Der Kapitalkoeffizient in langer Sicht

Untersuchung der Konstanz des Verhältnisses des Kapitalstocks zum Bruttoinlandsprodukt und konjunktureller Schwankungen


Hausarbeit, 2008

42 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

1 Einleitung

2 Stilisierte Fakten und Kaldors gleichgewichtiges Wachstumsmodell

3 Betrachtung des Kapitalkoeffizienten in ausgewählten Ländern im Zeitraum 1960 bis 2006
3.1 Methodisches Vorgehen
3.2 USA
3.3 EU-15
3.4 Japan
3.5 Deutschland
3.6 UK (Vereinigtes Königreich)
3.7 Niederlande
3.8 Mexiko
3.9 Zusammenfassender Vergleich

4 Mögliche Erklärungsansätze/-muster
4.1 Unterschiede zwischen den Kapitalkoeffizienten einzelner Länder
4.2 Schwankungen des Kapitalkoeffizienten in den einzelnen Volkswirtschaften
4.2.1 Lags
4.2.2 Durchschnittliche Reagibilität von Kapitalstock auf BIP – der Akzelerator
4.3 Zyklen von BIP und Kapitalstock
4.4 Zwischenfazit

5 Wirtschaftspolitische Implikationen

6 Zusammenfassung

Anhang

Tabellen

Abbildungen

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 USA – Kstock, BIP, K/BIP; Mrd. USD, Preise

Abbildung 2 USA – Wirtschaftsstruktur, Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Abbildung 3 EU-15 – Kstock, BIP, K/BIP; in Mrd. EUR, Preise

Abbildung 4 EU-15 – Wirtschaftsstruktur, Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Abbildung 5 Japan – Kstock, BIP, K/BIP; Mrd. Yen, Preise

Abbildung 6 Japan – Wirtschaftsstruktur, Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Abbildung 7 Deutschland – Kstock, BIP, K/BIP; Mrd. EUR, Preise

Abbildung 8 Deutschland – Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Abbildung 9 UK – Kstock, BIP, K/BIP; Mrd. GBP, Preise

Abbildung 10 UK – Wirtschaftsstruktur, Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Abbildung 11 Niederlande – Kstock, BIP, K/BIP; Mrd. EUR, Preise

Abbildung 12 Niederlande – Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Abbildung 13 Mexiko – Kstock, BIP, K/BIP; Mrd. MXN, Preise

Abbildung 14 Mexiko – Wirtschaftsstruktur, Anteile der Sektoren an Bruttowertschöpfung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersicht über die Charakteristika der betrachteten Volkswirtschaften

Tabelle 2 Kapitalkoeffizient, WR, SD, Trend, prozentuale Schwankungen

Tabelle 3 Trend Kapitalintensität, Arbeitsproduktivität

Tabelle 4 Lagstrukturen, Korrelation

Tabelle 5 Lags von Kapitalstockschwankungen auf BIP-Schwankungen in Jahren

Tabelle 6 Regressionsanalyse Akzelerator

Tabelle 7 Zyklizität - Autokorrelation und Periodogramm

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der sog. Kapitalkoeffizient beschreibt das Verhältnis von Kapitalstock zu produziertem Output bzw. beantwortet die Frage, wie viel des Produktionsfaktoren Kapital zur Produktion einer bestimmten Güter- und Dienstleistungsmenge nötig ist.

Nicholas Kaldor ([1957] 1960, [1961] 1978) stellt aufgrund empirischer Beobachtungen fest, dass gewisse Verhältnisse in entwickelten kapitalistischen Wirtschaftssystemen eine auffallende relative Konstanz aufweisen und baut darauf seine gleichgewichtige Wachstumstheorie auf. Teil seiner Beobachtungen – also ein sog. „stilisiertes Faktum“ – ist, dass u.a. der Kapitalkoeffizient im Zeitverlauf relativ konstant ist. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob dies generell so ist und wenn ja, inwieweit sich die Kapitalkoeffizienten einzelner Volkswirtschaften unterscheiden und welche Einflüsse konjunkturelle Schwankungen haben.

