Bildungspolitik in Mehrebenensystemen

Die europäische Dimension am Beispiel des Bildungsprogramms „Lebenslanges Lernen 2007 – 2013“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Bildungspolitik
2.1 Ziele der Bildungspolitik

3 Die rechtlichen Grundlagen der europäischen Bildungspolitik bis zum Vertrag von Maastricht
3.1 Der Europäische Gerichtshof im Kontext der Bildungspolitik

4 Die Europäische Bildungspolitik nach Maastricht

5 Die Bundesrepublik Deutschland als Akteur der Bildungspolitik

6 Strukturelle Bedingungen der EU-Bildungspolitik
6.1 Der Europäische Rat
6.2 Rat der Europäischen Union (Ministerrat)
6.3 Kommission der Europäischen Union
6.4 Das Europäische Parlament

7 Ebenen der Internationalisierung von Bildung

8 Instrumente der EU-Bildungspolitik

9 Die Methode der offenen Koordinierung als neue Steuerungsform in der Bildungspolitik

10 Der Wandel des Nationalstaates - Internationalisierung zur Stärkung der nationalen Exekutive?

11 Die Europäische Dimension am Beispiel des Projekts „Lebenslanges Lernen 2010“ ...
11.1 Die Entwicklung der Bildungsprogramme 2000 - 2006

12 Das Programm „Lebenslanges Lernen 2007 - 2013“
12.1 Das Comenius-Programm
12.2 Das Erasmus-Programm
12.3 Das Programm Leonardo da Vinci
12.4 Grundtvig-Programm
12.5 Die supplementären Programme „Querschnittsprogramm“ und „Jean Monnet“

13 Finanzierung des Programms des Lebenslangen Lernens 2007 - 2013

14 Der EU-Haushalt und die politischen Handlungsspielräume der Mitgliedsstaaten

15 Schlussbemerkung und Ausblick

16 Literaturverzeichnis

1 Vorwort

Supranationale und internationale Institutionen und Akteure haben in den letzten Jahren in der Bildungspolitik einen immensen Bedeutungszuwachs erfahren und somit auch die national- staatlichen Bildungsdebatten über den Status quo und die eventuell notwendigen Reformen nachhaltig geprägt. Die bekanntesten Beispiele sind die supranationale Organisation, die Eu- rop ä ische Union in Gestalt des Bologna-Prozess zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes und die internationale OECD (Organisation für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung), welche für die seit Anfang des neuen Jahrtausends für politisches und ökonomisches Aufregen sorgenden PISA-Studien zur Evaluierung der Bildungssituation in den Mitgliedsländern verantwortlich ist. Diese Entwicklung scheint auf den ersten Blick sehr verwunderlich zu sein, denn die Bildungspolitik gilt schon seit jeher als Domäne des Nationalstaates und ist in den meisten europäischen Staaten durch die Kulturho- heit der Länder fest verankert. Dies gilt insbesondere für den deutschen kooperativen Föderalismus, der durch eine ausgeprägte Mehrebenenverflechtung charakterisiert ist und auch durch die Föderalismusreform von 2006 und somit der Abschaffung der Rahmengesetz- gebung die Bildungskompetenzen in den Hoheitsbereich der Bundesländer definiert. Es existiert folglich eine zweischneidige Entwicklung in der Bildungspolitik, zum einen national und zum anderen supranational beziehungsweise international. Doch welche Kompetenzen besitzt die Europäische Union denn eigentlich wirklich und welche rechtlichen Grundlagen machen eine europäische Intervention in die Bildungspolitik möglich? Dazu ist auch zu unter- suchen, welche strukturellen Bedingungen in der selbigen vorhanden sein müssen, um ein derartig komplexes Politikfeld zu analysieren und eine angemessen Politik auch implementie- ren und evaluieren zu können. Dabei liegt der Fokus auf den neuen Steuerungsmechanismen in der Bildungspolitik, der „offene Koordinierungsmethode“ und den neuen „governance- Strukturen“ im Mehrebenensystem der internationalen Gemeinschaft. Diese Internationalisie- rungstendenz beinhaltet sodann auch nicht intendierte Folgewirkungen, welche von den Nationalstaaten und auch den internationalen Institutionen kompensiert werden müssen. Dies könnte in der Konsequenz auch einen Wandel des Nationalstaates implizieren, und zwar weg von einer regulativen Politik in Richtung eines kooperativen Staates mit einem ausgeprägten Verhandlungssystem mit deliberativen und prozeduralistischen Strukturen. Welche Folgen die Internationalisierung der Bildungspolitik in der supranationalen europäischen Dimension wirklich hat, soll in der folgenden Arbeit zunächst aus einer akteurszentrierten Perspektive analysiert werden und dann durch das Beispiel des aktuellen „ Steckenpferdes “ der Europäi- schen Union in Sachen Bildungspolitik, dem integrierten Programm des „ Lebenslangen Ler nens 2007-2013 “ verdeutlicht werden. Dabei sollen weniger die politischen Theorien konstitutiv sein, sondern die Praxis auch durch die Analyse der Finanzierung der Bildungspolitik im Vordergrund stehen. Daneben darf auch die normative Dimension der aktuellen Prozesse und Entwicklungen nicht vernachlässigt werden und in einem Ausblick sollen letztendlich die Handlungsoptionen und möglichen Tendenzen der Internationalisierung der Bildungspolitik ansatzweise prognostiziert werden

