Frankfurter Straße – Frankfurter Allee in „Stalinallee“ umbenannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Allee zwar noch eine kaputte Straße, aber die Zukunft sollte Großes verheißen. „Die Stalinallee wurde nicht nur zum Symbol für ein neues städtebauliches und architektonisches Leitbild, sondern auch für den staatssozialistischen Entwicklungsprozess der DDR.“[13] 1961 wurde die Allee in Karl-Marx-Allee beziehungsweise Frankfurter Allee umbenannt und ihr Stalindenkmal gestürzt.

Bereits wenige Monate nach der Gründung des neuen Staates wurden Maßgaben erarbeitet, die Grundlage einer neuen Baupolitik sein sollte. Bisher galten zwar die Richtlinien des Generalaufbauplans, dennoch wollte die SED ihren Einfluss auf die Gestaltung der Stadt ausweiten um sie im sozialistischem Sinn zu formen. In Bezug auf das Bauprojekt „Wohnzelle Friedrichshain“ kam es zu Differenzen zwischen dem Magistrat und dem Aufbauministerium. Diese waren so gravierend, dass schließlich eine Regierungsdelegation unter Leitung von Lothar Bolz (1903-1986), des Ministers für Aufbau, nach Moskau reiste, um sich über Städtebau und Architektur der Sowjetunion zu informieren.[14]

[...]


[1] Tscheschner, Dorothea: Stadtplanung und Städtebau, in: Karl-Marx-Allee – Magistrale in Berlin. Die Wandlung der sozialistischen Prachtstraße zur Hauptstraße des Berliner Ostens, hg.v. Helmut Engel und Wolfgang Ribbe, Berlin 1996, S.15.

[2] Nikolaus, Herbert und Obeth, Alexander: Die Stalinallee. Geschichte eines deutschen Straße, Berlin 1997, S.58.

[3] Deiters, Ludwig; Butter, Andreas und Hartung, Ulrich: Begegnung mit der Architektur der Stalinallee, in: Karl-Marx-Allee – Magistrale in Berlin. Die Wandlung der sozialistischen Prachtstraße zur Hauptstraße des Berliner Ostens, hg.v. Helmut Engel und Wolfgang Ribbe, Berlin 1996, S.59.

[4] Bodenschatz, Harald: Antworten West-Berlins auf die Stalinallee, in: Karl-Marx-Allee – Magistrale in Berlin. Die Wandlung der sozialistischen Prachtstraße zur Hauptstraße des Berliner Ostens, hg.v. Helmut Engel und Wolfgang Ribbe, Berlin 1996, S.153.

[5] Nikolaus, Herbert und Obeth, Alexander: Die Stalinallee. Geschichte eines deutschen Straße, Berlin 1997, S.17.

[6] Cuadra, Manuel: Berlin Karl-Marx-Allee. Eine Einführung, in: Berlin Karl-Marx-Allee. Hintergründe ihrer Entstehung/Probleme/Visionen, hg.v.d. Architektenkammer Hessen, Hamburg 1997, S12.

[7] Nikolaus und Obeth: Die Stalinallee, S.25.

[8] Ebd., S.29.

[9] Ebd., S.29.

[10] Cuadra: Berlin Karl-Marx-Allee. Eine Einführung, S.12.

[11] Tscheschner, Dorothea: Stadtplanung und Städtebau, in: Karl-Marx-Allee – Magistrale in Berlin, S.17.

[12] Nikolaus und Obeth: Die Stalinallee, S.56-59.

[13] Ebd., S.54.

[14] Ebd., S.58.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Vom Volk für das Volk"
Untertitel
Die Utopie sozialistischer Architektur am Beispiel der Stalinallee
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Hauptseminar: Die sozialistische Stadt
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V147701
ISBN (eBook)
9783640585373
ISBN (Buch)
9783640585502
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Architektur, Sozialismus, Stalinallee, Frankfurter Allee, Ostberlin, Kalter Krieg
Arbeit zitieren
Katharina Hoffmann (Autor:in), 2009, "Vom Volk für das Volk", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147701

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