Der Tag von Potsdam - Hitlers Aufstieg zur Macht zwischen Nationalsozialismus und Preußentum


Studienarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Quellenkritik
1.1 Vorstellung der Quelle
1.2 Innere Kritik
1.2.1 Zu den biografischen Hintergründen des Verfassers
1.2.2 Zur Entstehungssituation der Quelle
1.2.3 Sachliche Aufschlüsselung der zentralen Begriffe

2. Interpretation
2.1 Inhaltszusammenfassung
2.2 Einordnung in den historischen Kontext
2.2.1 Zum Scheitern der Weimarer Republik
2.2.2 Der Aufstieg der Nationalsozialisten
2.3 Der „Tag von Potsdam“
2.3.1 Der Weg nach Potsdam
2.3.2 Symbolpolitische Aufladung und mediale Inszenierung
2.3.3 Potsdam, das Ermächtigungsgesetz und die Folgen

3. Nationalsozialismus und preußische Tradition – eine kritische Be trachtung vor dem Hintergrund des Tages von Potsdam
3.1 Grundlagen preußischer Tradition
3.2 Der Nationalsozialismus zwischen Preußentum und Führerkult

Resümee

4. Literatur und Quellen

Literatur

Quellen

Einleitung

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit wird sich im Wesentlichen um die Frage drehen, inwiefern die Nationalsozialisten mit dem „Tag von Potsdam“ ein Potential auszuschöpfen in der Lage waren, das entscheidend war für den Weg in die totalitäre Diktatur.

Zur Beantwortung dieser Frage wird es unerlässlich sein, einer der Schlüsselfiguren jener Tage auf die Spur zu kommen: Reichspräsident Paul von Hindenburg. Welche Rolle spielte der Reichspräsident, die nationale Ikone, in den verhängnisvollen Entwicklungen jener Tage vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten und bildete diese nicht am Ende genau jenes Potential, das den Nationalsozialisten in Potsdam als Ansatzpunkt zur Vollendung ihres Durchmarsches an die Spitze der Nation diente? Zunächst werde ich eine Einordnung der Quelle als solche hinsichtlich ihrer Gestalt sowie historisch und biografisch relevanter Aspekte vornehmen. Dazu werden die Schlüsselbegriffe, Entstehungssituation sowie biografische Hintergründe des Verfassers der Quelle geklärt. Im Anschluss an eine kurze Zusammenfassung der inhaltlichen Aussage soll eine ausführliche Schilderung der zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die zuvor formulierte Fragestellung erfolgen. In der Folge wird sich die Perspektive konkret zu den Ereignissen des Tages von Potsdam, seinen Entstehungsbedingungen sowie seinem Symbolwert hin verengen und die Rolle Hindenburgs darin näher beleuchtet werden. In einer abschließenden Diskussion des Verhältnisses des Nationalsozialismus zu preußischen Traditionen sollen die Motive der Nationalsozialisten für die exzessive Preußen-Propaganda des Tages von Potsdam erschlossen werden.

1. Quellenkritik

1.1 Vorstellung der Quelle

Der Arbeit liegt folgende Quelle zugrunde:

- Ansprache des Reichspräsidenten von Hindenburg beim Staatsakt zur Eröffnung des Reichstags, Garnisonkirche zu Potsdam 21. März 1933 („Tag von Potsdam“)[1]

Die Quelle beinhaltet die Ansprache von Reichspräsident Hindenburg zur Eröffnung des 8. Reichstages am 21.03.1933. Sie ist dementsprechend an die in der Garnisonkirche anwesenden Abgeordneten, Reichskanzler Hitler sowie dessen Kabinett gerichtet. Die Quelle liegt nicht im Original vor. Es ließ sich in der Kürze der Zeit nicht ermitteln, ob Paul von Hindenburg die Ansprache eigenständig verfasst, an ihrer Verfassung mitgewirkt oder aber sie lediglich vorgetragen hat. Dennoch lässt sich festhalten, dass sie zweifelsohne auf die Person von Hindenburg zugeschnitten ist. Ich werde daher in der Folge aus formalen Gründen auf Hindenburg als den Verfasser der Quelle verweisen.

