Schul- und Leistungsangst


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2003

24 Seiten


Leseprobe


Inhaltsübersicht

1. Einleitung

2. Das Thema im Spannungsfeld von Theologie und Psychologie
2.1. Die Bibel über den Ursprung der Angst
2.2. Angst und Todesangst, Existens- und Selbstwertangst
2.3. Die Bibel über die Überwindung von Angst
2.4. Quintessenz

3. Terminologie

4. Erklärungsmodelle
4.1. Evolutionäres Erklärungsmodell
4.2. Sozialisierungsorientierter Ansatz
4.3. Psychoanalytische Erklärungsmodelle
4.4. Lerntheoretisches Erklärungsmodell
4.4.1. Respondentes Lernen/klassische Konditionierung (Pawlow, Watson)
4.4.2. Operantes Lernen/instrumentale Konditionierung (Skinner)

5. Symptomatik

6. Meßverfahren

7. Leistungsangst nach Jacobs

8. Auswirkung der Angst auf die Leistung
8.1. Die Yerkes-Dodson-Regel
8.2. Die modifizierte Yerkes-Dodson-Regel

9. Maßnahmen
9.1. Relevanz der Maßnahmen
9.2. Diskussion konkreter Vorschläge
9.2.1. Konsequenzen aus dem Modell Jacobs’
9.2.2. Konsequenzen aus der Yerkes-Dodson-Regel
9.2.3. Keine Noten mehr, nicht mehr sitzenbleiben können?
9.2.4. Keine Fünfen und Sechsen mehr?
9.2.5. Rudolf Steiner: „Es gibt nur drei Erziehungsmittel: Angst, Ehrgeiz und Liebe. Wir verzichten auf die beiden ersten“?
9.2.6. Erziehungsstil
9.2.7. Formen der Leistungsbewertung
9.2.8. Formen der Leistungsüberprüfung
9.2.9. Verhaltens- statt Eigenschaftskritik
9.2.10. Explizieren des Themas
9.2.11. Spielerisches Lernen ohne Zeitdruck
9.2.12. Lernorganisation
9.2.13. Die Lehramtsausbildung gegen den Strich gebürstet

Literatur

1. Einleitung

Das gute an dem Thema ist, daß das Anschauungsobjekt anwesend ist, aber das Thema auch schon seine therapeutische Wirkung hat entfalten können.

2. Das Thema im Spannungsfeld von Theologie und Psychologie

Das Thema ist m. E. auch ein theologisches Thema, denn einen Bereich Natur (vs. Gnade), wo der autonome Verstand tätig werden dürfte, gibt es m. E. nicht, denn jeder Gedanke muß gefangen genommen werden unter den Gehorsam des Christus (vgl. 1. Kor 10, 5). So ist m. E. auch nur eine empirische/experimentelle Psychologie statthaft, die sich im Rahmen der Offenbarungsaussagen bewegt. Und auch die Voraussetzungen der Empirie müssen kritisch mit der Bibel abgeglichen werden, denn auch die Empirie ist nie frei von „erkenntnisleitenden Interessen“ (Habermas). Daher im folgenden ein Blick auf die Aussagen der Bibel über die Angst.

2.1. Die Bibel über den Ursprung der Angst

Gen 3, 8 ff.: Scham und Furcht sind Folgen des Sündenfalls. Der Mensch hat Angst vor Gott und flieht, aber Gott sucht den Menschen und ruft: „Wo bist Du?“ (V. 9). (Das ist die Reihenfolge, nicht die Religion ist die Ursache der Angst, wie Feuerbach, Marx etc. behaupteten.)

Außerdem sagt Gott: „Was hast Du getan?“ (V. 13). Letzteres zielt auf die begangene Sünde des Menschen ab, erstere Frage auf die Nichtigkeit des Menschen; beide Aspekte finden sich auch in der neutestamentlichen Heilsbotschaft wieder.

2.2. Angst und Todesangst, Existens- und Selbstwertangst

Heidegger und Kierkegaard stellten den Zusammenhang von Angst und Todesangst her. Die Angst erhält demnach hierher ihre nie versiegende Dynamik, der sich Ängstigende wird sich des eigenen Sterbenmüssens gewahr. Auch einig Psychoanalytiker sehen das so, Feifel nennt die anderen Ängste „trügerische Verkleidungen“ der Todesangst (Levitt, S. 172).

