Der Gesellschaftsvertrag von Jean-Jaques Rousseau - Eine Betrachtung zum Freiheitsbegriff


Seminararbeit, 2008

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Eine Voriiberlegung zum Freiheitsbegriff

3 Jean-Jacques Rousseau
3.1 Jean-Jacques in der Tradition der Vertragstheorie
3.2 Der Gesellschaftsvertrag
3.2.1 Die Struktur des Gesellschaftsvertrages
3.2.2 Das Verhältnis der Regierung und des Sou veräns
3.3 Die Freiheit im Gesellschafts vertrag
3.3.1 Der Souverän als Garant der Freiheit
3.3.2 Die Grenzen der Freiheit
3.4 Die Staatsreligion

4 Rousseau und Kant

5 Schlussbemerkung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Lassen sie uns mehr Freiheit wagen!"1 ist die Aufforderung der deutschen Bundes-kanzlerin in ihrer Regierungserklärung des Jahres 2005. Der Begriff der Freiheit hat eine lange Geschichte im politischen Diskurs und die eben zitierten Worte sind nur ein Beispiel far seine immerwährende Aktualität. Ein Begriff der zumeist als selbstverständlich empfunden wird. Doch welche Bedeutung begleitet die Forde-rung mehr Freiheit zu wagen?

Die Komplexität dieses Begriffes kann schnell verloren gehen, wenn er zu ei-ner reinen politischen Floskel verkommt. Die Geschichte gibt eine Falle von Bei-spielen daffir, dass man die Vielfältigkeit ignorieren und stark simplifizierte Vorstel-lungen der Freiheit propagieren kann. Doch welche Uberlegungen stehen hinter diesem Begriff, der allgegenwärtig scheint und doch schwer zu fassen ist?

Die Kämpfe um die Freiheit sind far den GrolSteil der Europäer - und natar-lich nicht nur far diese - wesentlich historische. Nichtsdestotrotz bleibt es ein we-sentlicher Begriff der Kultur, der sich wohl erst in seiner Entwicklungsgeschichte in vollem MalSe fassen lässt. Die Forderung der Freiheit begleitet das politische Den-ken durch seine gesamte Geschichte. Doch die Frage der Umsetzung und Organisa­tion eines Gemeinwesens, das diese Forderung erfullt, ist stets ein Anreiz und Be-ginn der Gedanken vieler Denker. Ohne diese in Betracht zu ziehen, erscheint es problematisch etwas zu wagen, wo von es schwierig ist genau Auskunft zugeben, was eigentlich gemeint sei.

Die vorliegende Arbeit ist durch das Interesse an dieser Entwicklungs-geschichte, an den Fragen und deren Beantwortung motiviert. Sie soll im gegebenen Rahmen untersuchen, ob und inwieweit die Freiheit als selbstverständlich anzuse-hen ist. Es wird indessen nicht versucht, eine soziologische Analyse vorzutragen, die sich mit dem aktuellen Stand der Wahrnehmung und der Bewertung des Begrif-fes der Freiheit auseinanderzusetzen beabsichtigt. Vielmehr sollen anhand des politischen Denkers Jean-Jacques Rousseau einige zentrale Aspekte der Erschaf-fung und Erhaltung von Freiheit untersucht werden. Es wird sich zeigen, dass die Organisation eines Staates unter der Bedingung der Freiheit eines jeden Einzelnen kein einfaches Unterfangen ist und keineswegs mit schlichten Lösungen angegan-gen werden kann.

J.-J. Rousseau stellt einen herausragenden Denker dar, da er, mit seiner ra-dikalen Forderung nach der Freiheit des Einzelnen und der Beteiligung Aller an der politischen Macht, weit über seine Zeit hinausgeht. Uberdies fordert er den Men-schen zur Selbstverantwortung auf und entwickelt ein Staatsmodell, das diesem Anspruch versucht gerecht zu werden. Dies allein rechtfertigt bereits eine nähere Auseinandersetzung mit seinen Gedanken, nicht zuletzt daher, dass sie oft schlicht als utopisch abgetan werden.

