Lösung des Problems der Quantenmessung

Eine idealistische Interpretation der Quantenmechanik


Seminararbeit, 2010

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Von der klassischen zur Quantenmechanik
1.1 Das Problem der Quantenmessung
1.2 Kopenhagener Deutung
1.3 Schrödingers Katze
1.4 Verschränkung/Nichtlokalität

2. Paradigmenwechsel
2.1 Materieller Realismus
2.2 Goswamis Modell - Monistischer Idealismus

3. Einwände
3.1 Mikro-makro-Ungleichheit
3.2 Begrifflichkeit - Wer wählt denn jetzt?
3.3 Omnipräsenz
3.4 Kausale Zirkularität

Schlussbetrachtung

Literatur

Einleitung

Das Problem der Quantenmessung (Messungsproblem) stellt die Vorstellung in Frage, dass es eine Realität gibt, welche unabhängig vom Beobachter existiert. Die Beschäftigung mit dem Messungsproblem bedeutet gleichzeitig die Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Naturwissenschaft, welche üblicherweise durch die Philosophie thematisiert wird. Das Primat der Materie, Grundlage des Materialismus und als solches das Paradigma der Naturwissenschaften bis ins 21. Jahrhundert, wird durch das Problem der Quantenmessung angegriffen. Es ist möglich, dass dieses Problem, welches die Physik seit nunmer achzig Jahren umtreibt, nur mittels eines Paradigmenwechsels gelöst werden kann. Genau das schlägt der Quantenphysiker Amit Goswami vor. Er ist der Meinung, dass nur die Abkehr vom Primat der Materie und die Annahme des Primats des Bewusstseins die sich aus dem Messungsproblem ergebenden Paradoxa lösen kann. Goswami nennt die Lösung monistischer Idealismus. Diese Arbeit möchte sich kritisch mit Goswamis Vorschlag auseinandersetzen. Um das Messungsroblem vorstellen zu können, müssen vorab die den Naturwissenschaften seit Newton zugrundeliegenden Sätze sowie einige grundlegende Errungenschaften der Physik, welche in der Quantenmechanik (im Folgenden QM) mündeten, vorgestellt werden. In einem zweiten Schritt wird zusammengefasst, inwiefern die Quantenmechanik den materiellen Realismus herausfordert und welche Lösungen Goswamis monistischer Idealismus anbietet. Im dritten und letzten Teil werden mögliche Einwände gegen die idealistische Lösung besprochen.

1. Von der klassischen zur Quantenmechanik

Das Erbe Isaac Newtons, welches den modernen Naturwissenschaften zu grunde liegt, lässt sich in fünf Haltungen zusammenfassen1:

1. Determinismus: Die klassische Mechanik funktioniert gemäss strikter, nichtprobabilitistische Gesetze. Sind beispielsweise die Position und die Geschwindigkeit zweier kollidierender Objekte zu einem Zeitpunkt t0 bekannt, können beide Werte für einen späteren Zeitpunkt t1 für beide Objekte erruiert werden. Die Physik erachtet dabei das Bewusstsein als von der Materie getrennt an, weshalb freier Wille erhalten bleibt.
2. Physische Realität: Es gibt eine erkennbare Wirklichkeit, die unabhängig vom menschlichen Beobachter existiert.
3. Trennbarkeit: Ein materielles Objekt interagiert lediglich via physische Kräfte mit anderen Objekten. Abgesehen von solchen Interaktionen, kann man ein Objekt als vom Rest des Universums getrennt erachten.
4. Reduktion: Ein komplexes Phänomen kann durch Reduktion auf faktenbasierte Teilaspekte erklärt werden.
5. Hinreichende Erklärung: Eine Theorie muss nicht mehr können, als konsistent korrekte

Voraussagen zu liefern.

