Die (Sonder-)Stellung des Doppelkönigtums im institutionellen Gefüge Spartas von der „Großen Rhetra“ bis Kleomenes I.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Ursprung des Doppelkönigtums und Verhältnis untereinander
2. Aufgaben und Ehrenrechte der Könige
3. Wechselwirkung der Dyarchie mit den spartanischen Institutionen
3.1 Gerusia
3.2 Apella
3.3 Ephorat

III: Schluss

Bibliographie

I. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Machtposition des Doppelkönigtums und dessen Wechselwirkung mit den Gemeindeinstitutionen Gerusia, Apella und Ephorat der griechischen Polis Sparta, wie es sich seit der „Grossen Rhetra“ bis zu König Kleomenes I. (520-488 v.Ch.) entwickelt hat. Die „Große Rhetra“, unabhängig von der genauen Datierung (Ende 8. bis Mitte 7. Jh.), begründete die so genannte Wohlordnung (eunomia), die Sparta für Jahrhunderte vor größeren inneren Krisen und Unruhen bewahren sollte. Sie beendete bürgerkriegsähnliche Zustände im Inneren und fällt wohl in die Zeit nach der erfolgreichen Beendigung eines existenziellen Kampfes zwischen Sparta und den angrenzenden Messeniern, der mit der Eroberung dieser Gebiete und einer Helotisierung der messensischen Bevölkerung endete.

Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist es zu ergründen, wie groß das Machtpotenzial der spartanischen Könige tatsächlich war. Führt der Begriff „König“ möglicherweise in die Irre, weil er nur allzu schnell mit absolutistischen Herrschaftsprinzipien in Verbindung gebracht wird und von dem antiken Terminus der „archagetai“ („Führer“), wie die Könige in der „Großen Rhetra“ genannt werden, abweicht? Sind die „archagetai“ vielmehr in das institutionelle Gefüge eingebunden und gar von ihm abhängig? Oder waren die spartanischen Könige das dominierende, uneingeschränkte Moment der Polis Sparta, wie es etwa die Könige im Mittelalter waren? Um diese Fragen beantworten zu können, bediene ich mich auf der einen Seite antiker Quellen, durch die wir heute einen Eindruck vom inneren Gefüge Spartas besitzen, und auf der anderen Seite spezifischer Forschungsliteratur, die auf der Grundlage dieser Quellen Schlussfolgerungen zieht.

Die Quellen und Zeugnisse antiker Autoren stellen Historiker vor zahlreiche Probleme. So besitzen wir zumeist nur bruchstückhafte und zufällige Zeugnisse aus der Antike, über deren Ursprung und Wahrheitsgehalt nur spekuliert werden kann. Zudem trennte man in der Antike nicht zwischen Mythen und Realität. Am Beispiel Spartas zeigt sich das deutlich am legendären Verfassungsgeber Lykurg oder an der Sage um die Entstehung des Doppelkönigtums bei Herodot. Ferner sind die Abstände zwischen der Zeit, über die die Quellen Auskunft geben, und der tatsächlichen Entstehung sehr groß. Der früheste von mir verwendete antike Autor ist Herodot, der im 5. Jahrhundert lebte und demzufolge über Ereignisse schreibt, die zum Teil mehrere Jahrhunderte vor ihm liegen. Plutarch lebte von 45-125 n. Ch. und hat somit einen Zeitabstand vom Ende der Archaik (Ende 6./Anfang 5. Jh.) von über 500 Jahren. Gerade für Sparta besteht zusätzlich die Besonderheit, dass es keine spartanischen Texte gibt, von den Elegien des Tyrtaios einmal abgesehen. Es sind in der Regel Athener oder andere Griechen, auf deren Grundlage unser Wissen über Sparta beruht. Durch den Gegensatz zwischen Athen und Sparta und die unterschiedlichen Demokratieauffassungen bewerten athenische Autoren Sparta mitunter negativ (Aristoteles). Spartaner haben, auf einen Orakelspruch zurückzuführen, keine Aufzeichnungen von Gesetzen oder anderen Geschäften hinterlassen.

Dennoch ist die Quellenlage für die Gemeindeinstitutionen für antike Verhältnisse recht gut zu bewerten. Neben den beiden bekanntesten Werken, der „Verfassung der Spartaner“ von Xenophon und Plutarchs „Lykurg“, gibt es unter anderem Textpassagen bei Aristoteles und dem bereits erwähnten Herodot.

Zentrale Forschungsliteratur für meine Arbeit sind zunächst die einführenden Überblickswerke von Baltrusch1 und Welwei2. Speziell zu den einzelnen Institutionen und deren Zusammenspiel habe ich zum einen ältere Aufsätze von Nippel3 und Bringmann4 zu Rate gezogen und zum anderen neuere Arbeiten, speziell zum Ephorat von Link5 sowie Meier6, Thommen7 und Welwei8.

