Fachbegriffe für die Interpretation literarischer Texte


Skript, 2010

24 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A Allgemein

1 Bilder
1.1 Metapher
1.2 Epitheton ornans
1.3 Personifikation
1.4 Allegorie
1.5 Synästhesie
1.6 Pars pro toto
1.7 Symbol
1.8 Emblem
1.9 Chiffre
1.10 Hypallage

2 Figuren
2.1 Wortfiguren
2.1.1 Emphase
2.1.2 Hyperbel
2.1.3 Litotes
2.1.4 Periphrase
2.2 Satzfiguren
2.2.1 Asyndetisches Sprechen
2.2.2 Polysyndetisches Sprechen
2.2.3 Ellipse
2.2.4 Zeugma
2.2.5 Akkumulation
2.2.6 Klimax
2.2.7 Parallelismus
2.2.8 Chiasmus
2.2.9 Hysteron proteron
2.2.10 Enallage
2.3 Gedankenfiguren
2.3.1 Rhetorische Frage
2.3.2 Antithese
2.3.3 Paradoxon
2.4 Klangfiguren
2.4.1 Anapher
2.4.2 Tautologie
2.4.3 Wortspiel
2.4.4 Onomatopöie
2.4.5 Archaismus

3 Weitere allgemeine Fachbegriffe
3.1 Montage
3.2 Motiv
3.3 Stoff
3.4 Anachronismus
3.5 Palindrom
3.6 Stil

B Lyrik

4 Taktarten
4.1 Jambus
4.2 Trochäus
4.3 Anapäst
4.4 Daktylus
4.5 Auftakt

5 Reime
5.1 Reimformen
5.1.1 Reine Reime
5.1.2 Unreine Reime
5.1.3 Assonanz
5.2 Reimfolgen
5.2.1 Paarreim
5.2.2 Kreuzreim
5.2.3 Umschliessender oder umarmender Reim

6 Weitere Fachbegriffe im Bereich der Lyrik
6.1 Waise
6.2 Zeilenstil und Hakenstil
6.3 Zäsur und Diärese
6.4 Freie Rhythmen
6.5 Männlicher und weiblicher Versschluss

7 Taktreihen
7.1 Knittelvers
7.2 Blankvers
7.3 Alexandriner
7.4 Hexameter
7.5 Pentameter

8 Strophenformen
8.1 Volksliedstrophe
8.2 Terzine
8.3 Stanze
8.4 Distichon

9 Gedichte fester Bauart
9.1 Sonett
9.2 Elegie
9.3 Hymne
9.4 Ode
9.5 Ballade

C Epik

10 Erzählform

11 Erzählverhalten

12 Erzählhaltung

13 Erzählperspektive

14 Standort des Erzählers (point of view)

15 Darbietungsweisen

D Dramatik

16 Akt / Szene / Auftritt

17 Regiebemerkungen

18 Monolog / Dialog

19 Dramatis personae / Ständeklausel

20 Teichoskopie / Botenbericht

21 Zieldrama / Analytisches Drama

22 Aristotelisches Drama

A Allgemein

Die allgemeinen Stilmittel werden in der Regel unterteilt in Bilder und Figuren. Bilder bezeichnen in einem sehr umfassenden Wortverständnis Wörter, die in übertragener Bedeutung gebraucht werden.

1 Bilder

1.1 Metapher

Eine Metapher ist ein Vergleich zwischen zwei Begriffen, der, nimmt man die Begriffe beim Wort, eigentlich unsinnig ist. Spricht man z.B. vom „Himmelszelt“, so meint man damit wohl die schützende und überwölbende Eigenschaft des Zeltes, nicht jedoch ein „wirkliches“ Zelt. Während die Alltagssprache reich an verblassten Metaphern ist, bei denen der Bildsinn kaum noch vergegenwärtigt wird (z.B. Baumkrone, Flussbett, Stuhlbein, Redefluss), benutzen oder schaffen Dichter häufig kühne, zum Teil nur schwer verständliche Metaphern (z.B. „schwarze Milch der Frühe“ in Celans „Todesfuge“).

