Akquisitionen und Selbstüberschätzung

Eine empirische Studie des deutschen Marktes


Bachelorarbeit, 2009

60 Seiten, Note: 1,0 (95%)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erklärungsansätze für Fusionen und Übernahmen aus der Verhaltensökonomik
2.1. Theoretische Ansätze der Behavioral Corporate Finance
2.2. Selbstüberschätzung und Akquisitionen

3. Modelle zur Messung von Selbstüberschätzung unter Managern
3.1. Ausübungsverhalten bei Aktienoptionsplänen
3.2. Firmen-Performance, Bezahlung und Lob in der Presse
3.3. Modellierung durch empirische Erhebung
3.4. Bezeichnung in der Presse
3.5. Das Frequent Acquirer-Modell
3.6. Auswahl des Modells für den deutschen Markt

4. Daten und Methoden
4.1. Daten
4.2. Angewendete Methodik
4.3. Deskriptive Statistik

5. Untersuchung auf Selbstüberschätzung
5.1. Kurzfristige Ankündigungseffekte
5.1.1. Ankündigungseffekte und Selbstüberschätzung
5.1.2. Ankündigungseffekte und Self-Attribution Bias
5.2. Langfristige Performance

6. Kritische Würdigung und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die empirische Corporate Finance-Forschung der letzten Jahrzehnte hat zu den Trends und Charakteristika von Fusionen und Übernahmen aufschlussreiche Ergebnisse aufzeigen können. Zahlreiche Event-Studien zeigen, dass Merger1 Shareholder-Value schaffen, wobei der Großteil des Shareholder Value-Anstiegs dem Zielunternehmen zufällt, und die Aktionäre entweder nur einen geringen Anstieg oder sogar einen Verlust an Shareholder Value verbuchen müssen (siehe u. a.: Jensen und Ruback, 1983; Bradley et al., 1988; Mulherin und Boone, 2000; Andrade et al., 2001; Moeller et al., 2005).

Die Frage nach den Determinanten von Transaktionen kann allerdings bis heute nicht schlüssig erklärt werden. Grundannahme in den meisten Arbeiten war dabei die Rationalität der Marktakteure und Effizienz der Märkte. Dementsprechend standen als Gründe für Fusionen und Akquisitionen harte Faktoren wie Synergien, die Schaffung von Marktmacht, ein schlechtes Management des Zielunternehmens und die Principal-Agent- Thematik im Zentrum der Forschung.

Vernachlässigt wurde in der Empirie lange Zeit, dass die Realität des wirtschaftlichen Handelns sehr oft nicht mit den Modellen der klassischen Volkswirtschaftslehre übereinstimmt: Personen bilden und leiten Unternehmen, und die Annahme, dass diese Individuen allesamt rationale Marktakteure sind, kann die psychologische Forschung in vielen Arbeiten widerlegen (Kahneman und Tversky, 2000; Gilovich et al., 2002).

Die Verhaltensökonomik versucht Aktionen und Entscheidungen, die mit dem klassischen Homo-Oeconomicus-Modell nicht erklärt werden können, auf ihre Ursachen zu untersuchen. Hier hat in den letzten Jahren das Forschungsgebiet Behavioral Corporate Finance als Teilgebiet der Verhaltensökonomik entscheidend an Gewicht gewonnen. Die realitätsferne Annahme rein rationalen Verhaltens bei Akquisitionsentscheidungen wird dabei - zumindest in Teilbereichen - aufgelöst. Irrationales Handeln wird als neue, zusätzliche Determinante für Transaktionen diskutiert, dabei nimmt Selbstüberschätzung im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen unter Managern in der bereits geleisteten Forschung eine zentrale Rolle ein. Selbstüberschätzung bedeutet hierbei zum einen die Überbewertung der eigenen Fähigkeiten, das Akquisitionsobjekt besser als das vorherige Management führen zu können, und zum anderen die Überschätzung der Synergien, die durch eine Übernahme generiert werden können. Ein weiterer Aspekt, der im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, ist die Entwicklung von Selbstüberschätzung unter Managern durch „Self-Attribution Bias“. „Self-Attribution Bias“ bzw. „Self-Serving Bias“ beschreibt dabei das in zahlreichen psychologischen Arbeiten beobachtete Phänomen, dass Individuen bei positiven Resultaten dem Einfluss ihres eigenen Handelns einen zu großen Anteil zuschreiben, bei schlechten Resultaten hingegen einen zu großen Anteil externen Faktoren oder Pech. (Gilovich et al., 2002; Kahneman und Tversky, 2000). Erfolg resultiert automatisch in zunehmender Selbstüberschätzung, da die Ursachen des Erfolges nicht hinterfragt werden.

