Soziokulturelle Rahmenbedingungen des Unterrichts als Störfaktoren


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Vorgehensweise
1.2. Sozial-kulturelle Rahmenbedingungen des Unterrichts

2. Schule als Institution
2.1. Unterschied zwischen schulischer Erfahrenswelt und Lebenswelt
2.2. Organisatorische Struktur der Schule
2.3. Leistungsbegriff in Schule und Gesellschaft
2.4. Schulklima

3. Sozialisation
3.1. Schichtbezogene Sozialisationsdefizite
3.2. Familiäre Strukturen
3.2.1. Grundlegungen
3.2.2. Scheidungen
3.2.3. Problemfamilien
3.3. Peer-Groups

4. Fazit und Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Problemstellung und Vorgehensweise

Unterrichtsstörungen gehören schon immer zum Unterrichtsalltag an Schulen. Jedoch häufen sich in den letzten Jahren die Beschwerden von Lehrern über immer intensivere Beeinträchti- gungen des Unterrichtsverlaufs durch Störungen. Die pädagogisch-psychologische Forschung setzt sich schon seit langer Zeit mit dem Thema der Unterrichtsstörungen auseinander und hat empirische Ergebnisse hervorgebracht, die die Bedeutung dieses Themas unterstreichen. So ereignet sich alle 2,5 Minuten im Unterricht ein normunkonformes Verhalten1 und ein Drittel der Schüler tut sich nach Lehrereinschätzungen mit der Aufmerksamkeit auf den Unterrichts- inhalt schwer.2 Darüber hinaus greifen 5 bis 10 % der Schüler wiederkehrend Lehrer oder Schüler während des Unterrichts durch verbale oder auch körperliche Attacken an und stören damit den Unterricht.3

Im Erscheinungsbild von Unterrichtsstörungen dominieren derzeit folgende Fehlverhaltswei- sen: „Verbale Aktivitäten (Schwätzen, Dreinreden, Schreien), motorische Unruhe (Schaukeln, Spielen, Umherlaufen), Aggression (insbesondere verbale Entgleisungen), geistige Abwesen- heit (Tagträumen, Schlafen, stofffremde Tätigkeiten) und Verweigerung (keine Mitarbeit, keine Hausaufgaben)“.4

Für die Unterrichtsstörungen gibt es zahlreiche Ursachen. Sie werden zumeist im Verhalten der Schüler und Lehrer, bei den Eltern und in der Schule gesucht. Die letzten zwei gehören zu den sozial-kulturelle Rahmenbedingungen des Unterrichts. Sie bilden den Gegenstand dieser Arbeit und werden im Folgenden näher analysiert.

Dazu ist es notwendig, zunächst den Begriff der sozial-kulturellen Rahmenbedingungen des Unterrichts zu erläutern. In den Kapiteln 2 und 3 werden dann die sozial-kulturellen Rahmen- bedingungen des Unterrichts als Störfaktor dargestellt. Dabei wird zunächst auf die Schule als Institution eingegangen. Eine ausländische Untersuchung des Wissenschaftlers M. Rutter hat die Auswirkungen von Schulsystem und Schulorganisation auf Lehrer und Schüler unter- sucht. Es wurden über eine Längsschnittanalyse zwölf Londoner Gesamtschulen betrachtet und zum Teil erhebliche Differenzen beim Schülerverhalten (Anwesenheitshäufigkeit, Kon- formität und Delinquenz) nachgewiesen. Diese Effekte werden mit zahlreichen Organisati- onsmerkmalen der Schule in Verbindung gebracht. Zu diesen zählen Leistungsorientierung, Lehrerverhalten und Mitverantwortung der Schüler.5 Diese Punkte werden zum Teil unter den entsprechenden Gliederungspunkten noch einmal gesondert angesprochen. Im Anschluss daran wird auf die Sozialisation von Schülern als Störfaktoren eingegangen und diese näher analysiert. Im Fazit werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und kurz mögliche Schlussfolgerungen erläutert.