Nachdem unter Abschnitt 2 ein kurzer Überblick über die von Kaldor ([1957] 1960, [1961] 1978) beobachteten sog. „stilisierten Fakten“ gegeben wird, soll anschließend in Abschnitt 3 anhand ausgewählter Volkswirtschaften – den USA, den EU-15-Ländern, Japan, Deutschland, dem Vereinigten Königreich (UK), der Niederlande und Mexiko – der Kapitalkoeffizient im Zeitraum von 1960 bis 2006 genauer betrachtet werden. Dazu werden sowohl die konjunkturellen Entwicklungen von Kapitalstock und BIP, als auch die des Kapitalkoeffizienten genauer analysiert.

Ausgehend von zwei Leitfragen - warum entwickelt sich der Kapitalkoeffizient unterschiedlich in den einzelnen Ländern und warum reagiert er stark auf die konjunkturellen Schwankungen des BIP – soll im Abschnitt 4 mögliche Erklärungsansätze gegeben werden: Abschnitt 4.1 befasst sich mit der Beantwortung der ersten Frage anhand von Wirtschaftsstruktur und Entwicklung der „stilisierten Fakten“ Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität. Die Abschnitte 4.2 und 4.3 setzen sich mit der zweiten Frage aufgrund von verzögerter Anpassung (4.2) und unterschiedlicher Periodizität (4.3) auseinander.

In Abschnitt 5 sollen dann mögliche Implikationen für wirtschaftspolitische Maßnahmen aufgrund der Analyse der vorigen Abschnitte gegeben werden. Abschließend fasst Abschnitt 6 die Ergebnisse zusammen und versucht, den Kaldors ([1957] 1960) Ansatz zu würdigen.

2 Stilisierte Fakten und Kaldors gleichgewichtiges Wachstumsmodell

Bretschger (2004) definiert, dass es sich bei den stilisierten Fakten um beobachtbare ökonomische Zusammenhänge handelt, wobei die „Stilisierung der Realität [bzw. der Fakten als] Vereinfachung […] ein erster Schritt zur Theoriebildung“ (Bretschger 2003, S.3) sei. Der Begriff taucht im Zusammenhang mit Konjunktur- bzw. Wachstumsmodellen als erstes bei Robertson ([1915, 1948] 1996) auf, der von „stylized models of the cycle“ (Robertson [1948] 1996, S. xvi) spricht. 1961 wird dieser Begriff von Kaldor ([1961] 1978) wieder aufgegriffen: „theorists should be free to start off with a ‘stylized’ view of the facts – e.g. concentrate on broad tendencies […, …] construct a hypothesis that could account for these ‘stylized’ facts, without necessarily committing himself on the historical accuracy, or sufficiency, of the facts or tendencies“ (Kaldor [1961] 1978, S. 2).[1]

Bereits vorher identifiziert Kaldor ([1957] 1960) gewisse „historical remarquable constancies“ (Kaldor [1957] 1960, S. 260), die Grundlage seines 1957 konzipierten Wachstumsmodells sind. Dazu führt er aus, dass u.a. „the share of wages and the share of profits […] a remarquable constancy in the „developed“ capitalist economies“ (Kaldor [1957] 1960, S. 260) gezeigt haben, dass „in the course of economic progress the value of the annual output per worker ([…] at constant prices) and the value of the capital equipment per worker (also in constant prices) [..] steadily” (Kaldor [1957] 1960, S. 260) steigen und dass „the trend rates of increase of both […] has tended to be the same” (Kaldor [1957] 1960, S. 260). Weiter führt er an, dass „the capital/output ratio […] over longer periods” (Kaldor [1957] 1960, S. 260) unverändert ist bzw. dass es keine „long term trends, either rising or falling“ (Kaldor [1961] 1978, S.2) zu erkennen sind. Aus der Konstanz der Profitquote und des Kapitalkoeffizienten folgt laut Kaldor ([1957] 1960), dass „the rate of profit earned on investments ([…] the „marginal effency” on capital)“ (Kaldor [1957] 1960, S. 261) auch konstant sei. Schließlich ergänzt er 1961 noch seine Beobachtungen, in dem er anführt, dass „appreciable differences in the rate of growth of labour productivity and of total output in different societies“ (Kaldor [1961] 1968, S.3) zu beobachten seien. Auf Grundlage dieser empirischen Beobachtungen entwickelt Kaldor ([1957] 1960) sein Wachstumsmodell.[2]

