Selbstmord. Ursachen, Motive und Diagnostik des Suizidrisikos


Hausarbeit, 1996

27 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung (Seite 1)

2. Der sozial bedingte Selbstmord (Seite 2 - 4)

3. Ursachen und Motive (Seite 5)

4. Andere Kulturen (Seite 6)

5. Individualisierung als Problem bereich (Seite 7 - 8)

6. Selbstmorde in Abhängigkeit von

Jahreszeit, Wochentagen und Tageszeiten (Seite 9)

7. Angstzustände (Seite 10)

8. Depression und Suizid (Seite n - ¡2)
- Allgemeines
- Anzeichen und Symptome von Depression
- Depressionstheorie nach Freud

9. Diagnostik von Depression und Suizidrisiko (Seite 13 -16)
- Selbstbericht
- Wichtige Bezugspersonen
- Das klinische Gespräch
- objektive Testergebnisse

10. Kindheitserlebnisse und spätere Suizidalität (Seite i7)

11. Jugendliche

12. Abschiedsbriefe

13. Der Sonderfall des angedrohten Sprungs in die Tiefe (Seite 20)

14. Verhaltensregeln bei Kontakt mit suizidgefährdeten Personen (Seite 21)

15. Schlußwort (Seite 22 - 23)

16. Statistik (Seite 24 - 26)

17. Quellenverzeichnis (Seite 27)

1. Einleitung :

In dieser Hausarbeit an der Verwaltungsfachhochschule soll das Thema „Suizid“ im Fach Soziologie behandelt werden. Warum wählte ich „Selbstmord“ als Überschrift, wo der Arbeitsauftrag „Suizid“ heißt? Oder ist beides dasselbe?

Das Lexikon verweist bei „Suizid“ auf Selbstmord und bestimmt ihn als vorsätzliche Zerstörung des eigenen Lebens. Danach wären die beiden Begriffe identisch. Suizid klingt mir aber zu klinisch, regt weniger auf. Allerdings ist der Begriff Suizid auch wertfreier, wie schon L. Balluseck in seinem Buch über Selbstmord schreibt. Dabei soll der Titel „aufregen“ und neugierig machen, weil wir den Tod in unserer Gesellschaft zu verdrängen versuchen.

Für viele hat der Tod etwas Erschreckendes, Furchteinflößendes. Ein gesellschaftliches Phänomen. Lebten früher mehrere Generationen unter einem Dach, begleiteten sie Geburt und Tod als etwas vollkommen Normales, das man gemeinsam erlebte und verarbeitete.

Heute leben Familienangehörige oft weit voneinander entfernt. In den seltensten Fällen gibt es rege Kontakte zwischen alt und jung. Dies hat unter anderem zufolge, daß jüngere Menschen das Altwerden und den Tod furchten. Sie verdrängen das Thema und setzen sich erst mit dem Tod auseinander, wenn ein Sterbefall zu beklagen ist.

Es geschieht nie ohne Grund, wenn dem eigenen Körper und damit auch der eigenen Seele die weitere Existenz auf dieser Welt mit Gewalt genommem wird.

Die vielen offenen Fragen die ein Selbstmord aufwirft kann auch diese Hausarbeit nicht beantworten. Es ist ein Ansatz um die Beweggründe zu verstehen und die Bedingungen fur einen Selbstmord darzulegen, um damit auch Möglichkeiten der Hilfe aufzuzeigen.

Wobei die Verhinderung eines Selbstmordes eine der schwierigsten Aufgaben ist.

Ich habe schon einige Personen gekannt, manche näher, manche nur oberflächlich, die sich das Leben nahmen. Auch im dienstlichen Bereich sind 2 Menschen dabei gewesen.

Wenn jemand ernsthaft die Absicht hat aus dem Leben zu scheiden, es wirklich will, dann können wir die Person nur schwer davon abhalten, sie wird immer einen Weg finden.

Deshalb sollten wir, wenn möglich, auf therapeutische Hilfe drängen.

Zu erkennen, wann jemand sein Leben beenden will, ist sehr schwer. Da nicht immer eindeutig ausgesprochen wird :„Ich bringe mich jetzt um“.

Ich glaube, wenn ein Mensch aussprechen kann was ihn bewegt und was er vor hat kann er schon auf dem Wege sein, es nicht zu tun.

Nur ist oft auch niemand da, der in diesem Moment zuhört.

Natürlich gibt es auch Therapien, nur muß die Umwelt die Situation rechtzeitig erkennen und richtig einschätzen, damit die Hilfe auch ankommt. Am wichtigsten erscheint mir, daß niemand ausgeschlossen und damit isoliert wird, wie z.B.viele ältere Menschen.

Dies ist eine große gesellschaftliche Aufgabe.

Auffallend war, daß es relativ wenig soziologische Literatur gibt, die den Selbstmord direkt behandeln.

Die meisten Bücher sind älteren Datums und fast schon Klassiker.

