Konsum und Lebensstil


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. ALLTAGSÄSTHETISCHESCHEMATA
2.1. HOCHKULTURSCHEMA
2.2. TRIVIALSCHEMA
2.3. SPANNUNGSSCHEMA

3. SOZIALEMILIEUS
3.1. NIVEAUMILIEU
3.2. HARMONIEMILIEU
3.3. INTEGRATIONSMILIEU
3.4. SELBSTVERWIRKLICHUNGSMILIEU
3.5. UNTERHALTUNGSMILIEU

4. LEBENSSTIL-TYPOLOGIEN
4.1. ÜBERBLICK ÜBER LEBENSSTIL-TYPOLOGIEN
4.2. LIFE-STYLE-RESEARCH VON CONRAD & BURNETT

5. FAZIT

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Im Rahmen des Themas „Lebensstil und Konsum“ habe ich mich auf die Milieusegmentierung nach Gerhard Schulze konzentriert. Huaptbezugspunkt wird dabei sein Werk „Die Erlebnisgesellschaft“ sein.

Die Idee von Schulze ist es, daß trotz der Individualisierungsthese davon ausgegangen werden muß, daß kollektive Schematisierungen und Segmentierungen von Existenzformen bestehen bleiben. Dabei ist eine Entwicklung weg von der Großgruppengesellschaft hin zu immer kleineren Milieus zu beobachten.

Schulze beschreibt die moderne Basismotivation als Erlebnisorientierung, d.h. das Handeln wird an dem Ziel positiver Valenz ausgerichtet. Die Individuen suchen und konstruieren das „Projekt des schönen Lebens“. Der Wunschkonsum tritt dabei an die Stelle des Notwendigkeitskonsums.

„Parallel zur (...) Ästhetisierung des Alltagslebens hat sich der kollektive Raum alltagsästhetischer Schemata ausdifferenziert, ein mehrdimensionaler Raum, in dem die zahllosen ästhetischen Zeichen unserer Lebenswirklichkeit bestimmten Erlebnisroutinen zugeordnet werden“ (Schulze 1992, S. 22) (s. Kapitel 1).

Die kollektiven Bedeutungskomponenten der Alltagsästhetik liefern den Menschen Material zum Aufbau von Stiltypen, die neben Alter und Bildung als Erkennungsmerkmale dienen. An den daraus erwachsenden Zeichenkonfigurationen orientieren sich die Menschen in ihren Beziehungen. Es entstehen soziale Milieus, wie ich sie in Kapitel 2 noch genauer beschreiben werde. In ihnen werden individuelle Erlebnispräferenzen milieuspezifisch vorstrukturiert. Anhand der signifikanten und evidenten Zeichen versucht Schulze in die Bedeutungsebene vorzudringen. Das damit verbundene Unschärfeproblem ist allerdings nicht nur ein methodisches Defizit, sondern eine Eigenschaft der sozialen Wirklichkeit, da sich soziale Milieus nie exakt gegeneinander abgrenzen lassen und dennoch real existieren (vgl. Schulze 1992 , S. 15-26, 736).

In den Milieubeschreibungen, die Schulze auf einer empirischen Umfrage in den 80er Jahren der BRD basierend gebildet hat, sind Konsumverhaltensmuster impliziert, die er allerdings nicht explizit aufgreift. Um diese Lücke zu füllen, bin ich auf die „Life-Style-Research“ von der Werbeagentur Michael Conrad & Leo Burnett gestoßen, die ihrer Typologie die Idee zugrunde legt, daß gerade auch das Konsumverhalten Ausdruck des Lebensstils ist. Dieser Gedanke konnte historisch gesehen nur im Zusammenhang mit der Entwicklung des Massenkonsums und dem damit verbundenen „Wohlstand für alle“ entstehen. Im Hinblick auf die tendenzielle Nivellierung der Konsummöglichkeiten lassen sich heute „Konsumnormen häufig als signifikante Ausdrucksformen oder auch als konstitutive Elemente des Lebensstils ausmachen“ (Hütten, Sterbling 1994, S. 122) (s. Kapitel 3).

Erkannte Übereinstimmungen der durch Präferenzen und Wertvorstellungen geprägten Konsumgewohnheiten dienen dann als Grundlage sozialer Identifikationsformen und Gruppenbildungen (vgl. Hütten, Sterbling 1994, S. 122-125).

Ergänzend weist Reusswig auf die gestiegene individuelle Bedeutung des Konsums hin, der eine Verflechtung von Lebensstil und Konsum folgt. Das symbolische und statusmäßige Konsumverhalten drückt die Distanz der sozialen Kreise aus (vgl. Reusswig 1994, S. 29, 72- 77).

2. Alltagsästhetische Schemata

Alltagsästhetische Schemata der Erlebnisorientierung zeichnen für die Bildung von sozialen Großgruppen verantwortlich. Diese Schemata repräsentieren Affinitäten im persönlichen Stil vieler Menschen. Neben dem Stil wirken nach Schulze vor allem Bildung und Lebensalter konstitutiv auf die alltagsästhetischen Schemata. Die große Vielfalt von persönlichen Stilen reduziert Schulze auf drei kollektive Schemata alltagsästhet. Präferenzen: Hochkulturschema, Trivialschema und Spannungsschema.

Die Vertikalität des heute existierenden mehrdimensionalen Raum, in dem sich die drei Schemata ansiedeln, wird durch das horizontale Kriterium Alter konterkariert.

Diese Schemata sortieren Menschen nach ihrer Teilhabe an Erlebnisangeboten auf wenige Grundmuster, weil die Tendenz der Menschen besteht, in ihren Geschmacksentscheidungen ähnliche Gruppenbildungen vorzunehmen. Die kollektiven Muster des Erlebens in Form alltagsästhetischer Schemata äußern sich im Gefühl von Zusammengehörigkeit und Unterschiedensein alltagsästhetischer Alternativen.

Alltagsästhetischen Schemata kommt die Aufgabe zu, kollektive Bedeutungsmuster für große Zeichengruppen zu kodieren. Den Bedeutungskomplex zerlegt Schulze in Genuß, Distinktion und Lebensphilosophie. Genuß ist ein psychophysischer Prozeß positiver Valenz. Distinktion ist die Unterscheidung des Subjekt von anderen. Unter Lebensphilosophie versteht Schulze grundlegende Handlungsorientierungen (Wertvorstellungen, Weltbilder etc.). Die Konstruktion von Bedeutungen geschieht mittels zentraler existentieller Probleme. Diese sind in der Erlebnisgesellschaft „sein Leben zu erleben“ und der Wahlzwang angesichts des Überangebots von Produkten. Deshalb rückt die Genußebene zunehmend in den Vordergrund.

Der theoretische Zweck des Begriffs alltagsästhetischer Schemata ist die Analyse sozialer Milieus, auf die ich im zweiten Kapitel noch zu sprechen komme.

In der Realität finden wir meist keine eindeutigen Zugehörigkeiten der Individuen, aber sie lassen sich als Kombination von Positionen auf einem Kontinuum von Nähe und Distanz zu den einzelnen Schemata zuordnen (vgl. Müller-Schneider 1996, S. 192-194, Schulze 1992, S. 105- 114, 125-142, 157-167, 734, 738, 741).

2.1. Hochkulturschema

Dieses Schema ist aufgrund seiner langen Tradition besonders klar herausgearbeitet. Das Genußschema drückt sich bei den Angehörigen durch die Zurücknahme des Körpers aus. Der Bedeutungslosigkeit des Körpers steht der Kodex vergeistigter Empfangshaltung gegenüber. Das Muster von Genuß bezeichnet Schulze als Kontemplation (Zustand der Ruhe).

Die distinktive Bedeutung verliert zunehmend ihren hierarchischen Charakter. Im Zuge der Popularisierung der Hochkultur verlor sie ihre Exklusivität und ökonomische Zeichenfunktion. Die Teilhabe ist kaum noch von Ressourcenunterschieden abhängig. Allerdings bleibt die Zugänglichkeit bildungsabhängig. Heute hat die Distinktion antibarbarischen Charakter.

Die Lebensphilosophie richtet ihr Augenmerk vielmehr auf Modalitäten der Wiedergabe als auf die Inhalte. Es scheint hier in erster Linie um äußerliche Perfektion zu gehen. Dieses allgemeine Lebensprinzip teilen ältere und höher gebildete Menschen (--> Niveaumilieu) (vgl. Schulze 1992, S. 142-150).

