Melli Beese

Die erste deutsche Fliegerin


Fachbuch, 2010

61 Seiten


Leseprobe


A

ls erste Frau, die in Deutschland die Prüfung zum Erwerb der Pilotenlizenz ablegte, ging die gebürtige Sächsin Ame- lie Hedwig Boutard-Beese (1886-1925), geborene Beese, in die Geschichte der Luftfahrt ein. Besser bekannt ist sie allerdings unter ihrem Rufnamen Melli Beese. Ihr Leben endete auf tragische Weise.

Amelie Hedwig Beese kam am 13. September 1886 als einzige Tochter eines Architekten in Laubegast bei Dresden zur Welt. Von ihren wohlhabenden Eltern wurde sie auf vielen Gebieten gefördert. Von 1906 bis 1909 studierte Melli an der „Kö- niglichen Akademie der freien Künste“ in Stockholm Bild- hauerei.

In Schweden begeisterte sich Melli für das Hochseesegeln. Sie war aber auch fasziniert von den Berichten und technischen Fortschritten in der so genannten „Aviatik“ (Flugkunst). Aus diesem Grund las und sammelte sie Berichte über die Flugversuche der berühmten Brüder Wilbur Wright (1867-1912) und Orville Wright (1871-1948).

Im November 1910 kehrte Melli Beese nach Deutschland zurück und hörte am „Technikum Dresden“ (heute „Technische Universität“) externe Lesungen in Mathematik, Schiffbau und Flugmechanik.

Noch 1910 suchte Melli Beese auf dem Flugplatz Johannisthal bei Berlin einen Fluglehrer. Zunächst versuchte sie bei den Albatros-Flugzeugwerken ihr Glück. Dort wurde sie wegen mangelnder Erfahrung mit weiblichen Schülern abgelehnt und zur „Flugmaschine Wright GmbH“ weitergeschickt, wo bereits die Ballonfahrerin Käthe Paulus (1868-1935) Flugstunden genommen hatte. Aber Paul Engelhardt (1868-1911) weigerte sich, noch einmal eine Frau zu unterrichten und empfahl Melli, sich an die „Ad Astra Fluggesellschaft“ in der Schweiz zu wenden. Zur großen Freude von Melli nahm deren Fluglehrer Robert Thelen (1884-1968) sie als Schülerin an. Damals mussten Flugschüler manchmal wochenlang in den Hallen eines Flugplatzes warten, bis sich endlich eine Gelegenheit für einen Start bot. Denn man wagte nur dann einen Flug, wenn ein entfaltetes, in die Luft gehaltenes Taschentuch sich nicht bewegte. Männliche Flugschüler betrachteten Melli Beese als unwillkommene Konkurrentin und versuchten, ihren ersten Flug zu verhindern. Erst als sie ihren Fluglehrer zur Rede stellte, durfte sie 1910 erstmals in die Luft aufsteigen.

Bei Melli’s zweiter Flugstunde am 12. Dezember 1910 setzte der Motor des Wright-Doppeldeckers wenige Augenblicke nach dem Start aus. Die Maschine stürzte mit Fluglehrer und -schülerin aus rund 20 Metern Höhe zu Boden. Thelen blieb unverletzt, aber Melli erlitt einen komplizierten Knöchelbruch. Wegen ihrer starken Schmerzen behandelte man sie mit Morphin, was eine lebenslange Sucht auslöste. Wenige Tage nach diesem Unfall erlag der Vater von Melli einem Herz- infarkt.

Mitte Januar 1911 kehrte Melli Beese - immer noch mit Krücken gehend - auf den Flugplatz Johannisthal zurück und hörte dort Unerfreuliches. Für ihren Fluglehrer Robert Thelen war ihre Bruchlandung vom 12. Dezember 1910 der Beweis dafür, dass „Frauen im Flugzeug eben Unglück brin- gen“ und er weigerte sich deswegen, sie weiter zu unterrich- ten.

Doch die beharrliche Melli Beese gab ihr Vorhaben nicht auf, das Fliegen zu lernen. Im Mai 1911 unterschrieb sie einen neuen Schulungsvertrag bei den Rumpler-Werken. Deren Fluglehrer Hellmuth Hirth (1886-1936) war von der Idee nicht begeistert, einer Frau das Fliegen beibringen zu müssen. Zähneknirschend fügte er sich dem Druck der RumplerDirektion, die sich durch eine weibliche Werkspilotin positive Publicity erhoffte.