2 Bildungspolitik

Zunächst ist einmal zu klären, was unter dem Begriff der Bildungspolitik überhaupt verstan- den wird. Eine einheitliche Definition ist dabei in der Literatur nicht zu finden, was für die Komplexität und die differenzierten Vorgehensweisen beim Umgang mit der Materie der Bil- dungspolitik spricht. Aus der pädagogischen Perspektive, hier vertreten durch Anton Pelinka wird unter Bildungspolitik die „ systematische Einordnung und Entwicklung der Bildung im Rahmen eines politischen Systems verstanden, welches bestimmte Interessen ausdrückt. Dazu zählen insbesondere das Schulwesen, das Hochschulwesen und die au ß erschulische Erzie- hung.“1 Die politikwissenschaftliche Definition zielt im Gegensatz dazu eher auf einen akteurszentrierten Ansatz ab, wenn etwa Sackmann/Weymann im Kontext des Sonderfor- schungsbereiches 597 der Universität Bremen unter Bildungspolitik primär „ jegliche staatliche Intervention in Bildungssysteme “ verstanden haben wollen. Bildungssysteme wer- den hierbei chronologisch nach vorschulischen Teilbereichen, Primarschulen, Sekundarschulen, tertiärer Bildung und Weiterbildung geordnet, „ wobei die schulische Allge- meinbildung als Kernbereich gilt.“2

Dabei ist Bildungspolitik immer im Kontext zu anderen Politikfeldern zu betrachten, so exis- tieren etwa zur Sozialpolitik, der Wirtschaftspolitik oder zur Arbeitsmarktpolitik wechselseitige Interdependenzen, Wickel/Bergmann kontextualisieren die Bildungspolitik in ihrem Handlexikon der Europäischen Union ausdrücklich als Teil der Beschäftigungspolitik.3 Bildungspolitik stellt somit also einen elementaren Kern der nationalstaatlichen Politik dar, sie zeichnet sich vor allem durch eine steuergestützte, umfangreiche staatliche Finanzierung, eine betriebsförmige Organisation der Bildungsvermittlung, eine demokratische Zieldefiniton der Bildungsvermittlung, eine rechtliche Definition von Bildungszertifikaten und eine legiti- mierte Verzahnung von Bildungsabschlüssen mit Arbeitsmärkten aus.4 Bildungspolitik impliziert folglich etwa für die Bundesrepublik Deutschland, aufgrund der nicht vorhandenen rohstofflichen Kapazitäten eine Investition in Humankapital, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaftskraft zu sichern.5

2.1 Ziele der Bildungspolitik

Hiermit ist auch das erste Ziel der Bildungspolitik definiert: die Gewährleistung von Arbeits- markterträgen, um wirtschaftliche Prosperität zu ermöglichen. Als zweites grundlegendes Ziel gilt die Vermittlung von Wissenskompetenzen und als drittes die Vorbereitung auf einen problemlosen Arbeitsmarkteintritt.6 Betrachtet man den Kampf auf dem nationalen wie auch internationalen Arbeitsmarkt um die qualifiziertesten Arbeiter, den am besten ausgebildeten Ingenieur etc., so ist das ökonomische Nutzenkalkül gerade auf der bildungspolitischen Ebene der wegweisende Faktor. Und dies zum einen von Seiten der Arbeitnehmer, zum anderen aber vor allem von Seiten der Unternehmen. Mit der Verschmelzung der Arbeitsmärkte muss es folglich auch zu einer Verschmelzung oder Internationalisierung der Bildungspolitik kom- men, um konkurrenzfähiges Personal für die Zukunft rekrutieren zu können.