Dahrendorf/Felgenhauer (2004, S.27) sehen Kaldor dabei indirekt in der Tradition der historischen Schule der Ökonomik. Dabei geht es ihnen v.a. um die prinzipielle Auseinandersetzung zwischen induktiver und deduktiver Methode in der ökonomischen Wissenschaft. Die Anhänger der historischen Schule kritisieren in erster Linie die „exzessive Abstraktion“ (Dahrendorf/Felgenhauer 2004, S.9) und „die individualistischen Annahmen und die deduktive Methode der britischen klassischen politischen Ökonomie“ (Dahrendorf/Felgenhauer 2004, S.6). Sie vertreten des Weiteren die Ansicht, dass man induktiv aus „detaillierten historisch-empirischen Studien allgemeine Regeln“ (Dahrendorf/Felgenhauer 2004, S.8) ableiten müsse. Demnach ist „eine ökonomische Theorie […] Produkt eines sich wandelnden sozio-ökonomischen Systems“ (Dahrendorf/Felgenhauer 2004, S.7). Anders gewendet wird hier die prinzipielle Frage aufgeworfen, ob sich die Realität der Theorie anpassen muss (wie dies v.a. Neo-Klassiker fordern), oder ob aus der Realität mit seinen empirischen Beobachtungen einzelner Volkswirtschaften Theorien abgeleitet werden können (wie u.a. Kaldor bei seiner Wachstumstheorie auf stilisierten Fakten fußend vorgeht).[3]

Lucas ([1977] 1981) definiert im Folgenden die stilisierten Fakten als Konjunkturmuster ausgehend von der These, dass „business cycles […] all alike“ (Lucas [1977] 1981, S.218) seien. Obwohl er unter dem Gesichtspunkt der Real Business Cycles die Auslöser Schwankungen des BIP in allen Ländern als „stochastically“ kennzeichnet, wobei keine „uniformity of either period or amplitude“ zu erkennen sei, stellt er u.a. folgende Muster fest: „Prices are proclyclical. Short term interest rates are procyclical; long term rates slightly so. Monetary aggregates and velocity measures are proclyclical” (Lucas [1977] 1981, S. 217), usw.[4]

Die durch Kaldor ([1957] 1960) betrachteten stilisierten Fakten, hat Romer (1989) um die folgenden Beobachtungen ergänzt: „In cross section, the mean growth rate shows no variations with the level of per capita income. [Außerdem ist] growth in the volume of trade [...] positively correlated with growth of output, [im Gegensatz zu] Population growth rates [, die] negatively correlated with the level of income [sind]. The rate of growth of factor inputs is not large enough to explain the rates of growth of output; that is growth accounting always finds a residual. [Schließlich tendieren] both skilled and unskilled workers […] to migrate toward high-income countries” (Romer 1989, S.55).[5]

Eine weitere Übersicht über stilisierte Fakten definiert als „spezifische Konjunkturmuster“ (Tichy 1994, S.38) und Konjunkturindikatoren in Anlehnung an Lucas ([1977] 1981), die insbesondere die neoklassischen Real-Business-Cycle-Ansätze aufgreifen, gibt Tichy (1994, S. 156ff.). Diese sollen an dieser Stelle jedoch nicht weiter betrachtet werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kaldors ([1957] 1960) langfristige gleichgewichtige Wachstumstheorie auf der Annahme der von ihm isolierten stilisierten Fakten beruht. Zu diesen zählen die Konstanz von Profit- und Lohnquote, die Konstanz der Profitrate, die Zunahme von Arbeitsproduktivität und Kapitalintensität (im Trend mit denselben Wachstumsraten), die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften bei Produktivitäts- und Outputwachstum sowie die Konstanz des Kapitalkoeffizienten. Diese These, insbesondere die relative Konstanz des Kapitalkoeffizienten, soll im Folgenden anhand von Daten von 1960-2006 genauer untersucht werden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Annahme der Konstanz sich trotz konjunktureller Schwankungen verifizieren lässt und wenn dies nicht zutreffen sollte, aus welchen möglichen Gründen und wie der Kapitalkoeffizient sich verändert bzw. schwankt.

3 Betrachtung des Kapitalkoeffizienten in ausgewählten Ländern im Zeitraum 1960 bis 2006

3.1 Methodisches Vorgehen

Im Folgenden wird auf Grundlage von Daten der AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission (2007) eine Untersuchung der Konstanz von Kapitalkoeffizienten ausgewählter Länder erfolgen.

