Soziale Arbeit als Dienstleistung - Inwieweit ist eine Privilegierung des Nutzers machbar?


Hausarbeit, 2006

19 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung

Wenn man den Begriff „Dienstleistung“ bei der Suchmaschine Google eingibt, bekommt man 21 Mio. Treffer (27.05.06) allein für den deutschsprachigen Raum. Wenn man den Begriff „Soziale Dienstleistungen“ eingibt, bekommt man immerhin über 5 Mio. Einträge (27.05.06).

Dies zeigt, wie wichtig Dienstleistungen in unserem heutigen Leben geworden sind und dass auch der Begriff der „Sozialen Dienstleistungen“ kein Fremdwort mehr ist. Wir erleben heute im Alltag eine Vielzahl verschiedener Leistungen, die man als Dienstleistungen umschreiben würde: Der Frisörbesuch, die Fahrt mit der S-Bahn, oder den Schlüsseldienst.

In den 70er und 80er Jahren wurde ausführlich diskutiert, inwieweit die Soziale Arbeit als Dienstleistung anzusehen ist - siehe die Veröffentlichungen unter anderem von Olk und Otto. Inzwischen scheinen in diesem Bereich kaum noch Widerstände zu herrschen, da in der gesamten Gesellschaft der Dienstleistungsbegriff in aller Munde ist, und auch die öffentliche Verwaltung sich inzwischen an dem Dienstleistungs- begriff orientieren soll. So ist inzwischen laut Wollmann und Reichhart von dem „Dienstleistungsunternehmen Kommunalverwaltung“1 als neuem Leitbild die Rede, das „Output-Orientierung“2 haben soll und sich am Modell der Dienstleistung orientiert. Da ein großer Bereich der Sozialen Arbeit kommunal stattfindet, sind diese Vorgaben damit auch für die dort beschäftigten Sozialpädagogen verbindlich. In der nun hier vorliegenden Arbeit soll es darum gehen, dass Dienstleistungen ja eigentlich für einen Kunden erbracht werden sollen und sich damit auch nach seinen Wünschen richten sollten. Wenn also die bisherige Klientel der Sozialen Arbeit als Kundschaft umdefiniert wird, stellt sich die Frage, ob sich die Praxis also neu ausrichten und die Wunscherfüllung seiner Kundschaft als neues zentrales Leitbild formulieren muss. Dies möchte ich in meiner Arbeit anhand des Modells zur Nutzerprivilegierung von Andreas Schaarschuch diskutieren.

Dieses Modell soll laut Schaarschuch ein Prüfmodell für die Frage darstellen, ob die einzelnen Felder der Sozialen Arbeit eine Dienstleistung sein können oder nicht. Es soll des Weiteren auch der Frage auf den Grund gegangen werden, inwieweit eine Privilegierung des Nutzers in der Praxis möglich ist, und damit, ob die bisherigen „Klienten“ tatsächlich zu „Kunden“ werden können. Daraus resultierend ergibt sich auch eine Überprüfung des Modells von Schaarschuch auf Anwendbarkeit in der Praxis und eine Antwort auf die Frage, inwieweit eine Nutzerprivilegierung machbar ist.

2. Der Begriff der „Dienstleistung“

In diesem ersten Abschnitt soll geschildert werden, aus welchem gesellschaftlichen Kontext heraus man die Tätigkeit der Sozialen Arbeit nun als „Dienstleistung“ betrachten kann und welche wichtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte dazu geführt haben, dass man Soziale Arbeit als Dienstleistung ansieht.

2.1 Der Begriff Dienstleistung in der Ökonomie

Um den Begriff der Dienstleistung zu verstehen, muss man sehen, dass er der Ökonomie entstammt. Dort wird Dienstleistung im Allgemeinen wie folgt definiert:

„ Dienstleistung bezeichnet in der volkswirtschaftlichen Abgrenzung eine Leistung, die nicht der Produktion eines materiellen Gutes dient oder der materielle Wert des Leistungsziels nicht im Vordergrund steht. Damit wird sie dem terti ä ren Sektor zugeordnet. Die Urproduktion (primärer Sektor) und die Produktion von Industrieg ü tern (sekund ä rer Sektor) sind davon abzugrenzen. “3 Damit ist schon erwähnt, dass in der Ökonomie zwischen drei verschiedenen Produktionssektoren unterschieden wird:

