Wilhelmine Reichard

Die erste Ballonfahrerin in Deutschland


Fachbuch, 2010

74 Seiten


Leseprobe


Die erste Ballonfahrerin Deutschlands war Wilhelmine Reichard (1788-1848), geborene Schmidt. Auf Anregung und mit Unterstützung ihres Ehemannes, des Chemikers und Aeronauten Gottfried Reichard (1786-1844), unternahm die attraktive, zierliche, kleine und mutige Frau von 1811 bis 1820 an unterschiedlichen Startorten in Deutschland, Österreich, Tschechien und Belgien insgesamt 17 abenteuerliche Fahrten. Kenner der Luftfahrtgeschichte rühmen sie als Pionierin der Luftfahrt.

Johanne Wilhelmine Siegmundine Schmidt (genannt „Minna“) wurde am 2. April 1788 als drittes von insgesamt neun Kindern ihrer Eltern in Braunschweig geboren. Ihr Vater Sigismund David Schmidt diente als Mundschenk des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und Lüneburg (1735- 1806) und als Opfermann in der St. Ulrici-Brüdernkirche. Das ehrenvolle Amt als Mundschenk war wenig einträglich. Deswegen konnte der Vater die neun Kinder, die seine Ehefrau Juliana Wilhelmine Henriette Schmidt, geborene Luedecken, von 1785 bis 1808 zur Welt brachte, nur mit Mühe ernähren. Die Jugend von Wilhelmine wird als still, einfach und „unter mancherlei Entbehrungen“ geschildert.

Im Alter von 17 oder 18 Jahren lernte die dunkelhaarige Wil- helmine den zwei Jahre älteren Johann Carl Gottfried Rei- chard kennen. Dieser hatte in der Buchdruckerei seines Bruders das Schriftsetzerhandwerk erlernt und danach Che- mie in Berlin studiert. 1805 war er in seine Geburtsstadt Braunschweig zurückgekehrt und hatte sich in Wilhelmine verliebt. Nachdem die 19-jährige Wilhelmine schwanger geworden war, bestellte das Paar das Aufgebot und heiratete am 6. August 1807 in Braunschweig. Noch im selben Jahr zog das Paar nach Berlin. Am 16. Oktober 1807 brachte Wil-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wilhelmine und Gottfried Reichard Reproduktion eines alten Kunstwerkes helmine eine Tochter zur Welt. Dieses Mädchen war ihr erstes von insgesamt acht Kindern. Es erhielt die Vornamen Siegmundine Caroline Friederike Christiane Elisabeth und den Rufnamen „Lina“.

Die finanzielle Lage der jungen Familie war 1808/1809 nicht rosig. Gottfried Reichard musste mit verschiedenen Tätigkeiten den Lebensunterhalt verdienen. Er erteilte vor allem Privat- stunden und hielt physikalische Experimental-Vorträge. Während seines Studiums in Berlin hatte Gottfried Reichard am 23. Mai 1804 als Zuschauer einen Ballonstart miterlebt. Dieses Ereignis begeisterte ihn für die Ballonfahrt, obwohl jener Start missglückte. Am 16. September 1805 schaffte der Mathematiklehrer Wilhelm Jungius (1771-1819) in Berlin als erster Deutscher eine Ballonfahrt. Jungius stieg bis in 6.500 Meter Höhe auf, wo er ohnmächtig wurde. Ungeachtet dessen fand seine Ballonfahrt in der Nähe von Müncheberg ein gutes Ende. Jungius unternahm noch zwei weitere Ballonfahrten, am 19. Mai 1806 und gemeinsam mit dem Pädagogen Johann August Zeune (1778-1853) am 19. August 1810. Ob Gottfried Reichard den ersten Ballonaufstieg von Wilhelm Jungius im Jahre 1805 in Berlin mit eigenen Augen verfolgt hat, ist unbekannt. Gesichert ist sein reger Gedankenaustausch mit Jungius, mit dem er lebenslang befreundet war. Am 3. Februar 1810 brachte Wilhelmine Reichard in Berlin ihren ersten Sohn Carl August Eusebius zur Welt.

