Die Notwendigkeit einer durchdachten Stadtplanung zum Ortsbildschutz

Verdeutlicht an architektonischen Beispielen des 10. Wiener Gemeindebezirks


Bachelorarbeit, 2009

34 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Kurzfassung
1.2. Abstract (English)
1.3. Problemstellung
1.4. Zielformulierung

2. Ist „gute“ Stadtplanung für ein stimmiges Ortsbild wichtig? Was sind die Auswirkungen von unbedachter/schlechter Planung auf das Ortsbild?
2.1. Vorteile/Nachteile einer umfassenden Gestaltungsfreiheit
2.2. Auswirkungen der Stadtplanung auf die Psyche des Menschen

3. Grundlegendes zur Gegend des 10. Wiener Gemeindebezirks
3.1. Charakteristische Merkmale des Ortsbildes

4. Was macht ein stimmiges Ortsbild aus? Wodurch wird das Ortsbild gestört/zerstört?
4.1. Beispiele für stimmige und unstimmige Ortsbilder ( Wien allgemein)
4.2. Beispiele für gelungene und nicht gelungene Stadtgestaltung im 10. Wiener Gemeindebezirk

5. Die größten Bausünden des 10. Wiener Gemeindebezirks - einzelne Bauwerke, die das Gesamtbild eines Stadtteils (zer)stören

6. Fazit

7. Begriffsglossar

8. Quellen

1. Einleitung

Die Raumplanung stellt in der heutigen Zeit eine wichtige und unentbehrliche Disziplin dar. Sie wird angewendet, um die architektonischen und planerischen Gestaltungsvorhaben zu lenken und diesbezüglich einen Rahmen zu definieren sowie Vorgaben zu machen.

Warum durchdachte Vorgehensweisen und leichte Beschränkungen in der Planung wichtig sind, um Bauvorhaben in einem entsprechenden Rahmen zu halten und weshalb absolute Gestaltungsfreiheit für das Bild einer Stadt nicht förderlich ist und für die Bewohner ungünstige Auswirkungen haben kann, soll hier näher erläutert werden.

1.1. Kurzfassung

Mit dieser schriftlichen Arbeit, die im Rahmen des Bachelorseminars während des 6. Semesters des Studiums Raumplanung und Raumordnung verfasst wurde, soll die Wichtigkeit einer durchdachten Stadtplanung ermittelt und dies am Beispiel des 10. Wiener Gemeindebezirks näher veranschaulichet werden.

Hierzu will zuallererst aufgezeigt werden wie gute Stadtplanung überhaupt definiert werden kann und welche Auswirkungen diese planerische Disziplin auf das Stadtund Ortsbild haben kann. Anschließend sollen die Vor- und Nachteile einer umfassenden Gestaltungsfreiheit definiert werden und aufgezeigt werden, was für Konsequenzen Diese haben kann.

Dann wird genauer auf die Gegend des 10. Bezirks und detailliert auf charakteristische Merkmale dieses Stadtteils eingegangen.

Der Hauptteil der Arbeit wird sich damit befassen, was ein gutes Orts- und Stadtbild überhaupt ausmacht. Ebenfalls soll erläutert werden, wie Nachteilige Ortsbilder zustande kommen und welche Auswirkungen das auf die Umgebung/den Menschen haben kann.

Als letztes werden noch die größten Bausünden des 10. Wiener Gemeindebezirks aufzählen und an ihnen verdeutlicht, welchen Einfluss sie auf das Ortsbild haben und wie sie Dieses negativ beeinflussen.

1.2. Abstract (English)

In this work, that I wrote within my studies “Raumplanung und Raumordnung” I want to discuss the advantages and disadvantages of freedom of art in architecture and spatial planning. I want to analyse this topic with taking the 10th district of Vienna as an example.

First I will show how good planning can be defined and what influence this discipline has on a townscape and I will also discuss the consequences.

Later I will write about the surrounding of the 10th district and its characteristics.

The main part of my work is about what defines a good townscape and what influences a suboptimal planned town has on the inhabitants of these areas.

