Der Traktat „De regia potestate et papali“ des Johannes Quidort von Paris im Kontext seiner Entstehung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Historischer Kontext
2.1 Das Verhältnis von staatlicher und kirchlicher Gewalt im Mittelalter
2.2 Die Auseinandersetzung Philipp IV. des Schönen mit Papst Bonifaz VIII.
2.2.1 Charakteristika der Kontrahenten
2.2.2 Stationen des Konflikts
2.2.3 Ergebnisse und Folgen

3. Der Traktat De regia potestate et papali
3.1 Der Autor: Johannes Quidort von Paris
3.2 Form und Inhalt
3.3 Interpretation: Kapitel 22

4. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die politiktheoretische Beschäftigung mit Herrschaft und ihrer Ausübung wurde im Mittelalter in besonderer Weise durch politische Geschehnisse angeregt. Einen eindrucksvollen Beleg dafür lieferte der Konflikt zwischen Papst Bonifaz VIII. und Philipp IV. dem Schönen von Frankreich im ausgehenden 13. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Beeinflusst durch die Wiederbelebung aristotelischen Gedankenguts, welches das intellektuelle Leben insbesondere zu dieser Zeit geradezu überflutete[1], fand der Begriff der Tyrannis neue Aufmerksamkeit.

Schon in vorangegangenen Jahrhunderten hatten sich viele Autoren mit der Frage beschäftigt, inwieweit ein aktiver Widerstand gegen einen ungerechten Herrscher zulässig sei[2]. Durch die aktuelle Problematik konkretisierten sich die Überlegungen: Man ging von einem eher abstrakten allgemeinen Nachdenken über Herrschaft nun dazu über, speziell die Legitimität des Papstes und dessen theoretische und praktische Ansprüche zu thematisieren[3].

Im direkten Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Papst Bonifaz VIII. und dem französischem König Philipp IV. entstand eine Vielzahl politiktheoretischer Schriften, die die Positionen der beiden Gegenspieler jeweils wissenschaftlich zu untermauern suchten[4]. Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich das schriftstellerische Wirken des französischen Dominikanertheologen Johannes Quidort von Paris, der als führender Vertreter der Pariser Universität mit seinem Traktat „De regia potestate et papali“ öffentlich für die königliche Seite Partei ergriff und mit diesem in der zeitgenössischen Diskussion eine herausragende Rolle einnahm, so dass, wie Miethke anmerkt, „schon die Zeitgenossen und auch seine unmittelbare Nachwelt sich in seinem Traktat besonders häufig Orientierung suchten“[5].

Im Folgenden gilt es nun, den Traktat „De regia potestate et papali“ unter Berücksichtigung der recht umfangreich vorhandenen Forschungsliteratur in einem zusammenfassenden Überblick und anschließend auf der Grundlage des in besonderer Weise relevanten Kapitels 22 auf die Art der Argumentation zugunsten des Standpunktes des französischen Königs hin zu analysieren. Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs mit den Ereignissen seiner Zeit wird der Analyse eine kurze allgemeine Darstellung des mittelalterlichen Verständnisses über das Verhältnis von staatlicher und kirchlicher Gewalt sowie die Skizzierung des Konflikts zwischen Bonifaz VIII. und Philipp IV. vorangestellt.

2. Historischer Kontext

2. 1 Das Verhältnis von staatlicher und kirchlicher Gewalt im Mittelalter

Das Spannungsverhältnis zwischen staatlichem und kirchlichem Bereich im Mittelalter basierte auf dem traditionellen universalen Anspruch, den sowohl Kirche als auch Staat[6] erhoben.

Bis zum Investiturstreit kam der Konflikt jedoch nicht offen zutage. Die Könige beanspruchten zwar durchaus auch die Herrschaft über kirchliche Einflussbereiche, aus originären Glaubensfragen hielten sie sich dagegen weitgehend heraus[7]. Als unbestritten galt, so F. Kern, dass „auch der Herrscher […], wie jeder Christ, der Zucht- und Strafgewalt der Kirche [unterstand]“[8]. Unter den Karolingern bildete sich das Herrschaftssystem des sakralen Gottesgnadentums aus, das unter den Ottonen eine Weiterentwicklung und Intensivierung erfuhr. Hier wurde dem Herrscher eine herausgehobene Position gegenüber der Kirche eingeräumt, gleichzeitig unterstand er dabei aber nach dem Denkmodell der Zweigewaltenlehre weiterhin der Kontrolle und dem Widerspruchsrecht der Kirche[9]. Zudem bestand durch das priesterliche Recht der Königssalbung, das für die Legitimation des theokratischen Königtums als konstitutiv galt, eine nicht unerhebliche Abhängigkeit von der Kirche[10]. Eine eindeutige und klare Definition des Hierarchieverhältnisses war letztlich jedoch praktisch nicht gegeben.