- In den Primären Sektor fällt die so genannte Urproduktion - damit ist die Landwirtschaft und die Fischerei gemeint.
- Der sekundäre Sektor umfasst die gesamte materielle und industrielle Güterproduktion.
- In den tertiären Sektor hingegen fallen alle Tätigkeiten, die sich weder dem primären noch dem sekundären Sektor zuordnen lassen. Er ist deshalb davon geprägt, dass in ihm keine direkten materiellen Güter erzeugt werden - dies geschieht in den anderen beiden Sektoren.

Der Tertiäre Sektor wird von Badura und Gross wie folgt beschrieben:

„ (...) die Terti ä rproduktion umfasst eine Fülle äuß erst heterogenerer

Wirtschaftszweige, Tätigkeiten und Berufe. Wirtschaftszweige wie Handel, Banken, Versicherungen, Reparatur- und Wartungsdienste, Transport, Verkehr und Kommunikation, aber auch Gesundheitsdienste, Bildungseinrichtungen, Beratungsdienste und öffentliche Versorgungsbetriebe wie Gas- und Elektrizit ä tswerke werden gleichermaß en zum tertiären Sektor geschlagen. Tätigkeiten wie transportieren, versichern, verkaufen, handeln, pflegen, beraten, bilden und reparieren sind allesamt Dienstleistungen. Anwälte, Richter, Vollzugsbeamten, Publizisten, Bibliothekare, Dolmetscher, Polizisten, Dekorateure, Fotografen, und Installateure zählen genauso dazu wie Ärzte, Apotheker, Krankenpfleger, Sprechstundenhelfer, Masseure, Erzieher, Sozialarbeiter, Seelsorger, Frisöre und Kosmetiker. “ 4

Der tertiäre Sektor wird auch oft „Restsektor“ genannt, da in ihm alle Berufe gesammelt sind, die sich nicht ohne weiteres einem Bereich zuordnen lassen.

Auch wenn es sich um eine Vielzahl von Berufen handelt, die nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben, sind sie an einem Punkt gleich: Sie sind mit ihrer Tätigkeit an keiner materiellen Güterproduktion beteiligt und lassen sich nach der oben angeführten Definition als „Dienstleistungen“ umschreiben. Deshalb wird beim tertiären Sektor auch von dem „Dienstleistungssektor“ gesprochen.

Weiterhin lassen sich die vielfältigen und verschiedenen Tätigkeiten in diesem Sektor in zwei große Gruppen aufteilen: Die personenbezogenen und die nicht personenbezogenen Dienstleistungen.

Bei den nicht personenbezogenen Dienstleistungen handelt es sich um alle Tätigkeiten, die nicht in einem direkten Bezug zu einem Menschen ausgeführt werden müssen. Ein Dekorateur kann zum Beispiel ein Schaufenster alleine dekorieren, ohne dass der Nutznießer dabei ist. Gleiches gilt auch für Reparatur- und Wartungsdienste, die sich ohne Anwesenheit des Auftraggebers ausführen lassen.

Bei personenbezogenen Dienstleistungen handelt es sich hingegen um Tätigkeiten, die sich nur in Anwesenheit des Nutznießers ausführen lassen. Ein gutes Beispiel ist dafür der Masseur oder der Zahnarzt, die ihre Leistungen nur direkt an einem Menschen erbringen können.

Aber auch die Soziale Arbeit erfüllt alle hier aufgezählten Bedingungen um sie als personenbezogene Dienstleistung einordnen zu können: Da sie in keiner Weise materielle Produkte herstellt, fällt sie sowieso in den tertiären Sektor. Weil ihre Leistung nur im direkten Bezug auf einen Menschen entstehen kann, fällt sie damit in den Bereich der personenbezogenen Dienstleistung.

Deshalb lässt sich Soziale Arbeit im rein volkswirtschaftlichen Sinne als eine personenbezogene Dienstleistung verstehen.

