Europäische Metaphorik im Spiegel der internationalen Presse


Magisterarbeit, 2009

118 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung ins Thema
1.1 Europäischer Diskurs
1.2 Forschungsinteresse, Zielsetzung und Methode
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Kognitiver Metaphernansatz
2.1 Metaphorisches Konzept
2.2 Kognitive Wissensstrukturen
2.3 Kulturelle Kohärenz
2.4Wirklichkeitskonstituierende Funktion der Metapher
2.5 Gründe für eine kognitiv basierte Methode

3 Metaphern im internationalen politischen Diskurs
3.1 Diskursdefinition
3.2 Mehrdeutigkeit der Metapher
3.3 Entwicklung einer Metapherbedeutung

4 Methode zum Erforschen der Metaphern im Korpus
4.1 Kategorisierung von Metaphern
4.2 Erkennen der Metaphern
4.3 Szenario-Kategorie
4.4 „argumentation-by-metaphor“
4.4.1 Metaphorische Schlussfolgerung
4.4.2 Metaphorische Analogien
4.4.3 Szenario und analoge Schlussfolgerung
4.4.4 Szenario-Argument-Analyse
4.5 Interpretation der Metapher
4.5.1 Kognitive und semantische Interpretation
4.6 Offene und geschlossene Szenarien

5 Untersuchungskorpus
5.1 Quelle
5.2 Thema
5.3 Zeitraum

6 Politische Ereignisse

7 Metaphernkategorien

8 Bewegung-, Weg- und Transport-Metaphern
8.1 Grundlegende Konzepte
8.2 Grundlegende Szenarien
8.3 Argumente basierend auf dem Bewegung-Weg-Szenario
8.3.1 Deutsche Presse
8.3.2 Bulgarische Presse
8.3.2.1 Zeitung Duma
8.3.2.2 Zeitung Ataka
I
8.4 Argumente basierend auf dem Transport-Szenario
8.5 Einstellungen basierend aufdem Bewegung-, Weg- und Transport-Szenario

9 Haus-Metaphorik
9.1 Rückkehr ins europäische Haus
9.2 Haus-Präsuppositionen
9.3 Tür-Präsuppositionen
9.4 Die Rolle Bulgariens im europäischen Haus
9.5 Typische argumentative Tendenzen

10 Beziehungsmetaphorik
10.1 Familie-Metapher
10.1.1 Revidierung derHypothese
10.2 Nachbar-Metapher
10.3 Club-Metapher
10.3.1 DerClub derReichen
10.3.2 Diskursive Strategien

11 Ergebnisse und Schlussfolgerungen
11.1 Kognitive Aspekte
11.2 Kulturelle Aspekte
11.3 Diskursive Aspekte
11.4 Kritik der Methode
11.5 Ausblick

12 Literaturverzeichnis

1 Einführung ins Thema

Aufgrund ihrer günstigen Lage im Herzen Europas und der unmittelbaren Nähe zu Belgien und den Niederlanden ist der europäische Gedanke in der StädteRegion Aachen bereits seit langem lebendig und wird Tag für Tag mit Leben erfüllt. (Verheyen: 19.05.09).

Mit dieser Aussage wirbt die Aachener CDU-Politikerin Sabine Verheyen für die Europawahlen am 07.06.2009. Die Metapher „im Herzen Europas“ ist für den deutschen politischen Diskurs nicht neu, sie tritt zum Beispiel 2007 in einem anderen Kontext auf. Dabei geht es um die Bestimmung der regionalen Politik: „Hessen hat sich immer im Herzen Europas gesehen“ (Stavrolo: in FR 04.01.07) bekundet der hessische Europaminister Volker Hoff in der Frankfurter Rundschau. Im bulgarischen Diskurs hat die Metapherweder Aachen noch Hessen zur Referenz:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Es ist sehr wichtig, dass wir über die offizielle Begrüßung hinaus, auch hier im historischen Zentrum der historischen Stadt Brüssel, im eigentlichen Herzen der europäischen Integration Bulgarien und Rumänien begrüßen dürfen.] (Duma, 15.12.2006)

Mit dieser Aussage kündigt der Vorsitzende der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barroso, den Beitritt Bulgariens und Rumäniens an. Was soll nun der Adressat mit der Metapher „im Herzen Europas“ assoziieren - Aachen, Hessen, Brüssel? Die Beispiele veranschaulichen die unterschiedlichen Konzepte einer Metapher im europäischen Diskurs. Ihre Bedeutung kann daher erst in einem soziopolitischen Kontext interpretiert werden.

In diesem Zusammenhang beschäftigt sich diese Arbeit mit der Metaphorik in der bulgarischen und der deutschen Presselandschaft, die sich speziell auf die Europäische Union und ihre Erweiterung richtet und somit Bulgarien und Deutschland im politischen Diskurs darstellt.

1.1 EuropäischerDiskurs

Am 15.06.2004 wurden die Verhandlungen über einen Beitritt Bulgariens mit der EU abgeschlossen und Bulgarien Unterzeichnete am 25.04.2005 den Beitrittsvertrag (Gruner/Woyke: 2008). Meiner eigenen Beobachtungen der Presselandschaft nach tritt Bulgarien seitdem verstärkt der europäischen „multinational and multilingual discourse community“ (Musolff 2004: 5) bei. Im bulgarischen Diskurs zeigt sich seitdem eine extreme Polarisierung der nationalen Parteien in ein „europafeindliches“ (Süddeutsche Zeitung, 21.12.06) und ein pro-europäisches politisches Lager. Die kontroversen Diskussionen zwischen den nationalen Parteien spitzen sich mit dem EU-Beitritt Bulgariens am 01.01.2007 zu. Der bulgarische Präsident Georgi Parwanov nannte den Beitritt „göttlicher Augenblick“1, die Opposition dagegen behauptet, dass Generationen von Bulgaren den hohen Preis für die Mitgliedschaft bezahlen würden2. Daher ist die Erforschung der bulgarischen Presse im Rahmen dieser Arbeit von besonderem Interesse, da EU-Befürworter und EU-Gegner in heftigen politischen Debatten aufeinandertreffen.

Die Einstellungen zur Europäischen Union sehen im deutschen Diskurs einheitlicher aus:

Insgesamt gesehen, stehen die Parteien in Deutschland (zumindest, die im Bundestag vertretenen) dem Konzept der weiteren europäischen Integration positiv gegenüber [...] (Schäffner 1996: 152).

Zahlreiche Untersuchungen zur europäischen Metaphorik (Schäffner: 1990, 1996; Musolff: 2000, 2003, 2004) belegen kaum gegensätzliche Haltungen zur europäischen Erweiterung innerhalb der deutschen Parteilandschaft. Darüber hinaus wirft die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 in dieser Arbeit die Frage auf, wie sich dieses politische Ereignis auf die nationalen Einstellungen zur europäischen Erweiterung auswirkt.

Die Unterschiede in den nationalen politischen Einstellungen schlagen sich in den Metaphernkonzepten des europäischen Diskurses nieder (Schäffner 1996: 151):

Europe is very often not yet seen as a unity, but rather as a conglomerate (diversity) than in commonalities (unity). With regard to political discourse, this would imply that fundamentally there are as many discourses as there are political unities, and that any talk of a 'European discourse' would be a mere abstraction. (Schäffner/Musolff/Townson 1996: 10).

Auf internationaler Ebene besteht jedoch das Bedürfnis nach homogenen Konzepten und diskursiven Strategien, die Europa zu einem größeren Einfluss in der Öffentlichkeit verhelfen sollen (Schäffner/Musolff/Townson 1996: 10).