1.2 Innere Kritik

1.2.1 Zu den biografischen Hintergründen des Verfassers

Am 2. Oktober 1847 als Sohn eines Leutnants im preußischen Posen geboren, durchlief

Paul von Beneckendorff und von Hindenburg von frühester Jugend an den Werdegang eines preußischen Militärs. Der Einsatz als junger Leutnant im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, in dem er erstmals nicht nur für Preußen, sondern für ein geeintes Deutsches Reich kämpfte, wurde wegweisend für das strikte Bekenntnis Hindenburgs zur Deutschen Nation.[2]

Trotz einer grandiosen militärischen Karriere trat Paul von Hindenburg erst spät in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Als er im August 1914 bei Tannenberg seinen großen Sieg gegen die russische Armee zu erringen vermochte, war er bereits ein 66-jähriger Pensionär. Der Sieg bei Tannenberg katapultierte ihn förmlich in jene nationale Heldenrolle, nach der das Volk sich so sehnte.[3] Der von ihm mit Ehrgeiz in Szene gesetzte Hindenburg-Mythos bildete eine wichtige Grundlage für seinen späten politischen Aufstieg, da er milieuübergreifend die Wünsche und Hoffnungen großer Teile der Gesellschaft nach einer integrativen Vaterfigur bediente.[4] Daran vermochte auch der letztendliche Verlust des Krieges nichts zu ändern, zumal Hindenburg sein symbolisches Potential dazu nutzte, als einer der Initiatoren der Dolchstoßlegende die Verantwortung für Niederlage und Folgen der Opposition aufzubürden. Konsequenterweise stand der im Grunde seines Herzens überzeugte Monarchist Hindenburg politisch vor allem konservativen und nationalliberalen Kreisen nahe, die Sozialdemokratie oder gar den Kommunismus lehnte er hingegen – in bester Tradition Bismarcks – strikt ab.[5] Jedoch blieb sein politisches Verständnis begrenzt, dachte er über alle Zeiten hinweg bevorzugt in militärischen, denn politischen Kategorien. Dem „Parlamentsrummel“[6] der der militärischen Niederlage von 1918 folgenden Weimarer Republik stand Hindenburg stets unwillig gegenüber. Niemals war er Mitglied einer politischen Partei, was in einer Zeit des wachsenden inter- und innerparteilichen Streites den Ausschlag gegeben haben mag, dass Hindenburg im April 1925, im fortgeschrittenen Alter von 77 Jahren, schließlich zum Reichspräsidenten gewählt wurde. Hindenburg bekleidete diese Position bis zu seinem Tod am 02. August 1934. Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler sowie die Unterzeichnung des Ermächtigungsgesetzes 1933 bildeten die folgenschweren Höhepunkte seiner Amtszeit.

