Mehrebenenverflechtung am Beispiel der Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens


Hausarbeit, 2002

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Vorwort:

B. Die Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens:
1. Der analytische Ansatz: Mehrebenenverflechtung nach Arthur Benz:
2. Der Bund-Länder Streit:
2.1. Anfänge in der ersten Wahlperiode Adenauers (1949 bis 1953):
2.2. Die zweite Legislaturperiode 1953-1957:
2.3. Die dritte Legislaturperiode 1957 bis 1961:
2.4. Vor dem Bundesverfassungsgericht:
3. Übertragung des analytischen Ansatzes auf den Bund-Länder-Streit:

C: Zusammenfassung:

Bibliographie:

Mehrebenenverflechtung am Beispiel der Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens:

A. Vorwort:

Im Rahmen des Referats über die theoretischen Grundlagen für die Analyse von Regierungshandeln stellte ich die Problematik der Mehrebenenverflechtung dar. Regieren im Parteienstaat bedeutet immer Auseinandersetzungen, Verhandlungen und Kompromissfindungen auf verschiedenen Ebenen, sei es auf grenzüberschreitender, parlamentarischer oder administrativer Ebene. In meiner Hausarbeit möchte ich die Mehrebenenverflechtung am Beispiel der Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) nach einem langwierigen Bund-Länderstreit untersuchen. Als theoretische Grundlage dient mir Arthur Benz analytischer Ansatz von Verhandlungsprozessen in verbundenen Entscheidungsarenen. Nach einer kurzen Vorstellung der Grundthesen werde ich versuchen, die Brauchbarkeit dieses Ansatzes bei dem Bund-Länder-Streit während der Schaffung eines zweiten deutschen Fernsehsenders anzuwenden. Als Grundlage dienen mir Bundestags- und Bundesratsprotokolle und Drucksachen in Form von Stenographischen Berichten.

Bei der Entstehung des ZDFs im Zeitraum von 1951 bis 1961 beteiligten sich neben der Bundesregierung und den Bundesländern verschiedene Interessensgruppen wie Wirtschaftsverbände, Kirchen und die Rundfunkintendanten der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Den Traum eines ,,Regierungskanals" wollte sich Adenauer mit dem zweiten Fernsehprogramm verwirklichen, der zur Beeinflussung der Wähler bei den Bundestagswahlen instrumentalisiert werden sollte. Denn schon während seinem erstem Bundeswahlkampf 1949 hatte er den ,,roten" Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) angegriffen und die bestehenden Organe als Instrumente der sozialdemokratischen Opposition sah.[1] Dabei berief sich Adenauer auf Artikel 73 Ziffer 7, in dem dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Post- und Fernmeldewesen zugesprochen wurde, wohin die Bundesländer sich auf die im Grundgesetz Artikel 70 angelegte Kulturhoheit bezogen. Die Landesrundfunkanstalten wollten sich das Ausstrahlungsmonopol sichern und forderten in einem Antrag an das Bundespostministerium vom 12. Juni 1957 die Zuteilung von Frequenzen. Die Zeitungsverleger wollten an dem wirtschaftlichen Gewinn diese aufstrebenden Mediums beteiligt sein.

Für die drei Legislaturperioden umfassende Untersuchung werde ich diese hochkomplexe Interessenskonstellation notwendigerweise reduzieren müssen, da eine solche Analyse den Rahmen der Hausarbeit sprengen würde. Deshalb gehe ich nur auf die Bund-Länder-Verflechtung ein und verzichte auf die Untersuchung der Rolle der übrigen außerparlamentarischen Akteure. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 28. Februar 1961 möchte ich meine Arbeit abschließen.