Kafka: „Allerdings ist diese Angst vielleicht nicht nur Angst, sondern auch Sehnsucht nach etwas, was mehr ist als alles Angsterregende“ (zitiert nach Stietencron).

Angst ist also u. U. ein memento mori. Die Nihilismus-Krise, die Erkenntnis, daß dem Menschen etwas fehlt, könnte dann u. U. ein Wegweiser zum Heil sein, wenn ihr auch die Sündener- und das Sündenbekenntnis folgt.

Die Todesangst kann und darf der Psychologe nicht therapieren. Der Tod und die Angst davor ist das größte, wenngleich oft verdrängte Problem der Menschen. Die Todesangst muß durch Heilsgewißheit überwunden werden.

Hebräer 2, 15: „... damit er ... alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.“

Allerdings scheint es sinnvoll zu sein, existentielle Ängste wie die Todesangst von selbstwertbezogenen Ängsten zu unterscheiden. So bezieht sich Leistungsangst auf das Selbstwertkonzept, ist keine existentielle Angst. Angst, die in der Bedrohung des Selbstwertgefühls liegt (Leistungsangst und soziale Angst), ist nicht gleichzusetzen mit der Angst etwa vor einer OP (Existenzangst). Physische Bedrohungen lösen weitgehend identische Reaktionen aus bei Ängstlichen und Nichtängstlichen. Bei der hier behandelten Angstform ist das anders (vgl. Stietencron, S. 85). Zur Unterscheidung zwischen Angst vor körperlichem Schmerz/Schmerzvermeiden und Angst vor Versagen/Vermeidung von Minderwertigkeitsgefühlen siehe auch Levitt, S. 26 f.

2.3. Die Bibel über die Überwindung von Angst

Die Bibel bietet dem sich Gott anvertrauenden Menschen Hilfen zur Überwindung von Ängsten. Hier bloß eine Auswahl an Zitaten:

2. Kön 6, 15-17: „Und als der Diener des Mannes Gottes früh aufstand und hinaustrat, siehe, ein Heer umringte die Stadt, und Pferde und Wagen. Und sein Knabe sprach zu ihm: Ach, mein Herr! Was sollen wir tun? Aber er sprach: Fürchte dich nicht! Denn mehr sind die, die bei uns sind, als die bei ihnen sind. Und Elisa betete und sprach: Herr öffne doch seine Augen, daß er sehe! Da öffnete der Herr die Augen des Knaben; und er sah: Und siehe, der Berg war voll feuriger Pferde und Wagen, rings um Elisa her.“

Ps 27, 1: „Der Herr ist mein Licht und meine Rettung, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Stärke, vor wem sollte ich erschrecken?“

Ps 118, 6: „Der Herr ist für mich, ich werde mich nicht fürchten; was sollte der Mensch mir tun?“

Jes 35, 4: „Sagt zu denen, die zaghaften Herzens sind: Seid stark, fürchtet euch nicht!“

Bergpredigt, Mt 6, 25: „Seid nicht besorgt für euer Leben, was ihr essen oder was ihr anziehen sollt.“

Johannes 14: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz werde nicht bestürzt, sei auch nicht furchtsam.“

Philipper 4: „Seid um nichts besorgt, sondern in allem laßt durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus.“

„Fürchte dich nicht!“ (zu Zacharias, Lk 1, 13; zu Josef und Maria, Lk 1, 30, Mt 1, 20; zu Petrus, Lk 5, 10; zu dem Synagogenvorsteher, Mk 5, 36).

Hinsichtlich insbesondere der Leistungsangst u. U. folgende Einsicht wichtig: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4, 13).

2.4. Quintessenz

Es gibt also geistliche Probleme, die geistlich gelöst werden müssen. Hier konkurriert die Psychologie mit der Theologie. Die Todesangst wegzutherapieren, ohne die Bibel zu befragen, wäre fatal. Auch hinsichtlich Leistungsangst wäre eine psychologische Engführung gefährlich.

Aber andererseits wäre es unverantwortbar, deshalb prinzipiell die Psychotherapie abzulehnen. (Leistungs)angst ist sicher zu einem großen Teil auch ein profanes Problem.

In einer säkularen Schule sind geistliche Lösungsversuche u. U. auch nicht praktikabel. Ein großer Teil der Schul- und Leistungsangst ist auch im System Schule bedingt, d. h. ein rein profanes Problem.

