Die Entstehung der Oder-Neiße-Linie in den Verhandlungen der "Großen Drei"


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einstellung der Alliierten zueinander und ihre Ziele in Polen

3. Die Anti- Hitler- Koalition

4. Die Oder- Neiße - Linie in Alliierten Verhandlungen
4.1 Eden in Moskau
4.2 Der britisch/sowjetische- Hilfs- und Freundschaftsvertrag von 1942
4.3 Die Konferenz von Teheran
4.4 Die Konferenz von Jalta

5. Die Potsdamer Konferenz
5.1 Die Grenze Polens
5.2 Die Reparationen

6. Die geschichtliche Bedeutung Potsdams

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Über die deutsch/polnische Grenze wurde über Jahrhunderte hinweg gestritten und gekämpft, und auch nach dem Zweiten Weltkrieg haben „wenige Probleme der Zeitgeschichte [...] im In- und Ausland soviel Beachtung gefunden wie die Entstehung der Oder- Neiße- Linie und ihre Bedeutung für das deutsche Volk, Europa und die Welt.“[1]

Die formaljuristische Entscheidung über den Verlauf der polnisch/ deutschen Grenze fiel am 31. Juli 1945 bei der Potsdamer Konferenz, wobei eine endgültige Entscheidung erst auf der geplanten Friedenskonferenz getroffen werden sollte. Jedoch verhinderte die in den nächsten Monaten einsetzende Konfrontation des Kalten Krieges eine endgültige Festlegung dieses Grenzverlaufs.[2]

Genau genommen fällt die Entscheidung für den Grenzverlauf aber nicht erst in Potsdam, vielmehr handelt es sich nur um „die Sanktionierung einer von Stalin schon Anfang 1944 gefällten Entscheidung, über die der Westen planmäßig getäuscht“[3] wurde.

Auf den folgenden Seiten soll geklärt werden, wie es während des Zweiten Weltkrieges in den Verhandlungen der „Großen Drei“[4] dazu kam, dass sich die Alliierten 1945 in Potsdam auf die Verlegung der polnisch/ deutschen Grenze an die sog. Oder- Neiße- Linie einigten.[5]

Dabei wird ausschließlich auf die Konferenzen der drei Hauptalliierten genauer eingegangen, während die Verhandlungen, die zwischen der Londoner Exilregierung, der britischen Regierung und den Sowjets stattfanden, nur am Rande stehen sollen. Die Beziehungen der Alliierten zur Londoner Exilregierung werden nur thematisiert, insofern sie für das Thema relevant sind.[6]

Während der gesamten Phase des Kalten Krieges konnte das Vorgehen der östlichen Seite nur auf Grundlage der im Westen zugänglichen Informationen untersucht werden. Erst seit Anfang der neunziger Jahre ist es durch die Öffnung ostdeutscher Archive und dem zumindest partiellen

Zugang zu sowjetischen Archiven möglich, eine genauere Analyse der östlichen Politik zu wagen.

Die Forschungslage sowohl zur Anti- Hitler- Koalition und zu den Konferenzen in Teheran, Jalta und Potsdam, als auch der Konflikt über die Entstehung der Oder- Neiße- Linie ist umfangreich und umfassend erforscht worden, es mangelt allerdings an einer wirklich aktuellen Monographie zu diesem Thema.

Im ersten Teil dieser Arbeit soll zunächst die Einstellung der Alliierten zueinander und ihrer Ziele in Polen vordergründig analysiert werden, danach wird kurz dargestellt wie es zur Gründung der Anti- Hitler- Koalition kam und was ihre Prinzipien und Ziele waren.

Der umfangreichere, zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich anschließend damit, wie es während des Zweiten Weltkrieges in den diplomatischen Verhandlungen der Alliierten zur Festlegung eines Grenzverlaufs entlang der Oder- Neiße- Linie kam.

Im letzten Teil der Arbeit stehen die Verhandlungen der Alliierten bei der Potsdamer Konferenz im Mittelpunkt, wie im Verlauf der vorliegenden Arbeit deutlich wird, wurden dort die wichtigsten Entscheidungen getroffen.