Melli hatte stark unter der negativen Einstellung von Hirth zu leiden. Immer, wenn sie eigentlich an der Reihe war, saß bereits ein anderer Schüler im Flugzeug oder angebliche technische Probleme verhinderten ihren Flug. Während eines Übungs- fluges war sogar ihr Flugzeug sabotiert worden. Hirth ver- harmloste dies als „Streich von Männern, einer Frau gespielt, die unerlaubt in ein Männern vorbehaltenes Revier einge- drungen ist“.

Ohne ausreichende Flugerfahrung meldete sich Melli zur Prüfung an, bei der sie das Flugzeugführerzeugnis des „Vereins des Deutschen Luftfahrtverbandes“ („DLV“) erwerben wollte. Diese Lizenz benötigte sie, um an Wettflügen teilnehmen zu können. Für den Erwerb dieser Lizenz musste sie 3.000 Mark zahlen und eine Versicherung abschließen, die das Risiko einer Bruchlandung absichern sollte.

Laut Online-Lexikon „Wikipedia“ bestand die Prüfung aus drei geschlossenen Rundflügen von mindestens fünf Kilo- metern Länge. Nach jedem Flug musste vorschriftsmäßig gelandet und der Motor ausgeschaltet werden. Die Landung hatte punktgenau, bei einer Toleranz von maximal 150 Metern, zu erfolgen.

Die erste Prüfung endete für Melli Beese beinahe mit einem Unfall. Sie war kaum in der Luft, als der Motor des Flugzeuges aussetzte. Melli landete sofort und stellte fest, dass der Benzintank sabotiert worden war. Über diesen Vorfall sagte Melli nichts, sondern erwähnte ihn erst später in ihrer Autobiographie.

Melli meldete sich erst wieder zur Prüfung an, als Fluglehrer Hirth wegen seiner Teilnahme am „Schwäbischen Über- landflug“ abwesend war. In den frühen Morgenstunden des 13. September 1911, ihrem 25. Geburtstag, startete sie mit einem Flugzeug des Typs „Rumpler-Taube“ und absolvierte die vorgeschriebenen Runden und Figuren. Als so genannte Sportzeugen fungierten die in Johannisthal tätigen Flugleh- rer Ellery von Gorrissen (geb. 1886) und Cornelius Hintner (1875-1922). Bevor die anderen Flugschüler auf dem Flug- platz eintrafen, trug sie überglücklich als erste Frau in Deutsch- land die „Flugzeugführerlizenz Nummer 115“ in ihren Hän- den.

Die frischgebackene Fliegerin Melli Beese hatte dem Eigen- tümer der Rumpler-Werke, Edmund Rumpler (1872-1940), versprochen, bei den Johannisthaler Herbstflugwochen 1911 für ihn zu starten. Dieses Vorhaben schien aber gefährdet, weil zwei männliche Meisterflieger Rumplers drohten, dass sie nicht starten würden, wenn eine Frau im Werksteam mitfliege.

Trotzdem kam Melli doch noch zu ihrem Flug in Johannisthal. Dies hatte sie dem Flugplatzdirektor Georg von Tschudi (1862-1928) zu verdanken, der bei Rumpler intervenierte, er habe im Vorfeld der Flugwochen mit dem Flug einer Frau geworben. Melli hatte auch große Mühe, gehabt, einen für diesen Flug erforderlichen Passagier zu finden, bis endlich einer der jüngsten Flugschüler zusagte.

Melli nutzte bei den Johannisthaler Herbstflugwochen ihre Chance. Die unerfahrene Fliegerin erreichte unter 24 Teil- nehmern mit ihrer „Rumpler-Taube“ den fünften Platz. Nach dem vierten Tag hatte sie noch auf Rang 2 gelegen, doch am fünften Tag ließ man sie wegen des schlechten Wetters, bei dem man einer Frau das Fliegen nicht mehr zumuten könne, nicht starten.

Bei den Johannisthaler Herbstflugwochen stellte Melli mit zwei Stunden neun Minuten einen neuen Dauer-Weltrekord für Frauen auf. Im Jahr darauf gelang ihr beim Flug mit einem Passagier bei den Flugwochen mit 825 Metern ein neuer Höhen-Weltrekord für Frauen, der alte hatte bei 400 Metern gelegen.