Der Kontrast in den politischen Einstellungen und Überzeugungen zur EU mündet in „conceptual contests“ (Musolff 1996: 24f.). Die metaphorischen Konzepte sind im öffentlichen politischen Diskurs gewöhnlich umstritten und kontrovers und werden erst im Rahmen eines Gesprächs („virtual conversation“) zwischen den politischen Diskursteilnehmern festgelegt (Musolff 1996: 25). Die unterschiedlichen Interpretationen der Metapher können folglich nicht die politische Kommunikation auf europäischer Ebene hindern:

Solche unterschiedlichen Akzentuierungen und Diskrepanzen führen bei offiziellen Diskussionen innerhalb der EU aufgrund der kommunikativ funktionalen Einbettung politischer Gespräche normalerweise nicht zu blockierten Dialogen. Sie offenbaren aber unterschiedliche Sichtweisen und diskursive Strategien, die für Forschungen im Rahmen der interkulturellen Kommunikation von Interesse sind. (Schäffner 1996: 153).

Daraus können zukünftige Forschungsfelder abgeleitet werden.

Bei dem bulgarischen und dem deutschen Diskurs handelt es sich um die Gegenüberstellung einer ostpolitischen mit einer westpolitischen Kultur. Beide Länder hatten eine unterschiedliche politisch-historische Entwicklung. Während in Bulgarien bis 1989 das kommunistische System herrschte, genoss die Bundesrepublik die Vorzüge einer freien marktwirtschaftlichen Politik. Erst mit dem Fall der innerdeutschen Grenze und der Auflösung des Warschauer Pakts wurden in Bulgarien Reformen zur Demokratisierung des Landes eingeleitet. Die Unterschiede in der politischen Entwicklung können sich in den metaphorischen Konzepten der jeweiligen Kultur widerspiegeln.

Bereits Lakoff und Chilton (1995) stellen anhand der Metapher von Michail Gorbatschow „common European house“3. Differenzen in der Metapherinterpretation zwischen dem Ostblockstaat und den westeuropäischen Ländern fest. Diese Unterschiede sind auf kulturspezifischen Haus-Konzepten in beiden Kulturen zurückzuführen (Lakoff/Chilton 1995: 54). Während des kommunistischen Regimes waren die Häuser als Wohngemeinschaften konstruiert, sodass mehrere Familien unter einem Dach zusammenwohnten. Dieses Konzept vom Haus entsprach nicht der Vorstellung von einem Einfamilienhaus im Westen, weshalb es in der interkulturellen Kommunikation zu Verständigungsproblemen kam.

Auch nach der Wende wirkt sich die politische Vergangenheit auf die europäische Metaphorik aus. Gorbatschow kritisierte die Gleichsetzung von Europa mit Westeuropa - „eine Auffassung, die nicht ohne Arroganz in Redeweisen von der Rückkehr Ungarns, Polens, oder der CSFR nach Europa überdeutlich zum Ausdruck kam“ (Stötzel 1995: 123). Diese Sichtweise sorgt für heftige Diskussionen in der europäischen Debatte:

Die Osteuropäer [...] haben Europa nie verlassen, und sie haben Europa nie verraten. Europa hat uns verlassen, Europa hat uns verraten: Das ist die Wahrheit. Es ist nicht so, daß wir nach Europa zurückkehren, Europa muß zu uns kommen. Das ist eine moralische, politische und kulturelle Verpflichtung der Westeuropäer. [...] Wir waren immer in Europa. (Szczypiorski 1991: 129)

Zwar besteht eine historische, räumliche und politische Trennung zwischen der bulgarischen und der deutschen Kultur. Dennoch sind sie über einen gemeinsamen europäischen Diskurs miteinander verbunden.

1.2 Forschungsinteresse, Zielsetzung und Methode

Der im vorigen Kapitel kurz umrissene Forschungsstand schilderte Vergleiche der Metaphern zwischen der britischen und der deutschen Presselandschaft. Eine Metapheranalyse des bulgarischen Europadiskurses ist jedoch nach meinem aktuellen Kenntnisstand bisher nicht Gegenstand der Forschung gewesen. Aus diesem Grund ergibt sich das Forschungsinteresse der geplanten Arbeit, die Metaphern der weit voneinander entfernten bulgarischen und deutschen Kulturen im Rahmen des europäischen Diskurses zu vergleichen.

In diesem Zusammenhang soll die Untersuchung der Metaphern, einen Beitrag zur Aufdeckung unterschiedlicher Einstellungen zur EU und diskursiver Strategien leisten. Aus Perspektive der kognitiven Theorie konzipiert die Metapher Sachverhalte, indem sie Eigenschaften eines einfachen und alltäglich erfahrbaren Gegenstands auf einen abstrakten Bereich wie die EU überträgt (vgl. Lakoff: 2000, 2008). Diese Übertragung stellt eine argumentative Schlussfolgerung innerhalb der Metapher dar (Musolff: 2004). Neben der Eigenschaft, Wirklichkeit zu konstruieren, erfüllt die Metapher auch eine kommunikativ-interpersonelle Funktion (vgl. Chilton: 1993, Kövecses: 2002). Sie wird im öffentlichen Diskurs vom Produzenten bewusst eingesetzt, um politisch umstrittene Themen zu rechtfertigen (Musolff: 2004). Mit diesen zwei Funktionen ermöglicht die Metapher, „das Interagieren von Kommunikation, Kognition und sprachlichen Strukturen aufzuzeichnen und zu erklären“ (Schäffner 1996: 153).

Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Thema europäische Erweiterung und EU in beiden politischen Diskursen sollen anhand einer Metapheranalyse empirisch belegt werden. Die empirische Basis bildet ein Korpus aus ausgewählten bulgarischen und deutschen Presseartikeln. Hierbei handelt es sich um sechs überregionale Tageszeitungen und zwei Zeitschriften, die ein möglichst breites politisches Spektrum der Berichtserstattung zulassen. Folgende Pressetitel sind ausgewählt:

- Bulgarische Presse: Ataka, Duma, Monitor, Politika;
- Deutsche Presse: Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche Zeitung, DerSpiegel.

Die Analyse der Zeitungsartikel beschränkt sich auf den Zeitrahmen 01.12.2006 - 15.01.2007, der mit zwei politischen Ereignissen verbunden ist: dem EU-Beitritt Bulgariens und der deutschen Ratspräsidentschaft. Angestrebt wird zunächst eine quantitative Erfassung des erhobenen sprachlichen Materials, worauf eine qualitative Analyse ausgewählter Metaphern erfolgt. Daher erhebt die vorliegende Analyse keinen Anspruch aufVollständigkeit.

Vor dem Hintergrund der Fragestellungen werden im empirischen Teil drei Hypothesen nachgegangen. In Kapitel 8 beschäftigt sich mit der Frage, ob die Metaphern unterschiedliche Sichtweisen zur europäischen Erweiterung im bulgarischen und im deutschen Diskurs konzipieren. Dabei wird folgende Hypothese formuliert:

(1) Die verwendeten Metaphern unterscheiden sich innerhalb der nationalen Diskurse und sind auf Differenzen in den innerpolitischen Einstellungen zurückzuführen.

In Kapitel 9 wird die Fragestellung bearbeitet, ob die kommunistische Vergangenheit Bulgariens auf die aktuelle Metaphorik abgebildet wird und dadurch ein Konzept geschaffen wird, das sich von der deutschen Haus-Vorstellung unterscheidet. Anhand der Untersuchung der Metapher europäisches Haus wird folgende Hypothese aufgestellt:

(2) Es gibt kein kulturspezifisches Haus-Konzept im bulgarischen Diskurs.

Mit welchen Taktiken sich der Diskursteilnehmer bei der Formulierung einer Metapher im Diskurs bedient, soll im zehnten Kapitel gezeigt werden. Dabei wird folgende Hypothese verfolgt:

(3) Es gibt typisch bulgarische und typisch deutsche Diskursstrategien der Metaphernbildung.