The last chapter will be about the worst architecture and buildings in the 10th district and influences these have on the townscape.

1.3. Problemstellung

Gestaltungsfreiheit hat, wenn sie praktiziert wird, einige Vorteile, wie beispielsweise das grenzenlose Ausleben der Kunst des Architekten oder Planers, so dass der Kreativität keine Grenzen gesetzt werden. Daraus ergeben sich jedoch zwangsweise Nachteile im Stadtbild, die oft auf Kosten der Einwohner gehen.

In dieser Arbeit soll aus diesen Gründen geklärt werden warum durchdachte Stadtplanung von großer Wichtigkeit ist, was ein Ortsbild braucht, damit es lebenswert und strukturiert erscheint, wie sich die Stadtgestalt auf die Psyche auswirken kann und warum Einschränkungen in der Architektur und Raumplanung von großer Bedeutung sind. Verdeutlicht werden soll dies vor allem am Beispiel des 10. Wiener Gemeindebezirks.

1.4. Zielformulierung

Ziel dieser Arbeit soll sein, dass aufgezeigt wird, wie wichtig durchdachte Stadtgestaltung und Architektur für das Ortsbild aber vor allem auch für die Bewohner von Städten an sich ist. Außerdem wird auf die Vorteile sowie Nachteile architektonischer und planerischer Gestaltungsfreiheit eingegangen und erwähnt, wie diese in Maßen zu einem besseren Stadtbild beitragen kann. Es wird zudem aufgezeigt, wie einzelne Bauwerke negativen Einfluss auf die ganze Umgebung haben können und somit zu großen Störfaktoren für ein stimmiges Ortsbild werden können. Weiters soll durch das Studieren relevanter Literatur und Aufzeigen von architektonischen Beispielen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer gut konzipierten Raumplanung geschaffen werden.

2. Ist „gute“ Stadtplanung für ein stimmiges Ortsbild wichtig? Was sind die Auswirkungen von unbedachter/schlechter Planung auf das Ortsbild?

Einleitend lässt sich sagen, dass ein ordnender Aspekt in der Stadtplanung sehr wichtig im Bereich der architektonischen und planerischen Gestaltung ist. Es soll jedoch auch erwähnt werden, dass es schwer ist zu definieren, was „gute“ Stadtplanung überhaupt ausmacht. Meistens setzt sich Diese nämlich aus mehreren Komponenten, die in der räumlichen Planung berücksichtigt werden müssen, zusammen.

Ein Ortsbild muss immer mehrere Elemente beinhalten, die passend zusammenspielen sollten um letzten Endes stimmig zu wirken.

Die Definitionen von „guter Stadtplanung“ sind sehr zahlreich. Ein Zitat besagt: „Gute Stadtplanung habe das Ziel, lebende und Lebenswerte Städte zu gestalten (..).“1 Auf der Homepage des Bürgerbeirats von Wiesbaden wird gute Stadtplanung so definiert, dass sie zugunsten der Menschen, welche in der Stadt arbeiten und leben, das Erbe des Ortes pflegt, seine Identität stärkt und behutsam weiterentwickelt, dabei jedoch nie die Gesamtheit aus dem Auge verliert.

Aus jenen Definitionen lässt sich herauslesen, dass Stadtplanung im Dienste der Einwohner steht und die Stadt auch für Diese attraktiv gestalten und lebenswert machen muss. Sie muss Erhaltenswertes erkennen und erhalten und effektiv mit neuen Elementen verknüpfen.

Aus soziologischer Sicht wird eine Stadtplanung sogar nur dann gut, wenn auch die Betroffenen Einwohner in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden.

Nun soll erläutert werden, auf welche Komponenten eines Stadtbildes während eines Planungsprozesses geachtet werden muss.

