Söldneralltag im Dreißigjährigen Krieg

Leben und Alltag der militärischen Unterschicht im Dreißigjährigen Krieg


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

30 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung hin zur Söldnerarmee und ihre Zusammensetzung

3. Wer folgte der Trommel?

4. Leben und Alltag des Kriegsmannes

5. Ein sozialer Antagonismus zwischen Bauer und Soldat?

6. Resiimee

7. Bibliographie

1 . Einleitung

Der Dreil3igjahrige Krieg ist die letzte grol3e Auseinandersetzung in Europa, in der noch die Masse der Gefechte mit geworbenen Söldnern geschlagen wurde. Er ist gleichwohl das Ende der Landsknechtkultur des vorangegangenen Jahrhunderts, der die Söldner ursprünglich entstammen. Diese Arbeit soll ein Licht auf das Leben der sozialen Unterschicht dieses Krieges werfen, auf das Leben der breiten Masse der einfachen Söldner. Bereits durch Zeitgenossen und die landesherrliche Publizistik nach dem Krieg in den schwärzesten Farben dargestellt, hat auch die altere historische Forschung diese Klischees befördert. Inzwischen hat der Versuch Fu13 gefasst, das Bild des gemeinen Söldners einer neuen Prüfung zu unterziehen. Insbesondere haben dazu die Arbeiten von Bernhard R. Kroener, Peter Burschel und Michael Kaiser beigetragen. Durch Arbeiten wie Cordula Kapsers „Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hdlfte des DreiBigjahrigen Krieges"1 und Jan Peters „Ein Söldnerleben im DreiBigjahrigen Krieg"2 wurde erhellendes Quellenmaterial ans Licht befördert und bietet wertvolle Grundlagen.

Zunächst wird das „Arbeitsumfeld" eines Söldners und dessen Entwicklung kurz beschrieben werden, um einen Uberblick über die Rahmenumstände zu geben. Hierzu bietet in seiner Fülle, trotz des Alters, Hans Delbrücks „Geschichte der Kriegskunst" sehr viel Wertvolles. Danach sollen einzelne Aspekte beleuchtet werden wie zum Beispiel die Herkunft der Geworbenen, Beruf und Bildungsstand, Lagerleben und Versorgung.

Da die Konflikte zwischen Söldnern und Landbevölkerung ein so häufiger Gegenstand der Quellen und auch der Forschung sind, wird diesem Punkt abschlieBend ein eigenes Kapitel gewidmet werden.

Das Tagebuch eines unbekannten Söldners in „Ein Söldnerleben im DreiBigjahrigen Krieg" in der Edition von Jan Peters ist wohl eine der am meisten verwandten Quelle überhaupt, wenn es um Söldner im DreiBigjahrigen Krieg geht. Ihr besonderer Wert liegt zum einen darin, dass ihr Autor noch am ehesten dem zuzuordnen ist, was wir unter einem „einfachen Söldner"

verstehen und zum anderen in tagebuchartiger Ausffihrlichkeit fiber den stolzen Zeitraum von 24 Jahren berichtet. Vergleichbares Quellenmaterial ist bis heute nicht ans Licht gebracht, sondern entstammt zumeist aus der Feder der Oberen oder der von gebildeten Zivilisten wie Bfirgern oder Geistlichen.

Die Identitat des Autors ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, ebenso wenig wie sein Werdegang bis zum Einsetzen seiner Aufzeichnungen. Es darf aber spekuliert werden, dass er eine gewisse Bildung genossen hat, da er nicht nur des Schreibens machtig war, sondern es auch noch ffir sich selbst fiber einen so langen Zeitraum tat. Zudem wurde er spater in seiner Laufbahn immer haufiger mit der Betreuung zurfickgelassener Erkrankter und Verwundeter beauftragt, was ein gewisses Ma13 an Organisationsfahigkeit und Buchhaltung voraussetzt. Wahrend seiner Marsche bemerkt er immer wieder Details an Mfihlen und zeigt Interesse an der örtlichen Fruchtbarkeit der Felder und den Eigenarten des Anbaus, auch baut er mit seiner Frau von Zeit zu Zeit Ofen um Brot zu backen und zu verauBern. Das legt nahe, dass er Sohn eines Backers oder noch eher Mfillers gewesen sein könnte, was ihn einer Schicht zuordnen wfirde, die seine Bildung plausibel macht.3 Zudem wird er spater seine geringen Gfiter auch darauf verwenden seinen Sohn noch wahrend des Krieges in einer Schule unterzubringen, damit er seinerseits dort unterrichtet wird.