1802 führt Thomas Young erstmals das Doppelspaltexperiment durch, mit welchem er die Wellennatur des Lichts beweist.2 Die Wellentheorie löste die bis dahin gültige, von Isaac Netwon begründete Korpuskeltheorie ab, wonach Licht aus kleinsten Teilchen besteht. 1905 zeigt Albert Einstein jedoch mittels des photoelektrischen Effektes, dass Licht aus Lichtquanten besteht. Als Grundlage diente Einstein die Planksche Strahlungshypothese aus dem Jahre 1900, wonach Licht aus einem Strahl von Photonen besteht. Der einzig plausible Schluss aus Einsteins Experiment war, dass das Licht sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter hat. 1924 spekuliert Louis de Broglie in seiner Dissertation, dass der Wellen-Teilchen-Dualismus nicht nur für Photonen, sondern auch für Elektronen (Materie) gilt.3 1925 legt Erwin Schrödinger, die Schrödinger-Gleichung vor, eine Gleichung, welche die Wellennatur der Materie darlegt. Schrödingers Gleichung besagt, dass ein sich bewegendes Quantenobjekt ein sich bewegendes Packet von Möglichkeitswellen ist.4 Die mathematische Präsentation einer Welle, wird Wellenfunktion genannt wobei der Begriff Wellenfunktion synonym mit dem Quantenobjekt (z.B. dem Atom) selbst verwendet wird. Sie schliesst sämtliche Informationen über das Objekt (z.B. Geschwindigkeit) ein. Mit Hilfe der Schrödingergleichung lassen sich Wahrscheinlichkeiten über Zustände zu observierender Quantensysteme formulieren. 1927 formuliert Werner Heisenberg die Unschärferelation, welche die folgenden drei Aussagen umfasst5:

1. Es ist nicht möglich, ein Quantenobjekt in einem Zustand zu präparieren, bei dem die Position und der Impuls beliebig genau definiert sind.
2. Es ist nicht möglich, die Position und den Impuls eines Quantenobjektes gleichzeitig exakt zu messen.
3. Die Messung der Position eines Quantenobjektes ist zwangsläufig mit einer Störung seines Impulses verbunden, und umgekehrt.

Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass der Aufenhaltsort eines Quantenobjektes unbestimmt ist, bis er gemessen wird, was dem Determinismus der Newtonschen Mechanik widerspricht, demzufolge vorausgesagt werden können muss, wo sich ein Objekt zu jedem beliebigen Zeitpunkt t befindet. In der QM aber gilt: wird nicht gemessen, bleibt das wo unbestimmt und der Aufenthaltsort kann lediglich durch statistische Wahrscheinlichkeit angegeben werden.

1.1 Das Problem der Quantenmessung

Gemäss der Schrödinger-Gleichung ist ein Quantenobjekt die Überlagerung verschiedener möglicher Zustände, eine Wellenfunktion. Im Doppelspaltexperiment6 werden Photonen durch eine Blende mit zwei Spalten geschossen, welche am Ende ihrer Reise auf einen Beobachtungsschirm treffen. Wie vom Wellencharakter des Lichtes zu erwarten ist, zeigt sich auf dem Beobachtungsschirm ein Interferenzmuster. Versucht man jedoch beispielsweise wiedereholt mittels eines Detektors an der Blende zu erruieren, durch welchen Spalt ein einzelnes Teilchen fliegt, verschwindet das Inferenzmuster. Misst man also ein Quantenobjekt, findet man ein physisches System in einem definitiven Zustand (Teilchen).7 Je nachdem welcher Experimententyp ausgeführt wird, zeigt sich Licht als Welle oder als Teilchen.8 Die Eigenschaften des Messobjektes werden demnach durch die Messung nicht fest- sondern hergestellt. Die Messung kreiert die beobachtete Realität. Die Frage stellt sich, wie der Übergang von Wellen- zu Teilcheneigenschaft bei der Messung von statten geht (er kann nicht beobachtet werden) und welche Rolle dabei dem Beobachter zukommt. Das Problem der Quantenmessung kann auf verschiedene Weise interpretiert werden.

1.2 Kopenhagener Deutung

Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der QM, auch Kopenhagener Deutung genannt, geht davon aus, dass ein Teilchen als Superposition von Möglichkeitswellen (Wellenfunktion) existiert, bis die Messung die Wellenfunktion kollabiert. Sie stellt die orthodoxe Position der Physik dar. Die Kopenhagener Deutung beruht auf den folgenden Annahmen9:

1.Wahrscheinlichkeitsinterpretation: Der Zustand eines Quantensystems ist durch dessen Wellenfunktion (Schrödinger-Gleichung) determiniert.