Der Autor des Gesellschaftsvertrages bildet auf Grund dieses Anspruchs den Kern dieser Arbeit. Darüber hinaus ist die Stellung J.-J. Rousseau unter den Klas-sikern des politischen Denkens unbezweifelbar, was die Entscheidung für diesen Autor zusätzlich begründet. Die Organisation der Beteilung der Bevölkerung an ihrer Regierung bzw. der politischen Macht ist, ebenso wie die Forderung nach der RechtmäiSigkeit von Herrschaft, ein stets aktuelles Thema. Alle diese Aspekte tref-fen letztlich in der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Freiheit zusammen. J.-J. Rousseaus erste Bedingung ist die Freiheit, und seine Uberlegungen zielen auf die Schaffung von Verhältnissen, die diese, rechtmäiSig und von Allen legitimiert, erhalten. Dennoch ergeben sich ungeahnte Gefahren, deren Auflösung bisweilen zu Ergebnissen führen kann, die dem Ziel der Freiheit diametral entgegenstehen.

Gelingt es der Arbeit anhand dieses Beispiels zu zeigen, dass trotz hehrer Ziele und einem für sich genommenen vernünftigen Anspruch, die Gefahr groiS ist, die zu erreichenden Ziele gänzlich aus dem Blick zu verlieren, so hat sie ihre Aufga-be erfüllt. Denn dies, dass wird zu zeigen sein, geschieht in der Staatskonzeption J.-J. Rousseaus; trotz − oder gerade wegen − des radikalen Eintretens für die Frei-heit.

Die Untersuchung wird sich hauptsächlich mit dem Gesellschaftsvertrag befassen, da dieser die zentralen Gedanken J.-J. Rousseaus wiedergibt. Des Weiteren wird eine Verortung in der Geschichte der Denker versucht, die sich in der Tradition der Vertragsidee befinden. Die Uberlegungen Thomas Hobbes" und John Lockes werden zu diesem Zweck skizziert, um im Vergleich mit J.-J. Rousseau, dessen Gedanken in den nötigen Kontext setzen zu könne. Diesen Uberlegungen wird zudem ein ein-leitendes Kapitel über den Begriff der Freiheit vorangestellt, das den grundlegenden Rahmen vorgeben soll. Dieser wird sich nicht direkt auf die vorliegende Arbeit an-wenden lassen, soll aber die Vielfältigkeit der zu bedenkenden Faktoren im Ungang mit dem Begriff der Freiheit deutlich machen. SchlieiSlich wird die Weiterentwick-lung rousseauscher Gedanken bei Immanuel Kant skizziert und in J.-J. Rousseaus Konzeption zurückversetzt werden. Diese Vorgehensweise soll die Verortung des Autors in der Philosophiegeschichte abschlielSen. Darner hinaus aber den Versuch darstellen, aufzuzeigen, dass die zentralen Uberlegungen J.−J. Rousseaus, sowie die Konzeption im Ganzen, nicht ohne Weiteres als Utopien abgetan werden kön-nen, sondern im Kern durchaus wegweisend far den politischen Diskurs im Allge-meinen gewesen sind und sein können.

Der Gesellschaftsvertrag, wird mit der Absicht dargstellt, einerseits die Struk-tur des rousseauschen Staates und andererseits die far den Begriff der Freiheit rele vanten Gedanken deutlich hervorzuheben. Dementsprechend wird im Folgenden keine genaue Textinterpretation vorgestellt, die sich am Aufbau des Textes selbst orientiert. Vielmehr erfolgt eine Raffung und Konzentration auf die wesentlichen Gedanken und deren Umsetzung, sowie daran anschlielSend die kritische Ausei-nandersetzung.

2 Eine Voriiberlegung zum Freiheitsbegriff

Auf Grund der unterschiedlichsten und vielfältigsten Implikationen, die der Begriff der Freiheit mit sich bringt, erscheint es ratsam jedweder Untersuchung, die sich mit Aspekten dieses Begriffs auseinandersetzt, eine kurze Voruberlegung voran zuschicken. Diese hat sich mit den grundlegendsten Bestimmungen zu beschäfti-gen.