B. Die Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens:

1. Der analytische Ansatz: Mehrebenenverflechtung nach Arthur Benz:

Da der Begriff Ebene eine Über- bzw. Unterordnung suggeriert, führt Arthur Benz statt dessen den Begriff Arena ein, der einen „institutionell abgrenzbare[n] Interaktionszusammenhang bezeichnet, der sich auf eine spezifische Aufgabenstellung bezieht“[2]. Nicht zu verwechseln mit einer formalen Organisation, wird eine Arena durch die beteiligten Akteure und die zwischen diesen geltenden Regeln der Interaktion und Entscheidungsfindung charakterisiert. Den an der Entscheidungsvorbereitung, - Findung und -Implementierung beteiligten Akteure stehen verschiedene Interaktionsformen wie Verhandlungen, Mehrheitsabstimmungen oder auch einseitiges Handeln zur Auswahl. Beispiel dafür ist die parlamentarische Arena, in der nicht nur Regierung und Parteien mitwirken, sondern auch Referenten, Ausschüsse und Verbände, oder die grenzüberschreitende Arena, in der verschiedene Länder um Vereinbarungen, Kompromisse oder Konflikte ringen.

Doch die Arenen stehen nicht isoliert im politischen System, sondern überschneiden sich tagtäglich in den Verbindungsstellen, den sogenannten „linking pins“. Probleme entstehen dabei, „wenn eine in einer Arena getroffene Entscheidung in einer anderen Arena Konflikte auslöst und dort eine Lösung verhindert.“ Das Konfliktmanagement muss sich mittels Interaktionsformen wie Verhandlungen, Tauschhandel

oder Kompensationen auf diese negative Verbindungen konzentrieren, besonders, wenn in verbundenen Arenen konkurrierende oder antagonistische Interessen auftreten. Dabei sind die Konfliktstrukturen in den einzelnen Arenen unterschiedlich, da das ,,Spiel, das in einer Arena gespielt wird, [...] nicht nur andere Akteure zusammen [führt], die andere Strategien und Taktiken einsetzen, es ist meist auch ein anderes Spiel, als jenes in einer anderen Arena, das andere Probleme, Ziele, und Handlungsoptionen beinhaltet."[3] Bei den Konflikten spielt natürlich immer das institutionelle Eigeninteresse wie Erhaltung und Erweiterung von Kompetenzen, Einfluss und Ressourcen eine wichtige Rolle. Um eine Konfliktlösung herbeizuführen, muss ein „Win Set“ gefunden werden, d.h. Schnittmenge der bestehenden Handlungsoptionen, die sich unter den jeweiligen organisatorischen Gegebenheiten realisieren lassen. Je weniger Handlungsoptionen diese Schnittmenge besitzt, desto höher steht die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidungsblockade.[4] Arthur Benz stellt die These auf, dass in verbundenen Arenen meist nur Teillösungen gefunden, Gesamtlösungen aber verhindert werden.

