Thomas Pynchons V. - Anwendung der Rhizomtheorie


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2
2.1 Baumstruktur – Rhizom: Abgrenzung und Einleitung
2.2 Prinzipien der Rhizomtheorie
2.3 Der rhizomatische Text und die Postmoderne

3 Thomas Pynchons V.
3.1 Besonderheiten des Romans
3.2 Anwendung der Rhizomtheorie
3.3 Bewertung der Anwendung

4 Schlussteil und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Begriff der Postmoderne bezeichnet kein eindeutiges, abgeschlossenes Konzept. Vielmehr gibt es eine Vielfalt postmoderner Theorie, die kulturellem, ideologischem und historischem Wandel unterliegt.[1] Ebenso gilt postmoderne Literatur als schwer definierbar und lässt sich nicht eindeutig kategorisieren, es handelt sich um „eine offensichtlich in irgendeiner Weise 'andere' Literatur“[2]. Stattdessen werden ihr eine Reihe von Eigenschaften und Charakteristika zugeschrieben, die allerdings auch für klassische Literatur gelten können: Postmoderne Texte zeichnen sich z.B. durch fragmentarisches Erzählen, Collagetechnik, Textoffenheit, Polyphonie und Intertextualität aus.[3] Alles in allem ist postmoderne Literatur heterogen und uneindeutig.

Thomas Pynchon gilt als einer der Hauptvertreter der amerikanischen Postmoderne. Die Literatur der amerikanischen Postmoderne zeichnet sich u.a. durch exzessives Experimentieren mit Stilen und Techniken und durch das Hinterfragen von Identität und Wirklichkeit aus.[4] Thomas Pynchons erster Roman V. wird meist der frühen Postmoderne zugeordnet.[5] So besitzt V. eine große Themenvielfalt, ist collagenhaft angeordnet, bietet eine große Variation von Techniken und Stilen und erlaubt keine einheitliche Deutung:

„Der Roman V. ist eine Art Erzählcollage aus heterogenen Bestandteilen, die unter anderem Episoden erzählter Gegenwart, aber auch rekonstruierter Vergangenheit, zunächst unverbundene, aber Deutung und Anschließbarkeit fordernde historische Dokumente, eigenwillige Theorien, literarische Parodien und philosophische Reflexionen über den Status von Geschichte, Fiktion und Imagination einschließt.“[6]

V. kann demnach als postmodern definiert werden.

Die Besonderheit V.s ist aber nicht (allein) seine Postmodernität, sondern die beständige Suche nach Antworten, nach Einheit und Eindeutigkeit und nach Sinn. Diese Suche findet ihre Äußerung im Fehlen eines Zentrums:

„ [Pynchons] novels engage in a rhetoric of absence and loss. [...] He constructs his radically decentralized texts around the premise that the center is unaccountably missing.“[7]

Statt einer linearen, an einem Zentrum orientierten Erzählung ist V. eine vielfach vernetzte Struktur[8] aus zwei (in sich multiplen[9] ) Handlungssträngen, die parallel bzw. gleichzeitig und sich zeitweise berührend und überschneidend zueinander verlaufen.

V. als komplexes Ganzes, als Theorie, entsteht dabei nicht allein durch das Nebeneinander zweier Protagonisten, sondern durch das sinnstiftende Lesen des Rezipienten: „Die Sinnkonstituierung der Verwebung der beiden Perspektiven liegt bei den RezipientInnen.“[10] Der Leser spiegelt durch seine eigene Sinnstiftung das Thema des Romans (als die Konstruiertheit von Sinn). Das Ergebnis einer solchen Suche ist in der Fiktion dasselbe wie in der Realität: „The world is all that the case is“[11] oder: Der Roman ist sein Inhalt. Dieser Inhalt ist in V. bereits sehr viel, entscheidend ist aber, dass der Roman nicht mehr ist, nichts zusätzliches[12].

Gerade die eben herausgestellten Besonderheiten des Romans, sein Vernetzungsaspekt , die damit einhergehende Heterogenität, aber auch die Deutung des Romans unter dem Gesichtspunkt des Wittgensteinschen Zitats kann durch Gilles Deleuzes und Félix Guattaris Rhizomtheorie präzise beschrieben und analysiert werden. Die 5 Prinzipien der Rhizomtheorie verweisen auf signifikante Eigenschaften V.s und scheinen den Roman besser zu erklären als es die Reduktion auf eine bilineare Struktur vermag.

Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, das Pynchonsche Geflecht von Handlung als ein solches Rhizom zu lesen. Hierzu wird zunächst die Theorie von Deleuze und Guattari, vor allem an Hand der von ihnen definierten Prinzipien eines Rhizoms erläutert und anschließend auf V. als Ganzes und mittels exemplarischer Details des Romans angewendet. Deleuzes und Guattaris Rhizomtheorie wird in dieser Arbeit pragmatisch besprochen, d.h. dass ideologische Aspekte der Theorie nur insoweit Betrachtung finden, wie sie der Deutung V.s als Rhizom nützlich sind. Ebenso wird V. nicht im Detail besprochen, sondern nur unter rhizomatischen Gesichtspunkten analysiert.