Nach Anleitung von Wilhelm Jungius stellte Gottfried Rei- chard aus Mantuaner Taft selbst einen Gasballon her. Den für eine Ballonfahrt benötigten Wasserstoff erzeugte Reichard durch das Mischen und Erhitzen von Schwefelsäure, Eisenspänen und Wasser. Für eine einzige Füllung der Ballonhülle mit einem Durchmesser von 8,70 Metern benötigte man acht Hundertliter-Fässer Schwefelsäure, nahezu eine Tonne Eisenspäne und neun Hektoliter Wasser. Die Be- schaffung und der Transport dieser Materialien mit Fuhr- werken verursachte hohe Kosten. Es vergingen Stunden, bis das Gas die an einem Holzgestänge aufgehängte Stoffhülle zum Ballon aufblähte. Das Füllen mit Schwefelsäure durfte nicht zu schnell erfolgen, weil die Flüssigkeit sonst aufbrauste und überquoll. Wenn man zu langsam vorging, bestand die Gefahr, dass zu viel Gas ungenutzt aus den Spundlöchern entwich.

Am 27. Mai 1810 startete Gottfried Reichard in Berlin als zweiter Deutscher nach Wilhelm Jungius zu seiner ersten Ballonfahrt, der weitere Fahrten folgten. Wilhelmine Reichard konnte es kaum erwarten, selbst eine Ballonfahrt zu unter- nehmen. Ihr Ehemann hatte Verständnis für ihren Wunsch, zeigte ihr, wie man mit einem Ballon umgeht und brachte ihr das nötige Wissen über chemikalische, physikalische und meteorologische Zusammenhänge bei. Seine Unterweisung erfolgte allerdings lediglich theoretisch, weil der zur Verfügung stehende Ballon nur eine Person transporierten konn- te.

Wichtig war, dass der Einfüllschlauch geöffnet bleiben musste, weil sich das Gas bei abnehmendem Luftdruck ausdehnt. Wenn die Leinen losgelassen waren, konnte man Sand abwerfen, um schneller aufzusteigen. Falls man über den Wolken nicht mehr sicher war, ob der Ballon steigt oder fällt, konnte man ein Stück Papier fliegen lassen und beobachten, ob es nach unten oder oben abdriftete. Die jeweilige Höhe war zu ermitteln, indem man auf dem mitgeführten Barometer die Abnahme des Luftdrucks protokollierte und die Werte mit den gemessenen Temperaturunterschieden verrechnete. Durch Öffnen einer Ventilklappe und Ablassen des Gases ließ sich weiteres Steigen verhindern oder der Abstieg einleiten. Am Dienstag, 16. April 1811, nachmittags um drei Uhr, wagte die 23-jährige Wilhelmine Reichard im Garten der „König- lichen Tierarznei-Schule“ in Berlin ihre erste Ballonfahrt. Es herrschte nebliges Wetter, als sie in den geflochtenen, mit Blumengirlanden geschmückten Korb stieg. Schätzungsweise 60.000 bis 80.000 Menschen sahen zu, als Wilhelmine bis in 5.171 Meter Höhe aufstieg. Innerhalb von 85 Minuten flog sie mit Ohrensausen wegen der Luftdruckschwankungen insgesamt 33,5 Kilometer und landete wohlbehalten in Genshagen südlich von Berlin. Zehn Minuten später kam ein Schäfer vorbei und wünschte ihr einen guten Abend. Aufregender verlief die zweite Ballonfahrt von Wilhelmine Reichard am 2. Mai 1811 in Berlin vor der Augen der preußischen Königsfamilie. Während der zweiten Ballonfahrt geriet Wilhelmine in einen Gewittersturm. Der Regen durchdrang ihre Kleidung bis auf die Haut. Beim Aufsetzen prallte Wilhelmine mit dem Gesicht schmerzhaft gegen den vom Balllonnetz getragenen Ring, an dem der Korb hing. Ungeachtet dieser Verletzung dachte sie nicht daran, mit dem Ballonfahren aufzuhören.

