Die niederländische Gesundheitsreform 2006

Politikmanagement und strategische Regierungskommunikation der Regierung Balkenende


Hausarbeit, 2010

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das politische System in den Niederlanden

3 Der Einfluss der systemischen Rahmenbedingungen

4 Der Einfluss der kulturellen Rahmenbedingungen

5 Gesundheitsreform 2006 - Das Politikmanagement der Regierung Balkenende
5.1 Verlauf des Entscheidungsprozesses
5.2 Interaktionsorientierung
5.3 Kommunikationsmodus
5.4 Argumentationsart
5.5 Argumentationstyp

6 Zusammenfassung

7 Persönliches Fazit

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Reader 34601-5-01-S1 „Politikmanagement und Politische Kommunikation in westlichen Demokratien“ erörtert Professor Korte die Möglichkeit der Anwendung einer Fallanalyse zum Thema Politikmanagement und Politische Kommunikation in westlichen Demokratien auf wohlfahrtsstaatliche Entscheidungsprozesse in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden und den USA. Inspiriert von diesen Fallanalysen möchte ich selbes Schema in Form einer Einzelfallstudie auf die westliche Demokratie der Niederlande anwenden und somit die Anwendbarkeit auf eine andere westliche Demokratie prüfen. Die Niederlande ist eine parlamentarische Monarchie mit einem Zweikammersystem. Die Minister werden vom Monarchen bestimmt, wobei seit 1848 das parlamentarische Prinzip darin besteht, dass die benannten Minister auch den Rückhalt des Parlamentes haben. (Vgl. LEPSZY/WILP 2009: 405 )

Als zu verwendendes Fallbeispiel eines wohlfahrtsstaatlichen Entscheidungs-prozesses habe ich mich für das Politikmanagement der niederländischen Regierung im Rahmen der Gesundheitsreform von 2006 entschieden. Der Grund für die Wahl dieses Beispiels ist die - sich auf die Gesundheitsreform gründende - Änderung des niederländischen Krankenversicherungssystems. Gemeint ist im Speziellen die Aufhebung zwischen rein gesetzlicher und rein privater Krankenversicherung. Bei Professor Kortes oben angeführtem Reader werden ebenfalls drei Fallanalysen von Gesundheitsreformen1 vorgenommen.

Diese Arbeit soll zum einen zeigen, dass das Analyseraster nach Prof. Korte auch auf die Niederlande anwendbar ist und zum anderen, dass die Umsetzung der Gesundheitsreform in den Niederlanden einen politischen Prozess darstellt, der nicht allein der Regierung Balkenende zuzuschreiben ist. Der Handlungskorridor für die strategische Regierungskommunikation einer Regierung, welcher oft den Erfolg oder Misserfolg eines politischen Prozessvorhabens einer Regierung bedingt, wird durch die systemischen und kulturellen Rahmenbedingungen begründet. Die verwendete Literatur ist überwiegend junge und alte Sekundärliteratur. Der Reader von Professor Korte zählt zur Primärliteratur, da die Anwendung der Fallanalyse von ihm selbst erstellt wurde.

Die aus der Literatur erhaltenen Informationen zur Gesundheitsreform und zum politischen System der Niederlande werden in das Schema der Fallanalyse nach Professor Korte eingearbeitet. Die theoretische Verortung meiner Arbeit hat deskriptiv-interpretativen Charakter und soll einerseits einen Überblick über die politische Kommunikation, sowie Regierungskommunikation innerhalb der Niederlande bieten, als auch andererseits meine Aussage zur Umsetzung der Gesundheitsreform bekräftigen. Das zweite Kapitel gibt eine kurze Zusammenfassung über das politische System der Niederlande und der für diese Arbeit wichtigen auftretenden Akteure. Der Einfluss der systemischen Rahmenbedingungen Regierungstyp, Demokratietyp und Blockadepotential durch Vetospieler wird im dritten Kapitel wiedergegeben.2 Die Darstellung des Einflusses der kulturellen Rahmenbedingungen ist Inhalt des vierten Kapitels meiner Hausarbeit. Es findet eine Beschreibung der niederländischen Wohlfahrtsstaatskultur und der politischen Kommunikationskultur statt. Die Wohlfahrtskultur gibt hierbei den gesellschaftlichen Wertekonsens an, welcher für die Entscheidungsfindung im politischen Prozess zu beachten ist, damit Entscheidungen nicht entgegen dem Volkswillen entstehen. Inwieweit die politischen Entscheidungen von den Medien oder von einem gemeinsamen Parteienkurs abhängig sind, wird bei der politischen Kommunikationskultur bestimmt. Werden die Medien oder die Parteien zum starken Vetospieler? Das fünfte Kapitel beinhaltet das Fallbeispiel der Verschmelzung der privaten und gesetzlichen Krankenkassen durch die Gesundheitsreform von 2006. Hier findet eine Unterteilung in die Unterkapitel Entscheidungsprozesse, Interaktions-orientierung, Kommunikationsmodus, Argumentationsart und Argumentationstyp statt. Im sechsten und letzten Kapitel meiner Arbeit werden die wichtigsten Ergebnisse der vorhergegangenen Kapitel resümiert und zu einem Schlussfazit zusammengefasst, in welchem die Aussage über die Anwendbarkeit der Fallanalyse und die Reformierung des Gesundheitssystem als gemeinschaftlichen politischen Verhandlungsprozess bestätigt wird.