Ferner soll in diesem Kapitel untersucht werden, ob die Metaphern den Rezipienten zu stereotypen Denkweisen verleiten.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil, die wie folgt aufgebaut sind:

Im zweiten Kapitel wird mittels des kognitiven Metaphernansatzes die theoretische Grundlage für diese Arbeit gelegt. Hier wird zum einen erörtert, was eine Metapher ist, wie sie funktioniert, warum sich die Metaphern in den verschiedenen Kulturen unterscheiden und wie die Metapher bei der Herstellung von Realität gewisse politische Informationen verdecken und hervorheben kann. Da der kognitive Ansatz die Metaphern auf der abstrakten Ebene der Konzepte postuliert, eignet er sich besonders gut für die Untersuchung politischer Sachverhalte. Im dritten Kapitel wird die Rolle der Metaphern im politischen Diskurs diskutiert und welchen Einfluss die diskursiven Bedingungen auf ihre Produktion ausüben. Kapitel vier beinhaltet den methodologischen Rahmen, der für eine diskursorientierte Anwendung auf das darauf folgende empirische Sprachkorpus spezialisiert ist. Kövecses Kategorisierung der Metapher erlaubt eine Einordnung der Metaphern nach kognitiven, semantischen und kontextuellen Kriterien. Auf Kövecses Methode baut Musolffs Metapheranalyse auf, die durch die Szenario-Kategorisierung und den Aspekt „arguments-by- metaphor“ erweitert wird. Im fünften Kapitel wird das sprachliche Korpus für die Analyse bestimmt. Im sechsten Kapitel werden die politischen Rahmenbedingungen dargelegt. Im siebten Kapitel wird ein Überblick über die neun metaphorischen Ursprungsdomänen in beiden Diskursen gegeben, um danach auf die dominanten Verteilungsmuster in den nächsten drei Kapiteln detaillierter einzugehen. Die empirische Analyse der Metaphernbereiche: Bewegung-Weg-Transport (Kapitel 8), Haus (Kapitel 9) und Beziehungen (Kapitel 10) ist so aufgebaut, dass zunächst ausgewählte Metaphern untersucht werden, um am Ende jedes Kapitels eine zusammenfassende Aussage über den Diskurs zu treffen.

Das Fazit im elften Kapitel rekapituliert die Ergebnisse im Zusammenhang mit den drei Hypothesen und zieht eine Schlussfolgerung daraus. Darüber hinaus wird über die Erfahrung mit der Methode der Metapheranalyse reflektiert. Schließlich wird ein Ausblick über die Fortsetzung der durchgeführten Analyse gegeben.

II THEORIE

2 Kognitiver Metaphernansatz

Der kognitive Ansatz ist nach dem Forschungsstand der meistverbreitete Zugang zur Analyse von Metaphern (Liebert 1992: 29). Es handelt sich um eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich der Psychologie, der Neurowissenschaft, der Computerwissenschaft, der Linguistik, der Sprachphilosophie und der Anthropologie bedient (Baldauf 1997: 29f). Im Zentrum der Diskussion stehen dabei der Zusammenhang von Kognition und Sprache und die Widerlegung der rhetorischen Auffassung, dass die Metapher ein rein sprachliches Mittel zum Ausschmücken der Rede ist (vgl. Schmitt 1995: 109).

Als Grundlage der kognitiven Metaphernforschung und als Meilenstein für Weiterentwicklungen dieses Ansatzes gilt die Arbeit des Linguisten George Lakoff und des Sprachphilosophen Mark Johnson (Liebert 1992: 12). Im Werk „Metaphors We Live By“ (2000) wird verdeutlicht, wie „die Metapher unser Alltagsleben durchdringt, und zwar nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken und Handeln“ (Lakoff, Johnson 2000: 11). Beide Wissenschaftler vertreten die These, dass die Metapher ein kognitives Phänomen ist. Sie geht über die Ebene der Sprache hinaus und ist zusätzlich auf der Ebene des Denkens und des Handelns angesiedelt:

Unsere bis jetzt wichtigste Aussage ist die, daß die Metapher nicht nur eine Frage von Sprache ist, also von Worten allein. Wir werden sogar beweisen, daß die menschlichen Denkprozesse weitgehend metaphorisch ablaufen. Das meinen wir, wenn wir sagen, daß das menschliche Konzeptsystem metaphorisch strukturiert und definiert ist. Die Metapher als sprachlicher Ausdruck ist gerade deshalb möglich, weil das menschliche Konzeptsystem Metaphern enthält. (Lakoff, Johnson 2000: 14)

Die menschliche Kognition läuft nach demselben Schema ab, das für die Produktion einer Metapher erforderlich ist. Begegnet der Mensch einer unbekannten Situation oder einem unbekannten Objekt, so versucht er das Fremde zu verstehen, indem er ein bekanntes mentales Konzept auf das Unbekannte überträgt (Pielenz 1993: 66). Das grundlegende Argument dieser Theorierichtung ist also, dass Kognitionsprozesse metaphorisch organisiert sind und deshalb Metaphern auch beim Sprechen verwendet werden. Der Metapherngebrauch in der Sprache wiederum reflektiert den Prozess des menschlichen Denkens und Handelns:

Das Konzept ist metaphorisch strukturiert, die Handlung ist metaphorisch strukturiert, und folglich istdie Sprache metaphorisch strukturiert. (Lakoff, Johnson 2000: 13)

Wir reden in Metaphern, weil wir bildhaft-vergleichend denken.

2.1 Metaphorisches Konzept

Die kognitive Theorie definiert die Metapher auf der konzeptuellen Ebene als „understanding one conceptual domain in terms of another conceptual domain“ (Kövecses 2002: 4). Dabei findet eine Übertragung des Konzeptes eines Quellenbereichs auf einen Zielbereich statt. Der Quellenbereich, auch Ursprungsbereich genannt, enthält einen einfach strukturierten und sinnlich erfahrbaren Sachverhalt aus unserem Alltagsleben, wie eine physisch wahrnehmbare Reise (Kövecses 2002: 4-13). Dieser wird mit einem abstrakten und komplexen Zielbereich verbunden, welcher beispielsweise die Europäische Union als politische Organisation darstellt. Aufgrund von Ähnlichkeiten in den Elementen beider Konzepte wird eine assoziative Verbindung hergestellt, aus der ein neuer Sinnzusammenhang hervorgeht. In diesem Beispiel ist der abgeleitete Ausdruck europäische Reise mit drei Reise-Elementen verbunden: Reisende, Art der Reise und das Reiseziel. Wenn wir diese Äußerung in dem entsprechenden Kontext hören, dann werden wir sie im politischen Sinne interpretieren. Wir werden wissen, dass der Sprecher nicht ein tatsächliches Reiseziel meint, sondern ein politisches Richtungsziel am Ende der Reise, und nicht eine physische Geschwindigkeit, sondern die Entwicklung eines politischen Prozesses (Kövecses 2002: 11).

Der Ursprungsbereich Reise besaß diese Elemente nicht vor seiner Gliederung mit dem Zielbereich EU-Politik. Erst die Anwendung der Reise-Domäne auf die Politik­Domäne ordnet dem Konzept Politik bestimmte Elemente zu. Auf diese Weise entwirft das Konzept der Reise das Konzept der Politik (Kövecses 2002: 7).

Dieses Beispiel zeigt, wie ein komplexer und abstrakter Gegenstandsbereich wie die Politik durch seine Metaphorisierung verständlich gemacht wird. Metaphorische Konzepte dienen somit der effizienten Darstellung von Wissen und einer effizienten Kommunikation.

2.2 Kognitive Wissensstrukturen

Bei einer Metapher handelt es sich nicht ausschließlich um einen sprachlichen Ausdruck, vielmehr um einen Prozess des menschlichen Verstehens (Johnson 1987: 15). Der Prozess besteht darin, dass ein Erfahrungsbereich anhand eines anderen Erfahrungsbereiches verstanden und strukturiert wird. Somit stellen die Metaphern mentale Organisationseinheiten dar, die unser Wissen über die Welt speichern:

Als Bausteine unseres Kognitionssystems ermöglichen sie die ökonomische Speicherung und Verarbeitung subjektiver Erfahrungseinheiten durch die Einteilung der Information in Klassen nach bestimmten Merkmalen. Mittels konzeptueller Struktureinheiten organisieren Menschen die riesige Menge an Informationen derart, dass ein effizientes Handeln und Verstehen möglich ist. (Schwarz 1996: 87)

Unsere Erfahrungen werden somit in abstrakter Form wie Konzepte, Kategorien und Schemata gespeichert. Dieses Wissen ist auch die Grundlage für unser sprachliches Handeln.