Im Folgenden wird in diesem Sinn eine derartige Darstellung gegeben.2 Sie soll die Funktion einer Art Propädeutik erfullen, jedoch nicht direkt auf die im wei-teren Verlauf behandelten Schwerpunkte bezogen werden. Dafar gibt es zwei Gran­de. Der Erste ist der Tatsache geschuldet, dass der wiedergegebene Text ein moder-ner ist und somit die durch die zu behandelten Autoren errungen Erkenntnisse bereits zum Teil voraussetzen kann bzw. weit darner hinaus geht. Die direkte Verknüpfung wäre anachronistisch. Der zweite Grund ist der, dass der Text einen Rahmen darstellen soll, indem unterschiedlichste Betrachtungsweisen vorgestellt werden, um dem Begriff der Freiheit schärfere Konturen geben zu können.

Bei der Verwendung des Begriffes der Freiheit lässt sich zunächst unter-scheiden, ob die Freiheit von etwas, oder aber, die Freiheit zu etwas gemeint ist. Peter Kollers Aufsatz folgend, soll die Freiheit in der Bedeutung des Nicht-vorhandenseins von Beschränkungen, die negative Freiheit, die Möglichkeit − im Sinne der Fähigkeit einer Person - etwas zu tun, indes die positive Freiheit genannt werden. Es bedeutet die zunächst einfache Unterscheidung, ob eine Person durch äuiSere Beschränkungen gehindert wird, nach ihrem Belieben zu handeln (Sie hat diesem Fall keine negative Freiheit), oder ob sie durch innere Beschränkungen daran gehindert wird (Sie hat in diesem Fall keine positive Freiheit). Es wird deut-lich, dass eine Person, die negative Freiheit hat, deshalb unter bestimmten Bedin-gungen noch nicht frei genannt werden kann, da es möglich ist, dass ihr die positi­ve Freiheit, es zu tun, fehlt. Es ist wichtig hervorzuheben, dass eine grundlegende Bestimmung des Freiheitsbegriffs diese Aspekte zu berucksichtigen hat.

„Das Freiheitskonzept erweist sich damit in jedem Fall als ein Relations-pr a dikat"3, womit auf die Variabilität der Bestimmung hingewiesen wird. Aus der Unterscheidung zwischen positiver und negativer Freiheit ergeben sich, so P. Koller, drei Elemente, die zu berucksichtigen sind: (1.) die Person, der Freiheit zuge-schrieben wird, oder nicht, (2.) die Beschr a nkungen, die die Person in ihrem Han- deln hindern und (3.) die Han d lungsmöglichkeiten, die gewehrt oder verwehrt wer-den. Diese Elemente sind bei der Bestimmung der Freiheit zu berücksichtigen, sodass sich „[n]egative und positive Freiheit [...] nur darin, daiS sie diese Elemente verschieden akzentuieren"4, unterscheiden.

Des Weiteren schlägt P. Koller die Differenzierung zwischen spezieller und genereller Freiheit vor. Damit ist die Zuschreibung der Freiheit in einer einzelnen Handlung, von der, in einem Gesamtbereich an Handlungsmöglichkeiten, unter-schieden. Dem fügt er die Begriffspaare zweiwertig und qualitativ (spezielle Freiheit) und abstufbar und komparativ (generelle Freiheit) hinzu. Für die Freiheit im speziel-len Sinn, gilt, entweder es kommt der Person Freiheit zu, oder nicht; die Person kann die Handlung ausführen, oder sie wird daran gehindert (daher zweiwertig und qualitativ). Im generellen Sinn wird die Gesamtheit an Handlungsmöglichkeiten betrachtet, sodass sich ein abstufbarer und komparativer Begriff der Freiheit ergibt; die Person kann in unterschiedlichsten MaiSe in ihren Handlungsmöglichkeiten gehindert sein. „Da es im Rahmen des politischen Diskurses nicht in erster Linie um einzelne Handlungen sondern um die Freiheit von Menschen im allgemeinen geht, wird im folgenden hauptsächlich von Freiheit im generellen Sinne die Rede sein."5

Nachdem nun die grundlegenden Aspekte erläutert wurden, kann auf einen, im engeren Sinne, politischen Gebrauch des Freiheitsbegriffs eingegangen werden. Im weiteren Verlauf des Textes beschränkt sich P. Koller auf die nähere Bestim-mung der Beschr a nkungen d es Han d elns. Er unterscheidet zwischen natürlichen (Naturgesetze) und sozialen (Verhalten andere Menschen), sowie internen (auf Grund der persönlichen Eigenschaften) und externen (auf Grund äuiSeren Bedin-gungen) Beschränkungen.