2.2. Trivialschema

Der hohen Kultur steht eine „niedere“ gegenüber: das Trivialschema. Hier spielt der Körper eine aktive Rolle: den ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen entspricht eine behäbige, gleichförmige Rhythmik der musikalischen Formen. Der Gegenstand des Erlebens ist einfach, das Erlebnis darf also nicht anstrengen. Die Wiederholung des Schlichten, des Altgewohnten wird zelebriert. Dabei wird die Gemütlichkeit nach außen hin abgeschlossen. Diese Gemütlichkeitssehnsucht ist aber gleichzeitig mit der Angst verwandt. So sind die Persönlichkeitsmerkmale größtenteils negativ besetzt: Rückzug, Resignation, Urmißtrauen gegenüber den anderen, gegenüber sich selbst und der Fähigkeit, etwas zu bewirken (Fatalität) und gegenüber unbekannten Situationen (Rigidität). Daraus erwächst dann ein starkes Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit.

Die Distinktion dieses Milieus entstand zunächst nur daraus, daß die Hochkultur die „kleinen Leuten“ (=Trivialschema) ausgrenzte. Heute muß dem Schema ein eigener Typus der Distinktion zugebilligt werden: antiexzentrisch. Der Wunsch dazuzugehören ist so groß, daß man sich Außenstehenden (besonders Individualisten) gegenüber distinktiv verhält.

Die Menschen dieses Schemas flüchten vor den Zwängen des Lebens. Man zelebriert die Kultur der schönen Illusion. Die Kehrseite davon ist die Angst vor allem Neuen, Unbekannten und Konflikthaften. Dem Mißtrauen gegenüber der Welt versucht man mit Harmonie streben zu begegnen (ebenda, S. 150-153).

2.3. Spannungsschema

Es ist das historisch jüngstes Schema, denn es entstand erst in den 60er Jahren. Heute ist es dominierendes Muster der Massenkultur. Temposteigerung und Enthemmung sind kennzeichnende Begriffe. Im Genußschema spielt der Körper eine zentrale Rolle, denn ihm kommt eine expressive Funktion zu. Deshalb wird auch viel Zeit und Geld für die äußere Erscheinung verwendet. Das Bedürfnis nach Abwechslung findet seinen Ausdruck in Neugier und Freude am Unerwarteten. Im Gegenzug haben sie Angst vor Langweile und sind auf der Flucht vor Gewöhnung. Das Genußschema folgt dem Ausagieren von Spannung: Action. Diese Unruhe und das erhöhte Aktionspotential kombiniert sich mit der Breitschaft, sich durch starke Erlebnisreize stimulieren zu lassen.

Feindbild sind Langweiler, d.h. die Distinktion ist antikonventionell. Dabei verlagert sich die Distinktionssymbolik von Accessoires auf weniger leicht auswechselbare Attribute wie körperliche Merkmale und Verhaltensweisen. Den Abgrenzungskampf führen die Jüngeren gegen die Älteren. Sie sind gegen die bürgerliche Variante des Etabliertseins.

In ihrer Lebensphilosophie kommt ihr ganzer Narzißmus zum Ausdruck. Alles dreht sich nur um ihr Ich, denn es gilt, daß Selbst gut zu stimulieren und in Szene zu setzen (vgl. ebenda, S. 153-157).

Diese drei Schemata werden von Menschen als Kombinationsmöglichkeiten behandelt, um ihren persönlichen Stil zusammenzubasteln. Dabei sind viele Kombinationen möglich.

3. Soziale Milieus

Auf der Grundlage der Schemata entwickelt Schulze fünf empirisch ermittelte Milieus, wobei den ersten drei Milieus Menschen über 40 Jahre angehören, den letzten beiden diejenigen unter 40 Jahre: Niveaumilieu, Harmoniemilieu, Integrationsmilieu, Selbstverwirklichungsmilieu und Unterhaltungsmilieu. Zur Segmentierung nach dem Alter gesellt sich noch die nach dem Bildungsgrad und dem persönlichen Stil. Letzterer entstand im Zuge des Kulturkampfes in 60er Jahren. Die Konflikte folgten nicht mehr materiellen Verteilungskämpfen, sondern Lebenseinstellungen, moralischen Bewertungen, Geschmacksfragen, Ansichten und trugen wesentlich zur Herausbildung der neuen Milieulandschaft in Deutschland bei. „Nicht der Konflikt von oben nach unten, sondern die Distanz voneinander prägt die Milieus“ (Reusswig 1994, S. 64).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Konsum und Lebensstil
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Inst. für Soziologie)
Veranstaltung
Konsumsoziologie
Note
1,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
20
Katalognummer
V14702
ISBN (eBook)
9783638200288
ISBN (Buch)
9783638777650
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konsum, Lebensstil, Konsumsoziologie
Arbeit zitieren
Laura Dahm (Autor:in), 1998, Konsum und Lebensstil, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14702

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