2.3 Kulturelle Kohärenz

Bei den in Kapitel 2.2 skizzierten Wissensstrukturen handelt es sich um generalisierte Wissensformen, die für alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft verfügbar sind (Dutke 1994: 125ff). Dieses Vorwissen basiert auf den von einem Menschen gesammelten Erfahrungen und entspricht teilweise soziokulturellen oder gesellschaftlichen Normen. Dadurch schafft die Metapher eine gemeinsame Basis im Rahmen einer bestimmten Kultur:

Die elementarsten Werte einer Kultur sind mit der metaphorischen Struktur der elementarsten Konzepte dieser Kultur kohärent. (Johnson/Lakoff2008: 31)

Die Wertevorstellungen sind innerhalb einer bestimmten Kultur allgemeingültig, d. h., sie setzen die Gleichheit der Dinge voraus. Da die Dinge unseres Lebens nicht immer gleich sind, entstehen oft Auseinandersetzungen zwischen diesen Wertevorstellungen und folglich Auseinandersetzungen zwischen den mit diesen Wertevorstellungen verbundenen Metaphern. Hinzu kommt, dass es in dieser Hinsicht Differenzen zwischen den verschiedenen Kulturen und Subkulturen gibt. Um diese Konflikte zwischen den Wertevorstellungen auszuräumen, ist es erforderlich, die verschiedenen Prioritäten herauszufinden, die die jeweilige Kultur diesen Wertevorstellungen und Metaphern zuordnet (Lakoff/Johnson 2008: 32).

Jede Kultur verfügt über spezifische Wissenskategorien, die sogenannten Prototypen (Rosch 1978: 12). Die prototypischen Mitglieder einer Kategorie tragen bestimmte Merkmale, die charakteristisch für eine Kultur eingestuft werden. Diese prototypischen Eigenschaften gelten als Bezugspunkt, an denen andere Vertreter gemessen werden. Daraus folgt, dass die Sprache und mit ihr das Lexikon nach prototypischen Organisationsprinzipien funktioniert (Lakoff/Johnson 2000: 153f).

2.4 Wirklichkeitskonstituierende Funktion derMetapher

Der Mensch ist sich meist nicht bewusst, dass mentale Konzepte sein sprachliches Handeln und seine Wahrnehmung leiten (Lakoff/Jonson 2000: 11-15). So werden konzeptuelle Metaphern laut Lakoff und Turner (Lakoff/Turner 1989: 62-65) automatisch und unbewusst von uns benutzt. Die Metaphernkonzepte leiten nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern sie definieren auch in vielen Fällen unsere Wirklichkeit (Lakoff/Johnson 2000: 181). Dies ist möglich, da die Metaphern über ein kohärentes Netzwerk von Ableitungen verfügen, wodurch einige Merkmale der Realität beleuchtet und andere verborgen werden:

Wenn wir die Metapher akzeptieren, die uns zwingt, nur auf die Aspekte unserer Erfahrung zu achten, die die Metapher beleuchtet, dann führt das dazu, dass wir die Ableitungen der Metapher als wahr ansehen. Solche .Wahrheiten’ können natürlich nur wahr sein im Hinblick auf die Realität, die durch die Metapher definiert wird. (Lakoff/Johnson 2000: 181)

Da die Metaphern aber von Kultur zu Kultur verschieden sind und unsere Wirklichkeit durch die Metaphern bestimmt wird, sind die daraus entsprungenen Wirklichkeiten auch verschieden (Lakoff/Johnson 2000: 182f.)

Diese Eigenschaft der Metapher, Wirklichkeit zu konstruieren, führt zur Bildung von Urteilen und Stereotypen. Ein Stereotyp ist eine klischeehafte, verfestigte Denkweise im Rahmen einer Kultur (Zijderveld 1987: 28f.). Die Metapher erschafft ein stereotypes Konzept, indem sie den Rezipienten vorgibt, wie er bestimmte Gegenstandsbereiche zu interpretieren oder zu bewerten hat (Pielenz 1993: 158f). Die Interpretation der Metapher wird oft vom Rezipienten aufgrund ihres allgemeingültigen Charakters innerhalb einer Kultur unreflektiert übernommen. Dadurch erschafft die Metapher Stereotype, die durch die Übertragung im Diskurs gefestigt werden können. Stereotype sind insofern mit einem negativen Charakter behaftet, da sie Feindbilder in einer Gesellschaft übermitteln können (Zijderveld 1987: 29f.).

Gleichzeitig übt die Metapher Macht auf uns aus, indem sie unsere Wahrnehmung über die Wirklichkeit und die Bewertung eines Sachverhalts in gewisse Bahnen lenkt:

Die bedeutungsschaffende Leistung der Metapher liegt in der Fähigkeit, unsere Sicht der Dinge zu filtern und zu bündeln. Sie offeriert oder, negativ formuliert, diktiert eine bestimmte Sichtweise, indem sie spezifische Aspekte betont, dadurch aber andere vernachlässigt oder gar verdeckt. (Neuenschwander: 2000)

Dadurch werden gewisse metaphorische Abbildungen akzeptiert, obwohl sie nicht alle Eigenschaften beschreiben. Auf diese Weise können gesellschaftliche Konventionen entstehen, die viele Aspekte unserer Realität verdecken, während sie andere bewusst hervorheben (Neuenschwander: 2000). Das metaphorische sprachliche Handeln lässt folglich die Dinge aus einer Tunnelblickperspektive erscheinen.

2.5 Gründe für eine kognitiv basierte Methode

Der kognitive Ansatz ist für die Analyse des Diskurses geeignet, da er die Metapher als Abbildung der kognitiven Strukturen eines Bedeutungsbereichs auf einen anderen betrachtet (Lakoff/Johnson 2000: 42-45). Die Interpretation der Metapher besteht nicht mehr in dem semantischen Aufsuchen von Vergleichspunkten zwischen den Bedeutungsbereichen, sondern auf einer höheren kognitiven Stufe:

Wenn Metaphern bereits auf der konzeptuellen Ebene postuliert werden, anstatt als bloße Ausschmückungen von inhaltlich wörtlich-identischen Propositionen zu gelten, lassen sich ihre explizit ideologischen Funktionen wie auch ihr Einfluss auf implizite - von den Sprechern u.U. gar nicht als ideologisch gefärbt wahrgenommene - Wissensbestände thematisieren. (Musolff2002: 274)

Der Zugang über Konzepte erlaubt auch den Vergleich zweier Kulturen auf der kognitiven Ebene und macht sie für eine interkulturelle Forschung zugänglich.

Die kognitive Theorie unterscheidet sich von weiteren Theorien durch ihre weitreichende Verbundenheit mit zahlreichen Themen (Kövecses 2002: x preface). Die Metapher findet eine Anwendung unter anderem aufden Gebieten der Politik und des Diskurses.

Weiterhin verbindet die Metapher unser Wissen über Sprache, Kultur und kognitives System. Die kognitive linguistische Sichtweise kann dazu beitragen, bestimmte sprachliche Phänomene wie Polysemie und Sprachwandel zu erklären (Kövecses 2002: x preface). Denn sie trennt sich von der traditionellen Sichtweise, dass metaphorische Sprache und Gedanken arbiträr sind. Vielmehr bietet diese Theorierichtung eine neue Sichtweise, wonach metaphorische Ausdrücke und Gedanken grundlegenden sensomotorischen Erfahrungen des Menschen entspringen.

Schließlich ist die kognitive Theorie empirisch überprüfbar und ihre Validität wurde in einer Vielfalt von Experimenten belegt (Kövecses 2002: x preface).