Die Wellenfunktion beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Objekt in einer bestimmten Region beobachtet werden kann, wobei zwischen klassischer/subjektiver und objektiver Quantenwahrscheinlichkeit unterschieden werden muss. Klassische Wahrscheinlichkeit kann man sich an folgendem Spiel verdeutlichen: Spieler 1 hat drei umgekehrte Schalen vor sich. Unter einer der Schalen verbirgt sich eine Erbse. Dann werden die Schalen von Spieler 1 wild durcheinandergeschoben. Spieler 2 muss am Ende des Spielzuges entscheiden, unter welcher Schale sich die Erbse befindet. In diesem Spiel war die ganze Zeit über eine physische Erbse vorhanden. Die klassische Wahrscheinlichkeit repräsentiert das Wissen des zweiten Spielers von der Situation. Sie unterscheidet sich vom Wissen über die Situation des ersten Spielers. Klassische Wahrscheinlichkeit ist demnach subjektiv. Die Erbse existiert zusätzlich zum Wissen darüber, wo sie sich wohl befindet (deren Auffindungswahrscheinlichkeit). Quantenwahrscheinlichkeit hingegen ist für alle Spieler dieselbe, sie ist objektiv, denn es gibt zusätzlich zur Wahrscheinlichkeit keine physische Erbse. Die Quantenwahrscheinlichkeit ist die Erbse.10 Bis zur Beobachtung existiert die Erbse als Potentialität (Überlagerung von Möglichkeitswellen, auch Superposition genannt) folglich unter allen Schalen gleichzeitig. Gemäss der Kopenhagener Deutung sind Quantenobjekte als Wellenfunktion jedoch nicht als real zu erachten. Nur beobachtete Eigenschaften mikroskopischer Objekte werden als real erachtet.

2. Heisenbergsche Unschärferelation: Es ist unmöglich, gleichzeitig Paare konjugierter Variablen (Position, Geschwindigkeit) zu messen (siehe Seite 2).
3. Komplementarität: Der Wellen- und der Teilchencharakter eines Quantenobjektes sind komplementär. Eine vollständige Beschreibung benötigt daher beide Aspekte, aber nureiner von beiden lässt sich jeweils messen.
4. Diskontinuität: Die Messung eines Quantensystems führt zu einem diskontinuierlichen Kollaps der Superposition (Welle) zum Eigenzustand (Teilchen).
5. Korrespondenzprinzip: Unter gewissen Umständen (ab einer gewissen Objektgrösse) lassen sich quantenmechanische Vorhersagen zu klassisch mechanischen Vorhersagen reduzieren (Garantiert die Trennung zwischen Mikro- und Makrowelt).
6. Untrennbarkeit: Quantensysteme können nicht von deren Messapparaten getrennt werden. Messungen kollabieren die Wellenfunktion von Quantenobjekten.

[...]


1 Rosenblum/Kuttner (2007): 32f.

2 Rosenblum/Kuttner (2007): 40

3 Rosenblum/Kuttner (2007): 67

4 Rosenblum/Kuttner (2007): 73

5 Rosenblum/Kuttner (2007): 105-107

6 Eine umfangreiche Darstellung des Doppelspaltversuches und damit des Problems der Quantenmessung ist als dreiteilige Videodatei online verfügbar unter: http://www.youtube.com/watch?v=to2QMNtolQs

7 Hilfreich ist die Formulierung von Burns (1990): 163

“The issue is that we experience the physical world in terms of definitive events, but quantum mechanics

describes the physical world as being inherently in a combination of different states, with each state having a probability assigned to it.“

8 Rosenblum/Kuttner (2007): 59f.

9 Rosenblum/Kuttner (2007): 102f.

10 Der Vergleich mit der Erbse im Falle der Quantenwahrscheinlichkeit hinkt insofern, als Quanteneffekte noch nicht für makroskopische Objekte wie Erbsen experimentell nachgewiesen werden konnten.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Lösung des Problems der Quantenmessung
Untertitel
Eine idealistische Interpretation der Quantenmechanik
Hochschule
Universität Zürich  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Die Körper/Geist Problematik
Autor
Jahr
2010
Seiten
15
Katalognummer
V145383
ISBN (eBook)
9783640563487
ISBN (Buch)
9783640563722
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Quantenphysik, Amit Goswami, Idealismus, Philosophie
Arbeit zitieren
Elena Holzheu (Autor:in), 2010, Lösung des Problems der Quantenmessung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145383

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