Im Sommer 1811 zog die Familie Reichard nach Dresden. Obwohl sie wieder schwanger war, bereitete sich Wilhelmine mit Erlaubnis des sächsischen Königs Friedrich I, „der Gerechte“ (1759-1827), auf eine weitere Ballonfahrt vor. Neugierige konnten ab 6. September 1811 im Hof des Hotels „de Pologne“ gegen Eintrittsgeld den Ballon besichtigen und ihn sich erklären lassen. Wegen schlechten Wetters musste der ursprünglich für den 22. September 1811 geplante Start um eine Woche verschoben werden. Am 29. September 1811 wurde die für die Herstellung des Wasserstoffs benötigte Schwefelsäure verspätet geliefert. Das herbei geschaffte Eisen hatte so schlechte Qualität, dass sich die Ballonhülle erst in der Abenddämmerung aufblähte. Am Morgen des 30. September 1811 fiel Regen und ein Sturm zerfetzte Teile des über den Ballon gespannten Hanfnetzes, das den Korb tragen sollte. Ungeachtet des schlechten Wetters harrten Tausende von Schaulustigen auf Feldern aus, weil sie den Start der ersten deutschen Luftschifferin miterleben wollten. Um die Zuschauer nicht durch eine weitere Verschiebung des Starts zu verärgern, wagte Wilhelmine nachmittags um halb vier Uhr trotz ungünstiger Bedingungen ihre dritte Ballonfahrt. Vergeblich bat ihr Ehemann Gottfried, sie solle dieses Vorhaben verschieben und auf günstigeres Wetter warten. Nachdem die Leinen gelöst worden waren, rissen starke Windböen den Ballon mal nach oben, mal nach unten und mal zur Seite. Außerdem pendelte der Korb, in dem sich Wilhelmine befand, beängstigend hin und her. Um vom Sturm nicht in Baumkronen getrieben zu werden, warf Wilhelmine Ballast, darunter auch den Anker mit Tau, ab. Nach rund zwölf Minuten verschwand der Ballon in den Regenwolken und stieg immer höher in den Himmel.

Als sie 6.931 Meter Höhe erreichte, prüfte Wilhelmine noch einmal den Barometerstand und die Temperatur. Außerdem wollte sie ein Ventil öffnen, um Gas entweichen zu lassen und nicht mehr weiter aufzusteigen. Doch das Ventil klemmte. Ihr Ehemann erzählte später, sie habe eine Rekordhöhe von 7.800 Metern erreicht. Wegen Sauerstoffmangels verlor Wilhelmine ihr Bewusstsein. Die Hülle des Ballon zerriss. Wilhelmine stürzte ab, kam im Fallen noch einmal zu sich, sah die zerfetzte Ballonhülle und begriff, was geschah. Zu ihrem Glück bremsten junge Fichten an einem Hang des Wachbergs bei Saupsdorf in der Sächsischen Schweiz nahe der Grenze zu Böhmen den Aufschlag des Ballons. Wilhelmine lag mit weit geöffneten Augen, blauen Lippen, blutenden Platzwunden auf dem Rücken im zerbrochenen Ballonkorb und gab zunächst kein Lebenszeichen von sich. Zur Unglücksstelle eilten ein Bauer, der mit einigen Knechten und Mägden auf dem Wachberg mit Feldarbeit beschäftigt gewesen war. Im Geäst junger Fichten erblickten die herbeigeeilten Männer und Frauen die Reste eines Ballons, in dessen Korb eine junge Frau bewegungslos lag. Die Herabgestürzte war aber nicht tot, wie man zunächst befürchtet hatte. Nach einigen Minutem fragte Wilhelmine Reichard geistesabwesend wiederholt, wo sie und ihr Ballon seien. Zwei Männer trugen sie zur Wohnung des Erb- und Lehnsrichters Christlieb Thiermann. Plötzlich erbrach sich Wilhelmine heftig. Am nächsten Tag kamen einige hundert Menschen aus der Umgebung herbei, um die abgestürzte Ballonfahrerin zu sehen. Am übernächsten Tag hatte sich Wilhelmine bereits so gut erholt, dass ihr Ehemann sie nach Dresden bringen konnte.

Über ihre ersten drei Ballonfahrten veröffentlichte Wilhelmine Reichard detallierte Berichte in den „Berliner Nachrichten“ und in zwei Broschüren ihres Ehemannes. Mit dem Erlös wurde zumindest ein Teil des finanziellen Schadens, der durch den Absturz in der Sächsischen Schweiz entstanden war, ausgeglichen. Gottfried Reichard warb auch bei seinen Vorträgen über chemisch-physikalische Erscheinungen im Hotel „de Pologne“ in Dresden für seine Broschüren.

Wie durch ein Wunder hatte die schwangere Wilhelmine Reichard bei ihrem Absturz Ende September 1811 mit dem Ballon aus großer Höhe keine ernsthaften Verletzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wohnhaus von Wilhelmine Reichard an der Weißeritz in Freital-Döhlen. Es wurde 1897 durch eine Flut erstmals beschädigt. Die Abschrägung rechts ist eine Folge davon. Um 1950 begann der Verfall, der ab 1960 durch Reparaturen aufgehalten wurde.

Ab Mitte 1990 erschien ein Erhalten des Gebäudes unmöglich. Doch der engagierte Stadtrat Günter Siebert verhinderte den Abbruch und gewann einen Ballonfahrer dafür, das Haus unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel wieder zu restaurieren. Südlich des Hauses befand sich früher die Vitriol- und Schwefelsäurefabrik von Gottfried Reichard, des Ehemanns von Wilhelmine Reichard. Foto: Inkowik / CC-BY-SA3.0 (via Wikimedia Commons), lizensiert unter CreativeCommons-Lizenz by-sa-3.0, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode erlitten. Am 10. März 1812 brachte sie ihre gesunde Tochter Minna Angelika zur Welt.