1.2. Sozial-kulturelle Rahmenbedingungen des Unterrichts

Paul Heimann und Wolfgang Schulz entwickelten das Modell der „Berliner Didaktik“. Dem- nach lässt sich Unterricht in Bedingungsfelder und Entscheidungsfelder einteilen. Die Ent- scheidungsfelder sind die Intention des Unterrichts, die Thematik, die Methodik und die Me- dienwahl. Auf die Entscheidungsfelder wirken anthropogene als auch sozial-kulturelle Vor- aussetzungen, wobei hier auf die ersten nicht weiter eingegangen wird.6 „Der Terminus ‚sozi- al-kulturelle Bedingungen’ umfasst grundsätzlich alle im Leben eines Menschen relevanten sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen, ideologisch-geistigen, politischen, rechtlichen, öko- nomischen, ökologischen und historischen Kräfte, Gegebenheiten und Tendenzen, also alle das nähere und weitere Umsystem des Menschen konstituierenden und ausmachenden Mo- mente, ausgenommen jedoch umweltspezifische physikalische und chemische Einflussfakto- ren.“7 Diese sozial-kulturellen Voraussetzungen werden von Burbach in familiale sozial- kulturelle Bedingungen8 und lebens- und schaffensbedingte sozial-kulturelle Bedingungen unterschieden.9,10 Diese sind Gegenstand der folgenden Ausführungen, wobei sie um die In- stitution Schule als Störfaktor ergänzt werden.

2. Schule als Institution

2.1. Unterschied zwischen schulischer Erfahrenswelt und Lebenswelt

Sowohl die Familie als auch die Schule sind Teil des Erziehungsprozesses von Kindern und Jugendlichen beziehungsweise Schülern. Dabei ist beiden Erziehungsinstitutionen gemein, dass sie auf ein Leben außerhalb ihrer selbst vorbereiten. In den letzten Jahren wird die Auf-gabe der Erziehung immer mehr von der Familie in die Schule verlagert. Dabei ist festzuhal- ten, dass die Normen und Regeln, mit denen Schüler in der Schule konfrontiert werden, sich von denen in der Gesellschaft, auf die die Schule vorbereiten soll, zum Teil massiv unter- scheiden. Dieser Unterschied zwischen Schul- und Lebenswelt bietet den Vorteil, dass nur so auf die erzieherischen Bedürfnisse der Jugendlichen eingegangen werden kann und ihnen der Unterrichtsstoff sowie bestimmte soziale Normen und Werte vermittelt werden können. Der gravierende Nachteil der Trennung zwischen Schul- und Lebenswelt ist allerdings, dass die Schüler diesen Unterschied antizipieren. Sie merken, dass sie im Grunde doch für die Schule und nicht für das Leben lernen. Damit einher geht die Tatsache, dass in der Folge schulische Regeln, Werte und Normen nicht verinnerlicht werden und es aufgrund dessen zu Disziplin- schwierigkeiten kommt, die wiederum in Unterrichtsstörungen münden.11

2.2. Organisatorische Struktur der Schule

Die Organisationsstrukturen der heutigen Schulen richten sich an Modellen der allgemeinen staatlichen Verwaltung aus und die Schulen sind so organisiert wie Behörden. Richtlinien, Verordnungen und Gesetze bestimmen das Verhalten der in ihr vertretenen Personengruppen: Schüler und Lehrer. Lehrer sind als Beamte an die Weisungen von beispielsweise staatlichen Schulämtern gebunden und übernehmen bestimmte staatliche Funktionen. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, dass Schulen auf eine andere Weise funktionieren als staatliche Behörden. Sie haben die Aufgabe, ihre Zielgruppe, die Schüler, auf gesellschaftliche Anforde- rungen vorzubereiten und sie zu mündigen und sozialen Menschen zu erziehen. Bezogen auf die kaufmännischen Schulen zielt sie auf die Vorbereitung auf sozio-ökonomische Lebenssi- tuationen ab.12 Diese Diskrepanz führt dazu, dass Lehrern nur ungenügende Entfaltungsmög- lichkeiten für bestimmte pädagogisch-fachliche Fähigkeiten und Schwerpunkte eingeräumt werden. Die Lehrer verstecken sich dagegen hinter den Regeln und Normen, die ihnen durch ihre Position übertragen werden. Ein engagiert-eigenständiges Verhalten in Situationen, die sich für die Schüler nicht nur in der konkreten Unterrichtssituation, sondern auch auf ihr zu- künftiges Leben auswirken können, wird unterbunden. Dieser Sachverhalt führt zu mangeln- der Lernbereitschaft der Schüler, da ein Funke vom Lehrer nicht überspringt. Dies wiederum bedingt Disziplinstörungen und damit einhergehend Unterrichtsstörungen durch mangelnde Mitarbeit und verbale Störungen.13