1.2.2 Zur Entstehungssituation der Quelle

Reichspräsident Hindenburg hatte am 1. Februar 1933 per Notverordnung den Reichstag aufgelöst und Neuwahlen angeordnet[7], von denen er sich die erwünschte Mehrheit für die Rechtsparteien erhoffte, die die von ihm am 30. Januar gebildete Regierung des nationalen Zusammenschlusses unter Hitler als Reichskanzler tragen würde.[8] Mit den für den 5. März angesetzten Wahlen sollte diese Regierung quasi nachträglich „legitimiert“ werden. Mit der Schaffung einer nationalkonservativen Einheitsregierung wollte Hindenburg seinen Traum vom national geeinten und geführten Deutschland verwirklichen, in dem der Parlamentarismus und insbesondere die pro-republikanischen Kräfte keine Rolle mehr spielen sollten. Als „geschichtspolitisch sensiblem Akteur“[9] war dem alternden Reichspräsidenten zudem an einem kontinuierlichen Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft sowie an der Pflege seines Kriegshelden-Image gelegen, um sich seinen Platz in den Analen der Geschichte zu sichern.[10] Die Kombination aus diesen Beweggründen persönlicher wie politischer Natur veranlassten den Reichspräsidenten, die Regierung auf die Grundlage der stärksten nationalistischen Partei im Lande zu stellen, hinter der er eine mächtige Basis in Volk, Industrie und Landwirtschaft sowie eine Führerfigur wusste, die zukünftig in seinem Sinne regieren würde. Demzufolge konzentrierten sich Hindenburgs Bestrebungen im Vorfeld der Neuwahlen ganz auf das Erreichen der erforderlichen Mehrheit für die nationalkonservativen Parteien und scheute darin auch nicht vor drastischen Maßnahmen gegen die verhasste linke Opposition zurück. Die „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar[11], die am Tage nach dem Reichstagsbrand von Hindenburg unterzeichnet wurde, hatte die Grundrechte außer Kraft gesetzt und legte mit ihrer klar antikommunistischen Ausrichtung den Grundstein für einen zügellosen Wahlkampf der Nationalsozialisten im Vorfeld der Neuwahlen. Das – rein optisch – vergleichsweise starke Abschneiden der NSDAP am 5. März[12] war daher auch in erheblichem Maße der Politik der Verhaftungen und Einschüchterung gegenüber den linken Parteien geschuldet, die vom Reichspräsidenten toleriert und unterstützt wurde.[13] Nun waren die Aussichten für das von der Nationalen Opposition angestrebte Ermächtigungsgesetz viel versprechend.[14] Durch das Ermächtigungsgesetz sollte sich der Reichstag möglichst selbst dauerhaft vertagen und der Parlamentarismus endgültig ausgeschaltet werden. Da ein solches Gesetz eine 2/3-Mehrheit im Parlament erforderte, konzentrierten sich in den Wochen vor der Eröffnung des neuen Reichstages die Bemühungen der Nationalen Opposition vorrangig auf eine Ausschaltung der KPD, sowie auf die Gewinnung des Zentrums für eine Tolerierung des Ermächtigungsgesetzes.[15] Hindenburg, als nationalem Mittler zwischen radikalem Nationalismus und gemäßigtem Konservatismus, kam hierin eine besondere Rolle zu. Auf ihn gründeten sich die Hoffnungen einerseits der Nationalkonservativen auf die konsequente Durchsetzung einer nationalen Politik vor allem im Sinne von Industrie und Agrariertum, andererseits aber auch jene der Nationalsozialisten, die ihrer Politik über das Wohlwollen des Volkshelden Hindenburg einen scheinbar legitimen Anstrich geben wollten.

1.2.3 Sachliche Aufschlüsselung der zentralen Begriffe

„Regierung des nationalen Zusammenschlusses“:

Gemeint ist die zum 30. Januar 1933 von Reichpräsident Hindenburg ernannte Regierung mit Adolf Hitler als Reichskanzler, die ausschließlich aus nationalen, rechtsgerichteten Kräften (Politiker, aber auch führende Mitglieder von Wehrverbänden und freier Industrie) bestand und unter dem erklärten Ziel Hindenburgs, einen autoritär-konservativen politischen Kurs unter Zerschlagung der Sozialdemokratie zu beschreiten, zustande kam. Der Begriff wurde zudem auch von Seiten der Nationalsozialisten propagandistisch ausgeschlachtet, um eine vermeintliche Aussöhnung der rechtsextremen NSDAP mit der rechts-konservativen Elite zu suggerieren.[16]

„Das alte Preußen“:

Gemeint ist hier das Königreich Preußen, in dem Paul von Hindenburg aufgewachsen war und hier ganz besonders die Ära Bismarck, die die Gründung des Deutschen Reiches herbeiführte. Die Kriegsjahre 1866-1871, die der Reichsgründung vorausgingen, prägten Hindenburg, der als Soldat aktiv beteiligt war, und seine national-konservative Grundhaltung nachhaltig. Auch innerhalb des 1871 ausgerufenen Deutschen Kaiserreiches behielt Preußen eine beachtliche Vormachtstellung inne. Diese rekrutierte sich vor allem aus seiner überragenden territorialen wie militärischen Dominanz, sowie den reichen Vorkommen an Rohstoffen, entsprechende verarbeitender Industrie und einem dem Rest des Reiches gegenüber fortschrittlichen Verwaltungsapparat.[17]

