Das Deutschlandbild im Doktor Faustus - dargestellt in Leben und Werk des Adrian Leverkühn


Hausarbeit, 2009

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Übersicht

2. Darstellung von Musik als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse
2.1 Musik im Umfeld des jungen Adrian Leverkühn
2.2 Teufelsgespräch und Kulturkritik
2.3 die psychophysische Konstitution Adrian Leverkühns im Rahmen seines kompositorischen Spätwerkes

3. Schlussbetrachtungen

4. Quellenverweise

1. Einleitung

Thomas Mann schrieb sein Spätwerk "Doktor Faustus" zu einer Zeit, als sich der zweite Weltkrieg auf seinem Höhepunkt befand und in Europa Millionen Menschen durch Rechtslosigkeit, Krankheit und Hunger ihr Leben verloren. Zu dieser Zeit wurde die europäische Zivilisation mit dem Schrecken der Verbrechen des Hitlerregimes konfrontiert, was auf kultureller, sozialer und politischer Ebene Erosionen nicht bekannten Ausmaßes bewirkten. Das europäische Bürgertum samt dessen Wertesystem, vom ruhigen späten 19. in das wütende 20. Jahrhundert hinübergerettet, wurde durch Massendeportation, Mittäterschaft und immense Kriegszerstörungen im großen Maße um den Rest seiner Existenz gebracht. Wo sich aus jener Quelle akademischer Geist und Schöpferdrang in der Tradition humanistischer Ideale zur Triebfeder der mitteleuropäischen Kultur der vergangenen Jahrhunderte entwickelten, zeigte sich nun die häßliche Fratze des Krieges mit all ihren gegenwärtigen und folgenden zivilisatorischen Entstellungen.

Diesen kulturgeschichtlichen Hintergrund will ich berücksichtigen, wenn ich mich im Folgenden mit Teilen der biographischen und schöpferischen Existenz des im Roman auftretenden Protagonisten Adrian Leverkühn beschäftigen werde. Im Zentrum steht die Frage, in welchem Ausmaß die Figur und deren musikalisches Werk Konstitution und Werdegang eines Deutschland nachzeichnet, das durch Entfesselung eines Weltkrieges und industriellen Massenmord die bürgerliche Ordnung niederreißt und sich dadurch selbst zerstört. Leverkühns kompositorischer Triumph, welcher zu gleicher Zeit das endgültige Scheitern einer tragischen Figur bedeutet; "symbolisierten für Thomas Mann [...] die gleichzeitige Katastrophe in Europa, das durch den Hitler-Faschismus einen Rückschritt in eine unvorstellbare Barbarei erlebte."1 Diese ebenfalls von Manns bemerkte allegorische Qualität wird erweitert durch die Betrachtung wichtiger Nebenfiguren und deren zeitlicher und politischer Spannungsfelder, in diese die Charaktere durch seinen Verfasser gesetzt wurden. Auf diese Weise wird es unumgänglich sein, nicht nur das Leben der Hauptfigur zu beleuchten, sondern ebenso jene Umstände, in denen dieses stattfand. Somit werden im Roman dargestellte Orte und Zeitpunkte zu spezifischen Bedeutungsträgern gesellschaftlicher Umstände, die durch den Kitt der Mann'schen Sprache sowie deren Referenzen und Querverweisen zum Ursprungsmoment des Faust- Stoffes - dem Mittelalter mit seiner mittelhochdeutschen Ausdrucksweise und seinen kulturgeschichtlichen Protagonisten - jene Bedeutungsträger mit gesellschaftlichen Modellen sowie den kulturellen Umwälzungen seit der Jahrhundertwende in Verbindung gebracht werden. Ein Teil dieser Arbeit soll dem Versuch geschuldet sein, das oben Angesprochene ansatzweise näher zu skizzieren.

