Betrachtung des italienischen Faschismus aus der Sicht des Liberalismus

Die Einschätzungen durch Dr. Erwin von Beckerath


Referat (Ausarbeitung), 2008

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Biographischer und ideengeschichtlicher Hintergrund Beckeraths
2.1 Zur Biografie Beckeraths
2.2 Ideengeschichtliche Einordnung: Ordo-Liberalismus, jüngere Historische Schule

3 Ideologische Einflüsse auf den italienischen Faschismus
3.1 Syndikalismus Sorels
3.2 Nationalismus

4 Machübernahme und –festigung im faschistischen Italien Mussolinis
4.1 Ausgangssituation/Gründe
4.2 Durchdringung der Gesellschaft
4.2.1 Staat
4.2.2 Partei
4.2.3 Wirtschaft/Korporativer Staat

5 Entwicklungen des Bolschewismus und Faschismus

6 Zukunft des Faschismus

7 Kritische Einordnung/Diskussion
7.1 Einschätzung der Squadre und der Bewegung
7.2 Korporativer Staat
7.3 Revolutionsbegriff
7.4 Europa vor der Wahl (?)

8 Zusammenfassung

9 Literatur:

1 Einleitung

Der Ökonom Erwin von Beckerath aus dem Lager der Orto-Liberalen und jüngeren Historischen Schule hat sich zum Ende in den 1920er Jahren intensiv mit den Geschehnissen in Italien und dem Faschismus befasst. Dabei sind seine Betrachtungen gefangen zwischen einer gewissen Wertschätzung auf der einen und einer durchaus kritischen Auseinandersetzung auf der anderen Seite.

Im Folgenden sollen seine Analysen kurz vorgestellt werden. Dabei soll zunächst eine biographische und ideengeschichtliche Einordnung Beckeraths erfolgen. Weiter werden dann kurz die für Beckerath wesentlichen ideologischen Strömungen – Syndikalismus und Nationalismus – die den Faschismus beeinflusst haben, vorgestellt. Im Folgenden sollen dann die von Beckerath konstatierten Gründe, die zur faschistischen Machtübernahme führten, vorgestellt werden. Anschließend steht die Vorgehensweise der Machtfestigung im Vordergrund in den zentralen Bereichen Partei, Staat, Wirtschaft. Schließlich sollen die von Beckerath grundsätzlich ermittelten Parallelen und Unterschiede zwischen der bolschewistischen Entwicklung in Russland und der faschistischen in Italien dargestellt werden. Dann wird Beckeraths Zukunftsprognose für den italienischen Faschismus im Zentrum der Betrachtung stehen, bevor abschließend exemplarisch eine kritische Auseinandersetzung erfolgen soll.

2 Biographischer und ideengeschichtlicher Hintergrund Beckeraths

2.1 Zur Biografie Beckeraths

Beckerath wurde am 31. Juli 1889 in Krefeld als „Sproß einer mennonitischen Patrizierfamilie geboren“ (Eisermann 1968, S.108). Über ein geschichtliches Studium in Freiburg fand er den Weg zur historischen Schule der Volkswirtschaft und promovierte 1912 bei Schmoller über die „Preußische Klassensteuer bis 1851“. Am Ersten Weltkrieg nahm er nicht teil, sondern arbeitete in dieser Zeit als Prinzenerzieher am sächsischen Hof und beim Bremer Senat. Nach seiner Tätigkeit als Assistent an der Universität Leipzig habilitierte er über die „Seehafenpolitik der deutschen Eisenbahnen und die Rohstoffversorgung“.[1]

Nach einem Aufenthalt an der Universität Rostock kam er 1922 nach Kiel, von wo er 1924 weiter nach Köln und 1939 nach Bonn wechselte. Beckerath arbeitete während des Krieges als Leiter der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftlehre der Akademie für Deutsches Recht[2] und war schon zuvor Koordinator des deutsch-italienischen Kulturinstitutes in Köln, des Petrarca-Hauses[3]. Er war Mitglied des Freiburger Kreises und wurde 1959 Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und hat in dieser Funktion die „soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland wesentlich mitbestimmt“ (Eisermann 1968, S.109). Beckerath starb am 23. November 1964 in Basel.

Als seinen großen wissenschaftlichen Wurf bezeichnet Eisermann (1968, S.109) das Werk „Wesen und Werden des fascischtischen Staates“.

2.2 Ideengeschichtliche Einordnung: Ordo-Liberalismus, jüngere Historische Schule

Beckerath wird v.a. dem Ordo-Liberalismus zugeordnet[4], der als deutsche Variante des Neoliberalismus beschrieben wird. Im Wesentlichen wurde er vom Freiburger Kreis – u.a. Eucken, Böhm, Dietze – geprägt, wobei seine Hauptintention darin besteht, „Wettbewerbsordnung zu schaffen, welche die ökonomische Macht von Individuen und organisierten Gruppen möglichst gering hält“, wobei dem Staat die Aufgabe zukommt, „die wirtschaftliche Ordnung positiv zu gestalten.“ (beide Ziegler, 1998, S. 63, 64). Anstelle von Smith’s unsichtbarer Hand tritt so der ordnende Staat, der eine funktionsfähige Wettbewerbsordnung schaffen soll. Dabei stehen v.a. die Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems, vollständige Konkurrenz, Stabilisierung des Geldwerts, offene Märkte, Privateigentum, Vertragsfreiheit, Konstanz der Wirtschaftspolitik, aber auch Monopolaufsicht, Umverteilung, Auffangen anomaler Angebotsreaktionen, usw. im Vordergrund[5].

