Frauenportraits bei Plinius dem Jüngeren

Inhaltliche und sprachliche Interpretation der Briefe 3,16; 4,19 und 7,24


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Brief 3,16
1.1 Der Briefkontext
1.2 Aufbau des Briefes
1.3 Das Portrait der Arria

2. Brief 4,19
2.1 Der Briefkontext
2.2 Aufbau des Briefes
2.3 Das Portrait von Calpurnia

3. Brief 7,24
3.1 Der Briefkontext
3.2 Aufbau des Briefes
3.3 Das Portrait der Ummidia Quadratilla

4. Zusammenfassung

Schlussteil

Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
Sekundärliteratur

Einleitung

Das Corpus der Briefe von Plinius dem Jüngeren (geb. 61 o. 62 n.Chr., gest. zwischen 112 u.115 n. Chr.) besteht aus 248 Briefen in neun Büchern und ist an 105 Adressaten gerichtet. Das zehnte Buch, das aus 121 Büchern besteht, kann gesondert betrachtet werden, da es sich um eine reine Korrespondenz mit dem Kaiser Trajan handelt.

Plinius legte in seinen Briefen keinen Wert auf chronologische Reihenfolge.[1] Tatsächlich scheinen seine Briefe nicht chronologisch angeordnet zu sein: Brief 2,1 wurde unmittelbar nach der Bestattung des Verginius Rufus verfasst und stammt aus dem Jahr 97, die Schlussverhandlung im Prozess gegen Marius in Brief 2,11-12 fand unter Trajans 3. Konsulat im Jahre 100 statt, aber die Niederschrift unter Nerva in 2,13 kann spätestens 98 verfasst worden sein, da Nerva bis zu der Zeit Kaiser war.[2] Das ist ein schlüssiger Beweis für das Nicht-Einhalten der chronologischen Reihenfolge.

Die Grundanforderungen an den Stil eines Briefes sind allgemein Klarheit (σαφήνεια) und angemessene Kürze; außerdem sollte er dem Umgangston gebildeter Personen nahestehen. Dabei sind Metaphern zu vermeiden, wobei Anekdoten und Sprichwörter als „Schmuck“ verwendet werden konnten.[3]

Die Briefliteratur gab es bereits vor Plinius: Cicero und Seneca haben vorher Briefe verfasst. Der Unterschied zu Plinius besteht jedoch darin, dass Lucilius, die Person, an die sich Seneca in seinen Briefen gerichtet hat, vermutlich rein fiktiv ist (Plinius hingegen hat an real existierende Personen geschrieben) und man kann sagen, dass Senecas Briefe moralisch belehren wollen (προτρεπτικός). Bei Plinius unterscheiden sich die Briefe von dieser Essay-Form und jeder Brief konzentriert sich normalerweise auf ein einzelnes Thema. Plinius will in seinen Briefen möglichst objektiv sein, er möchte epistulae curatius, curiosius, diligentius scriptae.[4]

Die Briefe von Cicero waren- im Gegensatz zu den Briefen des Plinius- nicht für die Veröffentlichung bestimmt.

Der Brief wird also dadurch zur Literatur, dass er um seines Verfassers Willen veröffentlicht wird. Der Grund für die Veröffentlichung seiner Briefe lag sicherlich auch daran, dass Plinius viel Wert auf seinen eigenen Ruhm legte, da dieser der Weg zum Ziel der immortalitas war. Diese immortalitas konnte man am besten durch facta et scripta erreichen.[5]

Schon in der Antike wurden Briefe als Spiegel der Seele gesehen. Das wiederum bedeutet, dass Plinius gewisse Mittel in der Hand hatte, in seinen Briefen indirekt ein bestimmtes Bild von sich zu zeichnen, das sein Nachleben sichern würde; ohne dass dieses unbedingt mit der Realität übereinstimmen musste.[6] Verständlicherweise wollte er durch seine Briefe ein möglichst positives Bild von sich geben.[7] Dieser Aspekt hat bedeutende Konsequenzen auf die Betrachtung und Interpretation der Inhalte seiner Briefe: Wenn er weiß, dass seine Briefe von mehreren Leuten gelesen werden, so kann er nämlich die Leser zielgerichtet auf bestimmte Gedanken lenken. Der Gedanke der Veröffentlichung hat also starke Auswirkungen auf den Inhalt seiner Briefe. Auf diesen Aspekt wird in dieser Arbeit anhand von konkreten Beispielen näher eingegangen. Auch bei den Frauenportraits in den Briefen 3,16; 4,19 und 7,24, die in dieser Arbeit inhaltlich und sprachlich analysiert werden, hat Plinius mit einer Veröffentlichung gerechnet.

Die Mehrzahl dieser Portraitbriefe sind keine Kurzbiographie, sondern eher eine Skizze, die die wesentlichen Charakterzüge einer Person beschreibt.

Durch die Portraitierung der Frauen kommen automatisch gewisse Wertvorstellungen bei Plinius zum Vorschein. Auf diese wird im Laufe dieser Arbeit ebenfalls eingegangen. In der Arbeit werden alle drei Briefe nach dem gleichen Schema analysiert: Zuerst wird der Briefkontext erläutert, um den Anlass des Briefes und seine Rahmenbedingungen besser zu kennen. Dazu gehören auch Erläuterungen sowohl zu den Frauen, die in den Briefen portraitiert werden, als auch zu den Adressaten der Briefe.