(siehe Literaturverzeichnis)

In der Psychologie gibt es die meisten Ansätze über Suizidenten, vielleicht auch deswegen, weil man hier eine konkrete Person mit einem konkreten Problem hat. Dagegen sind soziologische Ansätze eher selten zu finden. In der Kriminalistik ist der Selbstmord wieder eher ein Thema, aber nur um ihn gegenüber der Fremdeinwirkung genau bestimmen zu können.

2. Der sozial bedingte Selbstmord (Thesen nach Durkheim)

Wenn wir Selbstmorde nur als individuelle Entscheidungen betrachten zeigen die Statistiken der Länder Regelmäßigkeiten auf, die einfach nicht zu erklären sind. Die Zahl der Selbstmorde ist erstaunlich konstant in den einzelnen Ländern, in sozialen, religiösen und beruflichen Gruppen, in den Winter- und Sommermonaten, oder zu verschiedenen Tageszeiten.

Aber die Zahlen, die über Jahre und Jahrzehnte hin konstant bleiben, sind voneinander ebenso konstant unterschiedlich.

So findet man relativ wenig Selbstmorde unter Verheirateten mit Kindern, mehr unter kinderlosen Verheirateten und Witwern, viel mehr unter Ledigen, mehr unter Berufsoffizieren als unter Berufssoldaten, mehr im Sommer als im Winter usw.

Dürkheims Analyse kommt zu dem Ergebnis, unter drei verschiedenen Arten von sozial bedingtem - oder sozial gefördertem Selbstmord zu unterscheiden: dem egoistischen, altruistischen und anomischen Selbstmord.

Die relative Isoliertheit eines Menschen in der Gesellschaft - ein unverheirateter, ungeliebter junger Mann sieht im Sommer alle anderen mit ihren Mädchen Spazierengehen - ist die Vorbedingung für den egoistischen Selbstmord

Im Gegensatz dazu schützt der altruistische Selbstmörder die soziale Gemeinschaft, der er angehört und in die er besonders stark integriert ist:

Ein Berufsoffizier, der nach den Auffassungen seines Standes etwas Unehrenhaftes getan hat, tötet sich um die Standesehre zu wahren.

Der Begriff „anomischer Selbstmord“ ist Dürkheims „Erfindung“, wie auch der Begriff „Anomie“, der seither in den soziologischen, dann auch in den weiteren Sprachgebrauch eigegangen ist. Anomie als sozialer Zustand ist eine Nórmenlosikeit oder Richtungslosigkeit, die gewöhnlich in Zeiten sozialen Umbruchs auftritt.

Ihr entspricht im Individuum Ratlosigkeit und Haltlosigkeit, was wir heute meist als Entfremdung (Alienation) oder Identitätsverlust bezeichnen.

Anomie ist ein Zustand der Gesellschaft, in dem die traditionellen Werte keine Autorität mehr besitzen und neue Ideale, Ziele und Normen noch keine Kraft zeigen.

Anomie ist ein sozialer Zustand, bei dem sozusagen jeder für sich oder jede Gruppe für sich ihren Weg sucht, ohne verbindliche Ordnung - ein Zustand, der nach Durkheim nicht nur für den Bestand der Gesellschaft lebensgefährlich ist, sondern auch für die Individuen innerhalb der Gesellschaft, die aus individuellen Gründen besonders anfällig für Verzweiflung sind:

Wo die Ordnungskraft der Gesellschaft versagt, breitet sich Traurigkeit aus. Das kann z.B. bei wirtschaftlichen Depressionen der Fall sein, aber auch in Zeiten starker Hochkonjunktur. Beide Zustände sind ungesund. Umgekehrt zeigt es sich, daß in Kriegszeiten oder bei anderen Katastrophen, wenn die ganze Gesellschaft sich einer Aufgabe widmet, die Selbstmordziffern zurückgehen. Diese Meinung vertritt auch Dubitscher: Der Suicid, 1957

Damit stellt sich die Frage, wie - ohne Katastrophen - eine solche positive soziale Ordnung geschaffen werden kann, die möglichst viele Menschen mitreißt und ihnen die volle Entfaltung ihrer Kräfte ermöglicht.

Durkheim nahm die Beantwortung dieser Frage verschiedentlich in Angriff, besonders in seinen letzten Werken. Da er soziale Kräfte in erster Linie als moralische Kräfte ansah, wandte er sich dem Studium der Moral an sich zu und zunächst dem Studium der Religion, der ursprünglichen Quelle sittlicher Gebote und Verbote.

Er fixierte damit seine Stellung zwischen zwei Lagern: den Verfechtern einer materialistischen, sich wissenschaftlich nennenden Weltanschauung und den Vertretern der offiziellen Religionen.

Die einen wollten nichts davon wissen, daß die Religion am Beginn aller sozialen Entwicklung stehen solle, und die anderen betrachteten es als Sakrileg, daß Durkheim die Religion mit wissenschaftlichen Methoden „wie eine Sache“ untersuchen wollte.