Das bildungspolitische Leitbild „ Bildung als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor “ wird nunmehr auch von der Europäischen Union übernommen. Der Europäische Rat hat in seiner Lissabon- Strategie vom März 2000 die Vorgabe formuliert, die „ Europ ä ische Union zum wettbewerbs- f ä higsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.“7 Und dazu soll die Bildungspolitik einen bedeutenden Teil beitragen. Nun stellt sich jedoch zu- nächst] die Frage, welche Kompetenzen die Europäische Union im Bereich der Bildungspolitik überhaupt besitzt.

3 Die rechtlichen Grundlagen der europ ä ischen Bildungspolitik bis zum Vertrag von Maastricht

Gemeinhin wird die Bildungspolitik als Kernbereich der nationalstaatlichen Aufgaben titu- liert, welche die schon von Durkheim 1922 formulierte Funktion der „ Sicherung der nationalstaatlichen Gemeinsamkeit8 erfüllt. Jedoch wurde die Bildungspolitik sogar schon noch früher zur staatlichen Prärogative. Bereits seit dem 17. Jahrhundert stellt sie die nationa- le Integration und Identifikation über die Vermittlung der gemeinsamen Sprache dar.9 Auch Zugangsregelungen zu Staatsdienst oder Profession wurden und werden über die Bildungspo- litik definiert. Heute gehört die Bildungspolitik unbestritten zu den elementaren Bedingungen der sozialstaatlichen Wohlfahrtspolitik, zumindest in den demokratischen Rechts- und Inter- ventionsstaaten der OECD-Welt. Doch aufgrund multilateraler Beziehungen und der intensiven Zusammenarbeit in allen Politikfeldern unter dem Dach eines Verhandlungssys- tems mehrerer Ebenen und somit einer veränderten Governance-Struktur ist eine Einbettung der Bildungspolitik in einen internationalen Kontext offensichtlich. Doch welches sind die spezifischen rechtlichen Grundlagen in den europäischen Vertragskonstellationen, die eine, zumindest teilweise Verlagerung von Kompetenzen auf die supranationale Ebene ermöglich- ten und auch notwendig machten?

Zunächst ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass die Römischen Verträge, das Grün- dungsdokument der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) keine Regelungen über eine gemeinsame Bildungspolitik innerhalb des noch rudimentären, intergouvernementalen Zusammenhalts vorsahen. Die Bildungspolitik wurde zu dieser Zeit primär unter dem von Charles de Gaulle entwickelten Leitbild des „ Europas der Vaterl ä nder “ reflektiert und nur aufgrund der wirtschaftlichen Kooperation in Bezug auf eine gemeinschaftliche Berufsausbil- dung, wie in Art.128 des EWGV angedacht, durch Einbindung der Europäischen Kommmission internationalisiert.10 Hintergrund der Bestrebungen war somit vor allem die Realisierung der vier in den Römischen Verträgen festgelegten Grundfreiheiten zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes: Freier Personenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Warenverkehr und freier Kapitalverkehr. Auch die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und Befähigungspapieren im Sinne des Art. 57 EWGV hatte primär einen ökonomischen Hintergrund und weniger die bildungspolitische Prosperität zum Ziel und kann somit nicht als Grundlage für eine gemeinsame Bildungspolitik geltend gemacht werden. Mit der Institutionalisierung von Grundsätzen einer integrativen Bildungspolitik kamen jedoch erste Tendenzen zu einer einheitlichen europäischen Entwicklung auf. 1963 stellte der Rat der EWG als ersten Schritt die „ Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsbildung “ vor, welche dem einzelnen Bürger eine adäquate Berufsausbildung ermöglichen sollte, um dem technologischen Fortschritt zu folgen. Derge- stalt sollten angemessene Ausbildungseinrichtungen geschaffen werden, welche ab 1971 durch eine Angleichung der Ausbildungsstandards in den Mitgliedsstaaten, durch moderne Ausbildungsmethoden und Ausbildungstechniken die unterentwickelten Sektoren und Regio- nen zu höherer ökonomischer Effizienz verhelfen sollten.11 Mit dem Dahrendorf- Memorandum von 1973 wurde sodann programmatisch eine Vielzahl von Zielen festgelegt, unter anderem die Durchsetzung des Bürgerrechts auf Bildung, das Verhältnis von Bildung und Beruf, sowie die Lösung von Massenprobleme im sekundären und tertiären Bildungsbe- reich (unterprivilegierte Personen und rückständige Regionen) und eine neue Organisation des Bildungswesens im Hinblick auf die Demokratieerziehung zur Förderung der Europäischen Integration.