Wahrend seiner Laufbahn legte er fiber 25000 km Marschweg zurfick,4 war auf vielen Kriegsschauplatzen zugegen, vor allem aber im mittel- und sfidwestdeutschen Raum. Seine Laufbahn begann er als Gefreiter, eine Stufe fiber dem gemeinen Knecht und beendete sie als Gefreiten-Korporal.5 Im Folgenden wird sein Selbstzeugnis haufig herangezogen werden um Sachverhalte daran zu beleuchten. Eine ausffihrliche Quellenkritik sowie eine Untersuchung fiber die Identitat des Autors sind in der Edition Jan Peters' selbst zu finden.

2 . Die Entwicklung hin zur Stildnerarmee und ihre Zusammensetzung

Beinahe jeder „Soldat" im DreiBigjahrigen Krieg ist mehr als Söldner, denn als Soldat zu klassifizieren. Der Soldat im heutigen Sinne beginnt erst im Zuge der Heeresreformen direkt nach dem Krieg aufzutreten, mit Ausnahme vielleicht der „Protosoldaten" im Heer Moritz' von Oranien. Die Söldner des DreiBigjahrigen Krieges waren in Form und Selbstverstandnis ursprunglich direkte Nachfahren der Landsknechthaufen, die im 16. Jahrhundert ihre Mate erlebten und als neue Militarform ihrerseits die feudalen Ritterheere ablösten.6 Sie waren allerdings schon vor dem Krieg Transformationen unterworfen, die sich im Krieg noch weiter verstarken sollten. Nach dem Krieg schlieBlich begann sich dieser Typus des „Kriegshandwerkers" ganz aufzulösen. Die Ursprungliche Idee war ein beidseitiger Vertrag zwischen den Söldnern und ihrem Hauptmann, bzw. durch diesen auch mit dem Kriegsherren der den Hauptmann eingesetzt hatte. Die Söldner schworen auf eine vom Kriegsherren aufgesetzte Feldordnung an die sie sich zu halten versprachen. Diese beinhaltete unter anderem, dass sie tapfer ihre Pflicht tun und sich den gegebenen Befehlen nicht widersetzen sollten, auch wenn der Sold einmal nicht pilnktlich gezahlt wurde. Ferner wurde versprochen, dass sie Ordnung untereinander halten warden und Ahnliches der allgemeinen Ordnung zutragliches. Der Hauptmann indes stellte sich und die Seinen vor, versprach sich um sie zu kihmmern, in Rechtsangelegenheiten gerecht zu sein und sich um die versprochene Löhnung und Verpflegung zu kihmmern.7 Im Laufe der Zeit, und dieser Prozess findet im DreiBigjahrigen Krieg seinen Abschluss, zersetzte sich dieses ursprunglich demokratische und auf eine gewisse Gleichheit der Vertragspartner gegrundete Wesen und wurde zunehmend durch die straffe hierarchische Disziplinierung ersetzt. Der Kriegsknecht wurde immer starker den Regularien durch Kriegsherr, Obrist und Hauptmann unterworfen und immer starker pragte sich seine Abhangigkeit von der Obrigkeit aus : er verkam nach Bernhard R. Kroener zur Kriegsware.8 Diese Abhängigkeit war allerdings noch nicht so absolut, wie sie später in den stehenden Heeren durchgesetzt werden wird. Es lassen sich viele Beispiele finden, die sowohl diese Abhängigkeit zeigen, etwa bei der Versorgung der Söldner und dem sehr häufigen Einbehalten von Verpflegung und Geld, als auch die Reste des Selbstverständnisses von Autonomie und Standesdilnkel, zum Beispiel als sich böhmische Truppen 1619 weigerten Schanzen zu errichten, da sie filr diese eigentlich niederen Arbeiten keinen Extrasold bezogen hätten.9 Mit dem Fortdauern des Krieges allerdings verstärkte sich die tendenzielle Unmilndigkeit und eine strenge hierarchische Struktur wurde gefördert.