Die Westmächte stimmten den von Stalin in Polen geschaffenen Tatsachen in Potsdam zu, da sie zum einen 1945 keine Möglichkeit mehr hatten noch etwas an den Fakten zu ändern. Zum anderen war ihnen der genaue Grenzverlauf nicht so wichtig. Die Westmächte weigerten sich trotzdem die Oder- Neiße- Linie als polnische Westgrenze zu akzeptieren und nutzten 1945 in Potsdam ihre Chance, für die Zustimmung zu diesem Grenzverlauf eine Änderung bei den Reparationen einzuhandeln.[7]

Stalin arbeitete hinsichtlich Polen an drei Zielen: Erstens forderte er von den Westmächten die Anerkennung der Übernahme Ostpolens durch die Sowjetunion, zweitens wollte er aus Polen einen kommunistischen Staat machen, und drittens wollte er, dass Polen für den Gebietsverlust durch deutsche Gebiete entschädigt wird.[8]

Der Verlauf der polnisch/deutschen Grenze war in Stalins Plänen variabel, denn die polnische Westgrenze ist in der Rangfolge seiner Ziele das am wenigsten wichtige. Auch der Westen maß dem genauen Grenzverlauf keine Bedeutung bei, die Grenze wurde zu Handelsobjekt gegenüber Stalin.[9]

In Potsdam blieb dem Westen kaum etwas anderes übrig als der Grenzziehung zuzustimmen, aber wenigstens etwas dafür einzuhandeln, „die USA wollten der Festlegung der Grenze an Oder und Lausitzer Neiße zustimmen, wenn die UdSSR den Vorschlag der USA zur Frage der Reparationen annahm.“[10]

Die Umsiedlung und Ausweisung von Millionen von Deutschen aus den Ostgebieten spielte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle für die Alliierten.[11]

Das Ziel der Verhandlungen von Potsdam, war die „Schaffung eines gerechten und dauerhaften Friedens“[12], in Deutschland gibt es jedoch immer noch Stimmen aus einflussreichen Kreisen, die eine Revision der polnisch/ deutschen Grenze fordern, insofern kann also nicht davon die Rede sein, dass die „Großen Drei“ in Potsdam ihr Ziel erreicht haben.[13]

2. Einstellung der Alliierten zueinander und ihre Ziele in Polen

Wie wichtig dem sowjetischen Diktator Josif W. Stalin die Polen- Frage war, wird an folgendem Zitat deutlich, das er auf der Konferenz von Jalta äußerte.

„Für die Russen ist die Polen- Frage nicht nur eine Frage der Ehre sondern auch eine Frage der Sicherheit. [...] In der Geschichte ist Polen stets der Korridor gewesen, den der Rußland überfallende Feind benutzte [...] Der polnische Korridor kann nicht mechanisch von außen allein durch russische Kräfte versperrt werden. Er kann zuverlässig nur von innen her durch Polens eigene Kräfte versperrt werden. Dazu muß Polen stark sein. Ebendeshalb ist die Sowjetunion an der Schaffung eines mächtigen, freien und unabhängigen Polen interessiert. Die Polen- Frage ist für den Sowjetstaat eine Lebensfrage.“[14]

Aus Sicherheitsinteressen wollte Stalin vor allem ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Polen und der Sowjetunion schaffen, dabei spielte es prinzipiell keine Rolle, ob dieser „neue“ polnische Staat demokratisch oder kommunistisch sein würde. Bei dieser Sichtweise darf aber auch der expansive Charakter der sowjetischen Außenpolitik nicht außer Acht gelassen werden, der im Verlauf des Zweiten Weltkrieges immer deutlicher zutage trat.[15]

Stalin hat aber sehr wahrscheinlich schon, 1941 als der britische Außenminister Eden in Moskau war, die Idee aus Polen einen kommunistischen Staat zu machen und ihn in den engeren Sicherheitsgürtel um die Sowjetunion einzubinden.[16]

Stalin verlangte von den Westmächten außerdem die Anerkennung der Übernahme Ostpolens durch die Sowjetunion, gemäß dem Hitler- Stalin- Pakt von 1939.[17]

Er machte auch bald den Vorschlag Polen durch deutsche Gebiete im Westen zu entschädigen, was Stalin wiederum einige Vorteile brächte, insbesondere wenn Polen ein kommunistischer Staat werden würde.[18]

Stalin war sich darüber im klarem, dass die Zustimmung des Westens zu dieser Grenzziehung nicht ohne Gegenleistung zu erhalten sein würde[19]. Außerdem hoffte er durch den Ausgleich der Gebietsverluste, die Angst der Polen vor deutschen Rachegedanken zu wecken, so dass diese sich wiederum enger an die Sowjetunion binden.

Für Stalin war auch der breitere Ostseezugang und die deutschen Industriegebiete, die dann zu Polen gehören würden, interessant.[20]

Für die Westalliierten spielte Polen eher eine untergeordnete Rolle, deswegen war ihnen der genaue Verlauf der polnischen Westgrenze letztendlich nicht so wichtig.[21]

[...]


[1] Wagner, Wolfgang: Die Entstehung der Oder- Neiße- Linie in den diplomatischen Verhandlungen während des Zweiten Weltkrieges, Marburg/ Lahn 1968 (3. Auflage), Vorwort.

[2] vgl. Irving, David: Deutschlands Ostgrenze. Weder Oder noch Neiße: Die Rückkehr des deutschen Ostens, Kiel 1990, S. 255.

[3] Lilge, Carsten: Die Entstehung der Oder-Neiße-Linie als Nebenprodukt alliierter Großmachtpolitik während des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt am Main 1995, S. 161.

[4] Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Franklin D. Roosevelt, der Premierminister von Großbritannien Winsten Churchill und der Ministerpäsident der Sowjetunion Josef W. Stalin.

[5] Die Oder- Neiße Linie die: „[...] von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der Westlichen Neiße und die Westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft [...]“. Irving, David: Deutschlands Ostgrenze. Weder Oder noch Neiße: Die Rückkehr des deutschen Ostens, Kiel 1990, S. 257.

[6] In dieser Arbeit soll nicht dargestellt werden, wie es Stalin gelingt, die Beziehungen zur Londoner Exilregierung abzubrechen und in Polen eine kommunistische Regierung zu etablieren.

[7] vgl. ebd.: 161f

[8] vgl. ebd.. 163

[9] vgl. ebd.: 166

[10] ebd.: 17

[11] Das Thema „Flucht und Vertreibung“ der Deutschen aus den Ostgebieten wurde in vielen Arbeiten ausführlich behandelt, dieses Thema soll hier nur am Rande stehen, und gerät nur soweit in den Blick als das es eine Rolle in den Verhandlungen der „Großen Drei“ spielte und diese Rolle ist, um dies vorwegzunehmen, nicht groß. vgl. Lilge 1995: Einleitung.

[12] Irving 1990: 255

[13] vgl. ebd. : Einleitung

[14] Sipols W.J., Tschelyschew I.A., Belezki V.N.: Jalta- Potsdam : Basis einer europäischen Nachkriegordnung, Berlin 1985, S.85

[15] vgl. Lilge 1995: 42ff und 162f

[16] Zum einen baute Stalin in der UdSSR eine Organisation auf, die zur Gegenregierung werden sollte und es 1944 auch wurde, andererseits hielt er sich die Tür zur Exilregierung offen. vgl. ebd.: 52

[17] vgl. ebd.: 48

[18] vgl. ebd.: 51

[19] ebd.: 161

[20] vgl. ebd.: 52f

[21] vgl. ebd.:138

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung der Oder-Neiße-Linie in den Verhandlungen der "Großen Drei"
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Neuere und Neueste Geschichte)
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V145517
ISBN (eBook)
9783640888375
ISBN (Buch)
9783640888634
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entstehung, oder-neiße-linie, verhandlungen, großen, drei
Arbeit zitieren
Franziska Zschornak (Autor:in), 2005, Die Entstehung der Oder-Neiße-Linie in den Verhandlungen der "Großen Drei", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145517

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