Photographie im I. Weltkrieg – Zur Bildgeschichtsschreibung des Weltkrieges


Seminararbeit, 2008

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

l. Einleitung

2. Das Photo als Quelle

3. Zur Bildgeschichtsschreibung des Ersten Weltkrieges

4. „Krieg dem Kriege“ / „Eine ganze Welt gegen uns“

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Geschichte der Photographie ist noch relativ jung und ihre moderne Entwicklung beginnt mit dem ersten Photo, angefertigt durch Joseph Nicéphore Nièpce im Jahre l826. Die Geschichte der Photographie als Dokumentierungsinstrument für militärische Ereignisse setzt in umfassenderem Rahmen mit dem Krimkrieg (l853–l856) und dem amerikanischen Bürgerkrieg (l86l-l865) ein. Von da an machte die Technik immer schneller immer größere Sprünge, so dass bereits im Ersten Weltkrieg, nicht einmal l00 Jahre nach Nièpce, sie soweit fortgeschritten war, dass der Verlauf dieser Auseinandersetzung so umfassend dokumentiert werden konnte, dass man sich auch heute noch dieses gewaltigen Krieges in einer Vielzahl an Bildern zu erinnern vermag. In dieser Hinsicht ist es überhaupt der erste Krieg, dessen man sich vornehmlich in Bildern zu erinnern vermag.1

Ziel dieser Arbeit wird es sein die Bildgeschichtsschreibung des Ersten Weltkrieges nach Holzer darzustellen. Darüber hinaus wird auf spezifische Besonderheiten eingegangen werden, die ein Photo als Quelle mit sich bringt, sowie generell der historische Kontext untersucht werden wird, in dem die Bilder zu betrachten sind. Speziell die Art und Weise, wie Holzer mit dem Material arbeitet und es interpretiert, soll untersucht werden. Abschließend wird ein genauerer Blick auf die Arbeit Holzers geworfen werden um einige Sachverhalte kritischer zu durchleuchten. Hauptsächlich werde ich mich in dieser Arbeit auf das von Holzer herausgegebene Buch „Mit der Kamera bewaffnet“ stützen, erschienen 2003 im Jonas Verlag, sowie auf die beiden polarisierenden Bildbände „Eine ganze Welt gegen uns“ von Wilhelm Reetz, erschienen l934, und „Krieg dem Kriege“ von Ernst Friedrich, erschienen l925.

2. Das Photo als Quelle

Was ist ein Photo anderes, als ein auf ein Medium gebanntes Abbild der augenblicklichen Gegenwart des Photographen? Es fängt diesen einen Augenblick ein und löst ihn heraus aus dem Fluss der Zeit und der Ereignisse, verewigt ihn in allen momentan sichtbaren Facetten. Und genau da setzt ein Schwerpunkt bei der kritischen Betrachtung von Photos ein: Man weiß nicht hundertprozentig genau, insofern man keine verlässlichen Zeugen hat, um die genauen Umstände unter denen das Bild gemacht wurde. Man weiß nicht um das exakte Vorher und das Nachher der lokalen Geschehnisse. Und selbst wenn man Zeugen hat, ist sowohl deren Wahrnehmung im Moment der speziellen Gegenwart als auch ihre Erinnerung, von subjektiven Ergänzungen und Ausstreichungen geprägt, was nur natürlich ist.

Eben weil ein Photo nur abbilden kann was auch tatsächlich vorhanden ist, mag man schnell geneigt sein ihm eine nüchterne, objektive und unbestechliche Authentizität zu zusprechen. Dass man hierbei aber nie vergessen darf, dass der Gegenstand der Aufnahme gänzlich in der bewussten Handlung des Photographierenden liegt, zeigt sich schon bei den frühesten Photographien wie z.B. bei Roger Fentons berühmter Aufnahme aus dem Krimkrieg „Valley of the Shadow of Death“.2 Diese Aufnahme existiert in zwei Versionen wovon eine die Aufnahme einer Straße hinter den englischen Stellungen ist, deren Straßengraben auf langer Linie angefüllt ist mit russischen Kanonenkugeln die über die Stellungen hinweg geflogen waren und dann in den Graben rollten. Die zweite Aufnahme zeigt dieselbe Straße, allerdings scheint Fenton einige Kugeln bewusst auf der Straße platziert zu haben, so dass der Eindruck entsteht es wäre gerade ein tödlicher Hagel auf die Region niedergegangen und unter Umständen gar auf den Photographen selbst. Kennt man nun die andere Aufnahme nicht würde man nur höchst schwerlich entdecken können, dass an der zweiten Aufnahme etwas modifiziert wurde. Sie erschiene dem Betrachter als auf ein Medium gebannter Augenblick der spezifischen Gegenwart des Photographen, als wäre die Situation tatsächlich so gewesen wie man den Betrachter glauben machen möchte. Es ist wichtig sich dieses Beispiel in Gedanken zu behalten, da es sehr schön zeigt, dass ein Photo zwar die nüchterne Wirklichkeit ablichtet und auch gar nicht mehr oder weniger tun kann, aber diese Wirklichkeit sehr wohl vom Photographen kreiert, inszeniert oder modifiziert sein kann. Eben dies gilt auch Serien oder Zusammenstellungen von Bildern oder generell für die Auswahl der Motive: mögen diese selbst auch noch so unverfälscht sein, durch das wiederholen eines oder mehrer Motive lässt sich ganz bewusst eine Impression erwecken, die ganz in der Absicht des Photographen liegt und keinesfalls die ganzheitliche Wirklichkeit wiedergeben muss.

