Leiharbeit in Deutschland

Regelungen, Entwicklung, Probleme (?)


Referat (Ausarbeitung), 2008

32 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition

3 Argumente pro und contra Leiharbeit

4 Rechtlicher / institutioneller Rahmen in Deutschland

5 Generelle Datenproblematik

6 Entwicklung, Saison und Konjunktur
6.1 Entwicklung
6.2 Saison
6.3 Konjunktur

7 Der Leiharbeitssektor im Detail

8 Substitution regulärer Beschäftigungsverhältnisse?

9 Exkurs Personal-Service-Agenturen

10 Umverteilung

11 Zur direkten Kapazitätsanpassung: ein Multiplikator-Akzelerator-Ansatz

12 Fazit

Quellenverzeichnis

Literatur

Rechtsgrundlagen und Tarifverträge

Detaillierte Übersicht über verwendete Datenquellen

Anhang

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

1. .Dreiecksverhältnis Arbeitnehmerüberlassung

2. .Entwicklung des Bestandes an Verleihern 06.1973 - 06. 2007

3. .Verleihbetriebe nach Betriebgrößen und Betriebszweck im 1. Halbjahr 2007

4. .Entwicklung des Bestandes an Leiharbeitnehmern 01.1973 - 06.2007

5. .Saisonales Verhalten der Leiharbeit

6. .Leiharbeit und Arbeitslosigkeit

7. .Sozialvers. Beschäftigte, Arbeitslose und Leiharbeiter

8. .Wachstumsraten Leiharbeit, BIP, Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

9. .Anteile an Beschäftigungsverhältnissen zum 30.06.2007 nach Geschlechtern

10. .Anteile an Beschäftigungsverhältnissen zum 30.06.2007 nach Nationalitäten

11. .Zugänge Leiharbeitnehmer 1. Quartal 1997, 2002, 2007

12. .Abgänge Leiharbeitnehmer 1. Quartal 1997, 2002, 2007

13. .Halbjährliche Fluktuation von Leiharbeitern nach Geschlechtern und gesamt

14. .Qualifikation, Verweildauer, Fluktuation

15. .Entwicklung absolut von Leiharbeit, sozialvers. Beschäftigung in Voll- und Teilzeit und Kurzarbeit

16. .Entwicklung unterschiedlicher Beschäftigungsverhältnisse (indiziert)

17. .Entwicklung der Sozialversichertenquote, der Leiharbeiterquote, der Arbeitslosenquote und der Geringfügig Beschäftigtenquote

18. .Leiharbeitsquote an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen und an zivilen, abhängigen Erwerbstätigen

19. .Arbeitslose in Personal-Service-Agenturen, Bestand und Fluktuation

20. .Eingliederungsquoten der Personal-Service-Agenturen 2006

21. .Stilisierte Kostenstruktur

22. .Verteilung von Profiten und Löhnen bei Stamm- und Leiharbeiter

23. .Arbeitlosenquote und Beschäftigung insgesamt

24. .Kapazitätsschwankungen durch institutionelle Restriktionen

25. .Arbeitslosenversicherung und institutionelle Restriktionen

Tabellenverzeichnis

1. .Übersicht der Regulierung durch das AÜG .

2. .Übersicht über die geltenden Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche

3. .Anteile an Berufsgruppen in % bei Leiharbeit und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten

4. .Studenlöhne und Mark-up -Sätze eines großen Verleihers 2002

1 Einleitung

Zeitarbeit, Leiharbeit bzw. gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung spielt in Deutschland eine immer gewichtigere Rolle. Es handelt sich dabei um ein Instrument der externen Flexibilisierung, das von vielen Seiten sowohl positiv, als auch negativ betrachtet wird.

Die vorliegende Ausarbeitung stellt den Beschäftigungssektor Leiharbeit und seine Entwicklung in Deutschland zusammenfassend vor. Nach einer kurzen Definition (Abschnitt 2) werden in der wissenschaftlichen Literatur allgemein angeführte Argumente für und wider Leiharbeit vorgestellt (Abschnitt 3), gefolgt von einer Zusammenfassung über den institutionellen Rahmen (Abschnitt 4). Nach einer Kritik über die gegebenen Daten folgt mit Abschnitt 6 eine Analyse des konjunkturellen, saisonalen Verhaltens und der Entwicklung des Sektors insgesamt. Kurz werden dann Details und Charakteristika der Branche vorgestellt (Abschnitt 7). Danach wird der Frage nachgegangen, inwieweit Leiharbeit zu einer Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Regelbeschäftigungsverhältnisse beiträgt (Abschnitt 8). Nach einem Exkurs zu Personal-Service-Agenturen (Abschnitt 9) steht der Gesichtspunkt der Umverteilung durch lückenhafte Gesetzgebung im Zentrum der Betrachtung (Abschnitt 10). Abschließend soll unter Abschnitt 11 ein Multiplikator-Akzelerator-Ansatz veranschaulichen, inwieweit ein Instrument flexibler Arbeitnehmeranpassung bei Regulierung durch Kündigungsschutz von Vorteil sein kann.