3. Terminologie

Levitt unterscheidet nicht strikt zwischen Angst (Grund/Objekt unbekannt) und Furcht (Grund/Objekt bekannt) – das taten die Existentialisten Kierkegaard und Heidegger –, wohl auch nicht zwischen Angst und Phobie (durch ganz bestimmtes Objekt spezifizierte Angst; in der FAZ waren kürzlich alle 426 anerkannten Phobien aufgelistet).

Unterscheidung pathologisch / nichtpathologisch schwierig: Bei Abweichung von statistischer Norm; bei persönlich oder von anderen empfundenem Leidensdruck; wenn Auslöser und Intensität der Angst entkoppelt werden; wenn Auslöser gar nicht mehr erforderlich, sondern Vorstellung davon ausreicht, z. B. die Vorstellung von der Prüfung während des Lernens; besonders brisant ist es, wenn die Angst selbst zum Objekt der Angst wird, man Angst vor der Angst hat.

Unterscheidung von Angst und Streß: Ähnlich, beides hat Auslöser, können einander begleiten.

Unterscheidung von Angst (Zustandsangst) und Ängstlichkeit (Persönlichkeitsmerkmal/Angstdisposition, das/die sich in der Angst manifestiert).

4. Erklärungsmodelle

4.1. Evolutionäres Erklärungsmodell

Angst als Signal zur Flucht oder zum Kampf. Vor allem die körperliche Symptomatik wird so gedeutet (z. B. schwitzende Hände, um Speer besser festzuhalten etc.; Entleerung der Blase, um an Gewicht zu verlieren).

Der Angstmechanismus wird hier also als Atavismus/Rudiment gedeutet. Atavismen/Rudimente sind aber nicht funktionslos, wie früher oft angenommen. So ist der Wurmfortsatz des Blinddarms wichtig für die Abwehr von Infektionen, am Steißbein sind wichtige Muskeln befestigt, die Überkreuzung von Speise- und Luftröhre ist wichtig, weil man so durch den Mund atmen kann etc. (vgl. Junker, S. 174).

Die Yerkes-Dodson Regel zeigt ja auch, daß Erregung auch in Leistungssituationen bis zu einem bestimmten Grad durchaus nützlich ist. Jedenfalls teile ich nicht Levitts Auffassung (S. 12 f.), wonach die Angst beim intelligenten Menschen nur ein Problem und nicht mehr nützlich ist.

Gott hat uns nicht nur als Steinzeitmenschen konzipiert, aber man könnte fragen, ob eine Prüfungssituation wie diese nicht eine zivilisatorische Vergewaltigung des Menschen ist, wo bestimmte Angstsymptome tatsächlich disfunktional sind.

Was die phylogenetischen Erklärungsmodelle angeht, scheiden für mich also evolutionäre Modelle aus, nicht zuletzt deswegen, weil das Argumentationsmuster der angeblichen Atavismen nichts taugt, v. a. aber weil ich die Evolutionstheorie prinzipiell ablehne – ist eine Theorie und geht genauso von außerweltlichen Voraussetzungen aus wie der Schöpfungsbericht, nämlich von Zeit und Zufall, die neuen Götter, die den Schöpfergott ersetzt haben. Hier gilt für mich das Buch Genesis und sein „Erklärungsmodell“.

4.2. Sozialisierungsorientierter Ansatz

Einstellung der Eltern zu ihrer Schulzeit, Ansprüche der Eltern, Anspruch an sich selbst. Der Soziologie (Mead) unterscheidet hinsichtlich der Identität zwischen I (Selbstbild) und Me (Bild der anderen von mir, Rollenerwartung) (vgl. Ingendahl 1991, S. 60 ff.) Aus der empfundenen Diskrepanz zwischen I und Me könnten demnach Ängste entstehen.

Die Zwillingsforschung hat ergeben, daß 34 % der eineiigen Zwillinge beide unter starker Angst leiden, nur 17 % der zweieiigen. Die Differenz zwischen beiden Zahlen zeigt ungefähr, in welchem Maß die Sozialisation für Angst verantwortlich ist, wenn natürlich auch bei zweieiigen Zwillingen genetische Gemeinsamkeiten vorhanden sein dürften.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Schul- und Leistungsangst
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal  (FB Pädagogik)
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V14585
ISBN (eBook)
9783638199445
ISBN (Buch)
9783638643528
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schul-, Leistungsangst
Arbeit zitieren
Marcel Haldenwang (Autor:in), 2003, Schul- und Leistungsangst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14585

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