Darüber hinaus muss hier herausgehoben werden, dass aufgrund des hohen Organisationsgra- des des sozialen Systems Schule die Formen des Umgangs von Schülern und Lehrern sehr vielschichtig sind. Dabei gelingt es Schülern, die sich an die Verhaltens- und Handlungsan- forderungen der Lehrer anpassen können, besser, sich im Leistungs- und Sozialbereich der Schule normkonform zu verhalten. So besteht häufig ein Missverhältnis zwischen individuel- len Handlungskompetenzen und schulischen Handlungsanforderungen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass in vielen Fällen die außerschulisch-familiäre Sozialisation nicht im ausrei- chenden Maße auf die schulischen Anforderungen vorbereitet. Aufgrund der bereits darge- stellten organisatorischen Struktur der Schule gelingt es oft nicht, diese Unterschiede zwi- schen schulischem und familiärem Interaktionsprozess zu verringern.14

Wie hier deutlich wird, gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen der Organisation einer Schule und der Sozialisation der in ihr wirkenden Schüler. Dieser Aspekt wird unter Kapitel 3 „Sozialisation“ nochmals aufgegriffen und vertieft.

2.3. Leistungsbegriff in Schule und Gesellschaft

Wie in der Gesellschaft, spielt Leistung auch in der Schule eine herausragende Rolle. So wer- den mittels Zensuren die Leistungen von Schülern bewertet. Vermehrt gibt es auch Bewegun- gen, die Leistung der Lehrer durch Bewertungen der Schüler zu evaluieren. Um die im Fol- genden dargestellte Argumentation zu verstehen, ist es zunächst notwendig, zwischen dem gesellschaftlichen und dem pädagogischen Leistungsbegriff zu unterscheiden. In der Gesell- schaft geht es darum, durch Leistung ökonomische und soziale Vorteile zu erreichen. In allen Bereichen erfolgt Leistungsevaluierung, die dann der Zuweisung von Lebenschancen dient. Darüber hinaus dient Leistung dazu, Gesellschaftsmitglieder zu selektieren und ihnen gesell- schaftliche Vorteile beziehungsweise Nachteile zuzuweisen. Die Schule ist ein Teil der Ge- sellschaft und kann sich daher vom gesellschaftlichen Leistungsbegriff nicht vollständig be- freien. So besitzen Leistungen auch in der Schule eine selektive Aufgabe. Gegenüber dem individualistisch geprägten und wirtschaftlich dominierten gesellschaftlichen Leistungsbegriff geht es in der Schule jedoch um den Aspekt der Leistungsförderung. Es sollen Chance-nungleichheiten ausgeglichen werden und die Jugendlichen dazu befähigt werden, individuelle Höchstleistungen zu erbringen.15

[...]


1 Vgl. Züghardt (1961), S. 9

2 Vgl. Lauth / Schlottke (1995), S. 7

3 Vgl. Nolting (2002), S. 137

4 Keller (1997), S. 573

5 Vgl. Ulich (1991), S. 382

6 Vgl. Jank / Meyer (1991), S. 263-264

7 Euler / Hahn (2004), S.152

8 Familiale sozio-kulturelle Bedingungen: Familiengröße, Familienstruktur, Familieneinkommen, Lebensstandard, Wohnverhältnisse, Berufsstatus und Schulbildung der Eltern, familiäres Sprachniveau, häusliche Umgangssprache, Erziehungsverhalten der Eltern, Erziehungsklima

9 Lebens- und schaffensbedingte Bedingungen aufgrund: Schulform- und Schulzweig, Wohnort und Wohngegend, Peer-Einbindung

10 Euler / Hahn (2004), S. 153

11 Vgl. Moll-Strobel (1983); S. 96-97

12 Sozio-ökonomische Lebenssituationen sind Situation, bei denen es um die Bewältigung ökonomischer Prozesse und Aufgaben geht. Dies können die Eigentumsübertragung bei Käufen nach dem BGB, die kritische Auseinadersetzung mit Werbung oder die Finanzierung von Privatkäufen sein. Der Zusatz `Sozio´ soll unterstreichen, dass diese Prozesse und Aufgaben immer in einem sozialen Kontext stattfinden. Vgl. Euler / Hahn (2004), S. 75

13 Vgl. Moll-Strobel (1983), S. 98-101

14 Vgl. Hurrelmann / Wolf (1986), S.24

15Vgl. Jürgens / Sacher (2000), S.12-13

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Soziokulturelle Rahmenbedingungen des Unterrichts als Störfaktoren
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Professur für Wirtschaftspädagogik, insbesondere Wirtschaftsdidaktik)
Veranstaltung
Unterrichtsstörungen
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V144902
ISBN (eBook)
9783640544875
ISBN (Buch)
9783640545087
Dateigröße
417 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziokulturelle, Rahmenbedingungen, Unterrichts, Störfaktoren
Arbeit zitieren
Diplom-Handelslehrer Sebastian Siegler (Autor:in), 2007, Soziokulturelle Rahmenbedingungen des Unterrichts als Störfaktoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144902

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