Verhandlungsmacht Rußland? Die Russische Föderation im Kyoto-Prozeß


Seminararbeit, 2002

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Verhandlungsmacht im Rahmen des Kyoto-Prozesses

3. Die Position Rußlands
3.1. Akteure und Positionen
3.2. Die geringe Betroffenheit der Bevölkerung
3.3. Politische Betroffenheit, Verhandlungsposition und Verhandlungsmacht

4. Schlußbemerkung

5. Literaturliste

1. Einleitung

Nachdem 1992 auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro der Rahmen für eine Klimakonvention gesetzt wurde, konnte nach zähen Verhandlungen schließlich 1997 im japanischen Kyoto das erstmals völkerrechtlich verbindliche Zusatzprotokoll zum Klimaschutz, das sogenannte Kyoto-Protokoll[1], verabschiedet werden. „Basis für die Verhandlungen in Kyoto war das sogenannte "Berliner Mandat", das vorsieht, daß die Vertragsparteien ein Protokoll über verbindliche Treibhausgasreduktionen der Industrieländer zu verhandeln haben“[2].

Ziel der Vereinbarung ist es, den Ausstoß der sechs wichtigsten Treibhausgase bis zum Zeitraum 2008-2012 um mindestens 5% im Vergleich zum Stand von 1990 (für Kohlendioxid [CO2], Methan [CH4] und Distickstoffoxid [N2O]) bzw. 1995 (für teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe [H-FKW/HFC], perfluorierte Kohlenwasserstoffe [FKW/PFC] und Schwefelhexafluorid [SF6]) zu verringern.

Damit das Protokoll in Kraft treten und völkerrechtlich verbindlich werden kann, müssen gemäß Artikel 25 mindestens 55 (Industrie-)Staaten, die zusammen mindestens 55% der CO2-Emissionen der Industrieländer von 1990 auf sich vereinigen, das Protokoll ratifiziert haben. In Artikel 25 heißt es dazu: „Dieses Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem mindestens 55 Vertragsparteien des Übereinkommens, darunter in Anlage I aufgeführte Vertragsparteien, auf die insgesamt mindestens 55 v.H. der gesamten Kohlendioxidemissionen der in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien im Jahr 1990 entfallen, ihre Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden hinterlegt haben.“ Anlage I umfaßt alle Industriestaaten sowie die osteuropäischen Länder, die sich noch in der Übergangsphase zu einer freien Marktwirtschaft befinden. Da mit den USA, die mit 36,2%[3] auch 1990 bereits den höchsten prozentualen Anteil am CO2-Ausstoß der Industriestaaten hatte, im Jahr 2001 der größte CO2-Emitter aus dem Kyoto-Prozeß ausgestiegen ist, konzentrieren sich die Bemühungen der Staaten, die das Kyoto-Protokoll in Kraft setzen wollen, darauf, möglichst alle verbliebenen, besonders jedoch diejenigen Industriestaaten mit ‚ins Boot‘[4] zu holen, die 1990 genügend Kohlendioxid emittierten, um zusammen die 55%-Bedingung zu erfüllen. Neben der Europäischen Union (24,3% des 1990er CO2-Ausstoßes aller Industrieländer) und Japan (8,6%), die das Protokoll im Vorfeld der 8. Vertragsstaatenkonferenz in Neu Delhi unterzeichneten, sowie Kanada (3,3%), das als 99. Staat das Kyoto-Protokoll ratifizierte, ist das vor allem Rußland (17,4%).

Zahlreiche Zugeständnisse wurden bisher an die Russische Föderation gemacht, dennoch zögert die Regierung eine rasche Ratifizierung weiter hinaus. Welche Überlegungen stecken hinter der Blockadehaltung? Wessen Interessen spielen in der russischen Verhandlungspolitik eine Rolle? Und wie erklärt sich diese offensichtliche Verhandlungsmacht Rußlands?