Diese Arbeit untersucht den Effekt von Hybris2 sowie deren Entwicklung durch Self- Attribution Bias bei Akquisitionen deutscher Unternehmen. Zu diesem Zweck werden kurzfristige Ankündigungseffekte sowie die langfristige Entwicklung von Aktienkursen von akquirierenden Unternehmen untersucht. Die Datenbasis bildet ein von Rustige und Grote (2009) zusammengestellter Datensatz, der Akquisitionen von im HDAX gelisteten Unternehmen im Zeitraum von 1996 bis 2005 enthält.

Die vorliegende Untersuchung gliedert sich wie folgt: In Kapitel zwei wird zunächst ein kurzer Überblick über das Forschungsgebiet Behavioral Corporate Finance gegeben, dabei werden zum einen verschiedene Ansätze in diesem Gebiet vorgestellt, zum anderen wird auf die Ergebnisse bereits geleisteter empirischer Arbeiten zum Thema Selbstüberschätzung und Akquisitionen eingegangen. Im dritten Abschnitt werden verschiedene, in der Forschung zur Anwendung kommende Modelle zur Messung von Selbstüberschätzung beschrieben und auf ihre Anwendbarkeit für den vorliegenden Datensatz geprüft. Kapitel vier geht kurz auf die Daten und Methoden ein, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel fünf dargelegt, wobei sowohl auf die Auswertung der kurzfristigen Ankündigungseffekte als auch die langfristige Performance eingegangen wird. Die vorliegende Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der zentralen Ergebnisse.

2. Erklärungsansätze für Fusionen und Übernahmen aus der Verhaltensökonomik

2.1. Theoretische Ansätze der Behavioral Corporate Finance

In dem noch jungen Forschungsgebiet der Behavioral Corporate Finance liegt der Fokus in erster Linie auf den zentralen Akteuren eines Akquisitions- bzw. Fusionsprozesses, den Managern und Investoren. Es können zwei konzeptionell verschiedene Ansätze in der Literatur beobachtet werden. Nach Baker et al. (2004) können diese Herangehensweisen als „Irrational Investors Approach“ bzw. als „Irrational Managers Approach“ unterschieden werden.

Beim „Irrational Investors Approach“ werden zwei grundlegende Annahmen getroffen: Die am Markt agierenden Investoren sind nicht rational, Manager allerdings verhalten sich rational und nutzen das irrationale Verhalten der Investoren zu Gunsten des eigenen Unternehmens aus. Nach der Effizienzmarkthypothese (EMH) spiegelt in einem effizienten Markt der Preis eines Wertpapiers immer die vorhandenen Informationen wider (Fama, 1970). Lange Jahre wurde diese Hypothese, der das rein rationale Handeln der Marktakteure zu Grunde liegt, für die realen Finanzmärkte als unumschränkt gültig betrachtet. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Indizien gefunden, dass Finanzmärkte alles andere als effizient sind, und der Einfluss der Faktoren wie beispielsweise Arbitrage, die zu mehr Effizienz im Markt führen, wesentlich schwächer zu bewerten sind als von den Verfechtern der EMH ursprünglich angenommen. Mittlerweile wird von vielen Wissenschaftlern vermutet, dass in Finanzmärkten signifikante und systematische Abweichungen von Markteffizienz in Form von Mispricing dauerhaft existieren können (Shleifer, 2000; Barberis und Thaler, 2003). Manager hingegen - als rational agierende Individuen - nutzen diese am Markt auftretenden Ineffizienzen gezielt aus. Vertreter des „Irrational Investors Approach“ führen als Begründung für die Fähigkeit der Manager, Mispricing zu identifizieren, unterschiedliche Gründe an: Erstens haben Führungskräfte Zugriff auf bessere Informationen über das eigene Unternehmen, zweitens haben Führungskräfte aus der Realwirtschaft größere Freiheiten als Manager aus der Finanzwirtschaft und drittens wird angeführt, dass Manager auf Heuristiken vertrauen können, die es ihnen ermöglichen, Mispricing auszumachen ohne einen Informationsvorsprung vor den Investoren zu besitzen (Baker et al., 2004). Im Kontext von Unternehmensfusionen und -übernahmen gibt es ebenfalls Hinweise dafür, dass Marktineffizienz eine Determinante für Übernahmen und Fusionen darstellt bzw. den Preis für diese Übernahmen mitbestimmt (siehe u. a.: Baker et al., 2007; Shleifer und Vishny, 2003).

