An-sich-Sein, Für-sich-Sein und der Andere bei Sartre und seine Bezüge auf Hegel


Hausarbeit, 2009

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. An-sich-Sein, Für-sich-Sein und Fürsichsein
2.1. An-Sich und Für Sich
2.2. Fürsichsein bei Hegel

3. Intersubjektivität bei Hegel und Sarte
3.1. Für Andere Sein
3.2. Hegels Herr- Knecht Dialektik und Seinsabhängigkeit
3.3. Kritik am erkenntnistheoretischen und ontologischen Optimismus

4. Die Negation

5. Fazit

1. Einleitung

Jean-Paul Sartre entfaltet in seinem Werk „Das Sein und das Nichts“ eine phänomenologische Analyse der Beziehung zum Anderen. Dabei ist die grundsätzliche Begegnung zwischen Mir und Anderen eine Be- gegnung zwischen Sein und Sein. Da Sartre eine grundlegende Dialek- tik des Für-sich-sein und des An-sich-Sein einführt, muss sein Ziel sein, beide in allen möglichen Strukturen zu erklären, also auch in der Bezie- hung zu Anderen. Bei Georg Friedrich Wilhelm Hegel findet sich histo- risch das erste Mal eine Dialektik. Sartre greift bei seiner Begründung der Negation auf Hegel zurück, ebenso findet sich auch bei Hegel schon in der Seins-Logik das „Fürsichsein“. In Sartres Arbeit ist ferner besonders interessant, dass das Für-sich-Sein sich nur durch den An- deren, einem anderen Subjekt, vervollständigen kann. Theoretisch kann es zwar ein Für-sich-Sein ohne ein Für-andere-Sein geben, aber dann wäre das Für-sich-Sein nicht menschlich. Ähnliches findet sich in der Herr-Knecht Dialektik bei Hegel, denn auch hier konstituieren sich die Subjekte gegenseitig. Demzufolge kommt dem Anderen, bei beiden Philosophen, eine besondere Bedeutung zu. Besonders das wechsel- seitige Verhältnis, also die gegenseitige Negation, stellt für Sartre einen entscheidenden Punkt dar. Nur durch die Anerkennung durch den An- deren konstruiert sich die Erkenntnis über sich selbst. Trotzdem folgt nach seiner Zustimmung eine doppelte Kritik an Hegels Dialektik, die an den Stichwörtern „erkenntnistheoretischer“ und „ontologischer Optimis- mus“ festgemacht werden können. Ziel dieser Arbeit ist es, Satres Ver- ständnis des An-Sich-Seins, Für-Sich-Seins und Hegels Fürsichsseins zu erklären. Weiterhin das „Für-andere-Sein darzulegen und Hegels Herr-Knecht Dialektik darzustellen, sowie Sartres Zustimmung und Kri- tik an ihr zu erklären. Zum Abschluss wird das Thema der Negation er- örtert, wobei zwangsläufig auf das dialektische Verständnis Sartres und seine Hegelbezüge eingegangen wird. Im Fazit soll gezeigt werden, wo Sartres Ansatz im Bereich der Negation logisch ist und ob seine inter- subjektive Hegelkritik gerechtfertigt ist.

2. An-sich-Sein, Für-sich-Sein und Fürsichsein

Im Titel „Das Sein und das Nichts“ gibt Sartre vor, worum es in seinem Werk gehen soll. Das Sein und das Nichts sollen verbunden werden. Hierfür entscheidend ist der Dualismus zwischen den „Seinsheiten“ An- sich und Für-sich. Das An-sich ist das, was es ist1 und unterscheidet sich elementar von dem Für-sich, „daß das zu sein hat, was es ist, daß das ist, was es nicht ist, und das nicht ist, was es ist.“ 2 Vor allem die Definition des Für-sich wirft Fragen auf und verweist direkt auf die Kon- struktion des Nichts.