1812 hielt Gottfried Reichard Vorlesungen über „allgemeine Experimentalchemie“ und erhielt eine Anstellung in den „Klette’schen Vitriolwerken“ in Potschappel bei Dresden. Während des „Napoleonischen Krieges“ brannte 1813 das Vitriolwerk in Potschappel nieder und die inzwischen fünf- köpfige Familie Reichard lebte in großer Not. Ihre Lage besser- te sich, als Gottfried Reichard dank seiner Französischkennt- nisse eine Stelle in Dresden als „commissar bei den casernen und dem lazarethe“ fand, die es ihm sogar ermöglichte, etwas Geld zu sparen.

Einige Monate nach der Niederlage von Napoleon in der „Völkerschlacht bei Leipzig“ vom 16. bis 19. Oktober 1813 kaufte Gottfried Reichard in Döhlen (heute ein Stadtteil von Freital südwestlich von Dresden) im Plauenschen Grunde ein abgelegenes, baufälliges Haus mit Garten. Dort ließ sich 1814 die Familie Reichard nieder. Damals plante Gottfried die Gründung einer eigenen chemischen Fabrik und beantragte hierfür am 8. Juni jenes Jahres bei der „Königlich Sächsischen Hohen Landes-Regierung“ die Konzession. Am 10. Mai 1815 erhielten die Reichards die gewünschte Konzession zur Errichtung einer Fabrik zur Herstellung von „technisch- und pharmaceytisch-chemischen Produkten“ und kauften einige Grundstücke vom Kammergute Döhlen.

Weil das Geld der Familie Reichard für den Fabrikbau in Döhlen nicht reichte, wollten Gottfried und Wilhelmine wieder kommerzielle Ballonfahrten durchführen. Hierfür ließ Gottfried einen neuen Ballon anfertigen. Sowohl Material als auch Konstruktion entsprachen dem Ballon, der beim erwähnten Absturz von 30. September 1811 in der Sächsischen Schweiz zerstört worden war. Aus Kostengründen erhielt der neue Ballon aber nicht wieder einen Durchmesser von 8,70, sondern nur von 7 Metern. Der neue Ballon wurde am 12. Juli 1816 mit einer Fahrt von Berlin nach Fürstenwalde eingeweiht.

Am 22. Juli 1816 machte Wilhelmine Reichard mit diesem Ballon eine rund 210 Minuten dauernde und schätzungsweise 55 Kilometer lange Zielfahrt von Berlin nach Fürstenwalde. Dies war die längste Ballonfahrt, die Wilhelmine jemals unter- nahm. Während dieser Fahrt kümmerte sich eine Schwester von Wilhelmine um deren Kinder. Nämlich die achtjährige Lina, den sechsjährigen August, die vierjährige Minna Angelika und die am 4. Februar 1816 in Potschappel geborene Wilhel- mine Henriette Hedwig mit dem Rufnamen Hedwig Am 5. August 1816 starb die Tochter Hedwig im Alter von lediglich 26 Wochen. Nur acht Tage später bat Wilhelmine Reichard den Senat der Hansestadt Hamburg um die Genehmigung für eine Ballonfahrt. Schätzungsweise 50.000 Schaulustige verfolgten am 29. August 1816 bei schlechtem Wetter in Hamburg den Aufstieg von Wilhelmine. Dabei bestand die Gefahr, bei Sturm, Regen und dichten Wolken auf die Ostsee hinauszutreiben, wo man sie vermutlich kaum noch rechtzeitig retten hätte können. Um ihre aufkommende Übelkeit zu bekämpfen, griff Wilhelmine zu einer Flasche mit Madeira-Wein und trank einige Schlückchen. Nach einer rund 225 Kilometer weiten Ballonfahrt landete sie bei Malchin in der Mecklenburgischen Schweiz in einem Laubwald inmitten splitternder Äste. Das war ein weiterer persönlicher Rekord. Denn nie zuvor war sie so weit geflogen. Am Tag darauf las man in der „Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“: „Man weiß nicht, wie in ein so zartes, junges Frauenzimmer diese Kühnheit eingekehrt ist.“