„Das Vorstellungsbild der Umwelt enthält die folgenden drei Komponenten:

Identität, Struktur und Bedeutung. (…) Ein brauchbares Bild erfordert zunächst die Identifizierung eines Gegenstandes, die es möglich macht, ihn von anderen Gegenständen zu unterscheiden und als Separat-„Wesen“ zu erkennen. Wir nennen dies „Identität“ nicht im Sinn der Übereinstimmung mit irgendetwas anderem, sondern im Sinn von „Individualität“ oder „Ganzheit“.“2

Bezogen auf das Ortbild ist damit gemeint, dass jeder Stadtteil etwas Individuelles, Markantes braucht, das ihn quasi einzigartig macht. Dies kann beispielsweise ein Gebäude sein, das schon lange Zeit besteht (in der Regel über einen Zeitraum von 100 Jahren), aber besonders gut erhalten ist, also eine Art Denkmal oder auch eine Bebauung, die sich in seiner Höhe etwas von der umliegenden Baustruktur unterscheidet. Es können aber auch landschaftsplanerisch besonders schön gestaltete Straßen oder auch eine spezielle Anordnung der Häuser und Plätze sein, die das Stadtbild spannend und somit individuell erscheinen lassen.

Werden jene Elemente in der Planung nicht berücksichtigt kann es sein, dass der Ortsteil einige Einbußen bei der Identität machen muss und somit sehr unwillkürlich gestaltet und verloren wirkt. Der Städtebau und die Raumplanung sollten vor allem in der Umgestaltung bestehender Komponenten berücksichtigen, dass die für die Identitätsbildung wichtigsten Bausteine erhalten bleiben.

„Zweitens muss das Bild eine räumliche oder strukturelle Beziehung des Gegenstandes zum Beobachter und zu anderen Gegenständen enthalten. Und schließlich muss der Gegenstand für den Beobachter irgendeinen Sinn haben entweder praktisch oder gefühlsmäßig. (…)

Da der Nachdruck auf der physischen Umgebung als der unabhängigen Variablen Bachelorseminar Dolores Stuttner liegt, beschäftigen wir uns mit den physischen Qualitäten, die mit den Eigenschaften der Individualität und der Struktur des geistig geschauten Bildes in Zusammenhang stehen. Wir kommen dabei zur Definition einer Eigenschaft, die als „Einprägsamkeit“ (…) bezeichnet werden könnte: jener Eigenschaft, die mit großer Wahrscheinlichkeit in jedem Beobachter ein lebendiges Bild dieses Gegenstandes hervorruft.”3

Aus dieser Aussage ist zu schließen, dass die Gestalt einer Stadt, um in konstantem Maße vollendet zu wirken, immer eine entsprechende Beziehung zum Betrachter haben muss. Damit ein so genanntes „lebendiges Bild“ von der Stadt für den Benutzer entsteht, muss eine Form der Individualität im Ortsbild vorherrschen, genauso wie entsprechende Strukturen im Raumgefüge, die dem Stadtteil ein einprägsames Aussehen verleihen. Solche Strukturen müssen einerseits einen guten Überblick über die Situation geben, um ein Sicherheitsgefühl zu erzeugen als auch bestimmte Rückzugswinkel ermöglichen. Dies kann durch Platz- und Straßenkonstruktionen erreicht werden, wie sie von dem Architekten und Stadtplaner Camillo Sitte vorgeschlagen wurden. Dies sind auf der einen Seite unsymmetrisch entworfene Platzgestaltungen sowie auf der anderen Seite verwinkelte Straßen, welche eine gewisse Spannung in das Ortsbild mit einbringen. Es wurde jedoch auch das Prinzip des Freihaltens der Mitte vorgeschlagen, was heißt, dass prägnante und große Objekte, wie beispielsweise Statuen oder Brunnen, eher am Rand eines Platzes erbaut werden sollen.