2

2.1 Baumstruktur – Rhizom: Abgrenzung und Einleitung

Gilles Deleuze und Félix Guattari entwickeln in ihrer Einleitung zu Tausend Plateaus ein rhizomatisches Ordnungsmodell, das das alte Baummodell ablösen soll. Das hierarchische Baummodell gilt den beiden als inadäquate Darstellung der Welt, da es linear und binär organisiert ist und die Existenz einer ursprünglichen Einheit voraussetzt: „ Die binäre Logik ist die geistige Realität des Wurzelbaum. [...] es muss von einer starken vorhergehenden Einheit ausgehen um zu zwei zu kommen [...].“[13] Ein solches Denken begreift die Vielheit nicht[14] und ist eher starr angelegt. Rhizomatische Strukturen sind dagegen vernetzt und in Vielheiten organisiert. Die Vernetzung bedingt Heterogenität und größere Flexibilität gegenüber der Baumstruktur: Durch die Verbindung jedes Elements des Rhizoms mit einer größtmöglichen Zahl anderer Rhizomelemente kann ein Rhizom dezentral verändert werden.

In Abgrenzung zur Baumwurzel sind Rhizome „System[e] der kleinen Wurzeln“[15].

Durch Verkümmerung oder Absterben der ursprünglichen Hauptwurzel entsteht „eine Vielheit von Nebenwurzeln“.[16] Dieses „Wuchern“ bedingt die Heterogenität des Rhizoms:

„Das Rhizom selbst kann die verschiedensten Formen annehmen, von der Verästelung und Ausbreitung nach allen Richtungen an der Oberfläche bis zur Verdichtung in Knollen und Knötchen.“.[17]

[...]


[1] Zum postmodernen Diskurs und seiner Problematik s.h. Paul Michael Lützeler: Von der Postmoderne zur Globalisierung: Zur Interrelation der Diskurse, in: Lützeler (Hrsg.): Räume der postmodernen Literatur. Gender, Performativität, Globalisierung, Tübingen: Stauffenburg-Verl., 2000, S. 1 – 3. Eine Darstellung der Vielfalt postmoderner Konzepte findet sich in Martin Klepper: Pynchon, Auster, DeLillo. Die amerikanische Postmoderne zwischen Spiel und Rekonstruktion, Frankfurt / New York: Campus Verlag, 1996, S. 42 – 45.

[2] Klepper (1996), S. 9.

[3] S.h. u. a. das Kapitel Text und Theorie in Christer Petersen: Der postmoderne Text. Rekonstruktion einer zeitgenössischen Ästhetik am Beispiel von Thomas Pynchon, Peter Greenaway und Paul Wühr, Kiel: Ludwig, 2003, S. 191 – 198.

[4] Vgl. Postmoderne, in: Der Brockhaus Literatur, hrsg. von der Lexikonredaktion des Verlags F.A. Brockhaus, Mannheim, Leipzig / Mannheim: F.A. Brockhaus, 2004, S. 649.

[5] Vgl. u.a. Klepper (1996).

[6] S.h. Manfred Pütz: Thomas Pynchons V.. Geschichtserfahrung und narrativer Diskurs (1978), in: Heinz Ickstadt (Hrsg.): Ordnung und Entropie. Zum Romanwerk von Thomas Pynchon, Reinbek: Rowohlt; 1981, S. 77.

[7] Molly Hite: Ideas of Order in the Novels of Thomas Pynchon, Columbus, Ohio: Ohio State University Press, 1983, S. 24 und 25.

[8] Die von Deleuze und Guattari aufgestellte Opposition von Struktur und Rhizom wird in dieser Arbeit nicht übernommen. Stattdessen wird der Begriff Struktur hier allgemein als Organisationsform verstanden.

[9] Zur Auflösung der bilinearen Struktur s.h. Kap. 3.1 dieser Arbeit.

[10] Klepper (1996), S. 15.

[11] Thomas Pynchon: V., New York: Harper Perennial Modern Classics, 2006, S. 302. Hierbei handelt es sich um einen intertextuellen Bezug auf Ludwig Wittgensteins Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist.

[12] Vgl. hierzu auch Gilles Deleuze und Félix Guattari: Rhizom, übers. von Dagmar Berger u.a., Berlin: Merve Verlag, 1977, S. 14 zum Begriff der supplementären Dimension.

[13] Deleuze, Guattari (1977), S. 8 – 9.

[14] Ebd., S. 9.

[15] Ebd., S. 9.

[16] Ebd., S. 9.

[17] Ebd., S. 11.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Thomas Pynchons V. - Anwendung der Rhizomtheorie
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Das Verschwinden in der Literatur
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V144988
ISBN (eBook)
9783640669257
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thomas, Pynchons, Anwendung, Rhizomtheorie
Arbeit zitieren
Sarah Schmidt (Autor:in), 2007, Thomas Pynchons V. - Anwendung der Rhizomtheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144988

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