Grundlagen und Grenzen der Beratung aus ethischer, rechtlicher und sozialarbeiterischer Sichtweise

Am Beispiel: Selbstbestimmungsrecht des Klienten bei Fremd- und Selbstgefährdung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

A. Vorwort

B. Grundlagen und Grenzen der Beratung aus ethischer, rechtlicher und sozialarbeiterischer Sichtweise
I. Freiräume und Grenzen der Beratung aus Sicht der Sozialen Arbeit
1. Forschungsprogramm subjektive Theorien, als Grundlage der Kooperativen Beratung nach Wolfgang Mutzeck
2. Personenzentrierte Beratung nach Carl Rogers
3. Ressourcenorientierte Beratungskonzepte
II. Ethische Freiräume, Grenzen und Verantwortungen der Beratung anhand der Codes of Ethics des DBSH
III. Rechtliche Freiräume, Grenzen und Pflichten der Beratung
1. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG)
2. Sozialgesetzbuch (SGB) und Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
IV. Praxisbeispiele einer Beratungssituation:
1. Selbstbestimmungsrecht des Klienten bei Fremdgefährdung
2. Selbstbestimmungsrecht des Klienten bei Selbstgefährdung

C. Schlusswort

Literaturverzeichnis

A. Vorwort

In Beratungssituationen ist der Sozialarbeiter in seiner Verantwortung einer Flut an Anforderungen und Regeln ausgesetzt. Er muss im Moment entscheiden, auf welche Art und Weise er unterstützend eingreift und welche Auswirkungen sein Eingreifen haben kann. Obwohl die Beratungssituation, je nach eingesetzter Methode, dem Berater mehr oder weniger Freiheiten gewährt, gibt es bei vielen Gesprächen einen bestimmten Grenzpunkt. An diesem muss der Berater aktiv in das Geschehen eingreifen. Diese „Grenze der Freiheit“ des Klienten liegt spätestens dann vor, wenn eine Fremd- oder Selbstgefährdung erkennbar ist.

An diesem Punkt sieht sich der Berater ganz klar einem Dilemma gegenüber gestellt, in dem abzuwägen ist, ob die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Klienten aktiv außer Kraft gesetzt werden kann, da die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht anderer eingeschränkt werden könnte.

Dieser aktive Eingriff, der den Klienten „vor sich selbst schützen“ soll, kann auf verschiedenste Wege betrachtet und erklärt werden.

Diese Betrachtungsweisen können rechtlicher oder ethischer Natur sein. Aber auch die Beratungsmethode an sich, ist an viele (mehr oder weniger genaue) Grundsätze gebunden, die bei erfolgreicher Beratung eingehalten werden sollen.

In wie weit bleibt dem Berater in Krisensituationen, also die eigene Freiheit, seine „Eingriffe“ ins Geschehen abzuwägen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Sozialarbeiter in seiner professionellen Arbeit stets in der Lage sein muss, sein Handeln im Nachhinein „Recht zufertigen“ bzw. auf wissenschaftlicher Basis zu begründen. Doch was dient dem Berater als Grundlage, wenn doch die verschiedensten, sich oftmals widersprechenden, Theorien als Begründung herangezogen werden können?

Diese Arbeit soll drei unterschiedliche Begründungsgrundlagen der Beratung darlegen und deren Grenzen aufzeigen.

Anhand des Beispiels der Fremd- und Selbstgefährdung wird das Dilemma bzw. die Widersprüchlichkeit, in der sich der Berater befindet, verdeutlicht.

Vorliegende Arbeit kann nur einen Einblick in dieses Paradox der Beratungsgrundlagen geben und garantiert freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

B. Grundlagen und Grenzen der Beratung aus ethischer, rechtlicher und sozialarbeiterischer Sichtweise

I. Freiräume und Grenzen der Beratung aus Sicht der Sozialen Arbeit

Professionelles pädagogisches bzw. sozialarbeiterisches Handeln braucht ihren theoretischen Bezug. Ohne ihn könnte es weder überprüft oder kontrolliert, noch verbessert werden. Genau diese Punkte machen jedoch ihre Professionalität aus, was vor allem in der beraterischen Tätigkeit zum Ausdruck kommt.

Hier stehen den Pädagogen, Sozialarbeitern oder Psychologen eine Vielzahl solcher Theorien zur Verfügung.