Nach Michael Trieb ist die Grundlage eines Stadtbildes, das sich im Gedächtnis der benutzenden Individuen einprägen soll, die Stadtgestalt, vermittelt über die Stadterscheinung. Er definiert jene drei Komponenten wie folgt:

„Sie präsentiert die urbane Umwelt. Man kann sie als die Konfiguration all jener Kräfte, Faktoren, Elemente oder Signale betrachten, die außerhalb des Bezugspunktes Mensch liegen und auf die dieser möglicherweise oder tatsächlich reagiert. Folgerichtig gehören zu den Elementen urbaner Umwelt ebenso materielle wie immaterielle Faktoren, physikalische Phänomene ebenso wie etwa wirtschaftliche oder soziale Aspekte, insoweit sie direkt oder indirekt sinnlich wahrnehmbar sind. Genauer betrachtet, weist die urbane Umwelt auf der Ebene der Stadtgestalt einen physikalisch, topologisch und metrisch definierbaren Aspekt auf, der ökologischer, technologischer, wirtschaftlicher, kommunikativer oder sozialer Art sein kann.“4

Hier wird beschrieben, dass eine Stadt sich aus mehr Bausteinen zusammensetzt als durch rein technisch orientierte Architektur oder undurchdachte Anordnung von Gebäuden. Es gibt mehrere Ebenen durch welche die Stadterscheinung definiert wird. All jene Merkmale haben gemeinsam, dass sie von außen auf den Menschen einwirken können und Dieser so auf sie entsprechend reagieren kann. Daraus geht hervor, dass die Stadtplanung auch eine äußerst heikle Disziplin sein kann, bei der sehr behutsam vorgegangen werden muss, damit alle Aspekte, die auf das Individuum einwirken, auch wirklich berücksichtigt werden können. Diese Faktoren können auch wirtschaftlicher oder sozialer Natur sein, die oftmals nicht direkt wahrgenommen werden.

In der Stadtplanung sollte jedoch auch die Gestalt der Stadt als eigenständige Ebene Beachtung finden. Definiert wird Diese folgender Maßen:

„So kann abschließend die Ebene der Stadtgestalt als die der vorhandenen städtebaulichen Umwelt beschrieben werden, die die Gesamtheit der Umweltelemente umfasst, mit denen der Mensch (…) in Wechselwirkung treten kann. Die Stadtgestalt ist unabhängig von einem wahrnehmenden Subjekt, ihr funktionaler Aspekt kann weitgehend wertfrei beschrieben werden, ihr physikalisch- mathematischer Aspekt kann darüber hinaus gezählt, gemessen und klassifiziert werden; so umfasst sie ausschließlich die den Menschen umgebenden Realitäten sichtbarer und unsichtbarer Art. Zur Ebene der Stadtgestalt gehört in diesem Sinne, auf die Stadtplanung bezogen, nicht nur die äußere Erscheinung, zu ihr gehören auch die ihr zugrunde liegenden Nutzungen und die daraus resultierenden Aktivitäten.”5

Jene Beschreibung der Stadtgestalt bezieht sich darauf, dass in einem Ort nicht vordergründig die Erscheinung und Gestalt das Wichtigste ist, sondern dass den Aktivitäten eines Ortes und an einem Platz mindestens genauso viel Beachtung geschenkt werden muss. Es ist demnach zwar aus rein geometrischer Sicht gut wenn beispielsweise eine Grünzone perfekt gestaltet ist, jedoch bringt das gesamt gesehen wenig, wenn niemand vorhanden ist, der sie entsprechend nutzen kann oder sie gesichtslos erscheint und sich daher nicht in das Ortsbild zu integrieren weiß.

„Die Stadterscheinung ist der für einen Beobachter wahrnehmbare, von seinen Wahrnehmungsmöglichkeiten abhängige Teil der Stadtgestalt, das effektive Ereignisfeld dreidimensional verteilter, potentieller vorgegebener Informationen.“6

Dieser Abschnitt besagt, dass die Stadt von jedem Menschen individuell wahrgenommen wird, obwohl einige grundlegende Informationen bereits vorgegeben sind. Das Aussehen und die Wirkung eines Ortes hängen demnach zu einem großen Teil vom Individuum selbst ab.

