Vorsteuer und Vorsteuerberichtigung


Seminararbeit, 2009

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 VORSTEUERABZUG
2.1 Bedeutung des Vorsteuerabzugs im Umsatz-steuersystem
2.2 Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug
2.2.1 Persönliche Voraussetzungen
2.2.2 Sachliche Voraussetzungen
2.2.2.1 Vorsteuerabzug aufgrund Rechnung mit gesondertem Steuerausweis
2.2.2.2 Vorsteuerabzug ohne gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung
2.3 Einschränkungen des Vorsteuerabzugs
2.3.1 Nutzungsartbedingter Ausschluss vom Vorsteuerabzug
2.3.2 Aufwandsartbedingter Ausschluss vom Vorsteuerabzug
2.3.3 Umsatzartbedingter Ausschluss vom Vorsteuerabzug

3 VORSTEUERAUFTEILUNG

4 VORSTEUERBERICHTIGUNG
4.1 Tatbestandsvoraussetzungen
4.2 Berichtigungszeitraum
4.3 Berichtigungsverfahren

5 FAZIT

LITERATUR- UND INTERNETQUELLENVERZEICHNIS

RECHTSQUELLENVERZEICHNIS

ANLAGENVERZEICHNIS

ANLAGEN

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Was mit einer reichseinheitlichen Stempelsteuer - verursacht durch den gewaltigen Finanzbedarf im Ersten Weltkrieg - begann, entwickelte sich entlang einer Kette von Reformen hin zur heute gültigen Umsatzsteuer.1 Mit einem Steueraufkommen in Höhe von rund 176 Mrd. € im Jahr 2008 stellt sie die derzeit ergiebigste Steuerquelle der Bundesrepublik Deutsch- land dar.2

Die Grundlagen des materiellen Umsatzsteuerrechts ergeben sich im Wesentlichen aus der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), die am 1.1.2007 in Kraft getreten ist und im Grunde eine Neufassung der bis dahin gültigen 6. EG-Richtlinie (EG-RL) darstellt. Da die MwStSystRL die europäischen Bürger nicht unmittelbar verpflichtet, sondern ausschließlich an die Mitgliedsstaaten der EU gerichtet ist, bedarf es einer Transforma- tion in das jeweilige nationale Umsatzsteuerrecht,3 was auf deutscher Ebene in Form des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und der Umsatzsteu- erdurchführungsverordnung (UStDV) umgesetzt wird. Die Verwaltung ist darüber hinaus an die Umsatzsteuerrichtlinien (UStR), die Schreiben des BMF sowie an die Erlasse der jeweiligen Finanzministerien der Länder und die Verfügungen der Finanzdirektion gebunden.

Ein zentraler Begriff des Umsatzsteuerrechts ist das Recht des Unter- nehmers auf Vorsteuerabzug, das nach ständiger Rechtsprechung einen fundamentalen Grundsatz des durch das Gemeinschaftsrecht geschaffe- nen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt.4 Aus Sicht des Staa- tes erweist sich dieses Recht als mit geringem administrativen Aufwand verbunden, gleichzeitig führt die hierbei nötige Selbstständigkeit der Un- ternehmer jedoch zu einer erhöhten Betrugsanfälligkeit des Systems.5 Der Gesetzgeber versucht daher, diesem Risiko durch eine Vielzahl vom Ein zelmaßnahmen und Regulierungen zu begegnen und knüpft die Beschränkungen des Vorsteuerabzugs an strenge Voraussetzungen. Diese Maßgaben sind der Gegenstand dieser Arbeit.

1.2 Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit widmet sich der Relevanz der Vorsteuer und der damit einhergehenden Vorsteuerberichtigung im deutschen Umsatzsteu- ersystem.