Der im 11. Jahrhundert ausbrechende Investiturstreit kann als bedeutender Wendepunkt im Verhältnis staatlicher und kirchlicher Gewalt gewertet werden. Nachhaltig erschüttert wurde hierbei die Vorstellung der königlichen Gottesunmittelbarkeit[11], denn die Kirche, allen voran Papst Gregor VII., war nicht mehr bereit, im König mehr als einen Laien zu sehen, der sich aus ihrer Sicht durch die Investitur der Bischöfe und Reichsäbte mit Ring und Stab der Simonie schuldig machte. Es entwickelte sich die Lehre der Vollgewalt des Papstes als Nachfolger des Apostels Petrus und vicarius christi, der sich die ganze Christenheit, also auch die weltlichen Herrscher, zu beugen hatte[12]. Über viele Jahre hinweg blieb das Papsttum als Folge des Investiturstreites die „geistliche Vormacht im Abendland mit dem Anspruch auf Weltgeltung“[13]. Unter Innozenz III., der durch die Festigung seiner Vorrangstellung und die Erweiterung der Zuständigkeiten seinen Anspruch auf geistliche Weltherrschaft nachhaltig hervorhob, erreichte es den Gipfelpunkt seiner geistlich-weltlichen Macht.

Die Auseinandersetzung des Papstes Gregor IX. mit dem letzten Stauferkaiser Friedrich II., die mit dem Tod Friedrichs unentschieden zu Ende ging, trug schließlich dazu bei, dass sich das Papsttum zunächst noch weiter konsolidieren konnte, da es gewissermaßen konkurrenzlos als „Erbe des Nachlasses“[14] übrigblieb. Infolge seiner außerordentlichen Machtfülle sah es sich jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung bald dem Vorwurf der Verweltlichung ausgesetzt[15].

Papst Bonifaz VIII. erhob, ebenso wie Innozenz III., den dogmatischen Anspruch auf päpstliche Vollgewalt. Doch sein Versuch, sie speziell im Konflikt mit König Philipp IV. von Frankreich durchzusetzen, missglückte und fand im völligen Zusammenbruch sein Ende. Damit war die vor allem durch Innozenz III. geschaffene hohe Stellung des Papsttums nachhaltig erschüttert[16].

2.2 Die Auseinandersetzung Philipp IV. des Schönen mit Papst Bonifaz VIII.

2.2.1 Charakteristika der Kontrahenten

Die Regierungszeit Philipp IV. des Schönen kann als diejenige Ära in der französischen Geschichte bezeichnet werden, in der Frankreich zu den Großmächten Europas aufschloss[17]. Unter seiner Herrschaft entwickelte sich, so formuliert F. Bleienstein, ein „politischer Zentralismus quasi nationalstaatlicher Art, der um jeden Preis die kirchenpolitische Abhängigkeit vom Papsttum durchzusetzen versucht[e]“[18]. Bezeichnend für Philipps Regierungspraxis war der Einbezug von Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten (Juristen, Finanzfachleute etc.) in seinen königlichen Beraterkreis und ihre starke Beteiligung an Entscheidungsprozessen, wobei, und dies ist besonders hervorzuheben, deren ständische Herkunft bei ihrer Auswahl nahezu unbeachtet blieb[19]. Dies hat in der Forschung eine Diskussion darüber hervorgerufen, inwieweit er seine Regierungsgeschäfte selbst ausführte oder sie seinem beratenden Stab überließ, aus der sich die Meinung herauskristallisiert hat, dass er die Kontrolle und letzte Entscheidung über die Regierungsgeschäfte immer fest in der Hand behalten hätte[20]. Deutlich sichtbar wurde das beträchtliche Bewusstsein seines Königtums und seiner Königswürde in der Tradition der Kapetingerdynastie[21].

Demgegenüber erwies sich Bonifaz VIII. als ein Papst, der kraft seiner Stellung als vicarius christi in der Tradition Papst Innozenz’ III. die Unterordnung aller staatlichen Gewalt einforderte und seinen Anspruch auf universale Herrschaft mit unerbittlichem Nachdruck propagierte[22]. Anders als bei Innozenz III. stieß er mit dem „Einsatz nicht mehr zeitgemäßer geistlicher Zwangmittel“[23] jedoch auf erbitterten Widerstand, denn die einzelnen Reiche strebten in dieser Zeit verstärkt nach staatlicher Selbstständigkeit und rechtlicher Abgrenzung und waren demzufolge nicht bereit, den Absolutheitsansprüchen des Papstes zu genügen[24]. Ebenso tat Bonifaz’ nachhaltiges Betreiben der Selbstinszenierung in Form von Ehrenstatuen, die er an Stadttoren, Kirchen und wohl auch auf Altären anbringen ließ[25], ein Übriges, um seine Machtorientierung sichtbar werden und viele Feinde auf den Plan treten zu lassen. Er überwarf sich, um einige Beispiele zu nennen, etwa mit dem Staufererben Friedrich von Aragón, mit dem deutschen König Albrecht I. sowie mit den Colonna-Kardinälen[26]. Ein Zusammenstoß der gegensätzlichen Ansprüche Philipps und des Papstes schien vorprogrammiert.