Die Heereszusammensetzung nach Waffengattungen war ebenfalls bereits vor dem Krieg stark im Wandel begriffen und veränderte sich auch während des Krieges weiter. Die Feuerwaffen gewannen immer mehr an Mannstärke hinzu, wogegen Pikeniere, zu Anfang des Krieges noch geachtete Doppelsöldner, mit Ende des Jahrhunderts so gut wie verschwanden. Waren Anfang des 16. Jahrhunderts noch die Schiltzen den Gewalthaufen der Spiel3e und Hellebarden beigegeben und stellten vielleicht gerade ein Zehntel des Ful3volkes, so kehrte sich dieses Verhältnis bald um und die Spiel3er wurden den Schiltzen beigegeben um sie vor Reitereinbrilchen zu schiltzen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich das Verhältnis bereits stark gewandelt und schon Zeitgenossen wie Blaise de Monluc bemerkten, dass die Soldaten lieber schössen, als dass sie sich auf den Leib gingen.10 In den gleichen Zeitraum fällt auch die Umbildung der alten Ritterschaft in Kavallerie, die zu grol3en Teilen ebenfalls mit Feuerwaffen ausgerilstet war. Die alte Lanze wurde zunehmend von Pistolen und Degen verdrängt. Die Reiter sprengten auf Pistolenschussweite heran und feuerten ihre Pistolen, von denen sie meist mehrere trugen, nacheinander ab, bevor sie entweder handgemein wurden oder sich vom Angriff zurilckzogen. Durch dieses Manöver, das auch in mehreren kleinen Gruppen und von mehreren Seiten gegen einen Feind durchgefilhrt werden konnte, verkamen die Spiel3erhaufen zu einer blol3en Hilfswaffe filr die Schiltzen, da sie inzwischen zu klein geworden waren, um im wuchtigen Ansturm die Entscheidung zu suchen und ihre Schutzwirkung gegen Reitereinbrilche durch deren Ausrilstung mit Feuerwaffen schwand.11

Unter Gustav Adolf begann die Kavallerie sich wieder vornehmlich dem handgemeinen Einbruch in feindliche Formationen zu widmen, aber auch hier wurde vorher von den Pistolen Gebrauch gemacht, wenn auch nicht mehr ausschliel3lich.12

Den Hauptteil der Heere bildeten die Schiitzen. Diese waren mit Arkebusen, schwereren Gewehren, die mittels einer mitgefiihrten Gabel aufgelegt abgefeuert wurden, und Musketen, welche freihändig abgefeuert werden konnten, ausgeriistet. Die präzise Bedienung dieser Waffen erforderte einige ()bung und Erfahrung, wobei der Gradmesser der Effektivität in diesem Falle die Zeit war, die zum erneuten Laden der Waffe benötigt wurde. Im Gefecht wurde versucht die Schiitzenwirkung zu optimieren, durch Aufstellung mehrerer flacher Treffen, welche sich auch wechselseitig unterstiitzen konnten. Uber die erste Hälfte des Krieges waren allerdings noch die Spanischen Tercios die allgemeine Form bei Liga und Union. Bei diesen bildete den Kern des Haufens bzw. Tercio eine Abteilung Pikeniere, die ihrerseits rundherum von Schiitzen umgeben war. Dem hieraus gebildeten Viereck wurden an den Ecken wiederum „Bastionen", also einzelne Schiitzenverbände, angegliedert.13

Beim Feuern wurde versucht eine Form zu wahren, die sich „Caracole", „Schnecke" oder „Kontermarsch" nennt, bei der das Glied welches gefeuert hat, sich zuriickfallen lässt, um dem Glied hinter ihm Platz zum feuern zu verschaffen und immer so weiter.14 Diese Form des Agierens setzt allerdings ein ständiges Einexerzieren voraus, welches während des Krieges in den einzelnen Parteien und sogar bei den einzelnen Regimentern höchst unterschiedlich im Ausmal3 vertreten war. Zumal es nicht unwahrscheinlich ist, dass auch im Dreil3igjährigen Krieg sich noch manche Schiitzen dachten, dass sie ihre Pflicht bereits erfiillen wiirden, wenn sie nur schössen und es knallte, und daher einfach auch aus den hinteren Gliedern in die Luft feuerten oder schlicht irgendwohin grob in Richtung des Feindes.15 Tatsächlich effektiv einexerzierte Formen des Feuerns finden sich in der Armee Gustav Adolfs als dem viel geriihmten „Vollender der Moritzschen Kriegskunst" in Anlehnung an die Nassauisch-Oranischen Heeresreformen.16 Der Umfang und die Auswirkungen sowohl der niederländischen Reformen als auch deren Umsetzung durch den Schwedenkönig sind,

wenngleich ilberaus interessant, doch ein eigenes Thema filr sich und bereits erschöpfend von Historikern der Militärgeschichte wie zum Beispiel Delbrilck behandelt.

