Ein Gemisch aus Märchen, Politik und Christentum

Betrachtungen der skoptischen Eschatologie unter besonderer Berücksichtigung der volksmythischen Rolle des Zaren


Hausarbeit, 2009

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Strafe für Geilheit und Lüsternheit - Die Skopzen im Kontext ihrer Zeit Einleitung

2. Die Basis der skoptischen Eschatologie - Konglomerat aus Märchen, politischen Unruhen und christlichem Glauben Hauptteil
2.1. Es war einmal ein Zar, der… - Das russische Volk und seine Hoffnungen auf einen märchenhaften Retter
2.2. Die Idealisierung des Zarewitschs Petr Fedorovi - Von Ivanovi Puga ëv bis Kondratij Selivanov
2.3. Ein weiterer Prätendent oder die letzte Offenbarung Christi? - Die Gestalt des Kondratij Selivanov

3. Die Eschatologie der Skopzen - Zwischen Personenkult und Endzeit
3.1. Der Gottessohn in Petersburg und die 144.000 Lämmer - Voraussetzungen für das Eintreten der Endzeit
3.2. Paradies und Hölle - Zwei irdische Urteile im Jüngsten Gericht
3.3. Das Jüngste Gericht und der darauffolgende Zustand auf Erden

4. Ein Geheimnis, umgeben von einem Mysterium

Fazit

Anhang

B. Quellen- und Literaturverzeichnis

C. Korrespondenz

1. Strafe für Geilheit und Lüsternheit - Die Skopzen im Kontext ihrer Zeit Einleitung

„Auf diesem fürchterlichen Drachen muß ich sitzen für meine Geilheit und Lüsternheit nach schamlosen Genüssen, und er martert mich mit unaussprechlicher Marter, er brennt mit höllischem Feuer meine geheimen Glieder und mein ganzes Eingeweide zur Strafe für meine bösen und vielen verruchten Taten.“1

Es war einmal vor langer Zeit, da kamen zwei Mönche in ein kleines Dorf. Die Bewohner dieses Dorfes lebten fromm und ließen sich nur selten etwas zu Schulden kommen. Ihr Dasein, obwohl hart und beschwerlich, war einfach und demütig - demütig vor der Herrlichkeit und der allgegenwärtigen Liebe Gottes. Doch wie überall in der Welt trafen die beiden Mönche auch hier die Sünde an. Ein Weib, das Unzucht mit Blutsverwandten getrieben und sich den schamlosesten leiblichen Vergnügungen hingegeben hatte, konnte mit ihrer Last nicht mehr leben und vertraute sich deshalb einem der Mönche an. Doch ihre Vergehen waren so groß, dass sie ihre schlimmsten Taten verschwieg. Der Mönch, unwissend über den Betrug des Weibes, sprach sie nach altem Ritus ihrer Sünden frei und legte ihr die Buße auf. Doch kaum hatten die beiden Geistlichen das Dorf verlassen, beschlich sie ein ungutes Gefühl. „Wahrlich, Bruder, sie hat eine Sünde verschwiegen, laß uns zurückpilgern, Bruder, und sie zur Reue bekehren.“2Doch als sie in das Dorf zurückgekehrt waren, fanden sie das Weib tot. Das Wehklagen der Mönche war so groß, dass sie drei Tage großen Kummer hatten und zu Gott beteten, er möge der Seele dieser armen Frau seine unendliche Güte zuteil werden lassen. Wie in einem Traum erschien den Mönchen die tote Frau. Ein schreckliches Bild bot sich den beiden dar - das Weib litt Qualen. Sie war umringt von Riesenschlangen, Fledermäusen, saß auf einem Drachen und ihr Leib war übersät mit Wunden. Auf das Drängen der Mönche berichtete sie von ihrem Schicksal. Dieses hatte sie verdient, weil sie die größte Sünde aus Scham verschwiegen hatte.3