2.1. An-Sich und Für Sich

Das An-sich-Sein ist das Sein des Phänomens und dem Seinstyp des Für-sich-Seins entgegengesetzt. Das Sein ist durch drei Merkmale ge- kennzeichnet. Es ist erstens an sich, zweitens, ist es was es ist und drittens, ist es. Aus diesen drei Merkmalen lässt sich ableiten, dass das Sein an sich und in sich selbst begrenzt ist. Es kann zwar erfasst wer- den, aber zu was auch immer es in Bezug steht, geht nicht von ihm aus, sondern ist es nur durch den Verweis auf dieses. Letztendlich ist es nicht erschließbar für das Denken. Es ist in sich reine Positivität und in sich selbst begrenzt. Dadurch, dass es ist, was es ist, verweist es weiterhin nicht auf sich selber oder auf etwas anderes. Es steht in sei- nem Sein lediglich dem Bewusstsein offen, so dass nur auf es verwie- sen werden kann. Weiterhin gibt es auch keinen Bezug zu dem, was es nicht ist und dementsprechend auch keine zeitliche Komponente. Denn dies würde implizieren, dass es einer Negativität zugänglich wäre, da ein Veränderung von Sein zu Sein ein Nicht-(mehr) sein-Sein impliziert. In dem Sinne „ist“ das Sein. Da jegliches Tempus fehlt, kann es sich auch nicht zu irgendwelchen Möglichkeiten hin entfalten. „Ist“ weist aber auch auf eine absolute Unbegründbarkeit hin, es widerspricht so, allen Gründen zu Sein. Es ist, „Ungeschaffen, ohne Seinsgrund ohne irgend- einen Bezug zu einem anderen Sein, ist das An-sich-sein zu viel für alle

Ewigkeit.“3 Das Für-sich-sein ist aus diesem Sein herausgerissen und das An-sich-sein hat insofern auch „nur“ eine Bedeutung, in dem es im Bezug zum Für-sich-sein steht, auf welches das Für-sich-sein zustrebt. Es ist das nicht-sein des Für-sich. Mit diesem Moment tritt das Nichts auf. Doch zunächst muss gefragt werden, was das Für-sich-sein ist. Das bewusste Sein ist, im Gegensatz zum An-sich, Intention, eine Be- ziehung über sich selbst hinaus auf etwas Anderes, auf das Sein der Welt.4 Indem der Mensch in der Welt gegenwärtig ist, also bei der Welt, ist er nie Für-sich. Aber er ist gegenwärtig bei etwas, ohne es zu sein. Über die Intention vermittelt, holt der Mensch die Welt in sich und er- schafft somit einen Sinn über die Welt Für-sich. Das Für-sich ist also immer das, was es nicht ist und nichtet so das Sein. Genau das ermög- licht dem Für-sich seine Freiheit, denn durch die Negation des An-sich erkennt es erst, dass es sich auf „alles Mögliche“ richten kann. Es ist also frei und unbestimmt. Im Gegensatz zum An-sich ist das Für-sich zeitlich, was sich schon durch seine Intentionalität logisch ergibt. „Inten- tion“ ist immer auf etwas gerichtet, was es noch nicht ist oder schon gewesen ist und somit entweder Zukunft oder Vergangenheit. Daraus resultiert erstens, dass das Für-sich zu sein hat und das zweitens etwas zwischen dem jetzigen und zukünftigen Sein existieren muss. Dies ist das Nichts. „Ich bin nicht der, der ich sein werde. Zunächst bin ich es nicht, weil mich Zeit davon trennt. Ferner weil das, was ich bin, nicht der Grund dessen ist, was ich sein werde. Schließlich weil überhaupt kein Existierendes genau das bestimmen kann, was ich sein werde. Da ich jedoch schon das bin, was ich sein werde (sonst wäre ich nicht interes- siert, dieser oder jener zu sein), bin ich derjenige, der ich sein werde, nach dem Modus es nicht zu sein.“5

Der Mensch entgeht sich also selbst, strebt aber unermüdlich die eige- ne Vervollständigung an. Die Beziehung zwischen dem An-sich und Für-sich besteht darin, dass letzteres durch seine Anwesenheit beim An-sich genichtet wird. Dies tut es im Sinne einer reinen verneinten Identität, das heißt, dass das Bewusstsein das An-sich ermöglicht, in- dem es durch Nichts (im Wortsinne) vermittelt wird. Das Erkennen des Phänomens als Sein funktioniert nur durch diese reine Negativität. Sie ist aber nicht in diesem Sein als interne Negation vorhanden, sondern sie wird vom Für-sich auf das An-sich vermittelt. Da das Für-sich aufgrund seiner Definition sich nicht selbst setzen kann, bedeutet dies gleichzeitig, dass dieses Für-sich nicht ohne das An-sich sein kann, ohne es allerdings jemals selbst sein zu können.