2. Verhandlungsmacht im Rahmen des Kyoto-Prozesses

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einem Verhandlungspartner im Rahmen der Kyoto-Vereinbarungen Macht zukommen zu lassen? Ausgehend vom machtstrukturell-institutionalistischen Erklärungsansatz[5] ist die Verhandlungsmacht eines Staates in umweltpolitischen zwischenstaatlichen Verhandlungsprozessen abhängig vom Grad der Betroffenheit des politischen Systems[6] der beteiligten Staaten: „Ein Land kann ein anderes Land zu einer Handlung bringen, die dieses sonst nicht täte. Das stärker betroffene Land hat die Wahl, entweder die Kosten der Schädigung durch das andere Land zu tragen - oder zu versuchen, die Schädigung abzuwenden, indem etwaige Forderungen des schädigenden Landes erfüllt werden, damit dieses die grenzüberschreitende Schädigung mindert oder unterläßt“[7]. Je höher also die politische Betroffenheit gegenüber globalen Umweltproblemen, desto geringer die Verhandlungsmacht; bzw. je geringer die politische Betroffenheit, desto höher der Grad an Verhandlungsmacht. Die politische Betroffenheit ist „eine im Zeitverlauf variable Größe“[8] und wiederum abhängig von einer ganzen Reihe an Faktoren: Die Art des politischen Systems eines Staates[9] und das Umweltbewußtsein der Bevölkerung, aber auch der Wohlstand eines Landes[10], sein „Anpassungspotential“[11] sowie der Einfluß privater Akteure innerstaatlicher und transnationaler Art[12] haben entscheidenden Einfluß auf den Grad der Betroffenheit.

Das Kyoto-Protokoll enthält zudem in Artikel 25 ein starkes Druckmittel, dessen sich verhandlungsstarke Vertragspartner bedienen können - die Bedingungen, unter denen es nur in Kraft treten kann. Annex-I-Staaten mit geringer politischer Betroffenheit, die sich über Zustimmung oder Ablehnung des Protokolls noch uneins sind, ist damit die Möglichkeit gegeben, ihre Verhandlungsposition zu stärken und ihre Verhandlungsmacht zu vergrößern[13]: Mit der Gewissheit, daß nach dem Ausscheiden der USA nahezu alle verbliebenen Industriestaaten das Protokoll ratifizieren müßten, um ihm Geltung zu verschaffen, können insbesondere Staaten, die 1990 einen hohen prozentualen Anteil an den Kyotogasemissionen hatten, hoch pokern und die anderen Vertragspartner zu Zugeständnissen zwingen, um für sich selbst unter Zuhilfenahme der Kyoto-Mechanismen[14] so viele (im Endeffekt finanzielle) Vorteile wie möglich zu verbuchen.

3. Die Position Rußlands

Das Kyoto-Protokoll sieht für Rußland die Stagnation des Treibhausgasausstoßes auf dem Niveau von 1990 vor. Infolge des wirtschaftlichen Niedergangs im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre belief sich die reale Veränderung der Emission aller sechs Kyoto-Gase gegenüber 1990 jedoch bereits auf -35,4% im Jahr 1998[15]. Schon 1995 waren die jährlichen russischen CO2-Emissionen gegenüber dem Stand von 1990 um ein Drittel von drei Milliarden Tonnen auf zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid gesunken[16]. „Selbst wenn es zu einer ökonomischen Erholung kommen wird, ist wegen der bei weitem nicht ausgeschöpften Energieeffizienspotentiale nicht notwendig mit einem dramatischen Anstieg der energiebedingten Emissionen zu rechnen. Zu einer progressiven Position im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen hat dies freilich nicht geführt. Im Gegenteil wurde durchgehend eine Bremserrolle eingenommen“[17]. Bereits in Kyoto gelang es den russischen Vertretern, „ein Emissionsziel zu erlangen, das weit über die eigentlichen Bedürfnisse hinausgeht“[18].

Welche Interessen verfolgt also die russische Seite mit ihrer Verhandlungsposition? Mit welchen Strategien versucht sie, wessen Ziele durchzusetzen? Und woraus erwächst ihr ihre Verhandlungsmacht?

[...]