Der „Irrational Managers Approach“ legt den gegensätzlichen Ansatz zugrunde. Während Finanzmärkte als effizient angenommen werden, agieren Manager nicht immer so, wie man es von einem Homo Oeconomicus erwarten sollte. Ihre Aktionen können dementsprechend von dem abweichen, was den erwarteten Nutzen des Unternehmens maximieren würde. Allerdings liegt in der Behavioral Corporate Finance der Fokus nicht auf Maßnahmen, die eingeleitet werden, weil eine Divergenz in der Nutzenmaximierung des Unternehmens bzw. den Aktionären und der Führungskraft existiert. Dieser Punkt wird in der Agenturtheorie analysiert. Der „Irrational Managers Approach“ konzentriert sich im Gegensatz hierzu auf Unternehmenskäufe, bei denen Manager zwar in bester Absicht den Nutzen des Unternehmens zu maximieren aber unbewusst gegen das Interesse des Unternehmens bzw. der Anteilseigner agieren (Baker et al., 2004). Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei die Faktoren Überoptimismus und Selbstüberschätzung.

2.2. Selbstüberschätzung und Akquisitionen

Spieltheoretisch betrachtet stellen Akquisitionen eine klassische Entscheidung unter Risiko dar. Es kann zwar in der Gegenwart entschieden werden, ob eine Übernahme getätigt wird, der Erfolg einer Transaktion ist allerdings von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Ein rationales Individuum würde unter Einbezug aller möglichen Szenarien die Akquisition durchführen, wenn der Nettobarwert (NBW) der gesamten Investition einen Wert größer null hat und demnach einen positiven ROI aufweist.

Gegen einen wie oben dargestellten Prozess bei der Akquisitionsentscheidung sprechen aus der Perspektive der psychologischen und verhaltensökonomischen Forschung eindeutig folgende drei Punkte: Erstens sind Menschen überoptimistisch in Bezug auf Entwicklungen, die sie persönlich nicht beeinflussen können, zweitens tendieren sie dazu, ihren eigenen Einfluss auf rein zufällige Entwicklungen zu überbewerten und drittens überschätzen sie ihre eigenen Fähigkeiten (Langer und Roth, 1975; Taylor und Brown, 1988).

Bei Managern kommt ein weiterer wichtiger Punkt hinzu. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass Manager noch optimistischer und selbstüberschätzender sind als die Grundgesamtheit der Menschen, da durch den sogenannten „Selection Bias“ nur diejenigen an die Spitze eines Unternehmens kommen, die aufgrund Ihres Optimismus und ihrer Selbstüberschätzung besonders riskante Entscheidungen in ihrer beruflichen Laufbahn getroffen haben (Goel und Thakor, 2006). Bei einem positiven Resultat dieser riskanten Entscheidungen kommt es immer wieder zur Beförderung, bei negativem Ausgang folgt die Stagnation bzw. das Ende der Karriere. Das hat zur Folge, dass an der Spitze von Unternehmen Manager stehen, denen in noch größerem Ausmaß Überoptimismus und Selbstüberschätzung zu Eigen sind, als es in der durchschnittlichen Bevölkerung zu beobachten ist (Gervais et al., 2003). Es gibt gute Hinweise darauf, dass sich selbst überschätzende Manager das Risiko in den Cashflows bei Investitionen unterschätzen und dadurch auch Projekte forcieren, die einen negativen NBW aufweisen. Folglich wird angenommen, dass viele Investitionen eingegangen werden, die rationalem Marktverhalten nicht entsprechen und auf Selbstüberschätzung und Überoptimismus zurückzuführen sind (Gervais, et al., 2005; Aktas et al., 2005; Hackbarth, 2007).