Die letzte Waffengattung bildet die noch junge Artillerie. Allerdings sind ihre Vertreter im Verhältnis zu den anderen noch recht spärlich gesät und auch hier ist die Armee Gustav Adolfs der verändernde Faktor, da sie in dieser eine relativ rasche Vermehrung an Stilckzahl, vor allem an den leichten „Lederkanonen", und kombiniertem Einsatz mit den anderen Waffen erfährt. So rechnete man zu Beginn des 16. Jahrhunderts ca. 3 Geschiltze auf 1000 Mann, wobei dieser Schnitt in der Folgezeit noch abnahm. linter den Schweden stieg die Anzahl wieder, sodal3 sich in der Schlacht bei Liltzen 1632 60 schwedische Geschiltze inklusive lederner Regimentsstilcke fanden, auf Seiten Wallensteins hingegen nur 21, wobei die kaiserliche Seite diese Erhöhung bald ilbernahm.17

Während des Krieges, will man von einer „Beliebtheit" der Waffengattungen sprechen, dilrften die Pikeniere ganz unten rangiert haben. Wer konnte, gesellte sich den Schiltzen zu und am begehrtesten war ein Platz unter den Reitern. Das ist insoweit nicht verwunderlich, als die Entfernung vom Feind bei einem Gefecht mit der Muskete höher ist, wenn auch nicht sehr hoch, als beim Handgemenge mit der blanken Waffe. Es ist ein menschlicher Zug, die Möglichkeit zu suchen, die der eigenen Sicherheit, sei es auch nur vermeintlich, zuträglicher ist. Der Kavallerie hingegen hafteten wahrscheinlich noch immer die Aura des Verwegenen auf der einen Seite, und die durch sie symbolisierte gehobene soziale Position auf der anderen Seite an. Zudem, je länger sich der Krieg hinzog und gleichsam in den am meisten betroffenen Gebieten die Verwilstungen sich mehrten, war es im Selbstinteresse des Söldners beritten und damit mobil zu sein, um schnellere und ausgedehntere Streifzilge nach Beute und Nahrung durchzufilhren.18 Je länger der Krieg andauerte, desto gröl3er wurde auf allen Seiten der Anteil an Berittenen, sei es allein um im verwilsteten Land weitere Wegstrecken auf der Suche nach Vorräten zurilcklegen zu können.19

[...]


1 Kapser, Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Halfte des DreiBigjahrigen Krieges.

2 Peters, Ein Söldnerleben im DreiBigjahrigen Krieg.

3 Vgl. Ebd., S 26.

4 Vgl. Ebd., S 200.

5 Vgl. Ebd., S 202 f.

6 Vgl. Delbriick, Geschichte der Kriegskunst, S. 67 (far eine ausführliche Analyse der Transformationsprozesse vom Ritterheer fiber die Landsknechte bis hin zum Söldner siehe S.03 — 91 und S. 151 - 246).

7 Vgl. Ebd., S. 76 f. und : Freytag, Der Dreil3igjahrige Krieg, S. 103, sowie Fiedler, Taktik und Strategie der Landknechte, S. 77f.

8 Vgl. Kroener, Der Soldat als Ware, S. 294f. Allerdings sei angemerkt, dass der Soldat als solcher natilrlich immer eine Art von Ware bzw. Kapital darstellt um die „Unternehmung Krieg" zu betreiben.

9 Vgl. Delbrilck, Kriegskunst, S. 80.

10 Vgl. Ebd., S. 189.

11 Vgl. Ebd., S. 227.

12 Vgl. Ebd., S. 228.

13 Vgl. Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 113.

14 Vgl. Delbriick, Kriegskunst, S. 190.

15 Vgl. Ebd., S. 191.

16 Vgl. Ebd., S. 221.

17 Vgl. Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 135.

18 Vgl. Freytag, Der Dreil3igjährige Krieg, S. 100 f.

19 Vgl. Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 135.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Söldneralltag im Dreißigjährigen Krieg
Untertitel
Leben und Alltag der militärischen Unterschicht im Dreißigjährigen Krieg
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Der Dreißigjährige Krieg
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
30
Katalognummer
V146440
ISBN (eBook)
9783640567423
ISBN (Buch)
9783640567096
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Söldneralltag, Dreißigjährigen, Krieg, Leben, Alltag, Unterschicht, Dreißigjährigen, Krieg
Arbeit zitieren
Thomas Marx (Autor:in), 2009, Söldneralltag im Dreißigjährigen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146440

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