Diese behandelten Grundsätze weisen jedoch nahezu keine Rechtsverbindlichkeit auf. Sie gründen sich demnach ausschließlich auf ihre politische Bindewirkung, welche zwar nicht zu unterschätzen ist, jedoch keine Sanktionsmaßnahmen bei einer Nichteinhaltung der bildungs- politischen Grundsätze vorsehen kann. Erst mit der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht 1992 wird die Bildungspolitik als „ Kompetenzbereich der Europ ä ischen Union anerkannt und in Titel VIII, Kapitel 3 „ Allgemeine und berufliche Bildung und Jugend “ ver- ankert.12 Diese Harmonisierung und Internationalisierung basierte zu einem nicht geringen Anteil auf der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), der seit Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts immer wieder durch Urteile die Voraussetzungen für eine Erschließung der Bildungspolitik durch die Gemeinschaft geschaffen hat.

3.1 Der Europäische Gerichtshof im Kontext der Bildungspolitik

Nachdem die Europäische Kommission bis in die späten 80er Jahre des 20. Jahrhunderts im- mer wieder versuchte, die Harmonisierung der Bildungspolitik durch die Kombination der bildungspolitischen Aufgaben mit den wirtschaftpolitischen Aufgaben, für die ja die Gemein- schaft zuständig ist, voranzutreiben und damit jedoch immer wieder die Ablehnung der Mitgliedsstaaten erfahren musste, schritt der Europäische Gerichtshof zu Gunsten der Kom- mission ein. Im „ Gravier-Urteil “ vom 24. Juli 1985 stellte der EuGH fest, dass Studenten als Bürger der Europäischen Gemeinschaft ein gleiches Recht auf Zugang zur Berufsbildung in allen Mitgliedsstaaten haben müssen. Mit dem „ Erasmus-Urteil “ vom 30.Mai 1989 kam es zu einer Ausweitung der Regelungsbefugnissen der Gemeinschaft in der Bildungspolitik, indem der EuGH den Zugang zur Berufsbildung, wozu auch das Studium und die weiterführende Schulbildung zu zählen ist, sowie die Möglichkeit des Erlasses von Rechtsakten durch den Europäischen Rat in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft koordinierte.13 Als Zwischenfazit ist hier festzuhalten, dass mit diesen Tendenzen einer „ schleichenden “ Internationalisierung zwar die Ausweitung der gemeinschaftlichen Kompetenzen ansatzweise vorangetrieben wurde, die Organisation der Bildungssysteme und somit auch der Bildungspolitik jedoch auf nationalstaatlicher Ebene verblieben ist.

4 Die Europäische Bildungspolitik nach Maastricht

Mit der Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Union, oder auch EG-Vertrag (EGV) oder Vertrag von Maastricht 1992 wurden der Gemeinschaft erstmals wirkliche bildungspolitische Kompetenzen eingeräumt. Gleichzeitig kommt es durch die Einbettung des Politikfeldes in das Subsidiaritätsprinzip zu einer nationalstaatlichen Hegemonialstellung. Dies scheint auf den ersten Blick semantisch recht unlogisch zu sein, denn wie soll es unisono zu Ausweitung und Beschneidung der gemeinschaftlichen Rechtskompetenzen kommen? Zum ersten sind hier die Artikel 149 und 150 des Vertrages zu nennen, mit denen die Kulturhoheit der Mitgliedsstaaten eingeschränkt wird:

ARTIKEL 149 EGV: „ Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mit- gliedsstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt.“