3 Metaphern im internationalen politischen Diskurs

Lakoff und Johnson (2000) liefern mit ihrer Arbeit „Leben in Metaphern“ erste Belege für die Rolle der Metapher bei der Konstruktion sozialer und politischer Realität:

If our social experiences and conceptualizations are organized in terms of metaphors, then politics, as part of the social domain, must also be preceived and constructed metaphorically. (Musolff2004: 2)

Die Rolle der Metapher im internationalen politischen Diskurs wurde in zahlreichen Untersuchungen von kognitiven Theoretikern untersucht. Sie liefern Belege für die Auswirkung des politischen Diskurses auf die Metapherproduktion, die in diesem Kapitel diskutiert werden.

3.1 Diskursdefinition

Keller beschreibt den Diskurs als „inhaltlich-thematisch bestimmte, institutionalisierte Form der Textproduktion“ (Keller 1997: 311). Ein Diskurs ist also erstens dadurch bestimmt, dass er sich auf ein bestimmtes Thema bezieht. Zweitens herrscht innerhalb dieses Themas eine gewisse inhaltliche Kohärenz. So ist das Thema des in dieser Arbeit untersuchten Diskurses, im Folgenden auch als europäischer Diskurs bezeichnet, die europäische Erweiterung. Jede auf dieses Thema bezogene Äußerung kann potentiell Teil des Diskurses sein. Tatsächlich geht sie aber erst dann in den Diskurs ein, wenn der Sprecher sie öffentlich verbreitet. Durch seine Teilnahme an der öffentlichen Diskussion wird die Aussage Teil der „institutionalisierten“ Textproduktion. Weiterhin schließt der Diskursbegriff die Textproduktion mit ein, zu der sowohl schriftliche als auch mündliche Äußerungen gehören.

Kellers Diskurskonzept ist in dieser Arbeit durch die konstruktivistische These erweitert (Milliken 1999: 229). Diese Ergänzung trägt zum besseren Verständnis der Metapherfunktion im Diskurs bei. So bildet der Diskurs seinen Gegenstand, indem er ein bestimmtes Wissensobjekt konstruiert:

Discourse, Foucault argues, constructs the topic. It defines and produces the objects of our knowledge. It governs the way that a topic can be meaningfully talked about and reasoned about. Just as a discourse 'rules in' certain ways of talking about a topic, defining an acceptable and intelligible way to talk, write, or conduct oneself, so also, by definition, it 'rules out', limits and restricts other ways of talking, of conducting ourselves in relation to the topic or constructing knowledge about it. (Hall 1997: 44)

So gewinnt beispielsweise das Thema der europäischen Erweiterung erst durch den entsprechenden Diskurs an Bedeutung. Aus dieser Perspektive ist der europäische Diskurs an der Konstruktion der Europäischen Union und der europäischen Integration beteiligt.

3.2 Mehrdeutigkeit derMetapher

Ausgang für die Untersuchung der Mehrdeutigkeit der Metapher im Diskurs ist die von Michail Gorbatschow eingeführte Metapher „evropeiskii dom“ - übersetzt „gemeinsames europäisches Haus“ oder „common European home/house“ (Gorbachow 1987: 61). Seine Metapher ist auf große Resonanz im weltweiten politischen Diskurs gestoßen (Schäffner/Trommer 1990: 80f.). Wesentlich hierfür waren die Differenzen in der Metapherinterpretation zwischen dem Ostblockstaat und den westeuropäischen Ländern. Während bei dem russischen Prototyp „dom“ von einem Mehrfamilienhaus ausgegangen wird, in dem “jede Familie sein eigenes Leben unter einem gemeinsamen Dach führt“ (Schäffner/Trommer 1990: 82), bezeichnet der englische Prototyp „house“ ein Einfamilienhaus mit einem separaten Eingang, gewöhnlich umgeben von einem Garten. Lakoff und Chilton führen die Unterschiede in der Bedeutung zwischen den Sprachen auf verschiedene kulturspezifische Prototypen von Haus zurück:

[...] different 'entailments' of the 'Russian' and 'Western' versions of the house metaphor necessarily lead to different concepts, which can hinder the mutual understanding between the respective discourse communities. (Lakoff/Chilton 1995: 54)

Schäffners und Trommers (1990) Untersuchung des russischen und englischen Diskurses stellt jedoch fest, dass die Interpretation der Metapher nicht ausschließlich auf eine Anbindung an bestimmten Eigenschaften beruht. Vielmehr dienen zwei „Aspekte des Hauses bei der metaphorischen Verwendung als Grundlage für Assoziationen“ (Schäffner/Trommer 1990: 88). Beide Aspekte sind bei den Kulturen gemeinsam: der Strukturaspekt und der Aspekt des Zusammenlebens der Bewohner. Im Russischen wird die Haus-Metapher durch die architektonischen Bestandteile „tragende Elemente, Fundamente und Türen“(Schäffner/Trommer 1990: 84) erweitert. Hierdurch liegt die Interpretation nahe, das Haus vor einem Einbrecher zu schützen. Der zweite Aspekt des partnerschaftlichen Zusammenlebens der Hausbewohner wird durch eine „Hausordnung“ gewährleistet, die Sicherheit verspricht. Beide Aspekte wurden eingesetzt, um eine neue politische Richtung in der damaligen UdSSR anzudeuten (Schäffner/Trommer 1990: 81). Im englischen Diskurs wird ebenfalls metaphorischer Bezug auf die Strukturen eines Hauses genommen. Mit dem Aspekt: „one roof, two houses still“ (Schäffner/Trommer 1990: 87) wird jedoch eine andere metaphorische Assoziation verbunden:

Menschen und Völker können dann einander näher kommen, wenn sie über gleiche Ideen, Ansichten und Grundprinzipien verfügen, damit einander vertrauen können und keine Angst voreinander haben. (Schäffner/Trommer 1990: 88)

Dadurch wird die englische Einstellung gegenüber der Sowjetunion ausgedrückt.

Mit ihrer Untersuchung zeigen Schäffner und Trömmer, dass die metaphorische Verwendung von Merkmalen wie Fundamente, Türen, Dächer und Zimmer für die Erklärung der Metapher nicht isoliert betrachtet werden darf. Die Beispiele offenbaren vielmehr, dass „die baulichen Bestandteile zum großen Teil von ihrer Einbettung in Situationen 'leben', d. h., daß vor allem auf die funktionellen Eigenschaften dieser Strukturelemente rekurriert wird“ (Schäffner/Trömmer 1990: 88). In diesem Zusammenhang sprechen die Wissenschaftlerinnen von einem „Haus-frame“, der das mit einem Haus verbundene Wissen umfasst:

Metaphern werden in diesem Sinne interpretiert, daß ein Wissensbereich (mit seinen Assoziationen und Inferenzen) auf einen anderen abgebildet wird. In unserem Fall heißt das, daß das Wissen, das mit einem konkreten Haus verbunden ist, auf einen abstrakten Bereich übertragen wird. (Schäffner/Trommer 1990: 88)

Die Offenheit des „Haus-frame“ lässt verschiedene Interpretationen zu, die je nach politischer und funktioneller Situation variieren können.

Mit diesen Ergebnissen erweitern beide Forscherinnen die bereits von Lakoff eingeführte prinzipielle kognitive Fähigkeit der Metapher (vgl. dazu Kapitel 2.3). Ihre Studienergebnisse sprechen nicht mehr für die Übertragung prototypischer Merkmale, sondern fürdie Abbildung eines prototypischen „Haus-frame“.

Andreas Musolff (2000) untersucht ebenfalls die auf Gorbatschow zurückgehende Metapher „common European house“ im internationalen politischen Diskurs. In seiner Forschung geht er der Frage nach, ob „common European house“ die breite Öffentlichkeit in Vorurteilen und Stereotypen denken lässt. Er widerlegt die oben aufgestellte These von Lakoff und Johnson in der Hinsicht, dass die Metapherbedeutung ausschließlich von den kognitiven Strukturen einer bestimmten Kultur geprägt ist.

Für die Revidierung der kognitiven Theorie vergleicht Musolff (2000: 217) den deutschen und den britischen Diskurs hinsichtlich der Entwicklung der Metapher „common European house“ im Zeitraum von 1989 bis 1997. In dieser Periode gibt es zwei wesentliche Veränderungen des metaphorischen Konzepts. In der Zeitspanne 1989-1991 wurde „common European house“ in Gorbatschows Sinne gebraucht. Dieses Konzept bezog sich auf alle Länder auf dem europäischen Kontinent, deren Sicherheitspolitik und deren Beziehungen zueinander (Musolff 2000: 220f). Nach dem Zerfall der Sowjetunion verlor Gorbatschows Idee im Diskurs an Relevanz. Das „common European house“ blieb jedoch weiterhin im Diskurs bestehen und erlaubte europäischen Politikern, diese Metapher für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Das Haus-Konzept bekam jedoch eine neue veränderte Bedeutung, die dem ursprünglichen Konzept konträr gegenüberstand:

House and construction metaphors seem to have held a special fascination for Kohl since the days of Gorbachev's common house policies; however, following the collapse of the Soviet Union, Kohl's emphasis was on uniting Europe to the West of, but not including, the newly constituted Russia, which he deemed to be too large and too far extended to Asia as to fit into Europe (thus contradicting Gorbatchev's over-arching concept of a common European house that might include the USSR. (Musolff2000: 222)

Kohls neue Metapher „festes Haus Europa“ (Musolff 2000: 222) drückt eine optimistische Sichtweise über die Entwicklung der Europäischen Union aus. Sein Konzept impliziert Sicherheit vor den Gefahren der internationalen Politik und der wirtschaftlichen Krise.

Seit 1997 zeigt sich erneut eine Wende im europäischen Metaphergebrauch, da Kohls Politik an öffentlicher Unterstützung verliert und die Opposition in Deutschland an Sympathisanten gewinnt. Die Oppositionspartei nimmt eine skeptische bis pessimistische Europa-Haltung ein, die sich in einer neuen Interpretation der Haus­Metapher widerspiegelt. Das neu konzipierte Haus ist mit Unsicherheit behaftet, da „das europäische Haus für sechs Mitglieder gebaut wurde, inzwischen 15 beherbergt und dringend reparatur- und renovierungsbedürftig ist“ (Süddeutsche Zeitung, 25.03.1997. In: Musolff 2000: 223). Mit Joschka Fischer als Außenminister verändert sich 1998 erneut die Interpretation des europäischen Hauses. Während dieser Zeit dominiert eine realistische Vorstellung von „vision of the European House“ (Musolff 2000: 226) im deutschen Diskurs.

Die Beispiele zeigen, dass die Haus-Metapher über „semantic openness“ verfügt (Musolff 2000: 217). Gerade diese Flexibilität erlaubt den Diskursteilnehmern einen breiten Interpretationsspielraum der Metapher. Somit belegt Musolff (2000: 217), dass die Haus-Metapher die Öffentlichkeit nicht in einer bestimmten prototypischen Weise denken lässt. Vielmehr entwickelt sich das metaphorische Konzept im Verlauf des Diskurses, indem sich der Quellenbereich des Hauses an einen breitliegenden Zielbereich flexibel anpasst. Damit widerlegt Musolff die kognitive Theorie von Lakoff und Johnson in folgender Hinsicht:

[...] any deterministic view of 'source domain' structures as constraining the way in which political issues are conceived. In contrast to cognitivist assumptions about a strict internal 'logic' of metaphorical concepts, no one specific interpretation of the house imagery can be said to dominate the EU debate. This points towards the need for a revision of cognitivist metaphor theory as regards the use metaphors in public discourse. (Musolff 2000:216)

Die Haus-Metaphern spielen eine wesentliche Funktion im politischen Diskurs: „they help the public to reason about political problems“ (Musolff 2000: 227). Zwischen Metapher, Politik und Diskurs besteht also ein enger Zusammenhang. Die Politiker entwickeln metaphorische Konzepte und Argumente im Diskurs, die die Öffentlichkeit aufdas dahinter stehende politische Konzept schließen lassen.

3.3 Entwicklung einer Metapherbedeutung

Am Beispiel der Haus-Metapher wurde im vorhergehenden Abschnitt deutlich, dass die Metaphorik im politischen Diskurs keine festgelegte Bedeutung besitzt. Ihre Bedeutung wird erst im Rahmen einer „face-to-face interaction“ (Chilton/Ilyin 1993: 9­10) zwischen den Diskursteilnehmern festgelegt. Die Interpretation der Metapher kann aber auch von den debattierenden Parteien über die Massenmedien innerhalb einer „virtual conversation“ ausgehandelt werden (Musolff 2004: 11f.). Der Vorgang der metaphorischen Konzipierung ist meist ähnlich. Der Sprecher fokussiert sich auf einzelne Elemente aus dem grundlegenden konzeptuellen Schema (Chilton/Ilyin 1993: 10). Der ausgewählte Fokus kann durch die Teilnehmer im Diskurs anerkannt oder abgelehnt werden. Aufgrund des gemeinsamen kognitiven Wissens kann eine neue Bedeutung der Metapher zwischen den Diskursteilnehmern ausgehandelt werden. Dadurch entsteht ein Gespräch, das von den Diskursteilnehmern kooperativ aufrechterhalten wird.

Im Rahmen eines Gesprächs zwischen den Diskursteilnehmern entstehen neue politische Gedanken durch die Einführung einer neuen konzeptuellen Anordnung (Chilton/Ilyin 1993: 11). So wird der starre konzeptuelle Rahmen4 durch einen neuen Metaphergebrauch durchbrochen. Anfangs hat eine neue Metapher sich bei der voreingenommenen Öffentlichkeit und den bereits etablierten politischen Interpretationen durchzusetzen. Eine geschickte Manipulation der Metapher kann zu einer Manipulation des aufkommenden Diskurses führen, indem sie neue konzeptuelle Prämissen (vgl. dazu Kapitel 4) für die Entwicklung und Rechtfertigung der Politik bereitstellt. Wenn die Metapher in der Öffentlichkeit akzeptiert und verbreitet ist, verliert sie ihre dynamische Funktion und wird zu einem konventionellen sprachlichen Zeichen. Das Ende von Gorbatschows Interpretation des „evropeiskii dom“ kam mit dem Mauerfall, denn die neue Realität passte nicht mehrzu seinem Haus-Konzept (Chilton/Ilyin 1993: 10).

Ein politischer Diskurs, der Debatten zwischen den Staaten enthält, bezieht einerseits Konflikte und Streitfragen ein (Chilton/Ilyin 1993: 12). Andererseits werden Kohärenz und Kohäsion durch das kooperativ erzeugte Gespräch im Diskurs geschaffen. Diese zwei Aspekte werden erst durch das Konzept der Formulierungen in Beziehung zueinander gesetzt (Chilton/Ilyin 1993: 12). Formulierungen dienen im diskursiven Gespräch dazu, metaphorische Äußerungen eines anderen Sprechers umzuformulieren. Bei diesem Prozess kann die primäre kognitive Auffassung der metaphorischen Spezifikation mit dem interaktiven Konzept der Formulierung verbunden werden. Die Verknüpfung des kognitiven mit dem interaktiven Diskursprozess wird unter dem Begriff Spezifizierung zusammengefasst.

Die Spezifizierung der Metapher geschieht auf einer mehr oder weniger bewussten Ebene der strategisch diskursiven Auswahl (Chilton/Ilyin 1993: 14). Der Sprecher kann sich bewusst für einen Metaphergebrauch in der politischen Debatte entscheiden. Dabei kann er sich der vielfältigen Strategien der metaphorischen Spezifizierung bedienen.