Mit finanzieller Unterstützung des Fabrikanten Karl August Lingner gründete Melli Beese 1912 auf dem Flugplatz Johannisthal zusammen mit dem Franzosen Charles Boutard (1884-1951) und dem Dresdner Hermann Reichelt (1879- 1914) die „Flugschule Melli Beese GmbH“. Boutard und Reichelt stellten selbst konstruierte Eindecker zur Verfügung, Melli kaufte eine gebrauchte „Rumpler-Taube“ als Schul- flugzeug. In ihrer Flugschule sollten Flugschüler nicht Wochen oder sogar Monate auf dem Flugplatz verweilen, ohne überhaupt zum Fliegen zu kommen.

In der Folgezeit verwirklichten Melli Beese sowie ihre stillen Teilhaber Charles Boutard und Hermann Reichelt ihre Idee, die „Rumpler-Taube“ nachzubauen. Dies wurde möglich, nachdem der Österreicher Igo Etrich (1879-1967) nach einem Streit mit den Rumpler-Werken die Konstruktionspläne seiner „Taube“ zum Nachbau freigegeben hatte. Bald konnten Beese, Boutard und Reichelt die so genannte „Beese-Taube“ aus eigener Produktion zum günstigen Preis von 12.000 Mark anbieten. Außerdem planten sie die Konstruktion eines Flugbootes.

Am 25. Januar 1913 heiraten Melli Beese und ihr Teilhaber Charles Boutard in Berlin. Ihr Ehemann hatte sich als Radrennfahrer einen Namen gemacht, lebte seit 1910 in

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Melli Beese und Charles Boutard

Foto: Reproduktion einer alten Aufnahme

Johannistal bei Berlin und konstruierte einen Eindecker. Bei einem seiner Abstürze wurde Boutard so schwer verletzt, dass wochenlang die Gefahr bestand, eines seiner Beine müsse amputiert werden. Doch er genas und das verletzte Bein verheilte.

]Melli nahm nach der Heirat die französische Staatsbürgerschaft an. Das Ehepaar zog in eine gemietete Villa unweit des Flughafens Johannisthal.

Vor dem sich abzeichnenden Ersten Weltkrieg (1914-1918) erhielten vor allem große Flugzeugwerke in Deutschland staatliche Förderung. Melli Beese und ihr Ehemann setzten damals große Hoffnungen auf ihr Flugboot, das sie für eine im August 1914 in Warnemünde geplante Veranstaltung anmeldeten. Ihr fertiges Flugboot lag bereits in der Warnow, als am 1. August 1914 der Krieg ausbrach.

Der Kriegsausbruch hatte für das Ehepaar unerfreuliche Folgen: Melli und ihr Mann wurden als „feindliche Ausländer“ verhaftet und ihr „Fliegendes Boot“ wurde zerstört. Den Flugplatz Johannisthal sowie ihre Flugschuppen und ihre Fabrik durften sie nicht mehr betreten. Charles Boutard wurde interniert und Melli Beese unter Hausarrest gestellt. Nachdem ihr Mann vorläufig zurückkehren durfte, wurde das Ehepaar in Wittstock an der Dosse interniert. „Isoliert, ohne Arbeit und von Wachposten misstrauisch beäugt, erkrankten beide an Tuberkulose. Melli Beese konsumierte verstärkt Mor- phium“. So ist es in der „Wikipedia“ nachzulesen.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kehrte Melli Beese nach Johannisthal zurück. Dort waren ihre Flugzeugschuppen geräumt und ihre Flugzeuge demontiert worden. Weil Deutschland im „Versailler Vertrag“ von 1819 eine Luftwaffe verboten wurde, stand Melli Beese vor dem finanziellen Nichts.

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Melli Beese

Foto: Reproduktion einer alten Aufnahme

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Grab von Melli Beese auf dem Friedhof Berlin-Schmargendorf Foto: Axel Mauruszat (via Wikimedia Commons), lizensiert unter CreativeCommons-Lizenz by-2.0-de http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/legalcode

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gedenktafel am Geburtshaus von Melli Beese in Dresden-Laubegast (Österreicher Straße 84)

Foto: Robin Kromat (via Wikimedia Commons), lizensiert unter CreativeCommons-Lizenz by-sa-3.0-de http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

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Details

Titel
Melli Beese
Untertitel
Die erste deutsche Fliegerin
Veranstaltung
-
Autor
Jahr
2010
Seiten
61
Katalognummer
V145202
ISBN (eBook)
9783640545667
ISBN (Buch)
9783640545421
Dateigröße
3994 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Fliegerin, Pilotin, Fliegerei, Luftfahrt, Mellie Beese, Frauenbiograien, Biografien, Melli Beese, Ernst Probst, Fliegerinnenn, Pilotinnen, Kurzbiografien
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2010, Melli Beese, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145202

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Titel: Melli Beese



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