Um die eingangs beschriebene Führungsrolle der spartanischen Könige innerhalb des Gemeinwesens bewerten zu können, werde ich nachfolgend zunächst antike und moderne Ansätze der Ursprungsfrage des Doppelkönigtums darstellen und die Probleme zwischen den Königen ausführen. Anschließend gehe ich auf die Aufgaben und Ehrenrechte der Könige ein, die bereits einen Eindruck über das Machtpotenzial liefern werden. Darauf folgt als letzter Untersuchungsgegenstand die Wechselwirkung des Königtums mit den weiteren spartanischen Institutionen Gerusia, Apella und Ephorat, die ich hierfür kurz vorstellen werde. Am Ende meiner Arbeit fasse ich die Ergebnisse in einem Resümee zusammen.

II. Hauptteil

1. Ursprung des Doppelkönigtums und Verhältnis untereinander

Die Herkunft des Doppelkönigtums in Sparta war schon in der Antike ein Rätsel. Eine Erklärung lieferte Herodot.9 Ursprünglich habe es in Sparta nur einen König gegeben. Dem König Aristodamos seien aber Zwillinge geboren worden. Kurz darauf sei dann der König verstorben. Nach dem Brauch sollte der ältere der Zwillinge König werden, die Spartaner hätten die Knaben aber nicht unterscheiden können und deren Mutter habe sich geweigert zu sagen, welcher der Knaben der Erstgeborene sei. Auf ihre Frage hin erhielten die Lakedaimonier aus Delphi geraten, beide Knaben zu krönen, dem älteren aber die größere Ehre zu erweisen. Daraufhin hätten nun die Lakedaimonier die Mutter beobachtet, welchen der beiden sie als ersten bade, da es sich bei diesem um den älteren handeln müsse, den sie mehr liebe.

Laut Herodot handelt es sich hierbei um die in Sparta vertretene Auffassung, die nicht der allgemeingriechischen entspreche. Diese Legende vermag zwar zu erklären, warum in Sparta zwei Könige herrschten, von denen einer aber, der aus dem Hause der Agiaden bei ansonsten gleichen Rechten das höhere Ansehen genoss. Herodot gibt aber an, die besagten Zwillinge wurden Eurysthenes und Prokles genannt. Die Königsgeschlechter allerdings heißen Eurypontiden und Agiaden. Diese Tatsache lässt an der Darstellung Herodots zumindest zweifeln. Abgesehen von Herodots antikem Erklärungsversuch möchte ich nachfolgend vier Ansätze moderner Historiker darstellen.

Nach Ehrenberg gab es drei Phylenkönige (Dymanen, Hyller, Pamphylen), von denen einer früh verstarb und so zwei übrig blieben, die dann das Doppelkönigtum begründen sollten.10

Für Baltrusch gab es während der Wanderungszeit zwei dorische Züge nach Lakedaimonien, die sich jeweils in zwei der vier Dörfer niederließen. Um 900 kam es dann zum Zusammenschluss der Eurotas nahen Dörfer Limnai und Kynosua sowie der westlich gelegenen Dörfer Mesoa und Pitane zur Polis Sparta. Die jeweiligen Dorfpaare der beiden Wanderungszüge stellten dann entsprechend einen König.11

Cartledge rechnete anschaulich vor, dass das Haus der Eurypontiden jünger ist als das der Agiaden: Wenn man 30 Jahre für jede Generation annimmt, so lässt sich die Regierungszeit Agis' I. auf das späte 10. Jahrhundert annehmen. Dagegen lassen sich bei der Eurypontidenliste die Namen Soos, Prytanis (Vorsteher) und Eunomos (Gesetzgeber) streichen, da es sich hierbei um spätere Hinzufügungen handeln dürfte. Nimmt man diese korrigierte Königsliste als Grundlage, so dürften die ersten gemeinsamen Könige Archelaos (785-760) aus dem Haus der Agiaden und Charillos (775- 750) aus dem Haus der Eurypontiden gewesen sein.12 Dieser Sachverhalt würde erklären, warum das Königsgeschlecht der Agiaden höheres Ansehen genossen hat.

Thomas geht davon aus, dass die Situation in Sparta zu Beginn des „Dark Age“ ähnlich der in den anderen griechischen Gebieten war: Die Bevölkerungszahl war rapide abgefallen, die alten mykenischen Zentren zusammengebrochen. Die neu entstandenen Gemeinwesen dürften überschaubar gewesen sein. In diesen Gemeinwesen war es noch möglich und nötig, dass ein einzelner Führer die Sicherheit der Gruppe garantierte. Bei der Zusammenlegung der vier Dörfer dürften dann zwei der vier Könige ihre Position behauptet haben.13

Unabhängig von der tatsächlichen Entstehung der Dyarchie, die wohl auch zukünftig im Dunkel verborgen bleiben wird, gingen die Könige aus führenden aristokratischen Familien hervor, die sich auf Herakles als Ahnherrn berufen konnten und so ihre Legitimität erhielten.14 Ferner war das spartanische Doppelkönigtum ein Erbkönigtum, das auf den erstgeborenen Sohn des Königs oder dessen engsten Verwandten übertragen wurde.