Diese und ähnliche Erzählungen bilden den Grundtenor der russischen Folklore. Oftmals geht es darum, dass ein Mensch - der den Geboten Gottes zuwider gehandelt hat - nach seinem Tode mit den größten Qualen bestraft wird. Der Auszug aus „Die Höllenqualen der Sünderin“ ist daher bei weitem kein Einzelfall. Er steht Patron für eine ganze Reihe von Erzählungen.4Das Besondere an all diesen Erzählungen ist, dass vornehmlich leibliche Sünden thematisiert werden. Ausschweifende Sexualität, Unzucht mit Verwandten, Sodomie oder Wollust - dies alles wird vom russischen Volk aufgegriffen und in unterschiedlicher Gestalt verarbeitet. Die daraus gewonnenen Lehren fanden Eingang in das Denken der einfachen Bevölkerung, in das orthodoxe Christentum und dementsprechend auch in die Vorstellungen vom Leben nach dem Tod. Besonders hervorstechend war hier der Glaube der Skopzensekte. Diese - erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auftretende Gruppierung - vertrat die Ansicht, dass die Entfernung zu Gott, die Ursünde schlechthin, auf die leibliche Begierde des ersten Menschenpaares zurückzuführen war. Deshalb müsse ein wahrer Christ mit allen Mitteln gegen die teuflischen Auswüchse seines Körpers ankämpfen, um die Gerechtigkeit Gottes wieder zu erlangen.5Auf den ersten Blick ähnelt diese Aufforderung einem Aufruf zur rigorosen Askese. Dies war keine seltene Praxis zu jener Zeit. Es gibt unendlich viele Beispiele für Gruppierungen und Persönlichkeiten, die sich der leiblichen Enthaltsamkeit verpflichtet fühlten. Nach den Berichten der Bibel praktizierte selbst Jesus in gewisser Weise diese Lebensführung.6Doch in ihren Ansichten gingen die Skopzen sogar noch einen Schritt weiter. Kampf gegen die Leiblichkeit bedeutete bei ihnen soviel wie der Kampf des Geistes gegen den eigenen Körper. Und eben jener kann nur dann gewonnen werden, wenn man sich der Körperteile entledigt, die zur Sünde verleiten - der Geschlechtsorgane. Die von der Sekte betriebene Kastrationspraxis war für ihr religiöses Denken und vor allem für ihre Endzeitvorstellungen grundlegend.7

Bei der gesamten Betrachtung der eschatologischen Lehre spielt der Gründer der Sekte, Kondratij Selivanov, eine entscheidende Rolle. Er verstand sich nicht nur als oberster Prophet der Gruppe, sah sich nicht nur als der wiedergeborene Jesus Christus, sondern er nahm auch die Rolle des russischen Zaren Peter III. ein. Diese drei Wesen vereinten sich in seiner Person. Da diese Annahme auf Außenstehende sehr befremdlich scheint, wird es in den nachfolgenden Ausführungen unumgänglich sein auf verschiedene Aspekte des Volksglaubens als Basis der skoptischen Lehre - vor der genaueren Betrachtung der Eschatologie - einzugehen.

So steht zu Beginn der Untersuchung eine ausführliche Betrachtung der sog. Peter-Legende. Es soll anhand der Entstehungsgeschichte und der unterschiedlichen Ausprägung dieses Volksmythos´ versucht werden zu erklären, warum Selivanov die Gestalt Zar Peters III. instrumentalisierte und wie er damit einer vorherrschenden und tief im russischen Denken verankerten idealisierten Meinung über die Bedeutung des Zaren Rechnung trug. Danach soll Kondratij Selivanov als einer unter vielen potenziellen Prätendenten selbst hervorgehoben werden. Als einfacher Bauer begann er seinen Lebensweg und wollte schlussendlich das Gericht Gottes zur Verwandlung der Welt einläuten. In diesem Anspruch verbarg sich ein jahrhundertealtes Motiv. Ein Mensch aus der untersten Schicht kämpft sich mit Gottes Hilfe an die Spitze und bringt Glück und Wohlstand für all jene, die an ihn glauben.8Anschließend wird die skoptische Eschatologie genauer beleuchtet.