2 Das politische System in den Niederlanden

Das niederländische Regierungssystem entspricht einer parlamentarischen Monarchie, wobei dem Monarchen nicht nur repräsentative Aufgaben zukommen.

Der Monarch ist an der Regierungsbildung beteiligt, wie bei den folgenden systemischen Bedingungen beschrieben, sowie hält er die Thronrede, in welcher er die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten – die als Wegweiser der Politik der kommenden Legislatur gilt - verliest. „Der niederländische Ministerpräsident verfügt über keinerlei Richtlinienkompetenz“ (KLEINFELD 1998: 155) und ist dementsprechend gegenüber dem Parlament nicht weisungsbefugt. Umso wichtiger ist es deshalb für die Regierung eine konsensorientierte Politik zu betreiben, weshalb die Niederlande auch dem Typ der Konkordanzdemokratien zugerechnet wird. Mit als Grund für das Entstehen der konsensorientierten Politik ist die Historie der Versäulung3 zu nennen. (Vgl. ebd.: 169f.) Die unterschiedlichen Säulen in den Niederlanden – Katholiken, Protestanten, Sozialisten und Liberale – führten dazu, dass sich politisch lediglich Minderheiten gegenüberstanden und Regierungstätigkeiten nur durch Kompromissbildungen umsetzbar waren. Zwar ist die Entsäulung in den Niederlanden durchaus vorangeschritten, doch sind die politischen Parteien weiterhin zu Koalitionsverhandlungen gezwungen, um an die Regierung zu kommen. Um bei politischen Verhandlungen einen gemeinsamen Nenner zu finden, sind Elitemeinungen von Vorteil, da diese ein hohes Vertrauen in der niederländischen Bevölkerung und Politik genießen.

Im Bereich der Gesundheitspolitik sind die Auswertungen des Social Economic Raad – kurz SER – von signifikanter Bedeutung. „Der SER ist tripartistisch mit jeweils elf Vertretern der Spitzenverbände von Arbeit und Kapital sowie der Krone besetzt.“ (SEILS 2006: 249) Die Ergebnisse des SER, welcher keine staatliche Institution darstellt, sondern eine Doppelfunktion als Beratungsorgan und öffentlich-rechtliche Wirtschaftsorganisation ausübt, dienen als Wegweiser der zukünftigen Regierungspolitik. (Vgl. KLEINFELD 1998: 196)

Die Niederlande besitzt ein Zweikammersystem, wobei die Erste Kammer aus 75 Abgeordneten besteht, die auf vier Jahre von den Mitgliedern der Provinzlandtage gewählt werden (Vgl. ebd.: 154) und die Zweite Kammer aus 150 Abgeordneten besteht, die vom Volk für vier Jahre direkt gewählt werden. (Vgl. LEPSZY/WILP 2009: 408)

3 Der Einfluss der systemischen Rahmenbedingungen

Die systemischen Rahmenbedingungen werden in die Dimensionen Regierungstyp, Demokratietyp und Blockadepotential durch Vetospieler unterteilt. (KORTE 2009: 37) Gemeinsam mit den kulturellen Rahmenbedingungen bieten sie einer Regierung den Handlungsrahmen, wie eine Reform erfolgreich umgesetzt werden kann – so denn die strategische Regierungskommunikation stimmt.

In Kapitel 2 dieser Arbeit wurde das politische System der Niederlande kurz vorgestellt und bereits auf den Regierungstyp der parlamentarischen Monarchie – genauer Erbmonarchie – hingewiesen. Dies bedeutet, dass die Regierung vom Parlament gewählt wird. In den Niederlande ist auf die besondere Stellung des Monarchen hinzuweisen, welcher bei der Regierungsbildung eine starke Rolle einnimmt. Zum Beispiel ernennt der Monarch den Informateur, der Sondierungsgespräche mit den Fraktionen führt und dem Monarchen einen Fromateur vorschlägt. Der Formateur setzt sich mit den Parlamentsparteien auseinander und vermittelt zwischen den Parteien, bis eine Regierungskoalition mitsamt Koalitionsabkommen besteht und die Minister- und Staatssekretärposten verteilt sind. Diesen Regierungsvorschlag unterbreitet er dann dem Monarchen, welcher die Regierung erst durch Ernennung und Vereidigung des Ministerpräsidenten und der Minister als gültig legitimiert. Abschließend verliest der Monarch die Thronrede, in welcher die Ziele der Regierung benannt werden. (KLEINFELD 1998: 158ff.)