Zum Vorgehen ist zu sagen, dass ausschließlich Daten zu den Preisen von 2000 in jeweiliger Landeswährung herangezogen wurden, um sowohl preisniveauinduzierte, als auch wechselkursbedingte Schwankungen auszuschließen. Zur Berechnung wurden die Angaben der AMECO-Datenbank zu Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Netto Kapitalstock herangezogen. Dabei ist letzterer als Bruttoanlagevermögen vermindert um Abschreibungen und das BIP als Produktionswert zuzüglich Gütersteuern abzüglich Vorleistungen und Subventionen aller produzierten Güter und Dienstleistungen in einer Periode definiert.

Der Kapitalkoeffizient (ϑ) ist definiert als Verhältnis von Kapitalstock (K) zu Output (Y ) bzw. BIP und wird zunächst mit den AMECO-Daten gemäß Gleichung (1) berechnet.

(1)

Dieses Verhältnis wird daraufhin anhand seines Mittelwertes (MW) und der Standardabweichung (SDK/BIP) dargestellt.

Im Folgenden werden diese Angaben mit den durchschnittlichen Wachstumsraten (WR) von Kapitalstock (WRK) und BIP (WRBIP) sowie deren Standardabweichungen (SDK, SDBIP) verglichen. Eine Konstanz des Kapitalstocks ist dabei dann gegeben, wenn Gleichungen (2) bzw. (3) erfüllt sind. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhältnis der Wachstumsraten von Kapitalstock und BIP etwa 1 bzw. die Wachstumsrate des Kapitalkoeffizienten als Summe der Wachstumsraten von Kapitalstock und BIP etwa 0 ist (Gleichung (3)).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Folgenden werden dann die Einflussfaktoren auf mögliche Schwankungen des Kapitalkoeffizienten sowie deren Ausprägungen genauer betrachtet. Dazu werden sowohl Kapitalstock, als auch BIP zunächst mit einem Hodrick-Prescott-Filter (HP) mit einem Lambda λ in Höhe von 20 für Jahresdaten (λ=20) geglättet. Anschließend werden die ursprünglichen Daten HP-Trend bereinigt, um so konjunkturelle und zufällige Abweichungen[6] vom Trend zu isolieren.

Selbiges Vorgehen bietet sich auch für Kapitalkoeffizienten an. Dies erscheint konsequenter als die Abweichung vom Mittel heranzuziehen. Zudem ergibt dies eine gewisse Trendlinie, die so mit den Wachstumsraten (WRK und WRBIP) verglichen werden kann.

Abschließend sollen die Schwankungen um den Trend von Kapitalstock, BIP und Kapitalkoeffizient genauer betrachtet werden.

Um ein breites Vorgehen zu garantieren, werden große, eher geschlossene Volkswirtschaften (USA und die EU-15[7]) betrachtet. Japan, Deutschland und das Vereinigte Königreich (UK) sind dienen als Bsp. für weniger große, offenere Volkswirtschaften und die Niederlande als typischer Vertreter für eine kleine, offene Volkswirtschaft. Schließlich wird noch Mexiko als Schwellenland in die Betrachtung einbezogen.[8] Wichtig ist außerdem für die weiteren Betrachtungen, auf die institutionellen Verschiedenheiten der betrachteten Volkswirtschaften hinzuweisen. So können nach Hall/Soskice (2001, S.19) die USA und UK als „liberal market economies“ und die Niederlande, Deutschland und Japan als „coordinated market economies“ eingeordnet werden.[9]

3.2 USA

Bei den Berechnungen für die USA ergibt sich ein durchschnittlicher Kapitalkoeffizient (MW) von ~ 2,56 mit einer SDK/BIP von ~ 0,17 (s.a. Tabelle 2). Im Trend zeigt sich der Koeffizient fallend, ausgehend von 3 hin zu ~ 2,38 in 2006. Dies wird auch durch die WRK und WRBIP bestätigt: Wächst der Kapitalstock jährlich um durchschnittlich 2,84 % (SDK = 0,48 %), so verzeichnet das BIP einen stärkeren Zuwachs von 3,36 % pro Jahr (SDBIP = 2,05 %). Schon beim Vergleich der Standardabweichungen der Wachstumsraten lässt sich hier eine erheblich höhere Schwankung des BIP bzw. Outputs feststellen. Bei der Betrachtung der durchschnittlichen prozentualen Schwankungen um den Trend ergibt sich für den Kapitalstock (SDK%) ein Wert von 0,39% und für das BIP (SDBIP%) 1,64%. Langfristig lässt sich ein Fallen des Kapitalkoeffizienten in den USA feststellen.