1.2 Epitheton ornans

Ein Epitheton ornans ist ein schmückendes, typisierendes Beiwort, das mit der Zeit formelhaften Charakter angenommen hat (z.B. der listenreiche Odysseus).

1.3 Personifikation

Bei der Personifikation werden Gedanken, Dinge oder Unbelebtes vermenschlicht, man könnte auch sagen beseelt. So sprechen wir z.B. von der „lachenden Sonne“ oder der „Mutter Erde“. Personifikationen findet man oft in Sprichwörtern (z.B. Lügen haben kurze Beine).

1.4 Allegorie

Allegorien sind Personifikationen abstrakter Begriffe wie z.B. Mangel, Schuld, Sorge und Not in Goethes „Faust II“. In der Regel sind die als Allegorien verwendeten Personen mit erläuternden Attributen versehen (z.B. der personifizierte Tod mit Stundenglas und Sense oder die personifizierte Gerechtigkeit („Justitia“) mit verbundenen Augen und Waagschale).

1.5 Synästhesie

Die Synästhesie ist eine Ausdrucksform, bei der zwei oder mehrere Sinnesgebiete vermischt werden (z.B. der Farbton, warmes Rot). Insbesondere in der Romantik (Brentano), im französischen Symbolismus (Mallarmé, Rimbaud) und in der deutschen Neuromantik (Rilke, Hofmannsthal) trifft man sehr häufig auf Synästhesien:

„Hör, es klagt die Flöte wieder,

Und die kühlen Brunnen rauschen,

Golden wehn die Töne nieder -

Stille, stille, lass uns lauschen!

Holdes Bitten, mild Verlangen,

Wie es süss zum Herzen spricht!

Durch die Nacht, die mich umfangen,

Blickt zu mir der Töne Licht.“

Clemens Brentano „Abendständchen“

1.6 Pars pro toto

Bei diesem Bild steht das Ganze für einen Teil oder umgekehrt (z.B. Lenze statt Jahre).

1.7 Symbol

Im alten Griechenland gaben sich Vertragspartner (z.B. Geschäfts- oder Eheleute) bei einer Trennung die beiden Hälften eines zerbrochenen Gegenstandes; bei der Wiederbegegnung wurde überprüft, ob die Bruchstücke zusammenpassten. Handlungen und Gegenstände, die auf etwas anderes, meist Höherwertiges, Ideelles verweisen und als Erkennungszeichen dienen, kennt jeder (z.B. Ehering, Stadtwappen, Bekreuzigung der Christen).

In der Literatur ist das Symbol ein ganzheitliches, sinnlich erfassbares, meist bildhaftes Zeichen, das über sich hinaus auf etwas Unaussprechbares verweist und dabei von so umfassender Bedeutung ist, dass die restlose Ausdeutung weder gelingen kann noch soll. Auch Personen (sogar Farben und Formen) können symbolischen Wert haben.

Bedeutungszuordnungen werden zwar tradiert, das gleiche Bild kann aber für Unterschiedliches in Anspruch genommen werden (so ist die Taube Symbol des Friedens und des Heiligen Geistes). Auffassung, Reichweite und Sinnbezug des Symbols unterliegen historischem Wandel.

1.8 Emblem

Ein Emblem ist im Grunde genommen eine Sonderform des Symbols (vgl. z.B. die Zunftsymbole des Handwerks). In Renaissance und Barock meint man mit Emblemata die Verbindung von bildender Kunst und Dichtkunst durch Kombination von Motto, gemaltem Bild und Epigramm.