Chilton und Ilyin identifizieren vier Strategien der diskursiven Verhandlung, mit denen der Sprecher auf eine bereits im Gespräch etablierte Metapher erwidern kann (Chilton/Ilyin 1993: 12). Zunächst kann der Sprecher die aktuelle Metapher für sein Themengebiet ablehnen, um sie dann durch eine andere Metapher zu ersetzen (z. B.: „No, Europe is not a house, it's an unidentified flying object“ (Chilton/Ilyin 1993: 12)). Die zweite Möglichkeit ist, dass der Sprecher die aktuelle Metapher beibehält und dabei nur das Thema des metaphorischen Zielbereichs neu spezifiziert (z. B.: „No, the house is not the territory from the Atlantic to the Urals, it's the spiritual tradition of the northern hemisphere“, „it is Germany“ (Chilton/Ilyin 1993: 12)). Drittens kann der Sprecher die aktuelle Metapher beibehalten, indem er den kognitiven Rahmen oder dem kognitiven Skript5 eine neue Spezifizierung gibt.

Bei der vierten Option des Gesprächswechsels behält der Sprecher den kognitiven Rahmen oder das kognitive Skript der aktuellen Metapher bei, wechselt jedoch die metaphorische Schlussfolgerung. Für die Formulierung der Schlussfolgerung können zum einen bestimmte Details aus dem Rahmen oder aus dem Skript ausgewählt werden, wie beispielsweise: „The roof of the house is a military defence system“ (Chilton/Ilyin 1993: 13). Zum anderen kann der Rahmen erweitert werden, sodass der aktuelle Rahmen darin enthalten bleibt; zum Beispiel „Europe is not a house, it is acity“ (Chilton/Ilyin 1993: 13).

Gemäß Chilton und Ilyin (1993: 9) entwickelt sich ein kohärenter politischer Diskurs auf der Basis der kognitiven und der interaktiven Funktion der Metapher. Es ist daher relevant, die Pragmatik des diskursiven Prozesses als auch seine kognitive Strukturen zu betrachten. Für eine Metapheranalyse des internationalen politischen Diskurses ziehen beide Forscher daher den Schluss:

A model of such political discourse as a kind of 'conversation' is proposed, as well as a framework for the analysis of metaphor that combines a cognitive and discourse approach. (Chilton/Ilyin 1993: 7)

4 Methode zum Erforschen der Metaphern im Korpus

Der kognitive Metaphernansatz von John Lakoff stößt auf große Resonanz. Wie bereits in Kapitel 2 dargelegt, interessiert sich die kognitive Theorie primär für das metaphorische Konzept, der linguistischen Form wird eine zweitrangige Stelle beigemessen.

Liebert bemängelt an der kognitiven Theorie, dass sie die Einbettung der metaphorischen Begriffe in soziokulturellen Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt:

Wenn die soziale, kulturelle, geschichtliche und ökonomische Gebundenheit des Wortschatzes wirklich ernst genommen werden soll, müssen die Grenzen innersprachlicher Betrachtung überschritten werden. Da damit unterschiedliche, .ausserlinguistische’ Wissensgebiete tangiert werden, wird dies eine Fülle neuer Probleme aufwerfen, ganz davon abgesehen, dass diese Gebiete nur fragmentarisch gesichtet werden können. (Liebert 1992: 128)

Baldauf kritisiert, dass sich die kognitive Forschung auf die Kognition und die Konzepte konzentriert und dabei die Betrachtung des kommunikativen Nutzens vernachlässigt (Baldauf 1997: 28f).

Diese Sichtweise erfordert die Ergänzung und teilweise Korrektur des von Lakoff und Johnson eingeführten kognitiven Modells (Böke 2000, 28f.). Neuere theoretische Zugänge (Musolff: 2004, Kövecsec: 2002, Hülsse: 2002) gehen über die Grenzen der kognitiven Strukturen hinaus und erkennen den Einfluss des Diskurses bei der Metapherproduktion.

Die Analyse in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt den Einfluss der soziopolitischen Rahmenbedingungen für die Interpretation der Metapher auf semantischer Ebene (Musolff: 2004). Daher bezieht sich der semantische Teil der Analyse auf das empirische Diskursmaterial, um die Bedeutung der Metapher vollständig zu interpretieren.

Der kognitive Metaphernansatz bereichert jedoch die semantische Analyse und das Bedeutungsverständnis in der kognitiven Semantik (Baldauf 1997: 28f). Dies ist einer der Gründe, warum die kognitive Theorie einen Teil der Metapheranalyse des politischen Diskurses bildet.

4.1 Kategorisierung von Metaphern

ln diesem Kapitel werden drei Kriterien dargelegt, nach denen die Metaphern in einem sprachlichen Korpus identifiziert werden können. Dazu gibt es in der Forschung verschiedene theoretische Auffassungen. Gemäß der kognitiven Theorie können die Metaphern nicht an der linguistischen Erscheinungsform identifiziert werden, da die Metaphern zu konzeptuellen Kategorien gehören (Hönigsperger 1994: 64; vgl. dazu auch Lakoffin Kapitel 2.1). Metaphorische Konzepte basieren auf idiomatischen Phrasen, die typisch für den Sprachgebrauch im generellen kognitiven Sinne sind (Lakoff/Johnson 1999: 231f.). Andere Theoretiker erfassen den metaphorischen Gebrauch in Listen mit typischen Metaphern für eine Sprachgemeinschaft (Hirsch: 1987). Diese theoretische Auffassung setzt voraus, dass alle Metaphern eine konventionell festgelegte Bedeutung haben. Im Gegensatz dazu weisen metaphorische Begriffe keine einheitliche charakteristische Bedeutung im politischen Diskurs auf (vgl. Musolffin Kapitel 2.1).

Um mit dem geschilderten Problem umzugehen, führt Kövecses (2002) eine Kategorisierung in die kognitive Metaphertheorie ein. Jede Metapher kann in drei Ebenen analysiert werden: „individual“, „supraindividual“ und „subindividual“ (Kövecses 2002: 239).

Die Ebene „supraindividual“ umfasst die konventionellen Metaphern einer gegebenen Sprache wie beispielsweise Bulgarisch oder Deutsch. Ihr konventioneller Charakter geht auf metaphorische Projektionen zurück: „The mappings are conventionally fixed and they provide a certain structure for the abstract domains to which the source domain applies“ (Kövecses 2002: 241). Diese Aussage lässt darauf schließen, dass Metaphern viele Aspekte einer Sprache und einer Kultur strukturieren, und liefert gleichzeitig die Erklärung dafür, warum jede Kultur ihre eigenen spezifischen metaphorischen Ausdrucksweisen hat.

Auf der Stufe „supraindividual“ findet überwiegend die linguistische Forschung statt. Hier können die konventionellen metaphorischen Konzepte unabhängig vom sprachlichen Kontext erkannt werden, da sie im mentalen Lexikon (Kövecses 2002: 240) jedes einzelnen Sprechers einer bestimmten Sprache vorhanden sind. Bei der Suche nach konventionellen metaphorischen Ausdrücken kann sich der Forscher diverser Wörterbücher, Synonymwörterbücher, Zeitschriften, Zeitungen und Nachrichten in den Medien bedienen. Nach der Materialrecherche werden die gesammelten metaphorischen Äußerungen analysiert, indem sie in konzeptuelle

Metaphern mit bestimmten Ursprungs- und Zielbereichen eingeordnet werden. Diese Systematisierung verschafft einen Überblick, sodass der Linguist eine Generalisierung der Metapherkonzepte treffen kann, die charakteristisch für ein Sprachsystem oder eine Kultur sind.

Nicht alle konventionellen Metaphern, entdeckt durch den Linguisten auf der Ebene „supraindividual“, sind auch zwangsläufig im kognitiven System des einzelnen Sprechers einer Sprache vorhanden. Die metaphorischen Gebrauchsweisen der Individuen können oft vom Sprachgebrauch der sozialen Gruppen abweichen. Daher führt Kövecses (2002: 241f.) die Unterscheidung zwischen den Ebenen: „supraindividual“ und „individual“ ein. Während auf der Stufe „supraindividual“ die kulturtypischen, konventionellen Metaphern analysiert werden, beschäftigt sich die Ebene „individual“ mit den vielfältigen individuellen Gebrauchsweisen innerhalb einer Kultur.