Der Annahme, dass Selbstüberschätzung einen entscheidenden Einfluss auf das Akquisitionsverhalten ausübt, werden in erster Linie zwei Argumente entgegengehalten: Einerseits wird darauf verwiesen, dass irrational handelnde Entscheidungsträger durch Erfahrung lernen rational zu handeln. Mit einer zunehmenden Zahl an durchgeführten Transaktionen ist also davon auszugehen, dass die Fähigkeit, gute Akquisitionsobjekte zu erkennen und Preisverhandlungen zu führen, zunimmt (Aktas et al., 2005). Außerdem wird angeführt, dass Akquisitionen durch andere Unternehmen oder andere Marktmechanismen dazu führen, dass Hybris-Manager aus dem Markt gedrängt werden (Brown und Sarma, 2007). Diese Punkte müssen aufgrund der Charakteristika des Marktes für Akquisitionen und Fusionen stark eingeschränkt werden. Einerseits sind für einen Lerneffekt durch unregelmäßiges, langsames und unklares Feedback keine guten Voraussetzungen gegeben (Brehmer, 1980; Heaton, 2002). Andererseits involvieren Akquisitionen sehr hohe Transaktionskosten. Potenzielle Arbitrageure wären gezwungen, ein beträchtliches Risiko einzugehen, um Gewinne aus Marktineffizienzen zu erzielen. Der Effekt von Arbitrage wird auf diese Weise stark eingeschränkt (Heaton, 2002). Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass die angeführten Argumente für die Hybris- Hypothese bei Akquisitionen wesentlich schwächer zu beurteilen sind als in Finanzmärkten (Heaton, 2002; Gervais et al., 2003).

Wie eine Studie des amerikanischen Marktes für Unternehmenstransaktionen von Moeller et al. (2005) zeigt, haben Aktionäre akquirierender amerikanischer Unternehmen im Zeitraum 1980 bis 2001 über USD 220 Mrd. bei Ankündigung eines Übernahmegebots verloren. Diese Zahl bestätigt den Verdacht, dass nicht nur sinnvolle (NBW-positive) Akquisitionen getätigt werden, sondern auch irrationales Verhalten wie Selbstüberschätzung und Überoptimismus eine wichtige Rolle im Rahmen von Unternehmensakquisitionen einzunehmen scheint.

Richard Roll (1986) stellte als erster die Hybris-Hypothese im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen auf. Dabei geht er davon aus, dass der Marktwert eines Unternehmens sich aus dem Mittelwert der Bewertungen aller Marktakteure ergibt. Dies gilt unter der Annahme von rationalem wie irrationalem Verhalten. Bei Inexistenz bzw. nur geringem Synergiepotenzial stellen Übernahmegebote über Marktpreis lediglich einen individuellen Fehler in der Bewertung dar, der als Hybris bewertet wird. Zur Überprüfung der Hypothese werden die von Jensen und Ruback (1983) zusammengetragenen empirischen Resultate aus über 40 Studien zu Akquisitionen auf Hybris untersucht. Diese empirischen Daten liefern keinen Beleg gegen die Hypothese, dass Selbstüberschätzung ein entscheidender Faktor bei Unternehmenskäufen ist.

In einer Studie von Hayward und Hambrick (1997) wird der Effekt von Selbstüberschätzung für 106 Unternehmensakquisitionen der Jahre 1989 und 1992 untersucht, bei denen sowohl das akquirierende Unternehmen als auch das Zielunternehmen an der Börse gelistet sind. Dabei wird der Zusammenhang von Selbstüberschätzung mit den drei Faktoren Akquisitionsprämien, kurzfristige Kursreaktionen und langfristige Kursreaktionen der Firmen analysiert. Die Daten zeigen, dass die Selbstüberschätzung unter CEOs einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Höhe der gezahlten Prämie auf den Aktienkurs eines Unternehmens bei der Übernahme aufweist. Ebenfalls zeigt diese Studie auf, dass die Höhe der gezahlten Prämie einen signifikant negativen Einfluss auf die einjährige Performance des akquirierenden Unternehmens hat. Eine signifikante Auswirkung auf die kurzfristigen kumulierten abnormalen Rendite (CAR) kann allerdings nicht festgestellt werden. Es kann festgehalten werden, dass diese Arbeit ein empirischer Hinweis darauf ist, dass Hybris eine entscheidende Rolle bei Unternehmensakquisitionen zukommt, da durch Selbstüberschätzung ausgelöste höhere Übernahmeprämien eine negative Auswirklung auf die Aktienrendite des akquirierenden Unternehmens haben und dadurch keine Entscheidung im Sinne des Aktionärs darstellen.