2 Definition

Bei der Leiharbeit (Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung) handelt es sich um ein sogenanntes atypisches Beschäftigungsverhältnis. Atypisch ist es deshalb, weil zwischen dem Leistungserbringenden Arbeitnehmer und dem Leistungsempfangenen Entleih-Betrieb keine direkte pekuniäre oder vertragliche Beziehung besteht: der Verleiher ist ein Intermediär.

Wie Abbildung 1 veranschaulicht, besteht zwischen dem nachfragenden Entleiher und dem Verleiher ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und werden Entleihgebühren gezahlt, während die Beziehung zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer durch einen Arbeitsvertrag und Löhne gekennzeichnet ist.

3 Argumente pro und contra Leiharbeit

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine ganze Reihe von Argumentationen für und wider Leiharbeit. Diese ist in erster Linie ein Instrument der externen Flexibilität. Zur weiteren Argumentation gibt Kvasnicka (2005, S. 115 f) einen guten Überblick.

So wird u.a. als positiv angeführt, dass Leiharbeit Arbeitslosen eine Möglichkeit bietet, in Lohn und Brot zu kommen. Ein Abschmelzen von Humankapital durch Arbeitslosigkeit kann so verhindert werden; im Gegenteil können die Arbeitnehmer zusätzliche Berufserfahrung gewinnen und neue Fähigkeiten erlernen. Außerdem lernen die Leiharbeiter im Verlauf ihrer Beschäftigung mehrere potentielle Arbeitgeber kennen. Von denen wiederum kann ein risikoloses Screening bei der Arbeit durchgeführt werden. Dies und die Tatsache, dass Leiharbeitnehmer vom Verleiher schon „vorgescreent“ sind, erhöht die ökonomische Effizienz (Matching) auf dem Arbeitsmarkt und baut Informationsasymmetrien ab. Jahn (2005, S.401) weist zudem darauf hin, dass durch Leiharbeit das Risiko ungenutzter Kapazitäten (Leerkosten) diversifiziert und auf mehrere Entleiher verteilt werden kann.

Aber auch eine Reihe von Gegenargumenten lassen sich erkennen: Leiharbeit generiert keine stabile Beschäftigung; Leiharbeiter wechseln vielmehr zwischen Beschäftigungsphasen und Arbeitslosigkeit. Sie werden zudem durch Verleiher schlechter aus- und weitergebildet, um ein Abwerben zu verhindern. Desweiteren kann eine Leiharbeitstätigkeit eine Stigmatisierung mit sich bringen, so dass zukünftige Arbeitgeber u.U. dies nachteilig für einen Bewerber auslegen. Schließlich – darauf deutet auch Pfeifer (2005) hin – besteht die Gefahr, dass durch Leiharbeit der Arbeitsmarkt weiter im Sinne einer Dual-Labour-Market-Theorie segmentiert wird, so dass sich ein Markt für gut qualifizierte, gut verdienende Arbeitnehmer herausbildet, in dem gute Karrierechancen und relativ hohe Beschäftigungssicherheit vorherrschen, während sich Leiharbeiter auf einem zweiten Markt mit niedrigen Löhnen, geringer Beschäftigungssicherheit und geringer Möglichkeit zum Wechsel in den anderen Markt befinden.

Insbesondere durch die Verbesserung bei Screening und Matching besteht die Hoffnung auf sogenannte Klebeeffekte (stepping stone function) von Leiharbeitern in regulärer Beschäftigung.