Kapitel 2 ordnet die Bedeutung des Vorsteuerabzugs in die Systematik des Umsatzsteuerrechts ein und verdeutlicht hiermit die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Intention dieser Rechtsordnung. Die einschlägigen Voraussetzungen, an die das Recht zum Vorsteuerabzug anknüpft, wer- den anschließend näher erläutert. Dabei wird sowohl auf die persönlichen Voraussetzungen des betroffenen Personenkreises als auch auf sachliche Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Art des steuerbaren Ein- gangsumsatzes eingegangen. In welchen Fällen ein solcher Vorsteuerab- zug eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen wird, verdeutlicht der nach- folgende Abschnitt. Die Darstellungen des Kapitels gehen insbes. auch auf die aktuelle Rechtsprechung ein und unterstreichen somit die Praxis- relevanz dieser Thematik.

Den Kern des dritten Kapitels bildet die besondere Problematik der Vorsteueraufteilung bei sog. Mischumsätzen, die nur zum Teil zum Vorsteuerabzug berechtigen. Es wird verdeutlicht, in welchen Fällen eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nötig ist und nach welchen Gesichtspunkten man diese Aufteilung vornimmt.

Kapitel 4 zeigt abschließend auf, unter welchen Aspekten der Gesetzge- ber eine Berichtigung des vorgenommenen Vorsteuerabzugs fordert und welche Unterscheidungen hierbei beachtet werden müssen. Anhand ei- nes Fallbeispiels wird das Verfahren einer Vorsteuerberichtigung disku- tiert und somit praxisnah erörtert, welche Schritte hier vom Gesetzgeber vorgesehen sind.

Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse. Es wird ein Vorschlag unterbreitet, wie der Problematik auf Unternehmensebene begegnet werden kann und welche Schritte seitens der Europäischen Kommission noch notwendig sind, um das gemeinsame Mehrwertsteuersystem endgültig umzusetzen und einfacher zu gestalten.

2 Vorsteuerabzug

2.1 Bedeutung des Vorsteuerabzugs im Umsatz- steuersystem

Das Umsatzsteuergesetz baut auf eine Netto-Allphasen-Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug auf. Diesem Begriff unterliegen verschiedene Charakteristika des Umsatzsteuersystems.

Erhoben wird die Umsatzsteuer grundsätzlich auf allen Stufen wirtschaftli- cher Betätigung (Allphasen-Steuer). Bemessungsgrundlage für die Steuer ist das Entgelt ohne die Steuer selbst (Nettowert) - Umsatzsteuer wird damit nicht auf Umsatzsteuer erhoben. Dieses Grundprinzip gewährleistet eine wettbewerbsneutrale Umsatzbesteuerung, indem eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist6 und nicht etwa durch Kumulationsef- fekte solche Unternehmen begünstig werden, die mehrere Leistungsstu- fen innerhalb ihres Unternehmens bündeln. Besteuert wird demnach nur die vom jeweiligen Unternehmer erzielte Wertschöpfung (Mehrwert). Die endgültige Belastung soll folglich beim Endverbraucher eintreten, was dadurch erreicht wird, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer im Preis einer Ware überwälzt.7

Eine Entlastung des Unternehmers tritt dann ein, wenn er von seinem in § 15 UStG spezifizierten Recht zum Vorsteuerabzug Gebrauch macht. Die auf unternehmerisch genutzten Eingangsleistungen, Einfuhren, innerge- meinschaftlichen Erwerben oder Auslagerungen aus Umsatzsteuerlagern lastende Umsatzsteuer wird von der eigenen Umsatzsteuerschuld abge- zogen. Fraktioniert wird die Umsatzsteuer demnach zwar bei allen Unter- nehmern erhoben, der Fiskus erhält den Umsatzsteuerertrag jedoch erst endgültig, wenn der Unternehmer eine Leistung an einen Verbraucher erbringt, der vom Abzug der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer ausgeschlossen ist.8