Ben-David et al., (2007) nutzen eine empirische Erhebung bei US-amerikanischen CFOs im Zeitraum von März 2001 bis März 2007, um unter anderem den Einfluss von Selbstüberschätzung auf das Akquisitionsverhalten zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Selbstüberschätzung, die sich auf Ereignisse bezieht, die in langer Frist (zehn Jahre) eintreten, unter CFOs zu höheren Investitionen in Unternehmensübernahmen führt. Außerdem kann festgestellt werden, dass bei diesen Managern der kurzfristige Ankündigungseffekt sowohl statistisch wie auch ökonomisch signifikant negativ ist. Für Selbstüberschätzung, die sich auf Ereignisse bezieht, die in kurzer Frist (ein Jahr) eintreten, können allerdings keine signifikanten Ergebnisse aufgezeigt werden.

In einer weiteren Studie zum Einfluss von Selbstüberschätzung und Dominanz unter CEOs auf das Akquisitionsverhalten analysieren Brown und Sarma (2007) australische Daten der Jahre 1994 bis 2003. Sowohl Dominanz als auch Selbstüberschätzung weisen dabei einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit eine Akquisition durchzuführen auf. Hybris spielt demnach auch in diesem Datensatz eine entscheidende Rolle bei der Akquisitionsentscheidung.

Mit Hilfe eines Datensatzes von 5.334 erfolgreich durchgeführten Akquisitionen zwischen 1980 und 2004, bei denen der Käufer ein börsengelistetes Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich und das gekaufte ein privat gehaltenes Unternehmen ist, wird der Einfluss von Selbstüberschätzung und Self-Attribution Bias bei Akquisitionen untersucht (Doukas und Petmezas, 2007). Die Resultate zeigen, dass Akquisitionen von rationalen CEOs signifikante Überrenditen gegenüber sich selbst überschätzenden Bietern erzielen, auf eine Wertvernichtung für die Aktionäre der bietenden Unternehmen weisen die Daten allerdings nicht hin. Außerdem wird festgestellt, dass CEOs, die in die Hybris- Kategorie einzuordnen sind, eine schlechte langfristige Performance aufweisen. Während Firmen nach dem ersten Deal dieser sich selbstüberschätzenden Manager eine langfristige Performance aufweisen, die nicht signifikant von null abweicht, ist diese Performance bei dem fünften und folgenden Deals signifikant negativ. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Manager durch den Self-Serving Bias sich den anfänglichen Erfolg selbst zuschreiben, als Folge überheblich werden und weitere Transaktionen tätigen.

Malmandier und Tate (2008) analysieren einen Datensatz von 394 US-amerikanischen Unternehmen in der Zeit von 1980 bis 1994. Dieser Arbeit folgend ist Selbstüberschätzung eine wichtige Determinante im Markt für Unternehmensakquisitionen. Die Ergebnisse lassen sich unter den folgenden Punkten subsummieren: Sich selbst überschätzende CEOs führen erstens mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit Akquisitionen durch als der Rest der Manager, zweitens neigen sie signifikant häufiger dazu eine diversifizierende Unternehmensübernahme durchzuführen und drittens, weisen ihre Akquisitionen einen signifikant negativen kurzfristigen Ankündigungseffekt auf, während die CAR der restlichen CEOs nicht signifikant von null abweichen.

Billet und Qian (2008) untersuchen anhand eines Datensatzes von 3.702 Fusionen und Übernahmen im Zeitraum von 1985 bis 2002, bei denen sowohl der Akquisiteur als auch das Target US-amerikanische börsengelistete Unternehmen sind, den Einfluss von Self-Attribution Bias und die damit verbundene Selbstüberschätzung unter CEOs im Rahmen von Unternehmensakquisitionen. An diesem Datensatz wird aufgezeigt, dass Erfolg bei Akquisitionen in der Vergangenheit zu Selbstüberschätzung bei zukünftigen Übernahmen führt. Während der kurzfristige CAR bei ersten Deals nicht signifikant von null abweicht, ist zu beobachten, dass Übernahmen, denen mindestens eine Transaktion innerhalb von fünf Jahren vorausgegangen ist, signifikant negative kurzfristige abnormale Renditen aufweisen. Ebenfalls ist aus dem Datensatz ersichtlich, dass die langfristige Performance von Firmen, die häufig akquirieren, bei ersten Transaktionen signifikant positiv ist, bei darauf folgenden Akquisitionen hingegen nicht statistisch signifikant von null abweicht. Firmen, die nur eine Akquisition innerhalb von fünf Jahren durchführen, weisen eine signifikant negative langfristige Entwicklung auf. Diese Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass sowohl kurzfristiger als auch langfristiger Erfolg bei einer ersten Transaktion zur Entwicklung von Selbstüberschätzung und damit einhergehend zu Akquisitionsentscheidungen in der Zukunft führt, die nicht im Interesse des Investors sind.

Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass sich die Hybris-Hypothese sowohl für unterschiedliche Zeiträume als auch für verschiedene Länder bei Unternehmenskäufen und -fusionen robust zeigt. Dies scheint bei Akquisitionen der Fall zu sein, die privat gehaltene Unternehmen zum Ziel haben wie auch bei börsengehandelten Zielunternehmen. Die Überprüfung der Hypothese in Feldstudien zeigt zwar kein komplett homogenes Bild, was den Effekt von Hybris auf kurzfristige und langfristige Auswirkungen bei akquirierenden Unternehmen angeht, allerdings kann folgende Tendenz festgestellt werden: Selbstüberschätzende Manager neigen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit dazu Unternehmenskäufe durchzuführen. Ebenso festzustellen ist, dass die Qualität der Transaktionen, gemessen sowohl an den kurzfristigen Ankündigungseffekten wie an langfristigen Performancezahlen, bei Führungskräften, die von Hybris betroffen sind, schlechter sind als bei „rationalen“ Managern. Außerdem können empirische Belege für die Theorie des Self-Attribution Bias im Kontext von M&A- Transaktionen erbracht werden: Folgetransaktionen scheinen von schlechterer Qualität als Ersttransaktionen zu sein.

3. Modelle zur Messung von Selbstüberschätzung unter Managern

Das entscheidende Problem bei der empirischen Messung von Selbstüberschätzung bei handelnden Personen bleibt, dass sie nicht direkt ermittelt werden kann. Aus diesem Grund handelt es sich bei jeder Hybris-Modellierung um einen indirekten Ansatz. Im Folgenden werden unterschiedliche, in der Forschung verwendete Modelle vorgestellt.

3.1. Ausübungsverhalten bei Aktienoptionsplänen

Malmandier und Tate (2008) verwenden als Modell für Selbstüberschätzung das Ausübungsverhalten bei Aktienoptionen unter CEOs. Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass risikoaverse Personen diese Optionen ausüben, sobald die Grenzkosten des Haltens dieser Option (Risiko) den Grenznutzen (Optionswert) übersteigen (Lambert et al., 1991; Hall und Murphy, 2002). Da der Vorstand einer Firma bereits durch seine vertragliche Bindung dem Unternehmensrisiko in großem Maße ausgesetzt ist, wird vermutet, dass Führungskräfte Aktienoptionen immer dann frühzeitig ausüben sollten, wenn der Preis der zugrundeliegenden Aktie ausreichend gestiegen ist. Dieses Modell koppelt also die Klassifizierung der Manager in selbstüberschätzend und nicht selbstüberschätzend an die persönlichen Portfolioentscheidungen, in diesem Fall eben das Ausübungsverhalten einer Führungskraft im Hinblick auf Aktienoptionen. Wenn eine Ausübung nicht stattfindet, obwohl sie aus rationalen Gesichtspunkten der Investmentdiversifikation sinnvoll wäre, wird dies als Überoptimismus im Bezug auf die zukünftige Aktienkursentwicklung der eigenen Firma bewertet.

Zu diesem Zweck werden die zwei Indikatoren „Longholder“ und „Holder 67“ konstruiert, die eine Unterteilung von Managern in die Kategorien selbstüberschätzend und rational handelnde Individuen erlaubt. Als „Longholder“ werden diejenigen CEOs klassifiziert, die mindestens einmal während ihrer Amtszeit eine Option bis zu ihrem Verfall halten, selbst wenn diese zu Beginn des letzten Jahres vor Verfall 40% im Geld ist. Der Indikator „Pre- / Post-Longholder“ unterteilt den „Longholder“-Index: „Post-Longholder“ nimmt nur dann den Wert 1 an, wenn der CEO das erste Mal eine Option bis zum Verfall gehalten hat, obwohl sie 40% im Geld war; „Pre-Longholder“ wird in den restlichen Jahren zu 1, wenn „Longholder“ den Wert 1 annimmt. Der Index „Holder 67“ wird 1, wenn ein CEO eine Option mit fünf Jahren Restlaufzeit nicht ausübt, obwohl die zugrunde liegende Aktie seit der Bewilligung 67% an Wert gewonnen hat.