4 Rechtlicher / institutioneller Rahmen in Deutschland

Den institutionellen Rahmen der Leiharbeit setzt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Dieses besteht seit 1972 und wurde seitdem immer wieder dereguliert. Eine Übersicht über die Änderungen gibt Tabelle 1. Die wesentlichen Änderungen sind demzufolge:

Die Überlassungshöchstdauer wurde von anfänglich nur drei Monaten auf 24 Monate (2002) erhöht und Anfang 2005 abgeschafft. Das Verbot befristeter Beschäftigungsverhältnisse wurde erstmalig 1997 gelockert und ist 2004 weggefallen. Es gilt jedoch auch für Leiharbeiter das Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG). Ein weiteres wichtiges Verbot ist das Wiedereinstellungsverbot. Leiharbeitnehmer durften mit einer Sperre von drei Monaten nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht wieder eingestellt werden. Nach einer Lockerung 1997 ist es 2004 ganz weggefallen. Besonders wichtig war außerdem das Synchronisationsverbot. Demnach musste der Arbeitsvertrag mit dem Verleiher länger sein (etwa 25 %) als die Einsatzdauer im Entleihbetrieb. Dieses Verbot wurde 1997 gelockert und fiel 2004 weg.

Wesentlich für die Änderungen 2004 ist das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt von 2002. Dieses Gesetz ist auch bekannt unter dem Namen Hartz I. Neben Deregulierungen wurde das Gleichbehandlungsprinzip ins AÜG eingefügt. Demnach muss den Leiharbeitern dieselben Arbeitsbedingungen (equal treatment) und dasselbe Entgelt (equal pay) wie der Stammbelegschaft geboten werden. Ausnahmen sind auf Basis von Branchentarifverträgen und für Arbeitslose in den ersten sechs Wochen ihrer Beschäftigung möglich.[1] Zusätzlich wurden mit Hartz I sogenannte Personal-Service-Agenturen bei den Arbeitsagenturen eingeführt. Man hofft dabei auf Klebeeffekte und bessere Vermittlung von Arbeitslosen. Diese Aufgabe können gewerbliche Leiharbeitsunternehmen aber auch non-profit Bildungsträger übernehmen. Dabei erhalten sie Lohnzuschüsse und bei erfolgreicher Vermittlung ein Honorar.

Inzwischen gelten – auch um das equal pay – Prinzip zu umgehen – Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche. Diese sind in Tabelle 2 dargestellt. Damit liegen die Bruttostundensätze in der Leiharbeit verglichen mit den niedrigsten Industrietarifen im Schnitt etwa 30 % unter denen der Stammbelegschaft (vgl. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) 2008).

5 Generelle Datenproblematik

Die Untersuchung des Leiharbeitssektors gestaltet sich schwierig. Zum Einen gibt es nicht ausreichend Daten, die die Erwerbsbiografien von Leiharbeitern erfassen. Dies ist bspw. nur mit Hilfe des Beschäftigtenpanels des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) möglich; diese Daten sind jedoch nicht frei zugänglich. Es lässt sich somit auch nicht abschätzen, welche Mobilität zwischen einzelnen Sektoren des Arbeitsmarktes besteht. Zum Anderen ist der Leiharbeitssektor hochdynamisch und weist eine große Fluktuation auf. Daher bleibt fraglich, ob aufgrund von Bestandsdaten die Branche adäquat abgebildet werden kann. Zudem sind Bestandsdaten an Arbeitsverträgen, nicht aber an geleisteter Stundenzahl orientiert (vgl. dazu ausführlicher Kvasnicka 2005, S. 24 f).

6 Entwicklung, Saison und Konjunktur

6.1 Entwicklung

Abbildung 2, Abbildung 3 und Abbildung 4 geben Auskunft über die Entwicklung des Leiharbeitssektors seit 1973 und die Unternehmensstruktur. Es zeigt sich, dass sowohl der Bestand an Leiharbeitern (Abbildung 4), als auch an Verleihunternehmen (Abbildung 2) stark gewachsen ist. Insbesondere seit der letzten großen Deregulierung (2004, 2005) scheinen beide Größen exponentiell zu wachsen. Deutlich lassen sich sowohl saisonale als auch konjunkturelle Einflüsse erkennen.

Zur Betriebsstruktur gibt Abbildung 3 Auskunft. Die meisten Betriebe (knapp 40 %) sind demnach kleine Unternehmen mit bis zu 10 Leiharbeitern. Der Anteil sinkt bei steigender Arbeitnehmerzahl. Andererseits steigt der Anteil der Betriebe, deren Betriebszweck in erster Linie gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung ist. Kleinbetriebe scheinen also noch andere Standbeine zu haben, während größere sich eher auf Leiharbeit konzentrieren.