ARTIKEL 150 EGV: „ Die Gemeinschaft führt eine Politik der beruflichen Bildung, welche die Maß nahmen der Mitgliedsstaaten unter strikter Beachtung der Verant- wortung der Mitgliedsstaaten für den Inhalt der beruflichen Bildung unterstützt und ergänzt.“14

Mit diesen Artikeln wird das „ Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder “, wie die Bil- dungspolitik in den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen 6 und 309, sowie 346 und 347 definiert wurde, ansatzweise zur Disposition der Europäischen Gemeinschaft gestellt. Gleich- zeitig kommt es aber zum zweiten durch den Artikel 5 des EGV zu einer Eindämmung der europäischen Kompetenzen, indem der Kommission nur eine unterstützende und ergänzende Position bei der Bildungspolitik eingeräumt wird. Die rechtsverbindlichen Entscheidungsbe- fugnisse der Europäischen Kommission und dergestalt der Europäischen Union werden somit zu Gunsten der Verteidigung der kulturellen Vielfalt und der nationalstaatlichen Kompeten- zen zensiert.15

5 Die Bundesrepublik Deutschland als Akteur der Bildungspolitik

Mit ein Grund für diese rein rechtlich im Endeffekt nur marginale Kollektivakkreditierung ist die Position Deutschlands im internationalen Bildungscircle bzw. -cycle. Die Bundesrepublik gilt, was die Bildungspolitik in Europa angeht, als „ widerwillig getriebener Partner “, dem ein frühzeitiges Aufgreifen und Umsetzen externer Anregungen schwer fällt, wie es Michael Bu- se in seinem Aufsatz zutreffend formuliert.16 Hintergrund ist unter anderem die starke Position des deutschen Verfassungsgerichtes, welches sich schon immer gegen eine Kompe- tenzausweitung der Europäischen Union in die nationalen Grundbereiche ausgesprochen hat, um sich die eigenen Kompetenzen als „ H ü terin der Verfassung “ und auch als Instrument der Durchsetzung von Politik zu bewahren. Zu beobachten ist dies etwa an den „ Solange- Ent- scheidungen “ des Bundesverfassungsgerichtes, in welchen es sich die Überprüfung des Gemeinschaftsrechts mit dem Grundgesetz lange vorbehalten hatte und somit die Kompeten- zen eines Europäischen Gerichtshofes nur eingeschränkt honoriert hat. Auch der ausgeprägte Föderalismus in der Bundesrepublik steht einer Angleichung der europäischen Bildungspoli- tik eher skeptisch gegenüber. So stellte ein Memorandum der Kultusministerkonferenz von 2004 fest, dass die Methoden der Europäischen Gemeinschaft (Benchmarking, Evaluation etc, dazu später), die Reformprozesse innerhalb der Bildungspolitik zu überwachen, nicht den „ Handlungsm ö glichkeiten der Gemeinschaft entspricht.17 Damit wollen die Bundesländer ihre Position stärken, die sie mit der Grundgesetzänderung 1992 erfochten hatten. Mit dem Artikel 23 des Grundgesetzes, dem so genannten Europaartikel, wurden die deutschen Bun- desländer in Europafragen durch den Bundesrat ermächtigt, in die Handlungsweisen der Bundesregierung einzugreifen, und zwar durch eine gestufte Vetoposition, die von Politikfeld zu Politikfeld variiert. Das dabei angewandte Prinzip der „ Kompetenzabgabe gegen Mitwir- kungsrechte “ garantiert den Bundesländern durch die Einsetzung eines vom Bundesrat benannten Vertreters bei der Wahrnehmung von schwerpunktmäßig in die Gesetzgebungsbe- fugnisse der Länder fallende Kompetenzen gegenüber der EU eine Mitwirkungsgarantie.18 Mit der Föderalismusreform von 2006 wurden die Schwerpunkte jedoch auf die Bereiche schulische Bildung, Kultur und Rundfunkfreiheit reduziert. Somit ist der Weg zwar frei für die einheitliche europäische Regelung des Hochschulwesens, doch die vielfältige Mehrebe- nenverflechtung und das hoch formalisierte Beteiligungsverfahren macht die Europafähigkeit der Bundesrepublik (und auch diejenige einiger anderer Mitgliedsstaaten, etwa Großbritan- nien) zu einer schweren Hypothek. Wie die so genannte Ebenenverflechtung in der Praxis realisiert ist, soll an der folgenden Grafik am Beispiel der Handlungskompetenzen des Frei- staates Bayern deutlich gemacht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bayern in Europa, Quelle: Bayerische Staatskanzlei, in: http://www.bayern.de

Neben der Ebenenverflechtung innerhalb der föderalistischen Mitgliedsstaaten existiert jedoch auch auf europäischer Ebene eine ausgeprägte Akteurskonstellation mit unterschiedlichen Kompetenzen in der Bildungspolitik:

[...]