[1] Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen; verabschiedet am 11.12.1997

[2] in: Adolf Kerbl: Die Klimakonferenz von Kyoto und ihre Bedeutung; S. 4 (im Internet unter http://www.wk.or.at/aws/pdf/text-u8.pdf ; zuletzt am 01.03.2003)

[3] Zahlen nach UNFCCC; zitiert in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.): Klimaschutz - global und lokal. Herausforderung für das 21. Jahrhundert, S. 20

[4] Besonders anläßlich der 6. Vertragsstaatenkonferenz in Bonn wurde in den Medien und von Umweltorganisationen immer wieder das Bild des (Rettungs-) Bootes als Symbol für das Kyoto-Protokoll verwendet.

[5] vgl.: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S. 83ff

[6] vgl.: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S. 108f

[7] in: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S. 107

[8] in: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S. 109

[9] vgl.: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S. 122f

[10] vgl.: 3.3.

[11] in: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S. 109; Gemeint ist eine Anpassung an den Klimawandel (z.B. durch entsprechende technische Maßnahmen wie Deichbauten oder durch veränderte landwirtschaftliche Anbaumethoden) durch welche „eine Regierung ihre politische Betroffenheit gegenüber grenzüberschreitenden Umweltschäden verringern kann“ und somit die Verhandlungsmacht der Verursacherseite schwächt. (vgl. ebenda)

[12] vgl.: Frank Biermann: Die machtstrukturell-institutionalisierte Erklärung zwischenstaatlicher Umweltpolitik; in: ders.: Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer; Baden-Baden 1998; S.113ff

[13] vgl.: Manfred Treber, Christoph Bals, Gerold Kier, Dörte Bernhardt, Britta Horstmann, Klaus Milke: Nach COP7: Freie Bahn für ernsthaften Klimaschutz. Germanwatch Briefing Paper zu den Ergebnissen des Klimagipfels in Marrakesch 2001; im Internet unter: http://www.germanwatch.org/rio/bpcop7.htm (zuletzt am 20.03.2003)

[14] Insbesondere die im Kyoto-Protokoll vorgesehene Möglichkeit des internationalen Handels mit nationalen Emissionsrechten (Artikel 17) bietet vor allem (osteuropäischen) Staaten, die über ein hohen Anteil an sog. ‚hot air‘ verfügen, lukrative Geschäfte mit großen (westeuropäischen/US-amerikanischen) Verchmutzern. Um, wie im Fall Rußlands, diesen Anteil an ‚heißer Luft‘ noch zu erhöhen, wird am Verhandlungstisch immer wieder um die Anrechnung von ‚Senken‘ (insbesondere Waldflächen) gerungen.

[15] Zahlen nach UNFCCC/EEA, zitiert in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.): Aus Verantwortung für die Zukunft. Umweltpolitik als globale Herausforderung; S. 22

[16] Angabe nach Arild Moe, Kristian Tangen: The Kyoto Mechanisms and Russian climate politics; zitiert in: Axel Michaelowa, Tobias Koch: Russland: der passende Schlüssel zum Inkrafttreten des Kioto-Protokolls?; in: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Heft 9/2002; 82. Jahrgang, Hamburg 2002; S. 563

[17] in: Reinhard Loske: Die Klimapolitik der Staaten: Eine vorläufige Bilanz; in: ders.: Klimapolitik. Im Spannungsfeld von Kurzzeitinteressen und Langzeiterfordernissen; Marburg 1996; S. 269f

[18] in: Axel Michaelowa, Tobias Koch: Russland: der passende Schlüssel zum Inkrafttreten des Kioto-Protokolls?; in: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Heft 9/2002; 82. Jahrgang, Hamburg 2002; S. 563

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Verhandlungsmacht Rußland? Die Russische Föderation im Kyoto-Prozeß
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut f. Pol.wiss.)
Veranstaltung
PS : Einführung in die internationale Umweltpolitik
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V14534
ISBN (eBook)
9783638199087
ISBN (Buch)
9783638771313
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhandlungsmacht, Rußland, Russische, Föderation, Kyoto-Prozeß, Einführung, Umweltpolitik
Arbeit zitieren
Anna Fehmel (Autor:in), 2002, Verhandlungsmacht Rußland? Die Russische Föderation im Kyoto-Prozeß, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14534

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