6.2 Saison

Das saisonale Verhalten der Leiharbeit wird Anhand von Abbildung 5 deutlich. Die Zahl der Leiharbeiter steigt in der zweiten Jahreshälfte. Neben einer allgemeinen wirtschaftlichen Belebung kann hierfür u.a. das Ersetzen von Stammbelegschaft in Urlaubzeiten ein Grund sein (Kvasnicka 2005, S.33).

6.3 Konjunktur

Beim Vergleich von Leiharbeit (LA) mit Arbeitslosigkeit (AL) fällt auf, dass sich beide in etwa gleich, wenn auch entgegengesetzt, bewegen – abgesehen vom Wiedervereinigungsschock (Abbildung 6[2]). Abbildung 7 vergleicht die Entwicklung mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (SVB) - um die Leiharbeiter bereinigt.[3] Bis zur Wiedervereinigung scheinen hier Leiharbeit und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in etwa gleich zu schwanken. Ab 1997 hingegen wird folgt das nicht atypische Verhältnis dem atypischen mit einer Verzögerung von etwa zwei Jahren. Beim Vergleich der Wachstumsraten (Abbildung 8) gibt es bis auf 2002 / 2003 keine augenfällige Auseinanderbewegung von Leiharbeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Die Wachstumsraten in der Leiharbeitsbranche fallen jedoch erheblich höher aus, als bei BIP oder SVB.

7 Der Leiharbeitssektor im Detail

Der Leiharbeitssektor zeichnet sich durch einen unterproportionalen Anteil an Frauen verglichen mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und geringfügig entlohnt Beschäftigten aus (Abbildung 9). Der Anteil an Ausländern hingegen ist – verglichen mit den anderen beiden Bereichen – überproportional hoch (Abbildung 10). Dies kann auch als Indikator für eine allgemeine Diskrimination gedeutet werden.

Der Leiharbeitssektor ist zudem hochdynamisch. Während sich prozentual in den betrachteten Jahren keine deutliche Verschiebung ergibt, so sind absolute Zahlen von Zu- und Abgängen erheblich gewachsen, wie Abbildung 11 und Abbildung 12 veranschaulichen. Bei den Zugängen rekrutieren Verleiher v.a. kurzzeitig Arbeitslose (weniger als ein Jahr). Inwieweit „andere Beschäftigte“ sozialversicherungspflichtig oder geringfügig entlohnt Beschäftigte meint, geht aus den Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht hervor. Die Abgänge verzeichnen ganz ähnlich eine erhebliche Steigerung. Auch wenn anteilig dies nicht zu erkennen ist, so scheint insgesamt die Fluktuation zurückzugehen. Zur Berechnung des Fluktuationskoeffizienten werden die durchschnittlichen Zu- und Abgänge auf den durchschnittlichen Bestand einer Periode bezogen. Für die Leiharbeit stellt dies Abbildung 13 nach Geschlechtern und insgesamt gut dar. Wie angedeutet, scheint die Fluktuation zu sinken. Damit erhöht sich also auch die Zeit, die benötigt wird, um den Personalbestand einmal auszuwechseln und die durchschnittliche Beschäftigungslänge. 2007 beträgt der Koeffizient immerhin noch 0,8 (80 %), was bei einem halbjährlichen Betrachtungszeitraum bedeutet, dass sich der Bestand etwa alle 8 Monate erneuert. Zum Vergleich: Gesamtwirtschaftlich beträgt die Fluktuation etwa 0,25 pro Jahr; d.h. es dauert ca. vier Jahre, bis sich der Bestand insgesamt erneuert. Damit ist der Leiharbeitssektor als hochdynamisch anzusehen.

Die Fluktuation sinkt mit der Qualifikation der Leiharbeiter, während analog dazu die Beschäftigungsdauer steigt. Allerdings sind die Zugangsquoten im geringer qualifizierten Bereich höher (vgl. Abbildung 14). Eine Auswertung erfasster Leiharbeiter des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP) ergibt zudem, dass „Männer, Ausländer, jüngere Jahrgänge sowie Ledige in der Zeitarbeit mitunter erheblich überrepräsentiert [sind]“ (Kavsnicka und Werwatz 2003, S.720).

Anhand der Tätigkeitsbereiche wird – verglichen zur Gesamtwirtschaft (sozial-versicherungspflichtig Beschäftigte) – deutlich, dass ein überproportional großer Anteil als Hilfsarbeiter tätig ist. Außerdem dominieren Berufe im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, während Dienstleistungen, Büro-, Verwaltungs- und Organisationsberufe sowie Warenkaufleute und Gesundheitsdienstberufe erheblich unterrepräsentiert sind (Tabelle 3).