2.2 Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug

2.2.1 Persönliche Voraussetzungen

Zum Vorsteuerabzug berechtigt sind gem. § 15 Abs. 1 UStG ausschließlich Unternehmer im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit.9 Die Unternehmereigenschaft wird in § 2 UStG geregelt, wonach grundsätzlich drei Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen müssen:

Es ist zunächst erforderlich, dass es sich um ein umsatzsteuerlich rechts- fähiges Gebilde handelt. Die Steuerrechtsfähigkeit ist hierbei wesentlich weiter gefasst als die allgemeine Rechtsfähigkeit des Zivilrechts.10 Art. 9 Abs. 1 der MwStSystRL definiert hierbei einen sehr weiten Anwen- dungsbereich, der sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen erfasst und bspw. auch die GbR oder die Grundstücksgemeinschaft11 unter dem Unternehmerbegriff subsumiert.

Zweitens muss eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit erfolgen, die vorliegt, wenn der Betreffende nachhaltig und mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.12 Dabei ist es nicht erforderlich, dass eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, es geht lediglich um das Erzielen von Einnahmen.13

Schließlich muss der Betreffende selbstständig handeln, d.h. er darf nicht im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder einer Organschaft tätig werden.14

Eine Gleichstellung mit dem Unternehmer regelt § 2a UStG für jemanden, der neue Fahrzeuge unter den im Gesetz beschriebenen Voraussetzun- gen liefert.

Ob der Leistungsempfänger Unternehmer ist, entscheidet sich ausschließlich nach dem deutschen UStG, wobei es bedeutungslos ist, ob der Unternehmer im Inland ansässig ist. Damit ist ein Vorsteuerabzug auch für im Ausland ansässige Unternehmer zulässig, die im Inland steuerpflichtige Leistungen empfangen haben.15

2.2.2 Sachliche Voraussetzungen

2.2.2.1 Vorsteuerabzug aufgrund Rechnung mit gesondertem Steuerausweis

Aus § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG ergibt sich unmittelbar, dass nur diejeni- gen Steuerbeträge abziehbar sind, die nach dem deutschen UStG ge- setzlich geschuldet werden.16 Unternehmer, die mit ausländischen Vor- steuerbeträgen belastet wurden, haben sich wegen eines eventuellen Abzugs an den Staat zu wenden, der die Steuern erhoben hat (Vergü- tungsverfahren).17

Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestimmt sich nach den in Abschn. 192 Abs. 2 UStR genannten Voraussetzungen, welche „insgesamt erfüllt“ werden müssen und nachfolgend erläutert werden.

Materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist der Besitz einer Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG, in welcher die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen sein muss.18 Die Anforderungen an den Inhalt der Rech- nung sind seit 1.1.2004 wesentlich verschärft worden.19 Nur bei Erfüllung sämtlicher geforderter Angaben (d.h. die Angaben müssen vollständig und richtig sein) ist ein Vorsteuerabzug zulässig. Im Umkehrschluss be- deutet dies: Fehlen derartige Angaben oder sind sie unzutreffend, hat dies zwingend den Verlust des Vorsteuerabzugs zur Folge. Der Leistungs- empfänger hat die in der Rechnung enthaltenen Angaben daher auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Sind Mängel ersichtlich, so kann eine Berichtigung der Rechnung durch den Rechnungsaussteller verlangt werden (vgl. § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG, § 31 Abs. 5 UStDV, Abschn. 188a UStR). Wird der in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbetrag nachträglich berichtigt oder ist eine Entgeltminderung eingetreten, muss der Leistungsempfänger nach § 17 Abs. 1 UStG die Vorsteuer entspre- chend richtig stellen.