1.9 Chiffre

In Anlehnung an die Geheimzeichen, deren Entzifferung nur dem Eingeweihten gelingt, wer-den verrätselte literarische Ausdrucksformen als Chiffren bezeichnet; auch sie können somit im weitesten Sinne als Spezialformen von Symbolen verstanden werden und sind vor allem für die moderne Lyrik kennzeichnend. Mit Hilfe von Chiffren wendet sich der Autor gegen eine Haltung, die glaubt, schnellfertig Sinn in einer anscheinend sinnlosen Welt zu finden:

„Mit allen Augen sieht die Kreatur das Offene“

Rainer Maria Rilke „Duineser Elegien“

1.10 Hypallage

Eine Hypallage ist eine (scheinbare) Vertauschung einzelner Satzteile, besonders der Adjektive. Der Dichter vermag dadurch das Aussergewöhnliche der Empfindung wiederzugeben:

„Rötlich steigt im grünen Weiher der Fisch.

Unter dem runden Himmel

Fährt der Fischer leise im blauen Kahn.“

Georg Trakl „Die Sonne“

2 Figuren

2.1 Wortfiguren

2.1.1 Emphase

Werden Worte oder Satzteile nachdrücklich hervorgehoben, also speziell betont, spricht man von Emphase, bzw. emphatischem Wortgebrauch:

„Menschen! - Menschen! falsche, heuchlerische Krokodilbrut! Ihre Augen sind Wasser! Ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen! Schwerter im Busen!“

Friedrich Schiller „Die Räuber“

2.1.2 Hyperbel

Hyperbeln sind Übertreibungen (z.B. riesengross, fuchsteufelswild). Sie kommen vor allem in komischen, volkstümlichen oder pathetischen Texten vor und sind auch in der Alltagssprache sehr beliebt (z.B. Er hat einen Mund wie ein Scheunentor). Gelegentlich sind Hyperbeln auch Mittel der Ironie:

„So eine rührende Bitte, so eine lebendige Schilderung des Elends und der zerfliessenden Reue - die wilde Bestie wär in Mitleid zerschmolzen! Steine hätten Tränen vergossen!“

Friedrich Schiller „Die Räuber“

2.1.3 Litotes

Die Litotes will durch Untertreibung, Abschwächung und Milderung der Äusserung verschleiern, was eigentlich gesagt werden müsste. Dies geschieht oft durch eine negative Wendung, z.B. nicht ohne Fleiss. Auch die Litotes kann Ironie zum Ausdruck bringen (Er war nicht gerade fleissig, d.h. faul; es ist nicht unwahrscheinlich, d.h. ziemlich wahrscheinlich).

2.1.4 Periphrase

Eine Periphrase ist die Umschreibung eines Begriffs, z.B. durch eine seiner Eigenschaften: „der Allmächtige“ statt „Gott“. Als Spezialfälle der Periphrase gelten der Euphemismus und die Preziosität.

Beim Euphemismus werden durch harmonisierende Umschreibungen verletzende, peinliche Sachverhalte (nicht selten Tabus) entschärft, gemildert. Euphemistische Bezeichnungen für sterben sind z.B. ableben, entschlafen oder verscheiden. Ein gutes Beispiel für den euphemistischen Stil ist auch der folgende Satz aus Johann Wolfgang von Goethes „Dichtung und Wahrheit“:

„Ich fing an die Bemerkung zu machen, die uns in der Jugend lange verborgen bleibt, dass die Männer altern und die Frauen sich verändern.“

Mit Preziosität meint man einen sehr gekünstelten Stil, d.h. besonders gezierte Umschreibungen, z.B. „düpieren“ statt „betrügen“:

„Ein unansehnliches Dorf, ja, vielleicht gar ein offenes Feld, oder das Ufer eines Flusses, (hat) diesem grossen Dichter den ersten Atem gegeben.“

Johann Christoph Gottsched „Lob- und Gedächtnisrede auf Martin Opitz“

2.2 Satzfiguren

2.2.1 Asyndetisches Sprechen

Die einzelnen Worte bzw. Satzteile werden nicht (etwa durch Bindewörter) miteinander verbunden:

„Schnell ergriff ihn, allein zum letztenmale, der Menschheit

Ganzes Gefühl. Er rufte mit lechzender Zunge: Mich dürstet!