3.2. Firmen-Performance, Bezahlung und Lob in der Presse

Das von Hayward und Hambrick (1997) konzipierte Modell basiert auf drei Säulen: Dem Unternehmenserfolg der nahen Vergangenheit, dem Lob in der Presse für den CEO und der relativen Bezahlung des CEOs relativ zu dem Durchschnittseinkommen der anderen Boardmitglieder des Unternehmens. Während die zwei erstgenannten Komponenten als Ursachen für Hybris einzustufen sind, ist der dritte Faktor eher als Ausdruck und Folge dieser Selbstüberschätzung zu sehen.

Die Attributionsforschung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es einen Hang dazu gibt Erfolg wie Misserfolg eines Unternehmens zu großen Teilen dem CEO zuzuschreiben, auch wenn bei objektiver Betrachtung der Gegebenheiten in Wirklichkeit andere Faktoren ursächlich sind (Kelley, 1971; Meindl et al., 1985). Positive Attribute stellen dabei außerordentlich wichtige Quellen für das Selbstbewusstsein der Akteure, und ihr Ansehen innerhalb des Unternehmens dar (Brockner, 1988; D'Aveni, 1990). Erfolg wie Misserfolg werden personifiziert und resultieren in Machtgewinn und Selbstbewusstsein oder gehen mit abnehmender Macht und schwindendem Selbstbewusstsein einer Führungskraft einher. Die Gefahr besteht darin, dass durch Erfolg die Fähigkeit eines CEOs zur Selbstkritik und Selbstreflexion stark abzunehmen droht, und dadurch sein Führungsstil und strategischen Entscheidungen nicht mehr hinterfragt werden (Starbuck und Milliken, 1988). Aus diesen Gründen wird angenommen, dass der jüngste Erfolg eines Unternehmens die Wahrscheinlichkeit von Hybris bei CEOs erhöht. Gemessen wird dieser Unternehmenserfolg, indem die Veränderung des Aktienpreises der letzten zwölf Monate plus Dividenden durch den anfänglichen Aktienpreis geteilt wird.

Die zweite Einflussgröße auf das Modell bildet die Darstellung in den Medien. In der Presse ist eine starke Tendenz dazu zu beobachten, die Ergebnisse eines Unternehmens der obersten Führungskraft zuzuschreiben. Ebenso haben erfolgreiche CEOs eine Art romantische Aura in den Medien. Ein solches romantisches Portrait beeinflusst das Selbstbild und gleichzeitig wird der Ruf des Managers in eine breitere Öffentlichkeit transportiert. Dieser Effekt hat wiederum eine Stärkung der Position innerhalb der Organisation zur Folge und als Konsequenz eine Zunahme des Selbstbewusstseins und der Einschätzung des eigenen Könnens. Diese Komponente des Modells geht also davon aus, dass eine positive Darstellung in den Medien eine höhere Wahrscheinlichkeit für Selbstüberschätzung mit sich bringt. Um die Lobpreisung in der Presse zu messen, wird auf einer Skala von -2 bis 3 die Darstellung der betreffenden Person in relevanten Zeitungen bewertet, wobei 3 Punkte für eine uneingeschränkt positive Darstellung, 2 Punkte eine im Ganzen positive Darstellung, allerdings mit einigen kritischen Aspekten, 1 Punkt eine im Ganzen weder positive noch negative Darstellung, -1 eine im Ganzen negative Darstellung allerdings mit einigen positiven Aspekten und -2 eine uneingeschränkt negative Darstellung bedeuten. 0 Punkte wurden vergeben, wenn keine Artikel zu einem CEO verfasst wurden.

Während sich die ersten zwei Komponenten daran versuchen, auf die Quelle von Selbstüberschätzung einzugehen und sie in den Hybris-Index einzubeziehen, versucht die letzte Komponente die Effekte dieser Selbstüberschätzung zu messen, indem die relative Bezahlung des CEO im Verhältnis zum Durchschnittsverdienst der übrigen Officers des Boards in das Modell Eingang findet. Da CEOs in der Praxis einen sehr großen Einfluss auf die Höhe und Konzeption des eigenen Gehalts ausüben können, deutet eine hohe relative Bezahlung auf ein großes Maß an Selbstsicherheit und die Überzeugung hin, dass die eigenen Fähigkeiten für den Unternehmemserfolg die entscheidenden sind. Je höher die relative Bezahlung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Selbstüberschätzung eine Rolle spielt.