„Kombiniert man diese beiden Unterscheidungen, so ergeben sich vier Arten von Beschrän-kungen: (1) Externe natürliche Beschr d nkungen, die dem Handeln von Menschen durch Natur-gesetze und naturgegebene Tatsachen auferlegt sind, z.B. durch das Gesetz der Schwerkraft; (2) interne natürliche Beschr d nkungen, die aus den angeborenen physischen, psychischen und intellektuellen Eigenschaften von Personen resultieren; (3) externe soziale Beschr d nkungen, die von der sozialen Umgebung der handelnden Person ausgehen, z.B. in Form manifester Gewalt und zwangsbewehrter sozialer Normen; und (4) interne soziale Beschr d nkungen, welche sich aus der Verteilung jener Ressourcen ergeben, die zwar gesellschaftlich bedingt sind, aber der privaten Sphäre jeder einzelnen Person zugerechnet werden; solche Ressourcen - nenne sie soziale Ressourcen d es Han d elns - sind alle sozial vermittelten, d.h. durch die gesellschaft-lichen Verhältnisse bedingte Fähigkeiten von Menschen, wie z.B. ihr erworbenes Wissen, ihre erlernten Fähigkeiten und Kenntnisse, ihre berufliche Qualifikation, ihr Einkommen und ihr wirtschaftliches Vermögen."6

P. Koller wird in dem verbleibenden Teil seines Textes die soziale Freiheit in den Mittelpunkt des politischen Diskurses rücken lassen, womit letztlich die Ausein-andersetzungen der Moderne ihren Anfang nehmen.7 Für die vorliegende Arbeit genügen indes, der gegebene Rahmen der zu beachtenden Aspekte des Freiheits-begriffes, sowie ihre ihrerseits begriffliche Klarstellung.

3 Jean-Jacques Rousseau

3.1 Jean-Jacques in der Tradition der Vertragstheorie

Das folgende Kapitel beinhaltet eine skizzierte Darstellung der bedeutendsten Vor-gänger Rousseaus im Bereich der Vertragstheorie. Eine genaue Erläuterung der beiden englischen Autoren Thomas Hobbes (1588-1679) und John Locke (1632­1704) und deren ausführlicher Vergleich mit Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) sind nicht beabsichtigt. Beides würde den zur Verfügung stehenden Rahmen über-steigen. Vielmehr soll eine Verortung J.-J. Rousseaus in der Tradition erreicht wer-den, die es ermöglicht, den spezifisch rousseauschen Teil seiner Vertragsidee her-vor- und gegen die genannten Autoren abzuheben.

Zunächst jedoch ist es notwendig, sich den Kern der Vertragsidee zu verge-genwärtigen. Dieser besteht darin, dass „das Individuum in freier Selbst-entscheidung durch einen Vertrag aller Glieder der Gesellschaft miteinander (Ge-sellschaftsvertrag) dem Staat die Herrschaft über sich überträgt und durch diesen (fiktiven) Akt Herrschaft legitimiert."8 Der Vertrag ist die Grundlage für ein politi-sches Leben der Menschen; erst mit dem Vertragsschluss und der Errichtung eines Staates lösen sich die Menschen selbst aus dem Naturzustand. Der Vertragsab-schluss ist der Moment des Uberganges vom Naturzustand zum politischen oder bürgerlichen Zustand - der Gesellschaft. Diese Auffassung verneint die Annahme, der Mensch sei von Natur aus ein politisches Lebewesen und stellt somit eine Alter­native zur Konzeption beispielsweise des aristotelischen z oo n p o litik o n9 dar. Dar-über hinaus wird prinzipiell jede Herrschaft dazu verpflichtet, sich an ihrer Legiti­mation messen zu lassen, die ihrerseits ausschlielSlich in der Ubereinkunft Aller mit Allen besteht. Somit wird jedweder metaphysischer oder religiöser Bezug zur Herr-schaft entkräftet, was nicht zuletzt im Hinblick auf die Geschichte beachtenswert ist.