2.2. Fürsichsein bei Hegel

Sartres Für-sich-Sein hat eine andere Struktur als Hegels Fürsichsein bzw. Selbstbestimmtsein. Hegels Fürsichsein leitet sich aus der Logik des Seins ab. Die gesamte Herleitung vom Sein zum Fürsichsein dar- zulegen würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Deswe- gen werde ich nur auf die wichtigsten Gedanken eingehen. Entscheidend für das hegelsche Verständnis des Selbstbewusstseins sind grundlegend das „Etwas“ und „Anderes“. Primär geht es dabei um die Abgrenzung bestimmter Qualitäten von Dingen. Eine Abgrenzung muss immer einen positiven und negativen Part beinhalten, ansonsten ist es nicht finit. „Etwas“ ist so und „Etwas“ ist nicht so. Damit ist „Etwas“ bestimmt. Dadurch tritt gleichzeitig „bestimmtes Anderes“ auf, denn dieses muss im Rekurs auf „Etwas“ selbst eine Qualität sein und zwei- tens von Beliebigem verschieden. Wenn „Anderes“ nicht bestimmt wä- re, also beliebig, könnte es auch „Etwas“ sein und somit nicht mehr „Anderes“. Aus diesem Grund muss das „Andere“ bestimmt sein, damit „Etwas“ bestimmt sein kann.6 Was das „Etwas“ und „Anderes“ verbindet ist die Grenzziehung zwischen beiden. Diese Grenze macht die Realität des Daseins aus und gleichzeitig ist sie die Negation dieses Daseins. Was „Etwas“ und „Anderes“ ist, ist für die Abgrenzung irrelevant, denn sie stehen, abgesehen von dem Negativbezug, in keinem Verhältnis zueinander. Dieser Bezug reicht aber aus, um objektiv zu werden, denn dies geschieht dem „Etwas“ durch das „Andere“. Aber die Negation funktioniert nur vollständig, wenn sie sich durch eine weitere positive

Angabe komplettiert, was aber aufgrund der reinen Negativbeziehung nicht geschieht. Die rein positive Bestimmung kann das Bestimmte nicht fixieren, gleichzeitig ist die Negation die wesentliche Bestimmung des „Etwas“. Dadurch bleibt es aber weiterhin zufällig in der Bestim- mung gegen „Etwas“. Das Problem löst sich über den Umweg des End- lichen und Unendlichen. Da die Abgrenzung eines „Etwas“ gegen „An- deres“ das „Etwas“ nicht weiter bestimmt, egal, gegen wie viel Andere es abgegrenzt wird, kann von einem infiniten Prozess in der Form „Nicht-Etwas“ gesprochen werden. „Nicht-Etwas“ ist ein Außenbezug, da „Etwas“ sich durch Negation von „Anderes“ abgrenzt. Natürlich be- steht die Möglichkeit durch doppelte Negation zur einfachen Affirmation zu kommen und somit einen reinen Innenbezug zu, aber dadurch wird ebenfalls nichts gewonnen, denn dann ist der Bezug zwar endlich, aber nur eine Zustimmung zu sich selbst, die weiterhin beliebig ist. Das Problem löst sich, indem das „Etwas“ gegen ein gleichartiges „Etwas“ abgegrenzt wird. Dies funktioniert, weil auf diesem Weg ein Vergleichs- objekt geschaffen wird, ein Objekt das gleichartig aber nicht identisch ist. Über das so geschaffene Allgemeine lässt sich eine vermittelnde Instanz bilden, in der man „Etwas“ sowohl gegeneinander Abgrenzen als auch bestimmen kann.7 Das Fürsichsein ergibt sich nun logisch und kann als Selbstbestimmtsein verstanden werden. Kurz gefasst ist das Fürsichsein ein bei-sich-selbst-sein in Anderen, also sowohl Innen- als auch Außenbezug. Dies kann es nur sein, weil es sowohl einen Bezug zu sich selbst hat, sich also selbst bestimmt und zugleich einen Bezug zu eben jenen gleichen Anderen hat, die es selbst nicht ist. „Das Für- sichsein ist das polemische, negative Verhalten gegen das begrenzen- de Andere und durch diese Negation desselben In-sich-Reflektiertsein, ob schon neben dieser Rückkehr des Bewußtseins in sich und der Idea- lität des Gegenstandes auch noch die Realit ä t desselben erhalten ist, indem er zugleich als ein äußeres Dasein gewußt wird. Das Bewußtsein ist so erscheinend oder der Dualismus, einerseits von einem ihm ande- ren, äußerlichen Gegenstande zu wissen und andererseits für sich zu sein, denselben in ihm ideell zu haben, nicht nur bei solchem Anderen,