8 Substitution regulärer Beschäftigungsverhältnisse?

Die Frage nach einer Substitution kann nicht direkt beantwortet werden. Zwar weisen Befragungen bei Betriebsräten darauf hin, dass durch Leiharbeit Stammbelegschaft ersetzt wird (vgl. Hans-Böckler-Stiftung (HBS) 2008); empirisch lässt es sich jedoch nur schwer nachweisen.

Zumindest tendenziell geben Abbildung 15, Abbildung 16, Abbildung 17 und Abbildung 18 darüber Auskunft. Aus Abbildung 15 geht hervor, dass sozialversicherungspflichtige Vollzeit-Arbeitsverhältnisse und Kurzarbeit[4] seit Anfang der 1990er Jahre sinken, wobei bei der Kurzarbeit der Wiedervereinigungsschock erst 1994 abzuklingen scheint. Sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung und Leiharbeit sind hingegen am Steigen.

Bei einer Indexbildung (Juni 2003 = 100) ergibt sich Abbildung 16. Während das Regelarbeitsverhältnis (sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte) weder Wachstum noch Schrumpfung zu verzeichnen haben, steigen Teilzeit- und ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigte leicht und Kurzarbeit nimmt ab. Überproportional mit einem Wachstum von weit über 150 % nehmen sozialversicherungspflichtige und geringfügig entlohnte Leiharbeitsverhältnisse sowie im Nebenjob geringfügig entlohnt Beschäftigte zu. Die erscheint nicht nur unter dem Gesichtspunkt prekärer Arbeitsverhältnisse, sondern auch vor dem Hintergrund verteilungspolitischer Fragestellungen äußerst bedenklich zu sein.

Abbildung 17 bietet eine Übersicht über die Entwicklung der Beschäftigtenquoten. Während 1974 noch gut 90 % aller zivil abhängig Erwerbstätigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, waren es 2007 nur noch etwa 70 %. Ca. 18 % hingegen waren geringfügig beschäftigt, knapp 10 % arbeitslos und etwa 2 % in Leiharbeitsverhältnissen. Aus Abbildung 17 können somit zwei Schlussfolgerungen gezogen werden: Erstens stagniert die Sozialversichertenquote seit 2003; der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist daher der Leiharbeit und geringfügigen Beschäftigung zu verdanken. Vor dem Hintergrund, dass diese Verhältnisse eher prekär und nicht stabil sowie schlecht bezahlt sind, ist dies zumindest bedenklich und sollte alarmierend auf die Politik wirken. Zweitens bekommen Diskussionen um die Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme eine andere Qualität: eine Unterfinanzierung hängt auch und vor allem mit dem Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zusammen. Hier ist enormer Handlungsbedarf und Reformen sollten auf dem Arbeitsmarkt ansetzen und nicht ausschließlich den demographischen Wandel thematisieren.

[...]


[1] Das Entgelt muss dann mindestens dem Nettoarbeitslosengeld entsprechen.

[2] Zur Berechnung wurden Monatsdaten von Arbeitslosigkeit und Leiharbeit herangezogen. Sie erfolgte mit Hilfe des Hodrick-Prescott-Filter (HP-Filter) mit einem Standard-Lambda von 14400.

[3] Berechnung anhand von Jahresdaten, HP-Filter mit einem Standard-Lambda von 100.

[4] Kurzarbeit ist eine Unterstützungsleistung der BA für von Insolvenz bedrohte Unternehmen.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Leiharbeit in Deutschland
Untertitel
Regelungen, Entwicklung, Probleme (?)
Hochschule
Universität Hamburg  (Department Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
Wirtschaftspolitische Studien
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
32
Katalognummer
V147002
ISBN (eBook)
9783640853564
ISBN (Buch)
9783640853960
Dateigröße
1691 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Leiharbeit als atypischer Beschäftigungsform in der Bundesrepublik Deutschland. Dazu gibt sie einen kurzen Überblick über die internationale wissenschaftliche Diskussion und die institutionellen Rahmenbedingungen. Mit einer umfassenden Analyse werden die quantitative Entwicklung des Sektors und seine Charakteristika genauer beleuchtet.
Schlagworte
Leiharbeit, Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung, prekär, Flexibilisierung, Multiplikator, Akzellerator, Spungbrett
Arbeit zitieren
Henner Will (Autor:in), 2008, Leiharbeit in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147002

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