„Insofern besitzt die Stadterscheinung intersubjektive Realität und stellt als solche die Basis aller sozialwissenschaftlichen Untersuchungen dar. Für den Betrachter, seine Aktionen und Reaktionen hat also allein die Stadterscheinung Bedeutung. In ihr wird die Umwelt zu einer unmittelbar empfundenen Qualität, die abhängig ist von der Summe der durch die Umweltelemente und ihre Beziehungen zueinander ausgelösten Reize. Inwieweit diese Reize auslösbar sind, hängt von der Wahrnehmungskapazität des Beobachters und den Wahrnehmungsbedingungen im Moment der Wahrnehmung ab. Inwieweit diese Reize ausgelöst werden, ist zusätzlich von der Wahrnehmungsbereitschaft des Beobachters abhängig. Die postulierte intersubjektive Realität ist auf der Ebene der Stadterscheinung dann gegeben, wenn mehrere Beobachter von dem gleichen Standpunkt aus, gleiche Wahrnehmungsbedingungen, gleiche Wahrnehmungskapazität und gleiche Wahrnehmungsbereitschaft vorausgesetzt, einen Teil der vorhandenen Umwelt in gleicher Weise wahrnehmen.”7

Hier wird näher auf die individuelle und auch kollektive Wahrnehmung einzelner Personen eingegangen und deren Auswirkung auf die Beurteilung der Qualität eines Stadtbildes. Angesprochen wird in jenem Kontext außerdem die postulierte intersubjektive Realität, welche sich aus der gleichen Wahrnehmungsweise mehrer Individuen vom selben Standpunkt aus mit gleichen Bedingungen beim Beobachten und Erleben ergibt.

Daraus ist zu schließen, dass jene Realität nicht immer einfach zustande kommt und es einige Faktoren als Voraussetzung braucht, damit Menschen ein annähernd ähnliches Raumerlebnis haben.

Angesprochen wird zudem die Stadterscheinung, die für die Benutzer der Stadt einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten, Aspekt darstellt. Unter ebendieser wird jener Teil eines Stadtgefüges verstanden, der von den Individuen direkt wahrnehmbar ist. Elemente, die sich dem Blickfeld entziehen, zählen hier nicht dazu. Die Stadterscheinung ist der Aspekt, der in der Stadtplanung und Architektur von großer Wichtigkeit ist, da auf jenen Teil schon mit geringen Veränderungen großer Einfluss genommen werden kann (siehe Kapitel 4.). Beispielsweise ist das Anbringen von Straßenbeleuchtung für einen größeren Stadtteil gesamt gesehen nur ein kleiner Eingriff, für einen Einwohner, der mit einer bestimmten Stadterscheinung vertraut ist, handelt es sich um eine nicht unbedeutende Veränderung (die sowohl positiv als auch negativ sein kann).

Die Weiterentwicklung der Stadterscheinung ist das Stadtbild, das wie folgt definiert wird:

„Der Begriff des Stadtbildes steht für das mentale Substrat dessen, was der Mensch in seiner individuellen Strukturierung unter durch bewusste und unbewusste Intentionen bestimmten Gesichtspunkten aus der physischen Realität abstrahiert hat. Diese ist als geistiges und gefühlsmäßiges Abbild der Stadterscheinung die konkrete Wirklichkeit des Städters.“8

Damit ist gemeint, dass es das eine Stadtbild nicht gibt, sondern, dass die Erscheinung eines Ortsbildes immer von dem Menschen abhängt, der sie wahrnimmt. Da jede Person eine andere Vorgeschichte und somit Verbundenheit zu bestimmten Standorten besitzt, sind die Assoziationen sowie die (positive wie negative) Wahrnehmung immer etwas unterschiedlich. Beispielsweise wird ein Ort von einer Person, welche dort etwas Positives erlebt hat bzw. ein Erfolgserlebnis hatte, immer in guter Erinnerung bleiben. Dies ist oft unabhängig von der Stadtgestalt.