Bei der Betrachtung der Abweichungen vom Trend (s. Abbildung 1) lässt sich folgendes feststellen. Je nach Schwankung des Outputs (BIP) reagiert der Kapitalkoeffizient stark in entgegengesetzter Richtung. Es lässt sich relativ deutlich erkennen, dass die Schwankungen um den Trend des Kapitalstocks in Hohem Maße geringer ausfällen. Ebenso offensichtlich lassen sind zeitliche Verzögerungen (im Folgenden „lag“) zwischen BIP und der Reaktion der Kapitalstockabweichungen erkennen.

3.3 EU-15

Der MW weist auf einen durchschnittlichen Koeffizienten von 2,94 hin, bei einer SDK/BIP von ca. 0,06 (s.a. Tabelle 2). Das durchschnittliche Wachstum pro Jahr von Kapitalstock und BIP weisen 2,95% (WRK, SDK = 0,93%) und ca. 3,0% (WRBIP, SDBIP = 1,56%) auf. Wieder weisen die SD der Wachstumsraten darauf hin, dass der Kapitalstock weniger stark schwankt als das BIP. Verglichen zu den USA sind jedoch die durchschnittlichen WR annähernd gleich, während die USA hier einen größeren Unterschied zwischen Kapitalstock und BIP ausweisen. Die durchschnittlichen prozentualen Schwankungen um den HP-Trend ergeben für den Kapitalstock (SDK%) ein Wert von 0,41% und für das BIP (SDBIP%) 0,98%.

Aufgrund der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 ist davon auszugehen, dass dieses Ereignis einen erheblichen Einfluss nicht nur auf die deutsche, sondern auch die gesamte wirtschaftliche Situation der EU-15 hatte. Daher bietet es sich an, hier gesondert die Werte bis 1990 und ab 1990 zu betrachten.[10] Der Kapitalkoeffizient beträgt demnach im Mittel bis 1990 2,93, und ab 1990 2,96. Bis 1990 wuchs der Kapitalstock um 3,29%, ab 1990 um 2,30%. Das BIP verzeichnete in diesen Zeiträumen ein Wachstum von 3,42% bzw. von 2,19%. Bei einem Vergleich der Daten ist festzustellen, dass der Kapitalstock bis 1990 weniger stark als das BIP wuchs. Seit 1990 ist der entgegengesetzte Fall zu beobachten. Dies kann u.a. mit durch einen relativ langen Abschwung von 1992 bis 1998 (mit einem kleinen Zwischenaufschwung 1995) bei relativ kurzem Aufschwung von 1999 bis 2002 zusammenhängen. Im Trend lässt sich ein leichtes Fallen des Kapitalkoeffizienten feststellen, insbesondere ab 1982 mit einem Einschnitt 1990, der den Trend augenscheinlich auf einen anderen Pfad gelenkt hat.

Wie schon bei den USA festgestellt, reagiert der Kapitalkoeffizient stark auf die Schwankungen des BIP (s. Abbildung 3). Die Abweichungen des Kapitalstocks schwanken weniger stark als die des BIP. Zudem lässt sich fast durchgängig ein lag zwischen BIP und Kapitalstockschwankung erkennen.

3.4 Japan

Bei der Betrachtung Japans stellt man einen durchschnittlichen Kapitalkoeffizienten von 2,95 fest, bei einer SDK/BIP von 0,46 (s.a. Tabelle 2). Das durchschnittliche Wachstum des Kapitalstocks liegt im betrachteten Zeitraum bei 4,79% (SDK = 2,48%), das Wachstum des BIP bei 4,50% (SDBIP = 3,72%). Die durchschnittlichen prozentualen Schwankungen um den HP-Trend ergeben für den Kapitalstock (SDK%) ein Wert von 0,77% und für das BIP (SDBIP%) 1,90%. Im Trend ist insbesondere seit Beginn der 1970er Jahr eine deutliche Steigerung des Kapitalkoeffizienten bis zuletzt auf etwa 3,5 erkennbar. Lässt sich in den USA eine starke Abweichung zwischen BIP- und Kapitalstockwachstum erkennen (das BIP wächst im Durchschnitt stärker als der Kapitalstock) und ist in den EU-15-Ländern dies über den Gesamtzeitraum fast ausgeglichen (das BIP wächst nur geringfügig stärker als der Kapitalstock), so ist bei Japan eindeutig das Kapitalstockwachstum im Trend stärker als das BIP-Wachstum.