Wer unrichtige Umsatzsteuer oder - weil er keine Leistung erbringt oder kein regelversteuerter Unternehmer ist - unberechtigt Umsatzsteuer aus- weist, schuldet diesen (Mehr)Betrag nach § 14c UStG. Wird der unrichtige Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt, haben so- wohl der leistende Unternehmer als auch der Leistungsempfänger die Unternehmer führen. Vgl. zum neuen Vorsteuer-Vergütungsverfahren ausführlich Langer, in: DB 2009, S. 647ff. sowie Atanasova/Maunz, in: DStR 2009, S. 1185ff. jeweiligen Beträge zu korrigieren (vgl. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG, § 17 Abs. 1 UStG analog).20

Sonderfälle einer ordnungsgemäßen Rechnung sind die Kleinbetragsrechung (§§ 33, 35 UStDV) und die Fahrausweise (§§ 34, 35 UStDV).

Der Vorsteuerabzug des Unternehmers setzt ferner voraus, dass die Lie- ferung oder sonstige Leistung von einem Unternehmer an ihn selbst erb- racht wurde - der Leistende muss demnach ebenfalls Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sein. Vorsteuerbeträge, die ein Nichtunternehmer in Rechnung stellt, können grundsätzlich nicht abgezogen werden, selbst wenn in die- sem Fall der ausgewiesene Betrag vom Rechnungsaussteller nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet wird.21

Beispiel:

Der Beamte B veräußert dem Unternehmer A seinen PKW. A nutzt den PKW aus- schließlich für betriebliche Zwecke. Auf Drängen des A stellt B ihm folgende Rech- nung aus:

Lieferung eines gebrauchten Audi A4 15.000,- € zzgl. 19% USt 2.850,- € Rechnungsbetrag 17.850,- €

Beurteilung:

A kann keinen Vorsteuerabzug aus der Rechnung vornehmen, da die Leistung nicht von einem anderen Unternehmer ausgeführt wurde. Es liegen damit nicht sämtliche Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG vor. B schuldet die ausgewiesene Steuer i.H.v. 2.850,- € gem. § 14c Abs. 2 UStG.

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen22 bzw. daraus, wer nach außen als Leistender aufgetreten und damit aus dem Rechtsgeschäft berechtig und verpflichtet ist.23

Eine weitere Voraussetzung des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist, dass die Lieferungen oder sonstigen Leistungen für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt worden ist. Der BFH stellt hierbei auf das schuldrechtliche Vertragsverhältnis ab, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt.24 Demnach ist als Leistungsempfänger regelmäßig der Auftraggeber bzw. Besteller der Leistung anzusehen.

Errichten Eheleute auf einem gemeinschaftlichen Grundstück ein Gebäude, so kommen als Leistungsempfänger sowohl die Ehegattengemeinschaft als auch ein einzelner der Ehegatten in Betracht. Sofern nur einer der Ehegatten Leistungsempfänger ist, muss sich dies eindeutig aus der Auftragserteilung ergeben und die tatsächliche Durchführung muss den getroffenen Vereinbarungen entsprechen.25

Beim Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Gemeinschaft, um zusammen eine Leistung zu beziehen, ging die Verwaltung lange Zeit davon aus, dass nur die Gemeinschaft Leistungsempfänger ist. Abwei- chend hiervon entschied der EuGH mit Urteil vom 21.4.2005.26 Entspre- chend diesem Urteil hat dann auch der BFH einem unternehmerisch täti- gen Ehegatten den Vorsteuerabzug für sein Arbeitszimmer im der Ehe- gattengemeinschaft gehörenden Haus zugebilligt.27 Der Vorsteuerabzug wurde gewährt, obwohl die Rechnung nicht auf den Ehegatten selbst, sondern auf die Eheleute ausgestellt war.

Die Voraussetzung schließt gleichermaßen ein, dass die Leistung in die unternehmerische Sphäre eingeht, d.h. sie darf nicht in die Privatsphäre ausgeführt worden sein.28 Maßgeblich sind hierbei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistung.29 Ein Vorsteuerabzug ist also dann nicht möglich, wenn ein Gegenstand zunächst für private Zwecke erworben wurde und der Verwendungszweck zu einem späteren Zeitpunkt dahingehend ver- ändert wird, dass der Gegenstand dem Unternehmen dienen soll.