„Als Produkt einer ständigen Wechselbeziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt wird damit die Ebene des Stadtbildes ebenso durch die kulturelle, soziale, funktionelle und räumliche Struktur der Stadtgestalt bestimmt wie durch die physische, psychische und intellektuelle Eigenart des beobachtenden Individuums.”9

Als Stadtbild definiert Michael Trieb (in Anlehnung an Kevin Lynch) also die Wahrnehmung und Vorstellung, die sich ein beobachtendes und im räumlichen Gefüge fortbewegendes Individuum von einer Stadt oder einer urbanen Gegebenheit, vom Ortsbild, macht. Diese individuellen Modelle der externen Realität sind für die Orientierung im städtischen Raum von großer Bedeutung. Veränderungen der Stadtgestalt können dadurch gezielt vorgenommen werden, so dass ihre Prägekraft gestärkt und das Stadtbild zunehmend verbessert wird.

Ein neuer Trend in der Stadtplanung ist es auch, ganze Stadtteile zu entwerfen und detailliert durchzuplanen. Die zukünftigen Bewohner ziehen also in eine völlig durchgeplante Umgebung. Allerdings funktionieren solche so genannten „Retortenstädte“ nicht immer so, wie es ursprünglich vorgesehen war, sie werden oftmals sogar ganz anders genutzt.

Aus diesem Grund darf die es in der Raumplanung auch nie ganz konkrete Vorgaben bezüglich der Nutzung oder gar totale Einschränkungen geben. Meistens ist es auch so, dass künstlich entstandene Gegenden weniger attraktiv sind als natürlich gewachsene Raumgefüge.

Als Lösung für dieses Problem wird oftmals ein konzeptioneller Städtebau vorgeschlagen. Das heißt, dass eine Idee nur im Dialog mit den Beteiligten verwirklicht wird, so dass kein fixes städtebauliches Bild entsteht, sondern viel eher eine städtebauliche Strategie.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Stadtplanung sowie der Architektur sehr wichtige Disziplinen sind, solange sie durchdacht und gut konzipiert sind. Dies geschieht primär dadurch, dass sie einer Stadt Struktur zu verleihen und bei Neubauten darauf geachtet wird, dass sich diese in das Ortsbild integrieren, so dass nicht die Individualität einer Stadt verloren geht. In erster Linie muss bei Planungen natürlich auf die späteren Nutzer und deren Bedürfnisse Rücksicht genommen werden.

Jedoch ist die spezifische Wahrnehmung der Gestalt einer Stadt nicht nur von der Architektur abhängig, sondern auch von Assoziationen, Erlebtem und auch sozialem Hintergrund. Dies lässt den Schluss zu, dass es eine perfekte Stadtplanung gar nicht gibt, da jedes Individuum den Stadtraum auf andere Weise erlebt und mit einem Ort immer eine Bandbreite an verschiedenen Erinnerungen vorhanden ist.

2.1. Vorteile/Nachteile einer umfassenden Gestaltungsfreiheit

Umfassende Gestaltungsfreiheit ist so definiert, dass der/die ArchitektIn/PlanerIn ohne gesetzliche Vorgaben (durch beispielsweise den Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan) ein Gebiet oder Gebäude nach seinen Vorstellungen gestalten kann. Der Kunst wird dementsprechend freier Lauf gelassen.

Vorteile der Gestaltungsfreiheit sind, dass sich die gestaltend wirkenden Parteien verwirklichen und künstlerisch ohne jegliche Beschränkungen arbeiten können. Das entstandene Bauwerk wird bei künstlerischer Freiheit also individuell, unabhängig von der Umgebung in die es hineingebaut wurde, betrachtet. Das Ortsbild an sich spielt hierbei also keine tragende Rolle. Einige „Künstler“ sind sogar für die Abreißung ganzer Stadtgebiete, damit etwas völlig neues ungestört geplant werden darf. Als Beispiel ist hier Le Corbusier mit seinem „Plan Voisin“ zu nennen:

„In his Plan Voisin from 1925 (…) Le Corbusier proposed to demolish the center of Paris and replace it with towers in parkland. “10

Dies ist nur ein Beispiel dessen, was passieren könnte, wenn es bezüglich des Städtebaus keine Vorgaben und Richtlinien gäbe.

Daraus, dass sich die Stadtplaner und Architekten, nicht auf die Umgebung abstimmen und sich nicht an etwaige Vorgaben bezüglich Höhe und die Abstimmung auf das Ortsbild halten müssen, ergibt sich auch der große Nachteil einer uneingeschränkten Kreativität. Bauten werden dadurch oftmals in Stadtviertel platziert, wo sie überhaupt nicht hineinpassen und viel eher als Störfaktor wahrgenommen. Dadurch geht auch die ursprünglich erwartete Wirkung des Gebäudes als „künstlerisches Projekt“ unter.

Gestaltungsfreiheit ist jedoch vor allem in großen Maßstäben (unter wenigen) Einschränkungen sehr wohl von Bedeutung. Durch die freie künstlerische Gestaltung eines Objektes kann eine Stadt/ein Ort erst etwas Charakteristisches/Individuelles bekommen. Eine andere Art der freien Gestaltung ist es nicht alles bis zum letzten Detail durchzuplanen sondern die Entwicklung bestimmter Raumeinheiten offen zu lassen, so dass die Bewohner und Benutzer des Ortsteils bestimmen können, in welche Richtung sich dieses freigelassene Raumgefüge entwickeln soll. Hierbei wird die Bevölkerung, also Laien, als planende Einheit eingesetzt. Dieses Miteinbeziehen der Einwohner wirkt sich nachweislich sehr positiv aus, da die Wünsche jedes Einzelnen berücksichtigt werden und so ein Ort entstehen kann, der auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt ist und ein Gefühl des Miteinanders stärkt.

2.2. Auswirkungen der Stadtplanung auf die Psyche des Menschen

Empirische Studien, Beobachtungen und Forschungen im Rahmen der Architekturpsychologie11, die sich mit den Auswirkungen des gebauten Wohn- und Stadtumfelds auf die Bewohner befassen, haben bereits belegt, dass das Ortsbild auch einen Einfluss auf das Verhalten des Menschen haben kann.

Es ist oft von so genannte „Räumen“ innerhalb einer Stadt die Rede. Dieser Begriff wurde von Justus Dahinden definiert. Aus Tests mit Studenten der Technischen Universität Wien wurde beim Besuch charakteristischer Raumtypen festgestellt, dass es Orte gibt, in welchen beispielsweise beim Betreten plötzlich leise gesprochen wird oder auch andere, die zum Bleiben einladen.

[...]


1 www.wien.gv.at/stadtentwicklung/rainer_stipendium/index.htm, 2.12.09, 15:38

2 Hierzegger, 2004, S. 92

3 Hierzegger, 2004, S. 92

4 Trieb, Stadtgestaltung, Bauweltfundamente 43, 1974

5 Hierzegger, 2004, S. 95

6 Hierzegger, 2004, S. 95

7 Hierzegger, 2004, S. 95 f.

8 Hierzegger, 2004, S. 96

9 Hierzegger, 2004, S. 96

10 Richards, November 2007, S. 3

11 http://www.gat.st/pages/de/nachrichten/3236.html, 10.12.09, 15:10

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die Notwendigkeit einer durchdachten Stadtplanung zum Ortsbildschutz
Untertitel
Verdeutlicht an architektonischen Beispielen des 10. Wiener Gemeindebezirks
Hochschule
Technische Universität Wien  (Institut für örtliche Raumplanung)
Veranstaltung
Bachelorseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
34
Katalognummer
V144646
ISBN (eBook)
9783640548651
ISBN (Buch)
9783640551699
Dateigröße
1619 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stadtplanung, Raumplanung, Architektur, Stadtgestalt, Ortsplanung, Notwendigkeit, Landschaftsplanung, Straßenraum, Gestaltung, Raum, Mensch, Auswirkungen, Wien, Ortsbildschutz, Schutz, Ästhetik
Arbeit zitieren
Dolores Stuttner (Autor:in), 2009, Die Notwendigkeit einer durchdachten Stadtplanung zum Ortsbildschutz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144646

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