2.2.2 Stationen des Konflikts

Als Philipp IV. 1296 für die Finanzierung des aquitanischen Krieges eine Besteuerung des französischen Klerus verfügte, reagierte Papst Bonifaz VIII. mit der Dekretale „Clericis laicos“, die zum einen auf den bestehenden Grundsatz hinwies, dass kirchliche Zuwendungen finanzieller Art prinzipiell nur mit Zustimmung des Papstes geleistet werden dürften, zum anderen verschärfend jegliche Forderung solcher Zuwendungen unter den Kirchenbann stellte[27]. Im Gegenzug untersagte der französische Hof im August 1296 den Export von Gold und Silber sowie von anderen kriegswichtigen Gegenständen wie Waffen oder Reittiere ohne eine königliche Genehmigung in schriftlicher Form[28]. Dieses Verbot wirkte sich insofern auf kirchliche Interessen aus, als viele Kleriker, die in Rom lebten, unter anderem auch in Frankreich Pfründe innehatten, aus denen die entsprechenden Einkünfte einzutreiben durch das Embargo praktisch unmöglich geworden war[29]. Die päpstlichen Einnahmen, die wohl seit dem 13. Jahrhundert zu einem großen Teil aus Frankreich bezogen wurden[30], gerieten ernstlich in Gefahr, so dass der Papst gezwungenermaßen mit dem päpstlichen Erlass „Etsi de statu“ die Vorgaben der Dekretale „Clericis laicos“ in so erheblichem Maße entschärfte, dass er einer Aufhebung derselben nahe kam[31].

[...]


[1] Ullmann, S. 49.

[2] Vgl. Miethke (1999).

[3] Miethke (2000), S. 72.

[4] Eine ausführliche Darstellung und Analyse dieser publizistischen Schriften findet sich in der wegweisenden Untersuchung von Scholz, Die Publizistik zur Zeit Philipp des Schönen und Bonifaz’ VIII. (vgl. Literaturverzeichnis).

[5] Miethke (2000), S. 123.

[6] Zur Problematik der Termini „Staat“ bzw. „Kirche“ vgl. Miethke/Bühler (1988), S. 16-18. Ihre weitere Verwendung geschieht aus Vereinfachungsgründen, jedoch in dem Bewusstsein ihrer Strittigkeit.

[7] Bleienstein, S. 20.

[8] Kern, S. 188; vgl. auch Bleienstein, S. 20.

[9] Anton, Sp. 1592; Kern, S. 193 f.

[10] Struve, S. 8.

[11] Ebd., S. 8.

[12] Schimmelpfennig, S. 203.

[13] Schwaiger, Sp. 1675.

[14] Podlech, S. 469.

[15] Schimmelpfennig, S. 219.

[16] Schimmelpfennig, S. 221.

[17] Miethke (1996), S. 203.

[18] Bleienstein, S. 12.

[19] Miethke (1996), S. 205.

[20] Ebd., S. 206; Lalou, Sp. 2063.

[21] Lalou, Sp. 2063.

[22] Hagender, S. 271 f.; Miethke (1991), S. 97.

[23] Schmidt (1983), Sp. 414.

[24] Ebd., Sp. 414.

[25] Schimmelpfennig, S. 219; Schmidt (1986), S. 77.

[26] Ausführlich bei Mohler, Die Kardinäle Jakob und Peter Colonna (siehe Literaturverzeichnis).

[27] Miethke (1996), S. 217.

[28] Ebd., S. 218.

[29] Ebd., S. 218.

[30] Schimmelpfennig, S. 199.

[31] Miethke (1996), S. 218

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Traktat „De regia potestate et papali“ des Johannes Quidort von Paris im Kontext seiner Entstehung
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V146711
ISBN (eBook)
9783640576821
ISBN (Buch)
9783640576708
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Traktat, Johannes, Quidort, Paris, Kontext, Entstehung
Arbeit zitieren
Ella Plett (Autor:in), 2007, Der Traktat „De regia potestate et papali“ des Johannes Quidort von Paris im Kontext seiner Entstehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146711

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