Beispiel:30

Der Unternehmer U erwirbt am 1.3.2009 vom Kunsthändler K ein Gemälde für 20.000,- € zzgl. 1.400,- € USt, um es in seiner Privatwohnung aufzuhängen. Nach zwei Wochen hat er sich so daran satt gesehen, dass er es aus seiner Wohnung entfernt und stattdessen in der Kantine seines Unternehmens aufhängt.

Beurteilung:

Im Zeitpunkt der Lieferung des Gemäldes von K an U hatte U nicht die Absicht, das Gemälde für sein Unternehmen zu verwenden. Deshalb ist die Leistung nicht an sein Unternehmen, sondern an seinen Privatbereich erfolgt. Ein Vorsteuerabzug für das Gemälde ist somit ausgeschlossen, obwohl die Zuführung zum Unternehmen noch im selben Veranlagungszeitraum erfolgte. Bei dieser Zuführung handelt es sich um eine Einlage aus dem Privatbereich in das Unternehmen, welche grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Lange Zeit war man sich uneinig darüber, ob ein Unternehmer Vorsteuern für Leistungsbezüge für ein geplantes Unternehmen abziehen kann.31 Der EuGH und der BFH klärten diese Frage durch ihre Entscheidungen, wo- nach eine Vorsteuer abziehbar ist, wenn der betroffene Unternehmer durch objektive Anhaltspunkte belegen kann, eine zu steuerbaren Umsät- zen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen.32 Solche vorberei- tenden Handlungen können bspw. in Form eines Kaufs von typischen Einrichtungsgegenständen oder der Anmietung entsprechender Räum- lichkeiten erfolgen.

Sofern die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 u. 2 UStG gegeben sind und die Vorsteuer damit zunächst als abziehbar zu qualifizieren ist, steht dem Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt des Leistungsempfangs zu (sog. Sofortabzug).33 Voraussetzung hierfür ist, dass die bezogene Eingangsleistung auch als abzugsfähig zu qualifizieren ist, d.h. nicht für solche Ausgangsleistung verwendet wird, die den Vorsteuerabzug ausschließen.34

Abweichend vom Grundsatz des Leistungsempfangs enthält § 15 Abs. 1

S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG eine Sonderregelung. Sofern eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung mit gesondertem Steuerausweis vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist, ist auch ein Vorsteuerabzug auf eine Zahlung vor Ausführung der betreffenden Leistung möglich (z.B. bei An- zahlungen).

2.2.2.2 Vorsteuerabzug ohne gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung

Als Vorsteuer kann gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG auch die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) für Gegenstände, die für das Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG in das Inland eingeführt worden sind, abgezo- gen werden. Eine Einfuhr liegt dann vor, wenn Drittlandsware im Inland35 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt wird.36 Zum Ab- zug der EUSt ist grundsätzlich derjenige berechtigt, der zu diesem Zeit punkt die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand besitzt.37 Maßgeblich ist in jedem Fall, dass die EUSt auch tatsächlich entrichtet wurde, d.h. erst zum Zeitpunkt der Zahlung ist ein Vorsteuerabzug der EUSt möglich. Formal hängt der Abzug vom Nachweis der entrichteten EUSt ab, welcher durch einen zollamtlichen Beleg zu führen ist.38 Der Tatbestand der Einfuhr nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG erstreckt sich aus- schließlich auf Gegenstände. Sofern es sich bei der eingeführten Leistung um eine sonstige Leistung handelt, wird sie von der EUSt nicht erfasst. In solchen Fällen hat der Empfänger den Vorsteuerabzug im Ausgangsstaat (Drittland) vorzunehmen.39

Beispiel 1:40

L in Oslo (Norwegen) liefert an A in Stuttgart Stahlbleche zur Lieferkondition unverzollt und unversteuert. A zahlt entsprechend die EUSt i.H.v. 21.000,- €. A will die von ihm entrichtete EUSt als Vorsteuer geltend machen. Der Transport der Stahlbleche erfolgte durch einen von L beauftragten Frachtführer.