Der Vergleich der genannten Autoren mit J.-J. Rousseau wird sich auf den Bereich der Begriffe Naturzustand, Herrschaftsorganisation und Freiheit beschrän-ken. Die Gewichtung dieser Bereiche stellt eine willkfirliche Auswahl dar, die kei-nen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Mir erscheint diese Wahl jedoch ausrei-chend, um die Grundanliegen der Autoren, sowie die spezifischen Unterschiede zu den Vorstellungen J.-J. Rousseaus deutlich hervorheben zu können; mehr soll an dieser Stelle nicht erreicht werden.

Der Naturzustand, als die Zusammenfassung der Lebensumstande vor Eintritt in eine politische Gemeinschaft, wird von allen drei Autoren explizit hervorgehoben. Jedoch mit unterschiedlicher argumentativer Gewichtung. Stellt er bei jeder der Konzeptionen die ReflexionsgrolSe dar, an der sich die entstanden Gemeinschaft zu messen hat (indem sie ihn fiberwunden haben muss), so fibernimmt er bei T. Hobbes und J. Locke noch eine weitere tragende Rolle. Bei beiden dient er als Ausgangspunkt der Uberlegungen fiber die Organisation und ZweckmalSigkeit des Staates. Die Bestimmung des Menschen im Naturzustand gibt die Richtlinien des Staates vor.

Wahrend sich der Mensch in T. Hobbes" Vorstellung in einem Zustand „des Krieges aller gegen alle"10 befindet und somit in permanenter Gefahr lebt, stellt J. Locke den Naturzustand als einen rechtlosen Raum dar, in dem alle frei sind, alles nach ihrem Belieben zu tun. Die Annahmen ahneln sich, schlielSlich ist der andauernde Kriegszustand (T. Hobbes) ein ebenso rechtloser Raum, wie ihn J. Locke denkt. Allerdings liegt eine verschiedene Akzentuierung vor. Wahrend T. Hobbes einen im Wesen verdorbenen Menschen annimmt, geht J. Locke von einem gemalSigten Menschen aus, dem es bereits mit der Schaffung eines Rechts-systems gelingt, seine Verhaltnisse nach den „rechten Vorschriften der Vernunft"11 zu ordnen und zu gestalten. Ist der Kriegszustand das Ergebnis des (natfirlichen) menschlichen Handelns bei T. Hobbes, so bestimmt J. Locke ihn als Abwendung des Menschen von seiner menschlichen Natur12:

„Das Fehlen eines mit Autorität ausgestatteten gemeinsamen Richters versetzt alle Menschen in den Naturzustand; Gewalt ohne Recht, gegen jemandes Person gerichtet, erzeugt den Kriegszustand, ganz gleich, ob es einen gemeinsamen Richter gibt oder nicht."13

Es wird hieraus deutlich, dass J. Locke den Naturzustand nicht mit dem Kriegszu-stand gleichsetzt, vielmehr das er den Letzteren als einen Verfall versteht, nicht jedoch als den natürlichen Zustand selbst.

Die Herrschaftsorganisation richtet sich, der Konzeption der Vertragsidee (Natur-zustand S Notwendigkeit des Vertragsabschlusses S Staatsorganisation) folgend, an der Bestimmung des Naturzustandes aus. Nachdem - so die Argumentation der Vertragstheoretiker - die Verhaltnisse als untragbar erkannt wurden, erfolgte die Einigung zur Gründung einer Gemeinschaft, die eine Regulierung der Lebensum-stande zum Zweck hatte.

Ausgehend von seiner Vorstellung über den Naturzustand, kommt T. Hobbes zu der Uberzeugung, dass es eines absoluten Herrschers bedarf, der die kriege-rischen Triebe des Menschen unterdrückt und ihm auf diese Weise die ersehnte Sicherheit und den Frieden gewahrleistet.