Der soeben skizzierte Ablauf der vorliegenden Arbeit soll Verständnis für das russische Denken und vor allem für die Mentalität der Skopzen vermitteln. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen aufzeigen, dass Kondratij Selivanov keine neue Lehre entwarf, sondern dass er bestehende und im Volksglauben verwurzelte Ansichten aufgriff, diese theologisch unterfütterte und auf Basis dessen eine Eschatologie entwickelte. Es sei an dieser Stelle aber auch selbstkritisch angemerkt, dass es bei der Beschäftigung mit den Skopzen eine grundlegende Schwierigkeit gibt: als Sekte, die im Geheimen agierte und deren Mitglieder sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben bekannten, hielt sie ihre Vorstellungen vor der Außenwelt versteckt. Deshalb gibt es nur wenig Literatur, die dieser Arbeit zugrunde gelegt werden kann. Es werden vornehmlich die Standartwerke Karl Konrad Grass´, Andrej Sinjawskijs und Kirill istovs genutzt werden.

2. Die Basis der skoptischen Eschatologie - Konglomerat aus Märchen, politischen Unruhen und christlichem Glauben Hauptteil

Andrej Sinjawskij bezeichnet das 17. Jahrhundert als die größte Tragödie Russlands. In diesem Jahrhundert wurde der innere Zusammenhalt des russischen Reiches auf eine starke Zerreißprobe gestellt. Die geeinte religiöse Gemeinschaft zerbrach, es kam zum Niedergang des alten Frömmigkeitsverständnisses, der Staat begann die Kirche zu dominieren und infolge dessen entwickelte sich Misstrauen im Volk. Dieses entlud sich gegen die weltliche Obrigkeit, die sich immer stärker in Fragen des Glaubens einmischte. Aber es bestand auch gegen die Kirche selbst Widerwillen, da sie der zunehmenden staatlichen Kontrolle durch Anpassung entgegenzuwirken versuchte.9Diese Entwicklungen wurden vom Volk sehr argwöhnisch betrachtet, da man sie als Fehlentwicklungen verstand. Infolgedessen schuf das ausgehende 17. Jahrhundert die Basis für spätere Krisen - sowohl im geistlichen als auch weltlichen Milieu.10Und genau in diesem Umfeld kam es zur Entwicklung der Skopzensekte.

Wie keine andere Gemeinschaft verstand es diese Gruppierung einerseits das völkische Bedürfnis nach Rettung anzusprechen, gleichzeitig auf den Wunsch der Restauration des alten Glaubens einzugehen und sich obendrein politisch zu legitimieren. Doch wie passen diese Aspekte zusammen? Es ist schwierig eine kurze und prägnante Antwort auf diese Frage zu geben, da die Lehre der Skopzen in sich nicht homogen war. Nicht grundlos bezeichnet Karl Konrad Grass die Lehre der Skopzen als ein „unentwirrbares Knäuel“11 aus Widersprüchen, das nur unter Berücksichtigung der Zeit verstanden werden kann.