Beurteilung:

Die Stahlbleche sind für denjenigen eingeführt worden, der bei der Einfuhr die Verfü- gungsmacht an den Stahlblechen hat bzw. für den die Verfügungsmacht bei der Ein- fuhr nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG fingiert wird (vgl. Abschn. 199 Abs. 4-6 UStG). Die Lieferung von L an A gilt gem. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG in Oslo als bewirkt. Eine Verla- gerung des Lieferorts nach § 3 Abs. 8 UStG tritt nicht ein, weil nicht L, sondern A die EUSt entrichtet hat. Damit hat A bei der Einfuhr (Freigabe zum freien Verkehr) die Verfügungsmacht. Folglich kann A die EUSt als Vorsteuer abziehen, sofern die übri- gen Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl. Abschn. 199 Abs. 5 S. 2 UStR).

Beispiel 2:

Der Lederwarenhersteller L in Stuttgart bestellt beim Lederwarenfabrikanten F in Zü- rich (Schweiz) 10 Lederjacken zur Lieferkondition verzollt und versteuert. F zahlt dementsprechend die EUSt i.H.v. 380,- €. F will die von ihm entrichtete EUSt als Vorsteuer geltend machen. Der Transport der Jacken erfolgte durch einen von F be- auftragten Frachtführer.

Beurteilung:

Die Lederjacken sind für denjenigen eingeführt worden, der bei der Einfuhr die Ver- fügungsmacht an den Lederjacken hat bzw. für den die Verfügungsmacht bei der Einfuhr nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG fingiert wird (vgl. Abschn. 199 Abs. 4-6 UStG). Die Lieferung von F an L gilt gem. § 3 Abs. 6 S. 1 in Zürich als bewirkt. Damit hätte L bei der Einfuhr die Verfügungsmacht. Es tritt jedoch eine Verlagerung des Lieferorts gem. § 3 Abs. 8 ins Inland ein, weil F die EUSt entrichtete. Damit hat L bei der Ein fuhr die Verfügungsmacht. F kann also die EUSt als Vorsteuer abziehen, sofern die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes wurde es möglich, dass grenzüberschreitende Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet nicht mehr der EUSt unterliegen.41 Als Vorsteuer abziehbar ist deshalb aus Gründen der Wettbewerbsneutralität nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG auch die für den innergemeinschaftlichen Erwerb entstandene Steuer für Gegenstände, die für das Unternehmen des Erwerbers bezogen wurden. Voraussetzung für diesen Vorsteuerabzug ist demnach, dass die Erwerb- steuer effektiv angefallen ist - der Gegenstand der Lieferung also im Mit- gliedsland des Abnehmers der Umsatzbesteuerung unterliegt (vgl. § 6a Abs. 1 S .1 Nr. 3 UStG). Darin zeigt sich auch die Besonderheit des in- nergemeinschaftlichen Warenverkehrs: Schuldner der Steuer ist der Er- werber, also der Käufer der Ware und nicht der Lieferer, denn dieser lie- fert gem. § 4 Nr. 1 lit. b UStG steuerfrei. Der erworbene Gegenstand muss beim Erwerb Unternehmensvermögen geworden sein und darf zu- dem nicht für die Ausführung von Umsätzen verwendet werden, die den Vorsteuerabzug ausschließen.42 Der Vorsteuerabzug kann in demselben Zeitpunkt vorgenommen werden, in dem die Erwerbsteuer entsteht (vgl. Abschn. 201 Abs. 3 S. 1 UStG). Dies ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG regelmäßig mit dem Ausstellen der Rechnung der Fall, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats.