„Staat ist eine Person, deren Handlungen eine groiSe Menge Menschenkraft der gegenseitigen Verträge eines jeden mit einem jeden als ihre eigenen ansehen, auf daiS diese nach ihrem Gut-dünken die Macht aller zum Frieden und zur gemeinschaftlichen Verteidigung anwende."14

Die Uberwindung der Widrigkeiten des Naturzustandes erfolgt durch die Schaffung eines Staates (Herrschers), der starker und machtiger ist als der Einzelne sein kann, sodass jedwede Störung des Friedens kraft der absoluten Macht des Staates über seine Glieder behoben werden kann. Die Schaffung dieses Machtgebildes ent-lasst die Bürger in die politische Unmündigkeit, obwohl sie kurz zu vor zu einer politischen Gemeinschaft zusammengefasst wurden.

Die gleiche Ubernahme des Naturzustandes als Kern der Uberlegungen des Staatsaufbaus ist bei J. Locke zu sehen. Er kommt jedoch nicht zu einem derart radikalen Schluss wie T. Hobbes. GemaiS seiner Konzeption bedarf es keiner abso-luten Gewalt, die im Zweifelsfall die Macht besitzt unabhangig zu walten. Er sieht das „groiSe und hauptsachliche Ziel [...], zu dem sich Menschen in Staatswesen zusammenschlieiSen und sich unter eine Regierung stellen, [...] [im] Erhalt ihres Eigentums."15 Unter Eigentum ist zusammenfassend die Erhaltung der Freiheit und des Besitzes sowie der Gesundheit des Einzelnen gemeint. Dieses Ziel ist - laut J. Locke - in der Errichtung eines Staates gewahrt, der sich durch drei herausra-genden Eigenschaften auszeichnet:

[...]


1 Angela, Merkel, Angela Merkel: Erste Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, in: mitmischen. Das Ju-gendportal des deutschen Bundestages, URL: [http://www.mitmischen.de/index.php/Informativ/WissePur/ site/ RedenDokumente/page/4] (06. März 2009).

2 Das Folgende ist die Zusammenfassung der für die vorliegende Arbeit relevanten Stellen aus: Koller, Peter, Freiheit als Problem der politischen Philosophie, in: Politik und Ethik, hg. von Kurt Bayertz, Ditzingen 1996.

3 Koller, Freiheit als Problem der politischen Philosophie, S. 114.

4 Ebd., S. 114.

5 Ebd., S. 115.

6 Ebd., S. 116.

7 Vgl. Ebd., S. 117f.

8 Der Brockhaus Philosophie. Ideen, Denker und Begriffe, hg. von Lexikonredaktion des Verlages F.A. Brock-haus, Mannheim – Leipzig 2004, S. 352f.

9 Vgl. Wörterbuch der antiken Philosophie, hg. von Christoph Horn und Christof Rapp, München 2002, S.467.

10 Hobbes, Thomas, Leviathan. Erster und zweiter Teil, fibers. von Jacob Peter Mayer, Ditzingen 2007, S. 151.

11 Locke, John, Über die Regierung, hg. von Peter Cornelius Mayer-Tasch, fibers. von Dorothee Tidow, Ditzin-gen 2008, S. 9.

12 „Abgesehen von dem Verbrechen der Gesetzesverletzung und des Abweichens von den rechten Vorschriften der Vernunft – wodurch ein Mensch entartet, sich von den Prinzipien der menschlichen Natur lossagt und erklärt, ein schädliches Wesen zu sein – [...]“ Ebd., S. 9.

13 Ebd., S. 16.

14 Hobbes, Leviathan, S. 155f.

15 Locke, Über die Regierung, S. 96.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Der Gesellschaftsvertrag von Jean-Jaques Rousseau - Eine Betrachtung zum Freiheitsbegriff
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Philosophie)
Veranstaltung
Rousseau: Kritik der Kultur und Gesellschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
33
Katalognummer
V147643
ISBN (eBook)
9783640582563
ISBN (Buch)
9783640582228
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rousseau, Freiheit, Gesellschaftsvertrag, politische Theorie, Vertragstheorie, politische Philosophie, Staat
Arbeit zitieren
Mathias Hetmank (Autor:in), 2008, Der Gesellschaftsvertrag von Jean-Jaques Rousseau - Eine Betrachtung zum Freiheitsbegriff, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147643

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