1 Anton Pelinka: Bildungspolitik/Bildungsökonomie, in: CD-Rom der Pädagogik, in: http://plaz.uni-paderborn.de

2 Reinhold Sackmann/Ansgar Weymann: Sonderforschungsbereich 597: Staatlichkeit im Wandel, Teilprojekt C4: Internati- onalisierung von Bildungspolitik, in: http://www.sfb597.uni-bremen.de/, Seite 691

3 Wolfgang W. Wickel/Jan M. Bergmann: Handlexikon der Europäischen Union, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Omnia-Verlag, Stuttgart 2005

4 Wolfgang W. Wickel/Jan M. Bergmann: Handlexikon der Europäischen Union, Seite 692

5 Das Lexikon für Wirtschaft. Grundlegendes Wissen von A bis Z, 2.Auflage, Mannheim: Bibliographisches Institut & F:A. Brockhaus 2004

6 Reinhold Sackmann/Ansgar Weymann: Sonderforschungsbereich 597: Staatlichkeit im Wandel, Teilprojekt C4: Internationalisierung von Bildungspolitik, in:, Seite 691

7 Allgemeine und berufliche Bildung 2010 - Unterschiedliche Systeme, Gemeinsame Ziele, in: http://ec.europa.eu/education/policies/2010/

8 Reinhold Sackmann/Ansgar Weymann: Sonderforschungsbereich 597: Staatlichkeit im Wandel, Seite 684

9 Ansgar Weymann/Kerstin Martens: Sonderforschungsbereich 597: Staatlichkeit im Wandel, Teilprojekt C4: Internationalisierung von Bildungspolitik, Fortsetzungsantrag Zweite Phase, Bereich C. Intervention, in: http://www.sfb597.uni-bremen.de/, Seite 646

10 Vgl.: Kerstin Martens/Klaus-Dieter Wolf: Paradoxien der neuen Staatsraison- Die Internationalisierung der Bildungspolitik in der EU und der OECD, in: Zeitschrift für internationale Beziehungen, 13.Jg (2006), Heft 2, Seite 153

11 Vgl.: Wolfgang W. Wickel/Jan M. Bergmann: Handlexikon der Europäischen Union, Seite 98

12 Ebd.: Seite 98

13 Vgl.: Wolfgang W. Wickel/Jan M. Bergmann: Handlexikon der Europäischen Union, Seite 99

14 Beide Artikel in: Allgemeine und berufliche Bildung, in: http://europa.eu/education/policies/educ/educationde.html

15 Vgl.: Kerstin Martens/Klaus-Dieter Wolf: Paradoxien der neuen Staatsraison, Seite 153

16 Michael Buse: Bildungspolitik im föderativen System und internationaler Einfluss, in: Forum Föderalismusreform 2004, aus: http://de.groups.yahoo.com/group/Bildungspolitik-TUM/files/Materialien, Seite 30

17 Ebd.: Seite 18/19

18 Vgl.: Annegret Eppler: Föderalismusreform und Europapolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 50/2006, in: http://www.bpb.de

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Bildungspolitik in Mehrebenensystemen
Untertitel
Die europäische Dimension am Beispiel des Bildungsprogramms „Lebenslanges Lernen 2007 – 2013“
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Bildungspolitik im kooperativen Föderalismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
32
Katalognummer
V145196
ISBN (eBook)
9783640549283
ISBN (Buch)
9783640550173
Dateigröße
667 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bildungspolitik, Mehrebenensystemen, Dimension, Beispiel, Bildungsprogramms, Lernen
Arbeit zitieren
Sebastian Schweizer (Autor:in), 2007, Bildungspolitik in Mehrebenensystemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145196

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