Beispiel:

Die Kaufhaus AG, Aschaffenburg, kauft unter Angabe ihrer deutschen USt-ID-Nr. bei einem italienischen Bekleidungshersteller 200 Jeanshosen, die sie ihren Kunden in Aschaffenburg zum Verkauf anbieten will. Der Nettokaufpreis inkl. Anlieferung nach Aschaffenburg durch eine Spedition beträgt 5.000,- €

Beurteilung:

Der italienische Bekleidungshersteller tätigt eine innergemeinschaftliche Lieferung an die Kaufhaus AG in Aschaffenburg. Der Hersteller darf in seiner Rechnung keine USt in Rechnung stellen und muss einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung in der Rechnung aufnehmen.

Für die Kaufhaus AG in Aschaffenburg liegt ein steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb nach den Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 1a Abs. 1 UStG vor. Da der Erwerb von Jeanshosen nach § 4b UStG nicht steuerbefreit ist, unterliegt er der Erwerbsbesteuerung. Die Kaufhaus AG kann die Umsatzsteuer i.H.v. 950,- € ab dem Zeitpunkt, in dem die Umsatzsteuer entstanden ist, wieder als Vorsteuer geltend ma- chen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG).

[...]


1 vgl. Kirchhof, in: DStR 2008, S. 1

2 vgl. BMF, „Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Haus- haltsjahr 2008“, 20.7.2009

3 vgl. Art. 288 EG i.d.F. vom 9.5.2008

4 vgl. EuGH, Urteil vom 18.12.1997, C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, Molenheide u.a., in: UR 1998, S. 470, Rn. 47; EuGH, Urteil vom 25.10.2001, C- 78/00, in: UR 2001, S. 541, Rn. 28

5 Mittler bezeichnet das Recht auf Vorsteuerabzug in diesem Zusammenhang daher als „Achillesferse“ des Mehrwertsteuersystems, vgl. Mittler, UR 2004, S. 1

6 vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.1996, C-317/94, Elida Gibbs, in: UR, 1997, S. 265; ähnlich auch EuGH, Urteil vom 14.2.1985, C-268/83, Rompelmann, in: Slg. 1985, S. 655

7 vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.1999, 2 BvR 1264/90, in: BStBl II, 2000, S. 155

8 vgl. Kirchhof, in: DStR 2008, S. 5; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2009, § 15, Rn. 22

9 vgl. Abschn. 191 Abs. 1 UStR

10 vgl. Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2009, § 2, Rn. 10

11 vgl. zur Unternehmereigenschaft von Ehegatten, die gemeinschaftlich auf einem Grundstück ein Gebäude errichten Leicht, in: Birle et al., BeStLex, 2009, Stichw. Vorsteuer, Rn. 6

12 vgl. zum Begriff der Nachhaltigkeit Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2009, § 2, Rn. 157-161 sowie BFH, Urteil vom 18.7.1991, V R 86/87, in: BStBl II, 1991, S. 776

13 vgl. BFH, Beschluss vom 5.7.2007, V B 117/06, in: BFH/NV, 2008, S. 119

14 vgl. hierzu Abschn. 17 UStR

15 Diese Vorsteuerbeträge werden im sog. Vorsteuer-Vergütungsverfahren erstattet (vgl. § 18 Abs. 9 UStG, §§ 54-61a UStDV). Mit Wirkung vom 1.1.2010 wird die- ses Verfahren neu geregelt und wird vermutlich zu Entlastungen der betroffenen

16 vgl. BFH, Urteil vom 2.4.1998, V R 34/97, in: BStBl II, 1998, S. 695

17 vgl. Abschn. 192 Abs. 1 S. 4 u. 5 UStR

18 vgl. EuGH, Urteil vom 29.4.2004, C-152/02, Terra Baubedarf, in: IStR, 2004, S. 493; BFH, Urteil vom 1.7.2004, V R 33/01, in: BStBl II, 2004, S. 861

19 vgl. hierzu kritisch Paukstadt/Matheis, in: DStR 2005, S. 414ff.