Aus den dargestellten Größen bilden die Autoren ein Drei-Faktoren-Modell, das die Selbstüberschätzung von CEOs abbilden soll. Das besondere an diesem Modell ist, dass sich Hayward und Hambrick (1997) damit beschäftigen was die eigentlichen Quellen für Selbstüberschätzung sind und Hybris nicht als gegeben hinnehmen.

3.3. Modellierung durch empirische Erhebung

Ein in der Psychologie verbreitetes Modell zur Messung von Optimismus und Selbstüberschätzung einer Person beruht auf der Prognose eines nicht individuell beeinflussbaren Ereignisses in der Zukunft (siehe u.a.: Alpert und Raiffa, 1982). Bei Ben-David et al. (2007) kommt dieser Ansatz in einer Studie zur Messung der Selbstüberschätzung unter Managern zur Anwendung. Dabei wird in einer empirischen Erhebung unter CFOs amerikanischer Unternehmen die Prognose der ein- und zehnjährigen Rendite des S&P 500 erfragt. In der Erhebung werden jedem CFO drei Fragen gestellt: Welche Rendite wird nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% unterschritten, was ist die erwartete Rendite und welche Rendite wird nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% überschritten. Auf Basis dieser drei Fragestellungen, die als Mittelwert, 10%- und 90%-Quantil interpretiert werden, lässt sich für jeden CFO eine individuelle Wahrscheinlichkeitsverteilung ermitteln.

Bemerkenswert ist an diesem Ansatz, dass Optimismus und Selbstüberschätzung getrennt gemessen werden können. Der Mittelwert wird als Grad des Optimismus eines Individuums interpretiert, die Enge der Verteilung als Grad der Selbstüberschätzung. Weite Wahrscheinlichkeitsverteilungen reflektieren einen hohen Grad an Unsicherheit in der Prognose, enge Verteilungen hingegen Sicherheit in der Prognose.

Nach diesem Modell lässt sich Selbstüberschätzung an zu engen Verteilungen festmachen, da selbstüberschätzende Personen die Präzision eigener Vorhersagen eher überschätzen oder aber die Varianz von risikobehafteten Ereignissen unterschätzen (Alpert und Raiffa, 1982).

3.4. Bezeichnung in der Presse

Da die oberste Managementriege bedeutender Unternehmen häufig Gegenstand von Berichterstattung und Diskussion in der Presse ist, liegt es nahe das durch die Presse porträtierte Bild als Indikator für Selbstüberschätzung zu verwenden. Der Ansatz ist allerdings ein anderer als in dem von Hayward und Hambrick (1997) verfolgten Konzept, in dem Lob in der Presse als eine wichtige Quelle für die Entstehung von Selbstüberschätzung Eingang in die Hybris-Modellierung findet. Der von Malmandier und Tate (2008) und Brown und Sarma (2007) verfolgte Ansatz kann als deskriptives Modell bezeichnet werden. Dabei wird das Fremdbild eines CEO in der Presse als Indikator für Selbstüberschätzung angesehen.

[...]


1 Die Begriffe Merger bzw. Fusion und Akquisition bzw. Übernahme haben im Sprachgebrauch leicht abweichende Bedeutungen, werden in der vorliegenden Arbeit aber nebeneinander als Äquivalente verwendet.

2 In der ursprünglichen, altgriechischen Bedeutung kann Hybris als die Selbstüberhebung des Menschen gegenüber den Göttern übersetzt werden. In diesem Kontext wird Hybris als Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten und Überoptimismus verstanden.

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Akquisitionen und Selbstüberschätzung
Untertitel
Eine empirische Studie des deutschen Marktes
Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management
Note
1,0 (95%)
Autor
Jahr
2009
Seiten
60
Katalognummer
V145584
ISBN (eBook)
9783640564477
ISBN (Buch)
9783640564828
Dateigröße
659 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Behavioral Corporate Finance, Corporate Finance, Hybris, Selbstüberschätzung, M&A, Akquisitionen, Mergers & Acquisitions
Arbeit zitieren
Jan Gropp (Autor:in), 2009, Akquisitionen und Selbstüberschätzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145584

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