2.1. Es war einmal ein Zar, der… - Das russische Volk und seine Hoffnungen auf einen märchenhaften Retter

Mit dem Auftreten der Skopzen befinden wir uns in einer Zeit, in der mehr als zuvor der Ruf nach Erlösung und Rettung laut wurde. Dieser Wunsch ging vornehmlich vom einfachen, bäuerlichen und unter den Lasten der Leibeigenschaft bedrückten Volk aus. Dies wird bei der Betrachtung der russischen Folklore deutlich. Legenden und Märchen, die den Wunsch auf ein baldiges Ende des täglichen Leidens thematisierten und deren Entstehung in ländlichen Regionen verortet waren, hatten Hochkonjunktur im 17./18. Jahrhundert.12Man darf dabei jedoch nicht dem Irrtum verfallen, dass diese Entwicklung in Analogie zur westeuropäischen Erzähltradition stand.13So ging es in den Märchen der Gebrüder Grimm stets um die Vermittlung von romantischer Moralvorstellung jenseits konfessioneller oder gar politischer Vorstellungen. Die Erzählungen der deutschen Folklore versuchten Moral jenseits realer Verhältnisse zu vermitteln - man könnte dies auch als Lehre einer omnipräsent gültigen Ethik verstehen.14 Und genau hierin liegt der Unterschied zur russischen Folklore. Diese - als größter Fundus des Volksglaubens und der russischen Mentalität - kann nicht isoliert vom christlichen Glauben und der aktuellen Lebenswirklichkeit betrachtet werden. Sinjawskij stellt fest, dass der russische Volksglaube „[…] nicht entfernt von der Kirche, sondern in ihrer unmittelbaren Nähe [anzusiedeln war].“15Und da die Kirche als Instanz allgegenwärtig und allprägend war, waren alle Auswüchse russischer Erzähltradition vom christlichen Moment durchsetzt. So vertrieb Ilja Muromez [ ], ein Recke mit übermenschlichen Kräften, dem kein Mensch und keine Waffe etwas anhaben konnte, die Tartaren aus Kiew und nahm dabei die Rolle eines gottgesandten Heiligen ein. Dass Ilja als Person real und seine Taten historisch waren, wurde im russischen Volk nicht angezweifelt. Märchen galten als „[…] etwas, was tatsächlich irgendwann einmal Wirklichkeit war.“16Dieser Haltung ist es geschuldet, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche kein Problem damit hatte, Ilja Muromez in den Kanon der Heiligen aufzunehmen.17

Allein dieses Beispiel zeigt, dass das russische Volk seiner Mentalität nach für das Phantastische anfällig war. Es fragte nicht danach, ob etwas faktisch bewiesen werden kann oder ob es eine rationale Erklärung gibt - es war geneigt alles zu glauben, was seinen Wünschen und Hoffnungen entsprach.18Realität spielte deshalb in der russischen Erzählkultur eine initialisierende Rolle. Was aktuell in diesem gigantischen Reich geschah, wurde umgedeutet und fand Eingang in das völkische Denken. Allgemeine und absolute Gerechtigkeit blieben jedoch stets die Leitmotive dieses Volksglaubens. Diese Motive hatte das Volk vom kirchlich- diktierten Christentum in „Fleisch und Blut“ übernommen. So verwundert es nicht, dass die bedrückenden Verhältnisse, unter denen es zu leiden hatte, auf einen höheren göttlichen Zweck zurückgeführt wurden.19Gleichsam wurde die Errettung von diesen Qualen ebenfalls einer göttlichen Autorität zugeschrieben.20Hier kommtVäterchen Zarals Retter ins Spiel.

Seine Rolle muss differenziert betrachtet werden. Auf der einen Seite galt er als göttliches Instrument, auf der anderen alsprimus inter pares. Ihm oblag die Beseitigung des Bösen auf Erden zur Vorbereitung des göttlichen Gerichtes, welches die Russen als den endgültigen Triumph der höchsten Gerechtigkeit - als Freiheit und Gleichheit des Volkes empfanden.21Dies deutet darauf hin, dass das Volk in dem Bewusstsein lebte, während seines irdischen Aufenthaltes von einem gottgleichen Regenten geführt zu werden. „Der eine Gott über uns und der eine Zar auf Erden.“22So wird in einigen Märchen davon berichtet, dass dieser gottgleiche Monarch in seiner Großherzigkeit sogar gewillt war, seine eigenen Kornkammern für das hungernde Volk zu öffnen.23Gleichzeitig aber verstanden ihn seine Untertanen nicht als einen ihnen überlegenen Menschen. Er war einer von ihnen, der genau wie der einfachste Bauer in Tradition und Einfachheit lebte. So wusste das Volk in seinen Erzählungen unter anderem zu berichten, dass der Zar seine Töchter oftmals rügen musste, weil diese vor dem Samowar [ ] essen wollten.24 Ob dies nun der Realität entsprach, ist fragwürdig. Historisch zu belegen ist, dass spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts die Zaren dieser märchenhaften Charakterisierung nicht gerecht werden konnten. Sie ließen sich vom Prunk und den Privilegien des europäischen Hochadels inspirieren und wollten dies in ihrem Reich ebenfalls umsetzten. So scheute zum Beispiel Peter der Große (1672-1725) weder finanzielle noch humane Mittel zur Errichtung prächtiger Paläste. Dabei nahm er keine Rücksicht auf die Bedürfnisse seines Volkes.25Der Glaube an den Zaren als gerechtes Instrument Gottes geriet in jener Zeit stark ins Wanken. Das Bild des Retters wandelte sich dahingehend, dass der nunmehr amtierende Zar als Grundlage des herrschenden Übels angesehen wurde und alle Hoffnung des Volkes auf den Schultern eines anderen Mannes ruhte den Schultern des Zarewitschs [ ].26Warum legte das Volk die Hoffnung in seine Hände?

Sinjawskij meint, „es ist gewiß kein Zufall, dass die rettende Stimme sich aus dem Abgrund vernehmen läßt.“27Als das Volk erkannt hatte, dass ihm der Zar nicht helfen wollte bzw. andere Ziele verfolgte, musste ein neuer Retter gefunden werden - ein Held, der in gewisser Weise ihr Elend nachempfinden konnte. Und eben hier boten sich die Zarensöhne an. Natürlich litten diese nicht unter demselben Schicksal wie unzählige russische Bauern, aber da die künftigen Kaiser permanent unter Beaufsichtigung standen und durch strenge Erziehung sowie militärischen Drill auf ihr Amt vorbereitet wurden, konnte sich das Volk mit ihnen identifizieren.28Auch dieses Motiv lässt sich wieder in der zeitgenössischen Folklore nachweisen. So schafft es der einfältige Bauernsohn Iwanuschka im Märchen „Das fliegende Schiff“ die unlösbaren und hinterhältigen Aufgaben des bösen Zaren zu bewältigen und sich und seinen Gefährten ein besseres, unabhängiges und vor allem freies Leben zu ermöglichen. Dies hatte ihm vorher niemand zutrauen wollen.29Dieses Märchen steht par excellence für die neue völkische Rettergestalt. Nicht mehr der schier unerreichbare Zar, sondern sein jugendlicher Nachfolger wurde zum Hoffnungsträger des Volkes. Dem Zarensohn als künftigen Thronprätendenten oblag es die Fehler seines Vorgängers zu beheben und seiner göttlichen Aufgabe entsprechend Unheil in Heil zu wandeln.30

2.2. Die Idealisierung des Zarewitschs Petr Fedorovi - Von Ivanovi Puga ëv bis Kondratij Selivanov

Das Volk verlangte dem jungen Thronfolger einiges ab. Er sollte eine glorreiche Zukunft einläuten und dabei stets auf das Wohl seines Volkes bedacht sein. Diese Ansicht - als Konsequenz des prowestlich geführten Regierungsstils seit Peter dem Großen - stellte eine große Bürde dar und war unmöglich umzusetzen. Trotz alledem wurde sie zum völkischen Grundverständnis.

[...]


1CALMANN, Lia: Altrussische Heiligenlegenden, München 1922, Seite 71.

2Ebd., Seite 69.

3Vgl. Ebd., Seite 69-71.

4Anmerkung DM: Die Erzählung von der „Sündigen Mutter“ berichtet, dass die Mutter eines Mönches, obwohl sie

zeitlebens zur Beichte ging und die heiligen Sakramente empfing, nach ihrem Tod den Qualen der Hölle überantwortet wurde. So wurde ihr Leib von Schlangen traktiert, weil sie es in ihrer Jugendzeit wagte „ihre Brüste zu zeigen“ (siehe CALMANN, Lia: Legenden, Seite 68). Der Herrin des „Tugendhaften Knechtes“ erging es nicht anders. Sie trieb Unzucht mit einem Bediensten und wurde von ihrem Knecht dabei beobachtet. Sie versuchte ihn zu ermorden, doch dieser Plan misslang. Der Zorn Gottes richtet sich gegen die Herrin und ihren Günstling.

5Vgl. SINJAWSKIJ, Andrej: Iwan der Dumme. Vom russischen Volksglauben. Frankfurt/Main 1990, Seite 400.

6Anmerkung DM: Jesus verbrachte vierzig Tage in der Wüste - ohne Nahrung, ohne Wasser und ohne menschlichen Kontakt (Lk 4,1).

7 Anmerkung DM: Im weiteren Verlauf der Ausführungen soll nicht näher auf die Kastration eingegangen werden. Vielmehr soll beleuchtet werden, welche eschatologischen Konsequenzen sich aus der „Verschneidung“ ergeben sollten. Wie der Name schon anklingen lässt, handelt es sich bei dieser Praxis um eine gänzliche Entfernung der primären Geschlechtsorgane, die sowohl beim Mann (Entfernung des Penis und des Scrotums) als auch bei der Frau (Entfernung der Brüste sowie der äußeren Schamlippen) durchgeführt wurde. Unter den Anhängern der Skopzensekte wurde dies auch als „Siegel“ bezeichnet. Hierbei unterschied man zwischen dem „großen“ und dem „kleinen Siegel“.

8Vgl. SINJAWSKIJ, Andrej: Volksglauben, Seite 34.

9Vgl. Ebd., Seite 299f.

10Vgl. Ebd., Seite 302.

11 GRASS, Karl Konrad: Die russischen Sekten. Bd. 2. Die weissen Tauben oder Skopzen nebst geistlichen Skopzen, Neuskopzen u.a. Leipzig 1914, Seite 663.

12Vgl. ISTOV, Kirill V.: Der gute Zar und das fremde Land. Russische sozial-utopische Volkslegenden des 17.-19. Jahrhunderts, Münster 1998, Seite 177. Anmerkung DM: Unter den „täglichen Leiden“ muss die Situation des Reiches verstanden werden. Wirtschaftlich war Russland rückständig, ein Großteil der Bevölkerung musste permanent ums Überleben kämpfen und wurde gleichzeitig in den mittelalterlichen Strukturen der Feudalherrschaft gehalten. Noch dazu sind das 17./18. Jahrhundert durch häufige Kriege innerhalb Europas gekennzeichnet, die dem russischen Volk zusätzlich Kraft abverlangte.

13Anmerkung DM: Bei dem Begriff „Märchen“ denken wir unweigerlich an die Erzählungen Jacob und Wilhelm Grimms. Diese haben unsere Wertvorstellung maßgeblich geprägt und stellen eine gewisse Basis der deutschen „Volksmoral“ dar.

14Anmerkung DM: So will Rumpelstilzchen das Königskind nicht entführen, um den Staat zu erpressen oder das Kind im richtigen Glauben zu erziehen, sondern um es von der Gier nach Reichtümern fernzuhalten. Also, eine Lehre zu erteilen, die auf alle Menschen angewandt werden kann.

15SINJAWSKIJ, Andrej: Volksglauben, Seite 9.

16Ebd., Seite 15f.

17Anmerkung DM: Ilja Muromez ist in der orthodoxen Kirche Russlands als St. Elias von Murom bekannt.

Seine mumifizierten Gebeine, die sich angeblich im Kiewer Höhlenkloster befinden, werden von den Russen noch

heute angebetet. Alljährlich wird am 19. Dezember (nach julianischem Kalender) seiner heiligen Taten gedacht. Siehe dazu: <http://pomog.org/index.html?http://pomog.org/saintlist.shtml> (Internetportal der Russisch-Orthodoxen Kirche in Amerika).

18Vgl. SINJAWSKIJ, Andrej: Volksglauben, Seite 70.

19Vgl. Ebd., Seite 124.

20Vgl. Ebd., Seite 24f.

21Vgl. Ebd., Seite 280.

22Ebd., Seite 29.

23Vgl. Ebd., Seite 26.

24Vgl. Ebd., Seite 78 / Anmerkung DM: Der Samowar ist der Inbegriff der russischen Teekultur. Es handelt sich dabei um eine Art kunstvoll verzierten Wasserkocher, der zur Teezubereitung verwendet wird. Ebenso wie in anderen Ländern wird auch in Russland das Teekochen aufwendig zelebriert und gehört zur alltäglichen Tischkultur. Bevor der Tee serviert worden war, durfte nicht gegessen werden.

25Anmerkung DM: Es ist bekannt, dass Peter die Errichtung St. Petersburgs durch imense Steuererhöhungen

finanzierte. So führte er - und dies ist das typische Beispiel für die zaristische Ignoranz völkischer Bedürfnissen - eine sog. Bartsteuer ein. Wenn man nun bedenkt, dass das Tragen eines Bartes ein selbstverständlicher Ausdruck des patriarchalischen Denkens jener Zeit war, kann man den Unmut des Volkes nachvollziehen.

26Vgl. ISTOV, Kirill V.: Der gute Zar, Seite 118.

27Vgl. SINJAWSKIJ, Andrej: Volksglauben, Seite 35.

28Vgl. Ebd., Seite 34 / Anmerkung DM: Unter „Abgrund“ ist in diesem Zusammenhang die Bedrückung und Kontrolle gemeint, unter der sowohl das Volk als auch die Zarensöhne zu leiden hatten.

29Anmerkung DM: Iwanuschka ist der letzte von insgesamt drei Söhnen. Er verbringt seine Zeit gerne mit Faulenzen. Als der Zar nun verkündet, dass er demjenigen, der ihm ein fliegendes Schiff beschafft, seine Tochter zur Frau geben werde, macht sich Iwan auf den Weg. Niemand traut ihm zu, diese Aufgabe zu erfüllen. Auf seiner Reise begegnet er mehreren dubiosen Gestalten, die er jedoch gutherzig und freundlich behandelt. Er teilt seinen kargen Proviant mit ihnen und versichert sich somit ihrer Loyalität. Zusammen finden sie das fliegende Schiff und auch als der Zar sein Versprechen nicht einlöst, halten die Freunde zusammen. Sie lösen weitere Aufgaben - eine schwerer als die andere - und schlussendlich gelingt es ihnen den hinterhältigen Zaren zu bezwingen und als Sieger von dannen zu ziehen. Vgl. hierzu: <http://www.zeno.org/M%C3%A4rchen/M/Ukraine/August+von+L%C3%B6wis+of+Menar:+Russische+Volksm%C 3%A4rchen/4.+Das+fliegende+Schiff>.

30 Vgl. SINJAWSKIJ, Andrej: Volksglauben, Seite 35.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Ein Gemisch aus Märchen, Politik und Christentum
Untertitel
Betrachtungen der skoptischen Eschatologie unter besonderer Berücksichtigung der volksmythischen Rolle des Zaren
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Themen kontextueller Religionsphänomenologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V144756
ISBN (eBook)
9783640537389
ISBN (Buch)
9783640537686
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Skopzen, Russland, Volksglaube, Zar, Zarewitzsch, Sekte, Christentum, Religionswissenschaft, Seliwanow
Arbeit zitieren
Daniel Meyer (Autor:in), 2009, Ein Gemisch aus Märchen, Politik und Christentum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144756

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