Wie im Beispiel des Informateurs und Formateurs bei der Regierungsbildung deutlich geworden ist, spielt der Vorgang des Verhandelns in der Politik der Niederlande eine sehr große Rolle. „Die gesetzgebende Gewalt wird in den Niederlanden von Monarch, Regierung und den beiden Kammern des Parlaments gemeinsam ausgeübt.“ (ebd.: 159) Durch das Aufteilen der Niederlande in Provinzen und Gemeinden ohne eigene politische Machtfunktion handelt es sich bei den Niederlanden um einen dezentralistischen Einheitsstaat. Der Demokratietyp der Niederlande entspricht dem einer Konkordanzdemokratie.4 „In der politischen Kultur der Niederlande schlägt sich die Konkordanzdemokratie besonders in zahlreichen Verfahren zur Beratschlagung, Konsultation und zur Kompromißfindung nieder.“ (ebd.: 172) Dies ist schon bei der Regierungsbildung notwendig, da die parlamentarischen Wahlen bisher nie zur absoluten Mehrheit einer einzelnen Partei führte, so dass es über Koalitionsverhandlungen zu einer Mehrparteienregierung kommt. (Vgl. HELDERMAN [HRSG.] 2005: 192; Vgl. BECKER/CUPERUS 2007b: 125)

Bei der letzten Dimension der systemischen Rahmenbedingungen wird das mögliche Blockadepotential durch Vetospieler5 beurteilt. Als mögliche Vetospieler für die Regierung werden das Parlament, die Zweite Kammer, die Erste Kammer, Gewerkschaften und Verbände, sowie das Verwaltungsgericht betrachtet. Das Parlament ist vom Gesetz her nicht in der Lage, einer bestehenden Regierung das Misstrauen auszusprechen und so zum Beispiel eine Regierungsneubildung zu bewirken. Durch den hohen Drang zur Konsensbildung hat es sich in den Niederlanden dazu entwickelt, dass bei einer wichtigen Abstimmungsniederlage die Regierung ihren Regierungsauftrag aufgibt. Der Monarch kann weiterführend entscheiden, ob beide Kammern oder nur eine Kammer neu gewählt werden. Die Vetomacht der Oppositionsparteien ist in der niederländischen konsensorientierten Verhandlungsdemokratie als gering einzustufen. Regulär haben die Oppositionsparteien viel weniger miteinander gemein, als eine jeweilige Oppositionspartei mit einer der Regierungsparteien. (KLEINFELD 1998: 157ff.) Die Erste Kammer hat im Gesetzgebungsprozess ein Vetorecht, welches jedoch Recht selten gebraucht wird, da der Gesetzgebungsprozess damit sofort scheitert. Daher nutzt die Erste Kammer während der Formulierungsphase in der Zweiten Kammer ihr Beratungsrecht, um auf ein mögliches Veto frühzeitig hinzuweisen und so konträre Formulierungen zu vermeiden. (Vgl. ebd.: 160) Die Gewerkschaften, sowie die unterschiedlichen Verbände haben einen großen Stellenwert bei politischen Konsultations-, Beratungs- und Verhandlungsvorhaben, wie zum Beispiel durch die hohe Akzeptanz des SER als politikberatendes Organ. (ebd.: 181ff.) Das Vetopotential des Verwaltungsgerichts in den Niederlanden ist als gering zu bewerten, da es eine rein beratende Funktion beim Gesetzgebungsprozess besitzt. Weiterhin können bereits beschlossene Gesetze nicht auf eine bestehende Verfassungswidrigkeit hin untersucht werden. (Vgl. SEILS 2006: 242) Abschließend kann das Vetopotential in der Niederlande als gering bewertet werden.

[...]


1 Analysisert wurden die Gesundheitsreformen in den USA, Deutschland und Frankreich

2 Mehr zu den Typenunterscheidungen bei den systemischen Rahmenbedingungen siehe Korte Reader 34601-5-01-S1 S.45-55

3 Versäulung: „Konzept für den sozialen Tatbestand lagerartig versäulter konfessioneller und weltanschaulicher polit. Strukturen einer Gesellschaft, (...).“ (NOHLEN 2005: 1099)

4 „Konkordanzdemokratie: Begriff aus der Regierungslehre für (...) politische Systeme, in denen die Konflikte nicht durch Parteienwettbewerb und Mehrheitsentscheid, sondern hauptsächlich durch Verhandlung, Kompromiß und Proporz geregelt werden.“ (NOHLEN 2005: 461)

5 Vetospieler: „Ein V. ist ein individueller oder kollektiver Akteur, dessen Zustimmung (...) für eine Veränderung des Status quo [i.O. Kursiv] notwendig ist.“ (NOHLEN 2005: 1108)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die niederländische Gesundheitsreform 2006
Untertitel
Politikmanagement und strategische Regierungskommunikation der Regierung Balkenende
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
20
Katalognummer
V147525
ISBN (eBook)
9783640583164
ISBN (Buch)
9783640583508
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesundheitsreform, Politikmanagement, Regierungskommunikation, Regierung, Balkenende
Arbeit zitieren
Larsen Prange (Autor:in), 2010, Die niederländische Gesundheitsreform 2006, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147525

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