Einer der zentralen Aspekte des "Doktor Faustus" ist der dargestellte Paradigmenwechsel in der Kunst respektive der Musik. Mit Hinblick auf die Perspektive Thomas Manns, welcher im kalifornischen Exil mit den musiktheoretischen Ansätzen Arnold Schönbergs und Theodor W. Adornos vertraut wurde und Adorno um "ein paar charakterisierende, realisierende Exaktheiten [...] zur Förderung der Illusion"2 bat, mit deren Hilfe er die Musik Adrian Leverkühns auf glaubhafte, stoffnahe Weise darzustellen gedachte, soll mit ähnlich herausgestellter Blickweise der Wandel des Musikbegriffs und dessen kompositorische Auswirkungen in der Erzählung analysiert und themenspezifisch in die Arbeit eingegliedert werden. Hier spielt die Dodekaphonie Arnold Schönbergs ebenso eine Kernrolle wie die Kompositionsprinzipien der Wiener Schule, welche im Roman durch die Figur des stotternd-dozierenden Mentors Leverkühns Wendell Kretschmar dem Leser nähergebracht werden. In Kretschmars musikwissenschaftlichen Vorträgen findet sich die Darstellung eines Musikbegriffs, der bereits gegen Ende jener Epoche sich selbst überholte und das Vergangene schließlich abschließen sollte. Jene Ausführungen sollen hinsichtlich des Musikbegriffs im "Doktor Faustus" mit weiteren musikspezifischen Schwerpunkten wie etwa den Dialog Adrian Leverkühns mit dem Teufel oder den heimatlichen Gesprächen mit seinem Lebensfreund und Chronisten Serenus Zeitblom in Verbindung gebracht werden, um schließlich - der allegorischen Idee folgend - ein genaueres Bild des Zustandes zeichnen zu können, in dem sich sowohl die Hauptfigur als auch das Deutschland des jungen 20. Jahrhunderts befinden.

Es wird deutlich, daß diese Arbeit nur ein Ansatz sein kann. Die immense Anzahl an Verästelungen zwischen den Biographien der im "Doktor Faustus" innewohnenden Figuren, ihren Charakteristika und sprachlichen Eigenheiten, zwischen den Standorten und Parallelwelten der einzelnen Erzählungsabschnitte, sogar zwischen unzähligen Eckdaten und Schwerpunkten in Jahrhunderten mitteleuropäischer Kulturgeschichte verdeutlicht die Leistung Thomas Manns als Romancier, Chronist und humanistischer Geist in der Tradition des 19. Jahrhunderts - eine Epoche die bereits beim Beginn der Arbeit an dem Roman längst überwunden war.

1.2. Übersicht

Im Roman "Doktor Faustus" von Thomas Mann wird die Verknüpfung der Geschehnisse um die Hauptfigur Adrian Leverkühn und dessen musikalisches Werk mit jenen der Zeitgeschichte zum Zeitpunkt der Niederschrift auf verschiedenen Ebenen erkennbar. Diesen persönlichen Geschehnissen vorangestellt ist die Musik, in dieser Leverkühns Mentor Wendell Kretschmar Eigenschaften eines "Parallelismus (ihrer) Grundelemente ... mit denjenigen der Welt"3 erkennt. Jedoch wird ebenso anhand weiterer Erzählelemente eine Kongruenz der Ereignisse erkennbar. Im Folgenden werde ich mich mit Perspektiven beschäftigen, in denen es ersichtlich ist, in welchem Maße diese mit einem möglichen Deutschlandbild - einer Skizzierung des Weges der vom Autor verlassenen Heimat von der bürgerlichen Ordnung zur Auflösung der Werte, in einem Zustand von Weltkrieg und Barbarei mündend - korrelieren.

Fokussiert werden:

2. die Darstellung von Musik als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse, ausgedrückt durch:
2.1 Musik im Umfeld des jungen Adrian Leverkühn,
2.2 das Teufelsgespräch und die ihm zugrunde liegenden Kulturkritik,
2.3 die psychopyhsische Konstitution Leverkühns im Rahmen seines kompositorischen Spätwerkes.

[...]


1 Diethmar & Ruth Strauß: "Sprache eines unbekannten Sterns": Adorno und die Musik im Doktor Faustus, PFAU- Verlag, Saarbrücken, 1993, S.3.

2 Erika Mann (Hrsg.):Thomas Mann: Briefe II, 1937-47, Frankfurt/Main 1979, s. 472.

3 Karlheinz Hasselbach: "Thomas Mann, Doktor Faustus: Interpretation", Oldenbourg V., 1988, München, S. 23.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Das Deutschlandbild im Doktor Faustus - dargestellt in Leben und Werk des Adrian Leverkühn
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Musikwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Musik in Märchen, Mythos, Epos und Roman
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
14
Katalognummer
V145437
ISBN (eBook)
9783640558261
ISBN (Buch)
9783640558865
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschlandbild, Doktor, Faustus, Leben, Werk, Adrian, Leverkühn
Arbeit zitieren
Christoph Adrian (Autor:in), 2009, Das Deutschlandbild im Doktor Faustus - dargestellt in Leben und Werk des Adrian Leverkühn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145437

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