2.2 Expansion des Dienstleistungssektors

Noch in 50er oder 60er Jahren war ein großer Teil der Bevölkerung im primären und sekundären Sektor beschäftigt. Dieses hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert:

Wo früher in der Landwirtschaft viele Hände von Nöten waren, können heute Maschinen die Felder beackern. Selbst große Höfe können heute mit den entsprechenden Maschinen von ein bis zwei Personen bewirtschaftet werden. Gleiches gilt auch für die Industrie. Wo noch in den 60er Jahren Arbeitskraft gefordert war, stehen heute Maschinen, die viele Arbeiter ersetzen. Abgesehen davon, dass in den letzen Jahrzehnten viele Produktionsabläufe rationalisiert werden konnten, sind aber auch viele Industriezweige, die arbeitsaufwändige Produkte herstellen, in das Ausland abgewandert. So werden beispielsweise Textilien oder Uhren kaum noch in Deutschland gefertigt, weil laut Industrie die Produktion hier zu Lande zu teuer geworden ist.

Hingegen ist der tertiäre Sektor in der gleichen Zeit geboomt. Heute wird die größte Wertschöpfung in Deutschland mit Dienstleistungen erzielt, der primäre und sekundäre Sektor spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Die folgende Graphik zeigt dazu einen Vergleich der Bruttowertschöpfung der Jahre 1970 und 2005 anhand der verschieden Wirtschaftsbereiche:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Alle Angaben in Mrd. Euro. Quelle : Statistisches Bundesamt www.destatis.de 10.06.06

Wie die Graphik zeigt, übersteigen die Bereiche Öffentliche, Private, Finanz- und Unternehmensdienstleistungen den produzierenden Bereich inzwischen bei Weitem. Die „Urproduktion“, also die Landwirtschaft und Fischerei spielen hingegen kaum noch eine Rolle in der Volkswirtschaft.

Aus diesen Gründen hat es eine große Verschiebung der Arbeitsplätze innerhalb der drei Sektoren gegeben, so dass inzwischen Dienstleistungssektor den größten Anteil an der Beschäftigung hat. So waren im Jahr 2005 laut Statistischem Bundesamt 69% aller Beschäftigten in Deutschland im Dienstleistungssektor tätig, 29% in Fertigungsberufen und nur noch lediglich 2% in der Landwirtschaft oder Fischerei5. Damit ist der Dienstleistungssektor zum führenden Wirtschaftszweig in Deutschland geworden, in dem 2/3 aller Arbeitnehmer beschäftigt sind. Deshalb kann man auch von einer „Dienstleistungsgesellschaft“ sprechen, die heute in aller Munde ist. Diese Entwicklung wurde von Jean Fourastie in seinem 1954 auf Deutsch erschienenen Buch, „Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts“, so vorhergesagt. In seinem Buch beschäftigt er sich mit der Entwicklung von agrarisch geprägten primären Zivilstationen über die Industriephase hin zu tertiären Zivilisationen, in denen Dienstleistungen der Leitsektor in Wirtschaft und Gesellschaft sind. Diese Entwicklung hat Fourastie versucht mit folgender Graphik darzustellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Sozialpolitische Perspektiven. Eine Einführung in Grundlagen sozialer Dienstleistungen, 1976, S. 62

[...]


1 Wollmann und Reichhart In Schaarschuch, Soziale Arbeit als Dienstleistung, 2003, S.151

2 Wollmann und Reichhart In Schaarschuch, Soziale Arbeit als Dienstleistung, 2003, S.152

3 Wikipedia (10.06.06)

4 Sozialpolitische Perspektiven. Eine Einführung in Grundlagen sozialer Dienstleistungen, 1976, S. 61

5 www.destatis.de 10.06.06

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Soziale Arbeit als Dienstleistung - Inwieweit ist eine Privilegierung des Nutzers machbar?
Hochschule
Hochschule Esslingen
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V146261
ISBN (eBook)
9783640572731
ISBN (Buch)
9783640573233
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Arbeit, Dienstleistung, Inwieweit, Privilegierung, Nutzers
Arbeit zitieren
Gregor Köwing (Autor:in), 2006, Soziale Arbeit als Dienstleistung - Inwieweit ist eine Privilegierung des Nutzers machbar?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146261

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