Generell muss man sich bei allen Photos, insofern man ihren Wert als historische Quelle einordnen möchte, zunächst einige klassifizierende Fragen stellen. Gleich zu Beginn von Holzers „Das Fotographische Gesicht des Krieges. Eine Einleitung“ kann das sehr schön nachvollzogen werden. Holzer beginnt hier mit dem Bild eines K.u.K. Soldaten, der sich auf einem mit Rädern versehenen Schlitten auf eine Fahrt talwärts begibt. Zunächst wird beschrieben was alles auf dem Bild zu sehen ist. Außerdem stellt er eine grobe Einordnung des Motivs voran, indem er klärt, dass es ein Kriegsphoto ist, obgleich es für ihn zunächst nicht viel mit dem Krieg gemeinsam hat, da die gezeigte Szene recht idyllisch ist.3 An diese Beobachtung schließt sich die kontextuelle Einordnung in Form der Frage nach dem „warum“ an. „Warum“ ist dieses Photo überhaupt entstanden? Die Bedeutung dieser Frage lässt sich am einfachsten vor Augen führen, wenn man sich den Effekt vorstellt mehrere Photos gezeigt zu bekommen, denen eine Propagandafunktion zugrunde liegt ohne darum zu wissen. Wenn man hingegen weiß für welchen Zweck sie angefertigt wurden, kann man sie in diesem Wissen betrachten ohne sich von der ursprünglichen Absicht der Photos beeinflussen zu lassen. Für dieses Photo des zu Tal fahrenden Soldaten sucht Holzer die Antwort in der einsetzenden Überversorgung der Zivilbevölkerung mit Kriegsbildern, die die Kampfhandlungen oder deren Vorbereitungen oder Nachbereitungen zeigen. Deswegen wandten sich die Kriegsphotographen in der zweiten Hälfte des Weltkrieges immer öfter auch Motiven aus der Etappe, dem Alltag der Soldaten oder eben kleinen Skurrilitäten wie bei diesem Bild zu, da diese zunehmend besseren Absatz fanden.4 Ein anderer Grund dafür, dieses Photo zu schießen, mag auch in der einfachen Komik gelegen haben, die der recht beleibte Soldat auf seinem kleinen improvisierten Gefährt vermittelt. Das ist ein Grund der zwar in die eben beschriebene Situation der Kriegsberichterstattung passen würde, aber eben erst in zweiter Linie, da das Motiv vornehmlich im spezifischen Augenblick gelegen haben kann und auch alleine als hinreichende Begründung stehen könnte. Zur weiteren Kontextualisierung bemerkt Holzer ganz richtig, dass es gerade diese Bilder sind, die erstmals vom Krieg sprechen ohne ihn direkt zu zeigen und somit erstmals den Feldalltag des gemeinen Soldaten einfangen, die eine Neuerung in der noch recht jungen Kriegsphotographie und Kriegsberichterstattung im Allgemeinen darstellen. Im Gegensatz zu Kriegsbildern im herkömmlichen Sinne haben diese allerdings kaum nachhaltige Spuren in der bildhaften Erinnerung an diesen Krieg hinterlassen.5

Untrennbar verknüpft mit der Frage nach dem Warum, ist die Frage nach dem Wer. In unserem Fall ist der Photograph selbst nicht überliefert, aber anhand der erhaltenen Bildlegende ist ersichtlich, dass es sich zum einen nicht um einen privaten Knipser gehandelt hat, sondern um einen Photographen der im Auftrag einer Agentur handelte. Außerdem ist zu sehen, dass wir eben diese Agentur, die „Wiener Photo Centrale Wien“, und ihren Leiter Hugo Ritter von Eywo als Urheber, wenn auch in diesem Fall nur indirekt, zuordnen können. Eine weitere Frage, ebenfalls untrennbar verbunden mit „von wem“ und „warum“, ist ein möglicher Adressat, also für wen ein Bild gemacht wurde. In diesem Fall deckt sich das mit der Agentur bzw. der Presse, die von der Agentur beliefert wurde. Wo das Bild aufgenommen wurde ist uns unbekannt und der einzige Hinweis, die Bildunterschrift, teilt uns mit, dass es sich um einen Almgüterweg handelt.

Mit all den Informationen die Holzer hier herausgearbeitet hat lässt sich das Bild als Quelle klassifizieren, in den richtigen Kontext einordnen und deuten.

[...]


1 vgl. HOLZER, Anton, Den Krieg sehen, S 60.

2 KELLER, Ulrich, Authentizität und Schaustellung, S 24.

3 vgl. HOLZER, Anton, Das fotographische Gesicht des Krieges, S 7.

4 vgl. Ebd.

5 vgl. Ebd.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Photographie im I. Weltkrieg – Zur Bildgeschichtsschreibung des Weltkrieges
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Historisches Institut)
Veranstaltung
„Brutale Neugier“ – Privatfotografie von Wehrmachtssoldaten als Zugang zu einer anderen Geschichte des Zweiten Weltkrieges
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V146447
ISBN (eBook)
9783640574285
ISBN (Buch)
9783640573936
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Photographie, Weltkrieg, Bildgeschichtsschreibung, Weltkrieges
Arbeit zitieren
Thomas Marx (Autor:in), 2008, Photographie im I. Weltkrieg – Zur Bildgeschichtsschreibung des Weltkrieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146447

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