2. Der Bund-Länder Streit:

2.1. Anfänge in der ersten Wahlperiode Adenauers (1949 bis 1953):

Nach der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) im Jahr 1950 gab es große Interessen, auch einen zweiten Fernsehsender als Kontrast- und Konkurrenzprogramm zu gründen. Obwohl die Rundfunkhoheit nach der bedingungslosen Kapitulation 1945 bei den alliierten Siegermächten lag, veranlasste Adenauer die Vorbereitung eines Rundfunkgesetzes, in dem der Bundesregierung großer Einfluss eingeräumt wurde. Die die Kulturhoheit der Länder berührende Vorlage, begründete Adenauer mit dem Hinweis, dass das Fernsehen und der Rundfunk Teil des Fernmeldewesens seien, welches dem Bundespostministerium und somit der Bundesregierung untersteht. Vorgesehen war unter anderem die formelle Lizenzierung der Sender durch die Bundesregierung, Finanzhoheit des Bundes über den gesamten Rundfunk und die Berechtigung des Bundes zur Auflage einzelner Nachrichten und Kommentare.[5] Den Antrag zum Entwurf eines Rundfunk-Gesetzes brachte aber die Deutsche Partei (DP) in der 140. Sitzung des Bundestages am 9. Mai 1951 ein. DP - Abgeordneter Heinz Matthes warf der Bundesregierung ,,Inaktivität"[6] vor, da diese nichts unternommen hätte, um die Funkhoheit von der Alliierten Hohen Kommission wiederzuerlangen. ,,Es gibt sehr reale politische Gründe, die nach einer bundesgesetzlichen Regelung drängen", sagte Matthes. ,,Ich darf hier zunächst auf die schweren Anklagen meines Fraktionsvorsitzenden Dr. Mühlenfeld verweisen, der nachweisen konnte, dass sich im Nordwestdeutschen Rundfunk eine SPD-Regierung etablieren konnte, die rücksichtslos ihre Haushaltspolitik ausüben konnte. [Heftigen Wiederspruch vermerkt hier das Protokoll Seitens der SPD - B.L.] Denn was vor kurzer Zeit [...] noch ein Einzelfall war, das kann gut und gern [...] morgen schon System sein."[7] Grundsätzlich forderte Matthes einen Partei unabhängigen Rundfunk, der weder von der Bundesregierung noch von einer Länderregierung gelenkt werden sollte. Zustimmung kam sowohl von der CSU als auch von der SPD, die mit Nachdruck auf Adenauers Absichten zur Gründung eines Regierungskanals hinwiesen. ,,Kein Parlament darf gestatten, daß die Lösung dieser Frage mit Absichten koordiniert wird, die dahin gehen, den Rundfunk von der Regierung abhängig zu machen, und sei es auch nur über das neutral klingende Bundespostministerium, von einer Regierung, die dann alle Mittel in der Hand hat, über die materielle Abhängigkeit eine geistige Hegemonie zu schaffen"[8], erklärte SPD-Abgeordneter Franz Marx. Der Antrag wurde an mehrere Ausschüsse verwiesen. Um überhaupt ein Rundfunkgesetz zu beschließen, hätte die Alliierte Hohe Kommission den Artikel 3 des Gesetzes Nr. 5 und die entsprechenden Verordnungen aufheben müssen.

Doch diese signalisierten, die besatzungsrechtlichen Bestimmungen nur unter den Bedingungen aufzuheben, dass weder Bund noch Land Möglichkeiten zur Lenkung der Programmpolitik erhalten sollten und dass die Rundfunkhoheit grundsätzlich bei der Bundesländern liegen sollte. Doch Ministerialdirigent Fritz Schuster vom Bundespostministerium ,,musste vielmehr bei den Verhandlungen erkennen, daß die Amerikaner nicht bereit waren, dem Bund irgendeinen Einfluß auf den Rundfunk - auch nicht auf technischem Gebiet zuzugestehen."[9] Der Höhepunkt der vielfältigen Diskussionen während der ersten Legislaturperiode war der Gesetzentwurf über ,,Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Rundfunks, der am 18. März 1953 durch CDU- und FDP - Initiative eingebracht wurde. Darin sollte eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit dem Titel ,,Der Deutsche Rundfunk" gegründet werden, für die die Landesrundfunkanstalten kostenlos ihre Hörfunkprogramme zur Verfügung stellen sollten. Als Aufsichtsorgan sollte ein Gesamtrat eingerichtet werden, in dem je drei Abgesandte von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung vertreten sein sollten, genauso wie die Intendanten und Gremienvorsitzende. Die Finanzierung regelte der Entwurf über die Gebühren, von denen der Bundespost 17 Prozent, vom verbleibenden Rest den Landesrundfunkanstalten mindestens 70 Prozent zugeteilt wurden.[10] Bei der ersten Lesung am 15. April wies der CDU-Abgeordnete Rudolf Vogel auf die Notwendigkeit hin, das auf reinem Besatzungsrecht aufgebaute System des Rundfunks zu ändern und eine Versteinerung dieses Besatzungsrecht unmöglich zu machen. Innenminister Lehr unterstütze Vogel mit dem Hinweis auf die Finanzierung, die ,,auch die Kräfte der stärksten Rundfunkanstalt bei weitem übersteig[en]"[11] würde. Den Entwurf angreifend, wies der SPD-Abgeordneter Willi Eichler auf die Bedeutung des Rundfunks hin. ,,Jeder weiß, wieviel Nachrichten über den Äther das Ohr der Hörer erreichen, ja, daß schon drei bis vier Nachrichten unkontrolliert gesendet [...] etwas anrichten können, was vielleicht zwanzig Zeitungen nicht konterkarieren können. Wir sehen hier ausgesprochen oder unausgesprochen den Versuch des Eingriffs der politischen Gewalt der Regierung auf den Rundfunk, den Versuch, darin mißliebige Stimmen oder mißliebige Personen auszuschalten."[12] Der Entwurf wurde schließlich an den Ausschuss für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films überwiesen. Die den Entwurf aus verfassungsrechtlichen Gründen ,,nahezu einhellig"[13] ablehnenden Länder reagierten auf den Gesetzentwurf mit der Gründung einer ,,Ständigen Kommission für Rundfunkfragen", die ein Konzept entwickelte, um für Verhandlungen mit der Bundesregierung gewappnet zu sein. Zudem entwickelte die Kommission einen Entwurf eines allgemeinen Rundfunkvertrags, in dem den Ländern ein stärkerer Einfluss in den Aufsichtsgremien eingeräumt wurde. Auf Grund des beginnenden Wahlkampfes im Sommer 1953 wurde die zweite Lesung auf die folgende Legislaturperiode verschoben.