Noch weniger paßte ihnen das Ergebnis seiner Arbeiten. Durkheim erklärte nämlich, Religion sei das gemeinsame Wertsystem einer Gesellschaft, Götter seien ihre Symbole, und im Kultus würden die kollektiven Vorstellungen immer wieder erneuert. Auch Individualisten, ob selbst religiös gläubig oder nicht, nahmen Anstoß an Dürkheims These, daß die Religion eine soziale Funktion habe, nämlich die, eine Gemeinschaft zu integrieren.

Dies schien ihnen das persönliche Erlebnis zu entwerten, was jedoch Durkheim keineswegs beabsichtigt hatte.

Er wußte, daß individualpsychologische und soziologische Erklärungen einander nicht ausschließen, sondern auf verschiedene Aspekte oder Ebenen der Wiklichkeit zielen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Drei Beispiele für den Rückgang der „egoistischen “ Selbstmorde “ bei nationalen Krisen (nach Durkheim): „ In den Jahren 1848 - 1849 machte die Krise, die gerade Frankrech geschüttelt hatte, die Runde durch Europa: Überall sank die Zahl der Selbstmorde, und die Abnahme ist um so deutlicher, je schwerer undje länger die Krise war (1. Tabelle).

Die großen nationalen Kriege haben denselben Einfluß wie politische Krisen.

Im Jahre 1866 brach der Krieg zwischen Österreich und Italien aus; die Selbstmorde verringerten sich im im gleichen Verhältnis in beiden Ländern.

Der Krieg 1870/1871 hatte dieselben Folgen in Frankreich und in Deutschland:

Die Zahl der Selbstmorde ging zurück.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Altruistischer Selbstmord“ ist nach Durkheim ein Selbstmord, der aus Scham begangen wird, weit jemand die Normen seiner Gruppe verletzt hat. Die Tabelle zeigt, wie die Soldaten - eine sozial besonders dicht geschlossene Gruppe - häufiger Selbstmord begehen als die Zivilisten gleichen Alters.

Selbstmorde auf 1 Million Durchschnitt der Scheidungen

Menschen und Trennungen auf 1000 Ehen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Anomischer Selbstmord“ kommt nach Durkheim häufig in sozialen Gemeinschaften vor, deren Werte und Normen ihre Kraft verlieren. Zwei Kennzeichen von „Anomie “ - Selbstmorden und Scheidungen - treten, wie diese Tabelle zeigt, in verschiedenen französischen Departements mit derselben relativen Häufigkeit auf Die Departements sind in acht Kategorien, nach der Selbstmordrate und nach der ebenso ansteigenden Rate der Scheidungen, geordnet.

3. Ursachen und Motive :

Amelunxen meint dazu: Die Umweltfaktoren schaffen fur den Einzelmenschen Lebensverhältnisse, aus denen sich konkrete Selbstmordgründe zwar ergeben können - aber nicht müssen; mit Recht meint Dubitscher, es fehle hier die „Gegenprobe“, da zahllose andere Menschen in gleicher Lage eben keinen Selbstmord begehen. Andererseits sind die „Gründe“ vieler Selbstmordkandidaten derart undurchsichtig, ja unerklärlich, daß man sie gar nicht auf bestimmte Umweltsituationen zurückfuhren kann.

Maßgeblich fur den Selbstmordentschluß ist wohl immer die Entwicklung und die „Toleranzgrenze“ der Persönlichkeit: je widerstandsunfähiger und brüchiger sie ist, desto wichtiger ist eine harmonische Umwelt, die den Selbsterhaltungstrieb retten oder stärken kann. Seelische Störungen (Anm : Neurosen/Psychosen) fuhren oft zum Entschluß den Tod zu suchen.

Sog. „Bilanzselbstmorde“ werden nach Aufstellung einer „Lebensbilanz“ und Abwägung aller für und gegen den Selbstmord sprechenden Gründe planvoll-kalkulatorisch begangen. So wird derjenige der durch einen Unfall für immer ans Bett gefesselt ist Überlegungen anstellen, welche Erwartungen an sein Leben noch erfüllt werden können. Das Ergebnis könnte im selbstgewählten Ende liegen.

Selbstmorde aus Liebeskummer fuhren auch zu sog. Doppelselbstmorden. Das berühmteste Selbstmörderpaar der Welt ist wahrscheinlich „Romeo und Julia“.

Statistische Aussagen zu Selbstmorden aus Liebeskummer sind nur unzulänglich vorhanden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Selbstmord. Ursachen, Motive und Diagnostik des Suizidrisikos
Hochschule
Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung; ehem. VFH Wiesbaden
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
1996
Seiten
27
Katalognummer
V145281
ISBN (eBook)
9783640562657
Dateigröße
15058 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Selbstmord, Suizid, Depression
Arbeit zitieren
Lutz Heinze (Autor:in), 1996, Selbstmord. Ursachen, Motive und Diagnostik des Suizidrisikos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145281

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Selbstmord. Ursachen, Motive und Diagnostik des Suizidrisikos



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden