Hegels Phänomenologie des Geistes - Die sinnliche Gewissheit


Seminararbeit, 2002

13 Seiten, Note: gut +


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Die Sonderstellung der sinnlichen Gewissheit

Die sinnliche Gewissheit – eine Röntgenaufnahme.
Einleitung
Selbstüberprüfung
Das Jetzt
Das Hier
Das Ich
Das Ganze der sinnlichen Gewissheit

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die „Phänomenologie des Geistes“ von Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist, wie er in seiner Einleitung zu dem Werk schreibt, die „Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins“. Sie beschäftigt sich mit der Frage nach dem Erkennen und der Erkenntnisfähigkeit.

In diesem Werk zeichnet Hegel die Entwicklung des Geistes von seiner einfachsten Form bloßer, naiver Wahrnehmung (der sinnlichen Gewissheit) bis zum Endpunkt aller Entwicklungsfähigkeit des Geistes, dem absoluten Wissen nach, oder vielmehr: Er lässt das Bewusstsein seine eigene Geschichte schreiben, ähnlich einer Autobiographie. Denn der Phänomenologe hat sich nur aufnehmend, quasi als historischer Protokollant, zu verhalten, wenn jede Bewusstseinsgestalt sich selbst überführt, indem sie durch Selbstüberprüfung Einsicht in ihre Unzulänglichkeit und innere Widersprüchlichkeit bezüglich der Erkenntnisfähigkeit gewinnt, daran verzweifelt, sich selbst somit zwangsläufig destruiert und aus ihr eine neue Bewusstseinsgestalt entsteht, die einer höheren Entwicklungsstufe angehört, als die zuvor zugrunde gegangene. Dabei beginnt jede Gestalt des Bewusstseins wieder auf dem naiven Niveau des Anspruchs auf totale Erkenntnisfähigkeit, führt eine kritische Selbstüberprüfung durch und endet in dem über sich selbst aufgeklärten Status der Verzweiflung an sich selbst.

Dieses Prinzip, das – ähnlich der sokratischen Methode, bei der ein Lehrer nur mithilfe von Fragen an seinen Schüler die Einsicht in einen bestimmten Sachverhalt aus diesem selbst hervorbringt – die Bewusstseinsgestalten zur Selbstthematisierung, zur Selbstüberprüfung auffordert, wird deshalb notwendig, weil ein Eingreifen von außen wenig hilfreich ist bei der Überprüfung einer Erkenntnistheorie; denn so wie die eine Theorie ihr Wissen mithilfe ihres eigenen Seins als Wahrheit behaupten kann, kann das auch jede andere. Hegel formuliert das so: „[…] ein trockenes Versichern gilt aber gerade soviel als ein anderes.“ (S. 60, Z. 16f.)1 Deshalb lässt Hegel das Bewusstsein in seinen Gestalten selbst die eigene Entwicklungsgeschichte schreiben, die dadurch zwangsläufig wird, dass kein Eingriff von außen sondern eine ausschließlich innere Entwicklung in jeweils drei Schritten (naive Bewusstseinsgestalt mit bestimmtem Erkenntnisanspruch – Selbstüberprüfung – Scheitern an sich selbst durch Aufklärung über eigene Widersprüchlichkeit) stattfindet.

Das Ende dieser Entwicklung ist das absolute Wissen, das vollständig über sich selbst aufgeklärt ist, das heißt sich selbst vollständig transparent ist.

Die Sonderstellung der sinnlichen Gewissheit

Die sinnliche Gewissheit ist bei Hegel die erste der Bewusstseinsgestalten; sie hat keinen Vorgänger und ist somit nicht aus einem vorhergehenden Bewusstsein durch dessen Selbstdestruktion hervorgegangen. Ihr Beginnen entspricht in etwa dem ersten Augenaufschlag eines neugeborenen Säuglings, sie stellt nach Hegel das primitivste denkbare Bewusstsein dar.

Die Primitivität der sinnliche Gewissheit bringt gewisse Besonderheiten mit sich, die Hegel dazu zwangen, von der strikten Durchführung seines Prinzips der bloßen Betrachterrolle des Phänomenologen abzurücken und in den Lauf der Selbstentwicklung der sinnliche Gewissheit einzugreifen.

So ist die sinnliche Gewissheit nicht in der Lage, sprachliche Begriffe zu entwickeln, was eine advokatorische Selbstüberprüfung durch den Phänomenologen notwendig macht, da eine Nachzeichnung der Entwicklung ohne diese Begrifflichkeit schlicht unmöglich ist, weil.

Da die sinnliche Gewissheit sich selbst nicht durchhält, d.h. sich mit ihrem jeweiligen Gegenstand ändert (→ „Das Ganze der sinnlichen Gewissheit“) und zu einer anderen wird, ist es zumindest fragwürdig, ob sich aus ihr überhaupt eine neue Bewusstseinsgestalt entwickeln kann.

Die sinnliche Gewissheit – eine Röntgenaufnahme

Einleitung

Zu Beginn des Kapitels „Die sinnliche Gewissheit“ stellt Hegel die sinnliche Gewissheit vor und skizziert ihren Anspruch in Bezug auf Erkenntnisfähigkeit. Ebenso zeigt er bereits ihr Ende und den Grund ihrer Selbstdestruktion auf.

Danach ist der Anspruch der sinnliche Gewissheit, das Einzelne aufzunehmen, und zwar direkt und unmittelbar, ohne eine kognitive Leistung dabei zu vollbringen; so ist „von dem Auffassen das Begreifen abzuhalten“ (S. 69,Z. 8).

Sie hätte dann die „reichste Erkenntnis“ (S. 69, Z. 11), denn durch die Unmittelbarkeit ihrer Wahrnehmung wird noch nichts von dem Gegenstand ihrer Betrachtung weggelassen, die sinnliche Gewissheit würde die Wirklichkeit wahrnehmen, wie sie an sich ist, sie würde also unvermittelt das Wesen des Seins in ihr Wissen überführen.

Die Wahrheit der sinnliche Gewissheit soll die einfache Unvermitteltheit sein; der Hauptunterschied, den es in ihr gibt, ist der zwischen dem Ich, als (bloß aufnehmendes) Bewusstsein (Dieser) und dem Gegenstand der sinnliche Gewissheit, welcher keine mannigfaltigen Eigenschaften bzw. Vermittlungen an sich hat (Dieses); er ist vielmehr zu verstehen als in sich unvermittelt, ein einfaches An-sich-Seiendes, also ohne Vergleich oder Bezug auf etwas anderes.

Auch die Beziehung zwischen dem in sich unvermittelten – das heißt einfachen, unreflektierten - Dieser und dem ebensolchen Dieses ist unmittelbar und unvermittelt, was auch der Grund dafür ist, dass das Begreifen, also das Verändern der Wahrnehmungsinhalte durch das Bewusstsein, von dem Auffassen, dem Wahrnehmen abzuhalten ist. Es soll eine einfache Verbindung zwischen dem Ich als Betrachter und dem Gegenstand als ihm Gegenübergestellter hergestellt werden.

Die (advokatorische) Selbstüberprüfung zeigt aber, dass die sinnliche Gewissheit in Wahrheit die „ärmste Wahrheit“ (S. 69, Z. 20) ist, denn alles, was sie über ihren Gegenstand aussagen kann ist: „Es ist“ – und eigentlich nicht einmal das, da sie nicht über (sprachliche) Begriffe verfügt. Sie kann also nur das bloße Sein ihres Gegenstandes als Wahrheit haben, es fehlt jegliche Beschreibung ihres Gegenstandes, die Eigenschaften ihres Gegenstandes sind ihr gleichgültig. Das bedeutet, dass sie nur das Allgemeine, nicht das Einzelne als ihr Wesen haben kann.

Damit kann sie auch ihrem Vollständigkeitsanspruch – nämlich den Gegenstand vollständig und an sich wahrzunehmen – nicht mehr gerecht werden, da sie nichts weiter über ihn kennt als seine Existenz (noch nicht einmal ein „Da ist“ ist möglich, da hier schon eine Vermittlung bezüglich des Raumes stattgefunden hat).

[...]


1 Sämtliche Seiten- und Zeilenangaben beziehen sich – soweit nicht anders vermerkt – auf die Werkausgabe von Hans-Friedrich Wessel u. Heinrich Clairmont (Hrsg.), Hamburg: Meiner, 1988

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Hegels Phänomenologie des Geistes - Die sinnliche Gewissheit
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Hegel - Phänomenologie des Geistes - Ein Lektürekurs für Anfänger
Note
gut +
Autor
Jahr
2002
Seiten
13
Katalognummer
V14569
ISBN (eBook)
9783638199315
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hegels, Phänomenologie, Geistes, Gewissheit, Hegel, Phänomenologie, Geistes, Lektürekurs, Anfänger
Arbeit zitieren
Dennis Clausen (Autor:in), 2002, Hegels Phänomenologie des Geistes - Die sinnliche Gewissheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14569

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