[...]


[1] Vgl. Bausch, Hans: Rundfunkpolitik nach 1945. Erster Teil: 1945-1962, Deutscher Taschenbucherlag, München, 1980, Seite 306

[2] Benz, Arthur: Mehrebenen-Verflechtung: Verhandlungen in erbundenen Entscheidungsarenen, in: Ders./Fritz W. Scharpf/ Reinhard Zintl: Horizontale Politikverflechtung. Zur Theorie von Verhandlungssystemen, Frankfurt am Main/New York, 1992, Seite 153

[3] Benz: a.a.O., Seite 161

[4] Benz: a.a.O., Seite 167f

[5] vgl. Bausch: a.a. O., Seite 317

[6] Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte. WP 1. Bonn 1951, 140. Sitzung, Seite 5562 C

[7] Verhandlungen des Deutschen Bundestages: a.a.O., 140. Sitzung, Seite 5562

[8] Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Seite 5568D

[9] Bausch: a.a.O., Seite 330

[10] Steininger, Rolf: Rundfunkpolitik im ersten Kabinett Adenauer. In: Winfried Lerg/ Rolf Steininger (Hrsg.): Rundfunk und Politik. Berlin, 1975, Seite 369

[11] Verhandlungen des Deutschen Bundestages, a.a.O, 259. Sitzung, Seite 12595 B

[12] Verhandlungen des Deutschen Bundestages: a.a.O., 259. Sitzung, Seite 12602 C

[13] Steininger: a.a.O., Seite 371

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Mehrebenenverflechtung am Beispiel der Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl Institut)
Veranstaltung
Regieren im Parteienstaat am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V14729
ISBN (eBook)
9783638200479
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das besondere an der Hausarbeit ist, dass ich mit Bundestags- und Bundesratsprotokollen gearbeitet habe, die man in nur der Bibliothek über Mikrofiche anschauen kann. Eine mühselige Arbeit.
Schlagworte
Mehrebenenverflechtung, Beispiel, Entstehung, Zweiten, Deutschen, Fernsehens, Regieren, Parteienstaat, Beispiel, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Barbara Litzlbeck (Autor:in), 2002, Mehrebenenverflechtung am Beispiel der Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14729

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