20 Für unberechtigten Steuerausweis fordert § 14c Abs. 2 UStG darüber hinaus, dass eine Berichtigung nicht zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führt und die Berichtigung beim zuständigen Finanzamt beantragt wird, vgl. Abschn. 190d Abs. 3 u. 4 UStR

21 vgl. Abschn. 192 Abs. 1 S. 2 UStR

22 vgl. BFH, Urteil vom 30.9.1999, V R 8/99, in: UR 2000, S. 256

23 vgl. BFH, Beschluss vom 1.10.2003, V B 111/02, in: BFH/NV, 2004, S. 235

24 vgl. Abschn. 192 Abs. 16 S. 1 UStR

25 vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1987, V R 85/83, in: BStBl II, 1988, S. 158

26 vgl. EuGH, Urteil vom 21.4.2005, C-25/03, in: DStR 2005, S. 775 m.A.v.

Küffner/Zugmaier

27 vgl. BFH, Urteil vom 6.10.2005, V R 40/01, in: BStBl II, 2007, S. 13 sowie die Stel- lungnahme des BMF, Schreiben vom 1.12.2006, IV A 5 - S 7300 - 90/06, in: BStBl I, 2007, S. 90

28 vgl. BFH, Urteil vom 18.12.1986, V R 176/75, in: BStBl II, 1987, S. 350

29 vgl. Abschn. 192 Abs. 17 S. 4 u. 5 UStR

30 in Anlehnung an Völkel/Karg, 2007, S. 332

31 vgl. Endriss, SteuerStud, Beilage 1/2004, S. 26

32 vgl. z.B. BFH, Urteil vom 8.3.2001, V R 24/98, in: DStR 2001, S. 700 m.A.v. Klenk

33 vgl. Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2009, § 15, Rn. 50 m.w.N.

34 vgl. hierzu Abschn. 2.3 dieser Arbeit

35 Der Ort der Lieferung bestimmt sich vorbehaltlich diverser Sonderregelungen nach § 3 Abs. 5a i.V.m. § 3 Abs. 6-8 UStG

36 vgl. Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2009, § 15, Rn. 376

37 vgl. BFH, Urteil vom 24.4.1980, V R 52/73, in: BStBl II, 1980, S. 615

38 vgl. Abschn. 199 Abs. 1 S. 2 UStR i.V.m. Abschn. 202 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UStR

39 vgl. Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2009, § 15, Rn. 381

40 in Anlehnung an Völkel/Karg, 2007, S. 353

41 vgl. Vaulont, in: von der Groeben/Schwarze, 2003, EG Art. 24, Rn. 6ff.

42 vgl. Abschn. 201 Abs. 2 S. 1 UStR

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Vorsteuer und Vorsteuerberichtigung
Hochschule
Hochschule Aschaffenburg
Veranstaltung
Schwerpunkt Steuerrecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
43
Katalognummer
V145730
ISBN (eBook)
9783640559695
ISBN (Buch)
9783640560035
Dateigröße
1725 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vorsteuer, Vorsteuerberichtigung, Unternehmerbegriff, Vorsteuerabzug, Mischumsätze, persönliche Voraussetzungen, sachliche Voraussetzungen, Umsatzsteuersystem, Umsatzsteuerschuld, Rechnungsbegriff, Sofortabzug, Abzugsfähigkeit, Steuerausweis, nutzungsartbedingter Ausschluss, aufwandsartbedingter Ausschluss, umsatzartbedingter Ausschluss, Vorsteueraufteilung, Berichtigungszeitraum, Berichtigungsverfahren
Arbeit zitieren
Kathrin Rienecker (Autor:in), 2009, Vorsteuer und Vorsteuerberichtigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145730

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Titel: Vorsteuer und Vorsteuerberichtigung



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