Auf der Ebene „individual“ existieren die Metaphern in den Köpfen der einzelnen Sprecher. Zum einen kann der Sprecher die konventionellen Metaphern einer bestimmten Sprache reproduzieren, die in seinem mentalen System vorhanden sind. Der Produzent kann aber auch neue Metaphern erschaffen (Kövecses 2002: 242). Für beide Prozesse sind mehrere Faktoren auf der Ebene „individual“ zu berücksichtigen. Dazu gehört die Auswahl der Metapher für ein bestimmtes kommunikatives Ziel sowie der angemessene Gebrauch der Metapher in einer konkreten kommunikativen Situation bzw. einem Kontext. Darüber hinaus kann jeder Sprecher einer Sprache durch seine eigene Vorgeschichte und seinem persönlichen Lebensweg die Struktur der Metapher prägen. Daher wird auf dieser Analyseebene ersichtlich, „how Metaphors can organize or otherwise structure actual texts or discourses“ (Kövecses 2002: 242).

Die Ebene „subindividual“ definiert Kövecses folgendermaßen:

The level at which the conceptualization of conceptual domain (the target) by means of another conceptual domain (the source) is made natural and motivated for speakers. (Kövecses 2002: 243)

Die Zusammenfügung der beiden Domänen in eine konzeptuelle Metapher ist durch sensomotorische Erfahrungen bestimmt. Denn Menschen verstehen sich nicht auf der Ebene der Gegenstände sondern der Erfahrungen. So stehen körperliche Erfahrungen oft in Korrelation mit bestimmten abstrakten oder subjektiven Erfahrungen, wie beispielsweise kränkelnder Euro (Kövecses 2002: 243). Die körperlichen Erfahrungen sind jedoch nicht die einzig relevanten für die Produktion der Metapher, genauso von Bedeutung sind wahrnehmende und kulturelle Erfahrungen. Da alle Metaphern in allen Sprachen allgemein auf Erfahrung basieren, sind sie universell hinsichtlich ihres gemeinsamen biologischen Ursprungs (Kövecses 2002: 243).

Die Metaphern basieren jedoch nicht immer auf Erfahrung, zusätzlich können sie auch durch wahrnehmbare Ähnlichkeit in den Strukturen begründet sein (Kövecses 2002: 244). Beide Beweggründe, sowohl die Korrelation der Erfahrungen als auch die Ähnlichkeit, ergänzen sich gegenseitig. Menschen aus verschiedenen Kulturen können dieselben Gegenstände wählen, um Gleichartigkeit zwischen zwei Gegenständen zu bilden, aber auch die Kulturen selbst können einzigartige Konzepte haben, die unterschiedliche Verbindungsstrukturen zwischen Quellen- oder Zieldomänen aufweisen. Aufgrund dieser Möglichkeit ist die Ebene „subindividual“ der Metapher nur teilweise universell, und zwar bis zum Punkt, an dem die Produktion der Metapher aufder Korrelation zwischen den Erfahrungen basiert.

4.2 Erkennen derMetaphern

Wie sind die Metaphern in einem sprachlichen Korpus aufzufinden?

Die Erkennung der Metaphern im Rahmen eines Korpus erfolgt zunächst nach semantischen Kriterien (Musolff 2004: 10f.). Anhand sprachlicher Ausdrücke, auch Wortfelder genannt, werden Stichwörter bzw. Schlüsselwörter zum gewünschten Thema gesucht (Musolff 2004: 29). Die Schlüsselwortsuche verschafft einen ersten Überblick über den Kontext, indem sie potentiell relevante metaphorische Ausdrücke zum Thema liefert. Die erste Textauswahl trennt metaphorische von nicht­metaphorischen Fällen, die das untersuchte Thema betreffen.

Anhand der Wortfelder werden die verschiedenen Elemente eines bestimmten Metaphernkonzeptes identifiziert (Musolff 2004: 29). Metaphorische Konzepte der Ebene „individual“ (vgl. Kövecses in Kapitel 4.1) bezeichnet Musolff (2004: 9) im Korpus als Token. Das Token stellt eine konzeptuelle Kopie eines repräsentativen Types auf der Ebene „supraindividual“ dar. Die Einordnung der Tokens in Gruppen von Types erfolgt nach dem folgenden Prinzip:

The individual tokens can be grouped, according to criteria of semantic similarity, into conceptual clusters, which in turn can be classified into larger conceptual units, i.e. domains. These conceptual spaces display a radial structure in that their elements are grouped around central concepts, which provide the most characteristic and easily comprehensible examples. (Musolff 2004: 9)

Bei einer Analyse des Diskurses geht es darum, die in der Öffentlichkeit meist verbreiteten metaphorischen Konzepte festzustellen. Ihre Dominanz im Diskurs steht in Zusammenhang mit ihrer Repräsentativität im gegebenen Untersuchungskorpus (Musolff 2004: 10). Um die dominanten konzeptuellen Abbildungen für eine Diskursgemeinschaft zu bestimmen, ist es erforderlich zu zeigen, dass sich die Verteilungsmuster auf bestimmte Einstellungen und Überzeugungen beziehen (Musolff 2004: 10). Erst dann können kulturtypische Konzepte auf der Ebene „supraindividual“ festgestellt werden.

4.3 Szenario-Kategorie

Anhand der Wortfelder werden die konzeptuellen Elemente in Gruppen von Ursprungsdomänen eingeordnet. Die konzeptuellen Elemente decken nicht alle Konzept-Bereiche ab, die innerhalb einer Metapherdomäne vorstellbar sind (Musolff 2004: 16). Vielmehr bilden sie bestimmte konzeptuelle Anhäufungen, die einige allgemein anerkannte Aspekte der Wissens- und Erfahrungswelt fokussieren. Diese Anhäufungen bilden nach Musolff sogenannte Szenarien (Musolff 2004:17). Das Szenario ist folglich eine Kategorie, die Anhäufungen individueller Tokens der Hauptelemente in dem Korpus darstellen. Dadurch unterscheidet sich Musolffs Konzept von weiteren Modellen in der kognitiven Linguistik darin, dass „die Verweisungszusammenhänge von Metaphern aufeinander als wesentlicher von Bedeutung aufzufassen sind als das Vorkommen von Einzelmetaphern“ (Schmitt 2005: 14).

Das Szenario enthält: „ensembles of little scenes or story-lines“ (Musolff 2004: 17). Das Erkennen des konzeptuellen Szenarios hat zum Ziel, die dominanten Aspekte einer metaphorischen Abbildung im öffentlichen politischen Diskurs zu einem bestimmten Thema wie beispielsweise der EU-Politik zu bestimmen:

[...]


[1] Zitat aus der Zeitung Duma: „Hapene npwcbeflMHflBaHeTO, bowecTBeH MOMem“ (Duma, 02.01.07)

[2] Zitat aus der Zeitung Ataka: „Te>KKaTa peHa 3a nneHCTBOTO ^e naaTAT noKoaeHna 6bnrapn“

(Ataka, 28.12.06)

[3] Originalbezeichnung „evropeiskii dom“ (Gorbachow 1987: 61)

[4] Originalbezeichnung „frame“

[5] Der kognitive Rahmen bezieht sich auf das räumliche Wissen oder andere Fakten, die folgerichtig aufeinander bezogen sind, d. h. stereotypische oder prototypische Architekturfakten über das Haus in einer bestimmten Gesellschaft. Das Skript bezieht sich auf eine Ereignissequenz, die eine kurze Story, ein Ritual oder eine Situation darstellt. Es kann beispielsweise der Hausbesuch in einer bestimmten Gesellschaft als eine kurze Sequenzhandlung geschildert sein.

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Europäische Metaphorik im Spiegel der internationalen Presse
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
118
Katalognummer
V147134
ISBN (eBook)
9783640647194
Dateigröße
942 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Europäische, Metaphorik, Spiegel, Presse
Arbeit zitieren
Konstantina Kireva (Autor:in), 2009, Europäische Metaphorik im Spiegel der internationalen Presse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147134

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