Wie zuvor festgestellt, reagiert der Kapitalkoeffizient stark auf die Schwankungen des BIP. Insgesamt lassen sich in Japan durchgängig starke lags erkennen, die zwischen einem und sogar vier Jahren schwanken. Nur in den starken Krisenjahren 1998/1999 sind die Schwankungen der beiden Größen zeitgleich zu erkennen (s. Abbildung 5).

3.5 Deutschland

Aufgrund der besonderen Umstände durch die deutsch-deutsche Wiedervereinigung bietet es sich an, wie auch unter Abschnitt 3.3 zunächst die Gesamtentwicklung in Deutschland zu betrachten und anschließend kurz gesondert auf die möglichen Effekte dieses Ereignisses einzugehen.

Insgesamt weist der Kapitalkoeffizient im Gesamtzeitraum einen Mittelwert von 3,11 auf mit einer SDK/BIP von 0,08 (s.a. Tabelle 2). Der Kapitalstock wächst im Durchschnitt um 2,95% (SDK = 1,74%) und das BIP um 2,89% (SDBIP = 2,56%). Die durchschnittlichen prozentualen Schwankungen um den HP-Trend ergeben für den Kapitalstock (SDK%) ein Wert von 1,00% und für das BIP (SDBIP%) 1,84%. Bei der gesonderten Betrachtung der Zeiträume vor und nach der Wiedervereinigung, ergibt sich, dass von 1960-1990 der Kapitalstock um durchschnittlich 3,23% und von 1991-2006 um etwa 2,42% wuchs, während das BIP bis 1990 um 3,24% und danach um 2,23% jährlich zulegte. Geringfügig wuchs das BIP vor der Wiedervereinigung also stärker als der Kapitalstock, was sich nach 1990 allerdings umgedreht hat. Im Trend scheint der Kapitalkoeffizient zu wachsen, wenn auch nicht so stark wie in Japan. Lediglich zur Wiedervereinigung lässt sich ein deutlicher Einschnitt erkennen. Dies könnte mit dem starken Nachfrage- bzw. Konjunkturschock zu Beginn der 1990er Jahre zusammenhängen. Seitdem ist jedoch wieder ein stetiger Trend eines wachsenden Kapitalkoeffizienten zu erkennen.

Wie auch in den anderen Ländern reagiert der Kapitalkoeffizient stark auf Schwankungen des BIPs (s. Abbildung 7).[11] Deutliche lags von bis zu zwei Jahren zwischen den Abweichungen des Kapitalstocktrends und des BIP-Trends lassen sich v.a. nach der ersten Ölkrise 1973 bis Ende der 1980er Jahre erkennen. Nach der Wiedervereinigung scheint sich dieser lag kurzzeitig umzukehren. Ging vorher die konjunkturellen BIP-Abweichungen denen des Kapitalstocks voraus, so ist insbesondere von 1991 bis 1995 ein vom BIP unabhängiges Wachstum über dem Trend des Kapitalstocks zu erkennen. Dies kann u.a. ein direkter Effekt der Wiedervereinigung sein, da die Privatisierung der Staatsbetriebe der ehemaligen DDR erhebliche Investitionen erforderte.

3.6 UK (Vereinigtes Königreich)

Der Kapitalkoeffizient des UK weist im betrachteten Zeitraum ein Mittel von 2,82 mit einer SDK/BIP von 0,16 auf (s.a. Tabelle 2). Das durchschnittliche Wachstum des Kapitalstocks beträgt 2,14% (SDK = 0,63%) pro Jahr und das des BIP ca. 2,48% (SDBIP = 1,80%). Die durchschnittlichen prozentualen Schwankungen um den HP-Trend ergeben für den Kapitalstock (SDK%) ein Wert von 0,39% und für das BIP (SDBIP%) 1,52%. Im Trend fällt der Kapitalkoeffizient. Ist er zum Ende der 1970er Jahre noch relativ stabil bei ca. 2,95, fällt er seit der Regierung Thatcher ab 1980 bis heute stetig.