sondern darin auch bei sich selbst zu sein. Das Selbstbewu ß tsein da- gegen ist das F ü rsichsein als vollbracht und gesetzt; jene Seite der Be- ziehung auf ein Anderes, einen äußeren Gegenstand ist entfernt.“8

3. Intersubjektivität bei Hegel und Sarte

Sartre beginnt das Thema „Intersubjektivität“ in „Das Sein und das Nichts“ mit der Fragestellung, wie sich der Mensch sicher sein kann, dass andere Menschen existieren, inklusive einer knappen Kritik am Empirismus und Idealismus. Anschließend folgt eine ausführliche Aus- einandersetzung mit Husserl, Hegel und Heidegger, in dieser Reihen- folge, bevor er letztendlich im Kapitel „Der Blick“ seine vorangegange- nen Überlegungen zusammenführt und zu seiner Erklärung über die Selbsterkenntnis des Menschen durch Andere verknüpft. Zunächst wird nun das Für-andere-Sein Sartres erklärt und im Anschluss daran die gegenseitige Selbsterkenntnis über die Dialektik Hegels vom Herrn und Knecht.

3.1. Für Andere Sein

Im Kapitel „Der Blick“ erläutert Sartre, anhand des Gefühls der Scham, das „Erblicktwerden“ als die ursprüngliche Anerkennung durch sich selbst. Exemplarisch schafft Sartre ein Szenario, indem ein Subjekt aus Neugier eine Szene durch ein Schlüsselloch beobachtet und plötzlich hinter sich ein Geräusch hört. Bevor es das Geräusch hört, ist es ganz in der Situation gefangen, doch seine Aufmerksamkeit schlägt mit dem Auftreten des Geräusches um und es empfindet Scham. Auf einmal fühlt sich das Subjekt beobachtet. Die Frage ist nun: Was hat sich ver- ändert?

Zunächst stellt sich die Frage in welchem Bewusstseinszustand sich das Subjekt vor dem Geräusch befunden hat. Nach Sartre ist das Sub- jekt in diesem Moment ganz in der Situation gefangen, ganz bei sich.

[...]


1 Vgl. Sartre/ König/Wroblewsky 2008, S.42.

2 Ebd., S.42.

3 {Sartre 2008 #2}, S.45.

4 Vgl. Holz 1968, S.33

5 Sartre/ König/Wroblewsky 2008, S.94f.

6 Vgl. Arndt/Iber 2000. S.236f.

7 Vgl. Ebd., S.240ff.

8 Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
An-sich-Sein, Für-sich-Sein und der Andere bei Sartre und seine Bezüge auf Hegel
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Sozialphilosophische Bedingungen der Kultur
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V144814
ISBN (eBook)
9783640538164
ISBN (Buch)
9783640538256
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sartre, Hegel
Arbeit zitieren
Christian Walter (Autor:in), 2009, An-sich-Sein, Für-sich-Sein und der Andere bei Sartre und seine Bezüge auf Hegel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144814

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