Während es, wie wir noch sehen werden, zwischen den Gemeindeinstitutionen feste Regeln gab und auch die Aufgaben und Ehrenrechte zumindest auf gesellschaftlichen Übereinkünften oder Konventionen beruhten, fehlte es der Aufgabenverteilung unter den Königen an verbindlichen Grundsätzen. Das führte dazu, dass die jeweils herrschenden Könige häufig in Streitigkeiten verwickelt waren und das Verhältnis der beiden Königsfamilien stets angespannt war. Herodot führt als Grund für die fortwährende Feindschaft der Familien den Ursprung des Doppelkönigtums an, wonach einer der beiden Zwillinge, der Erstgeborene und seine Nachkommen, im größeren Ansehen standen. „Als diese herangewachsen [Eurysthenes und Prokles], lebten die beiden Brüder - so heißt es - ihr ganzes Leben hindurch in Feindschaft; das blieb auch bei ihrer Nachkommenschaft so.“15 Ein weiteres Beispiel für Konkurrenz und Missgunst zwischen den Königen liefert erneut Herodot.16 König Kleomenes versuchte hierbei seinen Mitkönig Demaratos zu diskreditieren, indem er an seiner Abstammung zweifelte, was Jahre zuvor von seinem Vater Ariston im Beisein von Ephoren geäußert wurde. Ariston, der in zwei Ehen kinderlos blieb, zweifelte an der rechtmäßigen Vaterschaft mit seiner dritten Frau, die den erwähnten Demaratos zur Welt brachte. Als er dann Mitkönig des Kleomenes wurde, griff dieser den Sachverhalt auf und brachte ihn so zum Fall. Dadurch stärkte Kleomenes seine Machtposition nachhaltig. Auch wenn keine weiteren, mir bekannten, Quellen auf die Streitigkeiten zwischen den Königen eingehen, scheint das Streben nach der dominanten Rolle unter den Königen und ihrem Clan in Sparta ein ständiges Problem gewesen zu sein. Es fehlte über den gesamten Betrachtungszeitraum ein ordnendes Element. Einigung konnte nur im Dialog, etwa mit den Geronten und Ephoren, oder durch Abstimmung in der Apella erzielt werden. Bringmann sieht gerade in diesem schwierigen Verhältnis der Könige einen Grund für die zunehmende Kontrolle des Volkes über diese. „In Sparta wirkte sich auch die traditionelle Verfeindung der beiden Königshäuser dahin aus, dass die Gemeinde die Oberhand über das Königtum gewann.“17 Nachfolgend komme ich auf die Aufgaben und Ehrenrechte der Könige im archaischen Sparta zu sprechen.

[...]


1 Baltrusch, E.: Sparta. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, München, 1998

2 Welwei, K.-W.: Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht, Stuttgart, 2004.

3 Nippel, W.: Mischverfassungstheorie und Verfassungsrealität in Antike und Frühe Neuzeit, Stuttgart, 1980.

4 Bringmann, K.: Die soziale und politische Verfassung Spartas - Ein

Sonderfall der griechischen Verfassungsgeschichte?, in: Christ, K. (Hg.), Sparta, Darmstadt, 1986.

5 Link, Stefan: Die Ehrenrechte der spartanischen Könige, in: Philologus 148,2, 2004, S. 222-244.

6 Meier, M.: Zwischen Königen und Damos. Überlegungen zur Funktion und Entwicklung des Ephorats in Sparta (7.-4. Jh. v. Chr.), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte,117, 2000, S. 43-102.

7 Thommen, L.: Lakedaimon Politeia. Die Entstehung der spartanischen Verfassung, Stuttgart, 1996.

8 Welwei, K.-W.: Die griechische Polis, Stuttgart, 1998.

9 Hdt. 6,52.

10 Ehrenberg, V.: Der Staat der Griechen, Zürich, 1965.

11 Baltrusch, S. 15f.

12 Cartledge, P.: Sparta and Lakonia. A Regional History 1300-362 BC, London u.a., 1979.

13 Thomas, The Spartan Diarchy in Comparative Perspective, in: La Parola del Passato, 38, 1983, S. 81-104.

14 Bringmann, S. 449.

15 Hdt. 6,52.

16 Hdt. 6,61ff.

17 Bringmann, S. 458.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die (Sonder-)Stellung des Doppelkönigtums im institutionellen Gefüge Spartas von der „Großen Rhetra“ bis Kleomenes I.
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie)
Veranstaltung
Die wohlgeordnete Polis: Spartas Eunomie
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V145386
ISBN (eBook)
9783640549436
ISBN (Buch)
9783640551538
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Doppelkönigtums, Gefüge, Spartas, Rhetra“, Kleomenes
Arbeit zitieren
Hendrik Paulsen (Autor:in), 2007, Die (Sonder-)Stellung des Doppelkönigtums im institutionellen Gefüge Spartas von der „Großen Rhetra“ bis Kleomenes I., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145386

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