Laut Schieder (1995, S.272 ff.) ist Beckerath jedoch auch stark von der jüngeren Historischen Schule und seinem Doktorvater Schmoller geprägt, zumal er weitergehender als die Ordo-Liberalen sich „massivere staatliche Eingriffe in den Marktprozess vorstellen [konnte], als sie Eucken je für zulässig hielt“ (Schieder 1995, S. 273). Die alte historische Schule wird von Dahrendorf / Felgenbauer (2004) als eine an historischen Prozessen und den sozioökonomischen Systemen sowie einer organischen Gesellschaftsgliederung orientierte induktive ökonomische Richtung charakterisiert, die sich gegen den deduktiven Anspruch insbesondere der englischen Klassiker richtet, die das rational eigennützige Individuum ins Zentrum ihrer Betrachtung stellt. Schmoller als Hauptvertreter der jüngeren historischen Schule vertrat eine „organische Sichtweise der Volkswirtschaft“ (Dahrendorf / Felgenbauer 2004, S.11) und eine deskriptive, induktive Methode, aus der er auch normative Schlussfolgerungen zog. Dies war u.a. Grundlage des Methodenstreits.

3 Ideologische Einflüsse auf den italienischen Faschismus

3.1 Syndikalismus Sorels

Beckerath stellt an verschiedenen Stellen immer wieder fest, wie sehr der Faschismus in Italien durch den französischen Syndikalismus Sorels geprägt ist. Mussolini ist diesen Ideen nicht abgeneigt; immerhin haben sie ihn über Jahre in seiner politischen Karriere vor und während des ersten Weltkriegs geprägt.

Beckerath stellt bei seinen Überlegungen v.a. die prinzipielle Bereitschaft zur Gewalt zur Verwirklichung der Ziele der Bewegung, v.a. im Stadium des Machtaufbaus heraus. Auch die von den Faschisten später angestrebte berufsständische Gliederung der Wirtschaft führt Beckerath auf eine Sorel ähnlichen Grundidee der syndikalistischen, berufsständischen Produktion zurück. Dies soll unter Punkt 4.2.3 noch genauer erläutert werden.

Noch wichtiger als die oben genannten Punkte ist für Beckerath jedoch der typische Charakter des Faschismus. Er ist bestimmt durch (eine ihm eigene) Dynamik, die die „Tat“ an und für sich in den Vordergrund stellt, die sich ohne ideologische Unterfütterung auch später in der Politik der Faschisten äußert, wobei der „Fascismus ein Lebensstil, eine bestimmte Haltung“ (Beckerath 1927 S.25) ist. Wichtig dabei ist die Nichtexistenz eines Programmes[6] und das fait accompli, also das pragmatische Umsetzen von Politik und die erst nachträgliche gesetzliche Legitimation.

3.2 Nationalismus

Der Faschismus wird nicht alleine durch den Syndikalismus determiniert. Eine zweite Prägung erhält er laut Beckerath durch den Nationalismus.[7]

Hier ist ein besonders wichtiges Element der Anti-Individualismus, eine hierarchische Gesellschaftsgliederung, die sowohl in Partei, Staat als auch Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen wird. Dies findet sich insbesondere in der Ansicht einer organischen Gesellschaftsstruktur im Spannschen oder Schmollerschen Sinne wieder, in der alle Elemente zum Wohle der Nation agieren und zwischen „Staat und Individuum […] Identität“ (Beckerath 1927, S.93) herrschen soll.

[...]


[1] Vgl. Eisermann 1968, S. 108-110

[2] Schieder (1995, S.276 f.) stellt fest, dass Beckerath zwar kein NSDAP-Mitglied war, aber auf eine „Faschisierung des Nationalsozialismus“ (Schieder 1995, S.277) im wirtschaftlichen Sinne mit der Umsetzung eines korporativen Ansatzes hinarbeitete (s.u.).

[3] Schieder 1995, S.277

[4] Bspw. Eisermann 1968

[5] Vgl. dazu auch Ziegler 1998 , S.63 f.

[6] Programm im ideologischen Sinne. Ein Programm existiert zwar, Beckerath stellt aber häufig fest, dass dies so wenig konkret ist, dass es insbesondere in der Zeit der Machtfestigung sich flexibel regionalen Gegebenheiten und Interpretationen anpasst.

[7] Vgl. ausführlich Beckerath, 1927, S. 29 ff.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Betrachtung des italienischen Faschismus aus der Sicht des Liberalismus
Untertitel
Die Einschätzungen durch Dr. Erwin von Beckerath
Hochschule
Universität Hamburg  (Department Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
hte der politischen Ideen: Beobachtungen des Faschismus in der Weimarer Republik
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V147000
ISBN (eBook)
9783640595082
ISBN (Buch)
9783640594979
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Ökonom Erwin von Beckerath aus dem Lager der Orto-Liberalen und jüngeren Historischen Schule hat sich zum Ende in den 1920er Jahren intensiv mit den Geschehnissen in Italien und dem Faschismus befasst. Dabei sind seine Betrachtungen gefangen zwischen einer gewissen Wertschätzung auf der einen und einer durchaus kritischen Auseinandersetzung auf der anderen Seite.
Schlagworte
Beckerath, Italien, Faschismus, Mussolini, Totalitarismusvergleich, Weimarer Republik, Liberalismus, Ordo-Liberal
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Henner Will (Autor:in), 2008, Betrachtung des italienischen Faschismus aus der Sicht des Liberalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147000

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