Jede, der als Grundlage fungierenden, Theorie hat ihre ganz eigenen Grundthesen und geht von einem bestimmten Menschenbild, also einer speziellen Sicht auf den Menschen, aus. Sie räumt ihm mehr oder weniger Verantwortung an seiner Situation ein, ist mehr oder weniger Wert schätzend und bezieht Handlungen mehr oder weniger auf die Person selbst.

Durch die Flut an möglichen theoretischen Grundlagen einer Beratung, beschränkt sich die Arbeit auf folgende drei:

1. Das Forschungsprogramm subjektive Theorien, als Grundlage der Kooperativen Beratung nach Wolfgang Mutzeck
2. den Personen- bzw. Klientenzentrierten Ansatz von Carl Rogers und
3. Ressourcenorientierten Beratungskonzepte und setzt diese zueinander in Vergleich. Dabei steht die jeweilige Sicht des Beraters auf den Klienten, also das jeweilige Menschenbild, als Ausgangspunkt für die praktischen Handlungsempfehlungen, im Fokus der Aufmerksamkeit.

Generell haben theoretische Vorstellungen oft unterschiedliche Herkunft, sind bei ähnlichen grundlegenden Annahmen aber zueinander verträglich und lassen sich gut miteinander verwenden. Aufgrund der gleichen Zielvorstellungen und Gegenstandsannahmen können sie sich gegenseitig ergänzen, ohne dass dadurch Unstimmigkeiten zu befürchten wären. (vgl. Schlee, Jörg; 1999; S. 10)

1. Forschungsprogramm subjektive Theorien, als Grundlage der Kooperativen Beratung nach Wolfgang Mutzeck

Ausgangspunkt des Forschungsprogramms subjektive Theorien ist der Mensch als Subjekt, das heißt als „…aktive und konstruierende Person…“, der sich in seinem Denken und Handeln an Sinn und Bedeutung orientiert. Der Mensch handelt nicht aufgrund äußerer Reize, sondern vor dem Hintergrund seiner subjektiven Interpretation. Handlungsrelevant ist also nicht die Umwelt als solche, sondern die internen Auslegungen, Vorstellungen und Überzeugungen. (vgl. Schlee, 1999, 12)

„Das (epistemologische*) Menschenbild des Forschungsprogramms Subjektive Theorien postuliert, dass Menschen […] prinzipiell auskunfts-, kommunikations- und reflexionsfähig sind. Menschen sind damit bewusstseins- und erkenntnisfähig.“ (vgl. Schlee, 1999, 13)

Die kooperative Beratungsmethode nach Mutzeck baut auf eben diesem Menschenbild auf. Sie hat ihren Ursprung im Forschungsprogramm Subjektive Theorien und baut zusätzlich Elemente der personenzentrierten, systemischen, der kommunikationstheoretischen und gestalttheoretischen Psychologie mit ein. (vgl. Mutzeck, 2008, 49)

Menschen orientieren sich nach dieser Theorie an Zielen und Wertvorstellungen, auf Grund derer sie selbst abwägen, bewerten, auswählen und entscheiden können. Neben der Fähigkeit zur Kommunikation, Rationalität und Reflexivität, haben sie also auch die Fähigkeit zur Autonomie.

In der Kooperativen Beratung werden dem Klienten zusätzlich die Fähigkeit zu Emotionalität und Handlungskompetenz zugeschrieben. (vgl. Mutzeck, W. 2008, 50-56)

Für den Berater, der nach den Grundlagen des Forschungsprojektes Subjektive Theorien, im Sinne der Kooperativen Beratung handelt, ist also jeder Mensch eine autonome und rationale Person. Unter diesem Gesichtspunkt ist folglich jeder Mensch (potentiell) in der Lage, die Verantwortung für seine Handlungen selbst zu tragen.

Die Theorie geht allerdings nicht davon aus, dass alle Menschen immer rational und reflexiv vorgehen. Sie weist lediglich auf das vorhandene Potential hin.

Das hieße wiederum für den Berater, dass er bei „unrationalen“ Entscheidungen des Klienten, diesen auf sein Potential hinweisen sollte.

Dabei gehen wir jedoch davon aus, dass der Berater als Subjekt in diesem Augenblick selbst nach seinen Fähigkeiten (vor allem Rationalität und Reflexivität) handelt.

Wann genau ein Individuum nicht rational, reflexiv und autonom handelt, kann nicht festgestellt werden. Es kann ihm nur von anderen Subjekten zugesprochen werden, bei welchen man wiederum von der vorhandenen Rationalität in genau dem Moment des Zusprechens ausgehen muss.

Fraglich bleibt, ob der Mensch als Subjekt auch unter Einsatz von Gewalt, Zwang, Drohung etc diese Potentiale besitzt.

Ginge also der Berater davon aus, dass der Klient im Moment der Beratung nicht auf Grund seiner Fähigkeiten handelt, dürfte er unterstützend eingreifen, jedoch nicht über den Klienten hinweg entscheiden, da er seine Autonomie stets besitzt (wenn auch nicht einsetzt).

2. Personenzentrierte Beratung nach Carl Rogers

Der Ansatz der Personen- bzw. Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie in der Reihe der Humanistischen Psychologie, behandelt ein ähnliches, dennoch abweichendes Menschenbild. Carl Rogers geht von einer Selbstaktualisierungstendenz des Menschen aus, um sich selbst zu begreifen und seine Selbstkonzepte, seine Grundeinstellungen und sein selbst gesteuertes Verhalten zu verändern.“ (vgl. Rogers, C., 1983, S. 66)

Wesentliches Element der Personenzentrierten Beratung ist die Zentrierung auf die Hilfe suchende Person mit ihren Zielen, Wünschen, Verhaltensweisen und Wertvorstellungen. „Entsprechend den von Rogers formulierten Wertvorstellungen wie Offenheit für Erfahrungen, Fähigkeit zu Selbstbestimmung und Autonomie sowie zur Ganzheitlichkeit des Menschen wird dem Klienten prinzipiell die Lösung seiner Probleme zugetraut …“.(vgl. Sandner/Ziebertz, 2006, 13)

Um den Menschen in seinen Fähigkeiten zu unterstützen, baut die Beratungsmethode auf drei Grundhaltungen auf, die vom Berater einzuhalten sind, um ein „optimales“ Ergebnis zu erzielen. Diese Grundeinstellungen des Beraters gegenüber dem Klienten sind:

Empathie (einfühlendes Verstehen)

Echtheit (Kongruenz) und

unbedingte Wertschätzung und Akzeptanz.

So kann eine vertrauensvolle Basis zwischen Klient und Berater geschaffen werden.

(vgl. Sandner/Ziebertz, 2006, 13).

Um eine Person (nicht unbedingt ihr Verhalten) vollkommen Wert schätzen zu können, kann oben genanntes Menschenbild also noch ergänzt werden. Der Mensch ist folglich von Grund auf gut.

Die Aufgabe des Beraters, der nach der Personenzentrierten Beratungsmethode agiert, ähnelt der unter Punkt 1. aufgezeigten, Kooperativen Beratung.

Auch hier setzt der Sozialarbeiter die Fähigkeit des Klienten zur Autonomie, zur Selbstaktualisierung voraus. Zusätzlich hat der Klient die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und ist prinzipiell in der Lage, seine Probleme selbst zu lösen.

Somit kann der Berater wiederum nur versuchen, die Fähigkeiten des Klienten herauszuarbeiten bzw. ihn durch Umformulierung seines Gesagten, selbst die Lösung des Problems durch seine eigenen Fähigkeiten finden zu lassen.

Diese Beratungsmethode ist nicht-direktiv und fördert somit die Fähigkeiten des Einzelnen.

Wann aber ist die Grenze erreicht, an der der Berater dennoch aktiv in das Geschehen eingreift? Wenn jede Person gut ist, über Autonomie und Problemlösefähigkeit verfügt, dürfte es eine Situation, in der der Berater entgegen dem Willen des Klienten, eingreift, gar nicht geben. Er hätte sonst in jedem Fall das Prinzip der uneingeschränkten Wertschätzung und Akzeptanz, also einen zentralen Baustein der Methode, nicht verfolgt.

[...]


* Epistemologie als die Lehre davon, wie Menschen zu Erkenntnissen kommen.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Grundlagen und Grenzen der Beratung aus ethischer, rechtlicher und sozialarbeiterischer Sichtweise
Untertitel
Am Beispiel: Selbstbestimmungsrecht des Klienten bei Fremd- und Selbstgefährdung
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
Beratung im pädagogischen, psychosozialen und interkulturellen Kontext
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V144725
ISBN (eBook)
9783640541065
ISBN (Buch)
9783640540693
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beratung, Sozialpädagogik, Recht, Ethik, Grenzen, Fremdgefährdung, Selbstgefährdung
Arbeit zitieren
Monika Schattenkirchner (Autor:in), 2009, Grundlagen und Grenzen der Beratung aus ethischer, rechtlicher und sozialarbeiterischer Sichtweise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144725

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