Insgesamt reagiert auch im UK der Kapitalkoeffizient stärker auf Abweichungen des BIP als auf Schwankungen des Kapitalstocks (s.a. Abbildung 9). Insbesondere ab 1980 sind deutliche lags zu erkennen. So lassen konjunkturelle Tiefpunkte des BIP ihr Pendant in den Kapitalstockschwankungen z.T. erst mit drei- bis vierjähriger Verzögerung erkennen (z.B. 1982 und 1986, 1993 und 1997). Hingegen reagiert der Kapitalstock ab 1968 bis zu Beginn der Thatcher-Ära 1979/1980 wenig auf die Schwankungen des BIP und verzeichnet ein stetiges Wachstum trotz konjunkturellem Abschwung zwischen 1973 und 1979.

[...]


[1] Diese Formulierung lässt sich sicherlich als eine Reaktion auf Kritik an Kaldors langfristigem Wachstumsmodell von 1957 verstehen.

[2] Zu Kaldors post-keynesianischen Vollbeschäftigungsmodell und Kritik an ihm s.a. Hein (2004), S.149 ff. Sind die beschriebenen Bedingungen erfüllt, so hat die Volkswirtschaft ihre gleichgewichtige Wachstumsrate erreicht (Hein 2004, S. 159).

[3] Kaldor führt dazu auch an, dass keines der von ihm beschriebenes Faktum „can be plausibily „explained“ by the theoretical constructions of neo-classical theory“ (Kaldor [1961] 1978, S.3).

[4] Dies soll in diesem Zusammenhang jedoch nicht weiter betrachtet werden, da sich vorliegende Arbeit in erster Linie an die von Kaldor (1957, 1961) beobachteten stilisierten Fakten anlehnt.

[5] Für eine deutsche Übersetzung und einen Überblick über Kaldors und Romers stlisierte Fakten vgl. Bretschger 2004, S.4

[6] Leider können diese (zufällige Abweichungen) nicht getrennt isoliert werden und fallen so als konjunkturelle Abweichungen mit in die Betrachtung.

[7] Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Irland, Vereinigtes Königreich (UK), Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Österreich und Schweden.

[8] Ein Vergleich mit sog. Tigerstaaten wie Südkorea, Indonesien, u.a. ist leider aufgrund mangelnder Daten insbesondere zum Kapitalstock bzw. der Kapitalproduktivität nicht möglich.

[9] Dazu ausführlicher Tabelle 1 im Anhang.

[10] Trotz aller Komplikationen soll dies hier geschehen. So sind die Werte bis 1990 erheblich vom „golden age“ bis zu den 1970er Jahren mitgeprägt, während die Werte ab 1990 nur eine relativ geringe Anzahl aufweisen und den zusätzlichen Kapitalstock der ehem. DDR (dies macht immerhin ein Wachstum von knapp 5% aus), so dass es hier zu möglichen Verzerrungen kommen kann.

[11] Hinweis: Die in Abbildung 7 um 1990 ausgewiesene Rezession bzw. starke Desinvestition ist keine real vorhandene, sondern aufgrund der HP-Trend-Glättung erscheinende. Vergleicht man bspw. das Wachstum beider Größen in den Vorjahren der Wiedervereinigung, so kann kaum von Rezession ausgegangen werden.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Der Kapitalkoeffizient in langer Sicht
Untertitel
Untersuchung der Konstanz des Verhältnisses des Kapitalstocks zum Bruttoinlandsprodukt und konjunktureller Schwankungen
Hochschule
Universität Hamburg  (Department Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
Konjunkturtheorie und -politik
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
42
Katalognummer
V146999
ISBN (eBook)
9783640563173
ISBN (Buch)
9783640563005
Dateigröße
724 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Stilisierte Fakten, Kapitalkoeffizient, Kapitalstock, BIP, Kaldor, Konjunktur
Arbeit zitieren
Henner Will (Autor:in), 2008, Der Kapitalkoeffizient in langer Sicht , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146999

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