„der alte Geist dieser Ruhmesstätte“:

Hindenburg bezieht sich hier auf den Veranstaltungsort, die Potsdamer Garnisonkirche. Dort lagerte seit Jahrhunderten das preußische Vermächtnis in Gestalt der Gebeine der großen preußischen Könige (Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II.), die für das aufstrebende Preußen verantwortlich gezeichnet hatten. Schon viele Male zuvor war die Garnisonkirche damit Ort großer Feierlichkeiten und Triumphe des gottesfürchtigen Preußen gewesen, in deren Tradition Hindenburg die Zukunft des deutschen Reiches sehen mochte.[18]

[...]


[1] Ein vollständiges Exemplar der Quelle ist der Rubrik „Anhang“ beigefügt

[2] Pyta: Hindenburg Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, S.14 ff.

[3] Zur Sehnsucht der Bevölkerung nach Repräsentation vgl. ebd. S. 69 ff.

[4] Pyta: Paul von Hindenburg als charismatischer Führer der deutschen Nation, in Möller: Charismatische Führer der deutschen Nation, S. 119-125

[5] Pyta: Hindenburg Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, S. 30

[6] Ebd. S. 819 zitiert nach Picker: Hitlers Tischgespräche, S. 369

[7] RGBL 1933 I, S. 45: „Nachdem sich die Bildung einer arbeitsfähigen Mehrheit als nicht möglich her ausge- stellt hat, löse ich auf Grund des Artikels 25 der Reichsverfassung den Reichstag auf, damit das deutsche Volk durch Wahl eines neuen Reichstags zu der neugebildeten Regierung des nationalen Zusam- menschlusses Stellung nimmt“ abrufbar: http://www.documentarchiv.de/ns/aufl-rt.html

[8] Pyta: Hindenburg Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, S. 816 ff.

[9] Ebd. S. 805

[10] Pyta: Paul von Hindenburg als charismatischer Führer der deutschen Nation, in Möller: Charismatische Führer der deutschen Nation, S. 140-142

[11] Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, abrufbar:

http://www.documentarchiv.de/ns/rtbrand.html

[12] Jaspers: Die gescheiterte Zähmung Wege zur Machtergreifung Hitlers 1930-1934, S. 134

[13] Pyta: Hindenburg Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, S. 813 ff.

[14] Bracher: Stufen der Machtergreifung in Bracher, Sauer, Schulz: Die Nationalsozialistische Machtergrei- fung S. 154

[15] Sitzungen des Kabinetts Hitler vom 30.1. bis 1.2.1933, Akten der Reichskanzlei, Bundesarchiv Koblenz: R43 II/291 u. 289, abgedruckt bei Broszat: Die Machtergreifung Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik, S. 202

[16] Bracher: Stufen der Machtergreifung in Bracher, Sauer, Schulz: Die Nationalsozialistische Machtergreifung S. 45 ff.

[17] Born: Preußen im deutschen Kaiserreich 1871-1918 Führungsmacht des Reiches und Aufgehen im Reich, in Neugebauer: Handbuch der Preußischen Geschichte Band III, S. 25 ff.

[18] Scheel: Das Tagebuch Europas 1933 Der Tag von Potsdam, S. 22

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Tag von Potsdam - Hitlers Aufstieg zur Macht zwischen Nationalsozialismus und Preußentum
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Geschichte von Herrschaft, Staat und Politik
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V144724
ISBN (eBook)
9783640548774
ISBN (Buch)
9783640550432
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tag von Potsdam, Nationalsozialismus, Preußen, Paul von Hindenburg, NSDAP, Weimarer Republik
Arbeit zitieren
Jane Jannke (Autor:in), 2008, Der Tag von Potsdam - Hitlers Aufstieg zur Macht zwischen Nationalsozialismus und Preußentum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144724

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