Rufts, trank, dürstete! bebte! ward bleicher! blutete! rufte:

Vater, in deine Hände befehl ich meine Seele!“

Friedrich Gottlieb Klopstock „Der Messias“

2.2.2 Polysyndetisches Sprechen

Hier werden die Bindewörter im Gegensatz zum asyndetischen Sprechen geradezu gehäuft:

„Und es wallet und siedet und brauset und zischt“

Friedrich Schiller „Der Taucher“

2.2.3 Ellipse

Absichtlich oder unabsichtlich lassen leidenschaftlich bewegte Sprecher unwichtige Wörter weg, ohne dadurch den Sinn ihrer Aussage zu entstellen. Als Stilmittel kommt die Ellipse häufig im Sturm und Drang und im Expressionismus vor. Sie erweckt den Eindruck der Unmittelbarkeit und Atemlosigkeit:

„Und Ihro Gnaden sollten glauben,

dass ich aus Misstrauen, aus Sorge für meine Bezahlung - - ?“

Gotthold Ephraim Lessing „Minna von Barnhelm“

2.2.4 Zeugma

Ein Zeugma ist die Verbindung zweier Nomen oder Sätze durch ein einziges Verb, das nur zu einem von beiden passt, bzw. zu beiden, aber nicht in derselben Weise, z.B.: Er schlug zuerst das Fenster und dann den Weg nach Köln ein.

2.2.5 Akkumulation

Eine Akkumulation ist eine Anhäufung von Wörtern, das Aneinanderreihen mehrerer Unterbegriffe anstelle des zusammenfassenden Oberbegriffs, eine Fülle von Einzelempfindungen für den Gesamteindruck:

„Es entsteht ein al fresco hingeworfenes Gemälde, auf dem die Figuren einen unentwirrbaren Knäuel bilden. Sie haben keine Namen; sie haben dafür Betätigungen, Ämter, Missionen und unterschiedliche Schicksale. Es sind Kaufleute, Richter, Ärzte, Funktionäre, Kleinbürger, Handwerker, Literaten und Frauen aller Art, jeden Alters, jeden Standes.“

Jakob Wassermann „Laudin und die Seinen“

2.2.6 Klimax

Zur Steigerung der Wirkung können Wörter, Wortgruppen oder Sätze so aneinandergereiht werden, dass die Aussage stufenweise immer bedeutsamer, schwerwiegender wird:

„Geld verloren - etwas verloren! Ehre verloren - viel verloren! Mut verloren - alles verloren!“

Johann Wolfgang von Goethe

Die Abstufung in entgegengesetzter Weise, also nach unten, heisst Antiklimax:

„Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen...“

Johann Wolfgang von Goethe „Faust I“

2.2.7 Parallelismus

Als Parallelismus bezeichnet man die in etwa gleichlaufende Wiederkehr der Wortreihenfolge in mehreren Versen oder aufeinander folgenden Sätzen:

„Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen.

Und auch meine Seele ist ein sprechender Brunnen.

Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden.

Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.“

Friedrich Nietzsche „Also sprach Zarathustra“

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Fachbegriffe für die Interpretation literarischer Texte
Autor
Jahr
2010
Seiten
24
Katalognummer
V146671
ISBN (eBook)
9783640556052
ISBN (Buch)
9783640555338
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Fand Verwendung im Rahmen von Mandaten für verschiedene Hochschulen
Schlagworte
Literatur, Fachterminologie, Interpretation, Fachbegriffe, Lyrik, Epik, Dramatik
Arbeit zitieren
Eveline Zurbriggen (Autor:in), 2010, Fachbegriffe für die Interpretation literarischer Texte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146671

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