Ein sehr kurzer Ballonaufstieg, der nicht als eine der insgesamt 17 Ballonfahrten von Wilhelmine Reichard gewertet wird, erfolgte am 16. September 1816 in Hamburg. Unter den begei- sterten Zuschauern war der 73-jährige Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstatt (1742- 1819), der zusammen mit dem britischen Feldmarschall Wellington (1789-1852) am 18. Juni 1815 bei Waterloo den aus seiner Verbannung auf Elba zurückgekehrten Napoleon endgültig besiegt hatte. Wilhelmine stieg mit dem Fesselballon nur kurze Zeit bis in eine Höhe von etwa 30 Metern auf und warf dabei Blumem ab. Dann wurde der Ballon wieder auf die Erde gebracht und Wilhelmine überreichte Blücher vom Korb aus einen Ehrenkranz. Danach räumt sie den Platz in der Ballongondel für ihren Ehemann Gottfried.

Jede Ballonfahrt von Wilhelmine wurde gemeinsam mit ihrem Ehemann sorgfältig vorbereitet. Zum publikumswirksamen Rahmenprogramm gehörten der Abwurf von Fähnchen und selbstgefertigten Gedichten, Zurschaustellung des Ballons und Zeitungsberichte aus eigener Feder.

Aus finanziellen Gründen kam Gottfried Reichard auf die Idee, künftig zahlende Gäste an Ballonflügen teilnehmen zu lassen. Hierfür erdachte er einen Ballon, der zwei Personen in die Luft befördern konnte. Er ließ den Ballon am so genannten „Äquator“ zerschneiden und einen 3,74 Meter hohen Zylinder einsetzen. Die neue Konstruktion testete er zusammen mit Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785- 1871) als Fahrgast. Seine Ehefrau Wilhelmine und der Graf Roß aus Holland stiegen am 27. Oktober 1816 in Berlin vor den Augen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) im Alter von 52 Jahren. Reproduktion eines Stahlstiches von Auguste Hüssener (1789-1877) aus dem Jahre 1837 mit diesem Ballon auf. Dabei warfen sie Papierblätter mit Gedichten aus dem Korb und ließen zwei Friedenstauben fliegen. In den Folgemonaten meldeten sich offenbar nicht genügend mutige und zahlungskräftige Passiere für Ballon- fahrten. Im Mai 1817 ließ Gottfried Reichard den in die Ballon- hülle eingesetzten Zylinder wieder heraus nehmen.

Im Jahre 1817 unternahm Wilhelmine Reichard wegen einer weiteren Schwangerschaft keine Ballonfahrten, ihr Ehemann dagegen fünf. Am 15. Oktober 1817 brachte die 29-Jährige Wilhelmine in Döhlen ihr fünftes Kind zur Welt. Es war ihr zweiter Sohn namens Gottfried.

Mit einem Ballonaufstieg in Dresden startete Gottfried Reichard in die Saison 1818. Danach unternahm seine Ehefrau Wilhelmine 1818 drei und 1819 vier Ballonfahrten. Ihre Auftritte erfolgten in Braunschweig, Aachen und Brüssel sowie in Hamburg, Lübeck, Doberan und Bremen. Bei der Ballon- fahrt am 9. August 1818 flog sie von Braunschweig aus über Wolfenbüttel in Richtung Asse und Harz, wurde in Richtung Königslutter abgetrieben und landete bei Lehrte. Der Aufstieg von Wilhelmine am 11. Oktober 1818 in Aachen geschah aus Anlass des „Monarchenkongresses“, bei dem sich der preußi- sche König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), der russische Zar Alexander I. (1777-1825) und der österreichische Kaiser Franz I. (1768-1835) über die „Festigung der Restauration in Frankreich“ berieten.

Am 6. Juli 1819 starb die berühmte französische Ballonfahrerin Sophie Blanchard (1778-1819), die zeitweise auch in Deutschland aufgetreten war. Bei ihrer 67. Ballonfahrt setzte ein von ihr abgeworfener Feuerwerkskörper den Ballon in Brand. Sophie stürzte aus rund 300 Metern Höhe ab und wurde auf einem Hausdach zerschmettert.

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Details

Titel
Wilhelmine Reichard
Untertitel
Die erste Ballonfahrerin in Deutschland
Veranstaltung
-
Autor
Jahr
2010
Seiten
74
Katalognummer
V145752
ISBN (eBook)
9783640545742
ISBN (Buch)
9783656840152
Dateigröße
3589 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Wilhelmine Reichard, Ballonfahrerin, Luftfahrtpionierin, Luftfahrt, Frauenbiografien, Biografien, Ernst Probst
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2010, Wilhelmine Reichard, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145752

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