Danach wird der inhaltliche Aufbau der Briefe analysiert. Anschließend wird das Portrait der jeweiligen Frauen betrachtet, was der wichtigste Teil dieser Arbeit sein soll. Ebenso wird auf das Stilistische, Sprachliche eingegangen, sofern es Einfluss auf den konkreten Inhalt der Briefe hat.

Nebenbei wird auch versucht, markante Unterschiede zwischen den Briefen herauszuarbeiten.

Zum Schluss werden die wesentlichen Gesichtspunkte und Erkenntnisse dieser Arbeit nochmals zusammengefasst.

Anbei muss man noch sagen, dass kaum Sekundärliteratur vorhanden ist, die sich speziell auf die Briefe bezieht, die in dieser Arbeit analysiert werden. Daher wird ein sehr großer Teil der Analyse auf Eigeninterpretation basieren.

1. Brief 3,16

Dieser Brief ist mit seinen 13 Abschnitten der längste der drei Briefe, die in dieser Arbeit analysiert werden. Die genaue Datierung dieses Briefes ist nicht möglich, vermutlich wurde er zwischen 100 und 103 n. Chr. verfasst.[8] Jedenfalls liegen zwischen Arrias Tod und der Abfassung dieses Briefes mehr als 50 Jahre dazwischen.[9]

Der Brief ist an einen gewissen Nepos adressiert. Man weiß jedoch nicht, ob es sich um den Senator Maecilius oder Metilius Nepos handelt.[10] Wie in den anderen Briefen auch benutzt Plinius bei diesem Mann dieselbe Grußformel: (…) suo s(alutat). Man kann deshalb davon ausgehen, dass Plinius nahezu all seine Briefe an Freunde adressiert hat oder zumindest an Menschen, die er schätzte. Die zwei wichtigsten handelnden Personen in diesem Brief sind Arria und ihr Mann Caecina Paetus, der Konsul war und mit Scibonianus an einem Aufstand gegen Claudius verwickelt war. Über die Familie von Arria weiß man nicht viel[11].Die Qualitäten der Arria, die Plinius in diesem Brief beschreibt, sind Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit, Tapferkeit und der Mut, sich aus Eigeninitiative das Leben zu nehmen.

1.1 Der Briefkontext

Der Anlass dieses Briefes ist das Gespräch von Plinius mit Fannia[12], der Enkelin der berühmten Arria. Diese lobt die Tapferkeit ihrer Großmutter, ihr Verhalten gegenüber ihrem Ehemann Caecinia Paetus, ihre Lebenseinstellung und deren Umgang mit dem Tod ihres Sohnes. Plinius hat sich offensichtlich von Fannia überzeugen und begeistern lassen, da er mit diesem Brief seine gewonnene Begeisterung für diese Frau unbedingt mit Nepos teilen möchte.

Das alte Römertum, das Plinius in den Briefen 7,19 und 4,7 an Fannia mit Begriffen wie castitas, sanctitas, gravitas, constantia, fortitudo umschreibt, ist das Erbstück ihrer Familie. Aus diesem Geschlecht hat Rom zahlreiche große Persönlichkeiten hervorgebracht, darunter auch Frauen, die sich nicht scheuten, neben ihrem Wirken im Stillen gleichzeitig auch ins Licht der Öffentlichkeit zu treten, wenn sie es für erforderlich hielten. Dieser Brief ist dem Andenken an diese Frauen gewidmet.[13]

Plinius nennt ferner einen anderen Grund, weshalb er diesen Brief schreiben möchte: In 3,16.1 sagt er, dass von den Taten und Worten der Männer einige berühmter, einige größer seien.[14] Diese Meinung scheint er schon früher vertreten zu haben (fortasse videor). Damit will Plinius zeigen, dass die Berühmtheit einer Sache kein Kriterium für ihre Besonderheit, Größe oder Qualität darstellt. In diesem Brief möchte Plinius daher bestimmte Taten und Aussagen von Arria, die nicht so berühmt sind, in den Vordergrund bringen, weil er der Meinung ist, dass diese aufgrund ihrer Größe mehr Beachtung von der Gesellschaft verdienen.

1.2 Aufbau des Briefes

Dieser Brief beginnt, wie schon erwähnt, mit dem „Standart-Gruß“ von Plinius an Nepos. Die Einleitung dieses Briefes in Abschnitt 1-2 nennt den Anlass zur Verfassung dieses Briefes: Das Treffen mit Fannia, in dem seine Meinung über die Größe der Taten von Menschen bestätigt wurde und seine Bewunderung für ihre Großmutter Arria. Er ist überzeugt, dass der Leser die gleiche Bewunderung erfährt wie er, indem er das ausdrückt[15], möchte er dazu motivieren, den Brief zu lesen.

Im Abschnitt 3-6 wird eine gänzlich unbekannte Episode aus ihrem Leben geschildert: Die Krankheit ihres Mannes Caecina Paetus und die ihres Sohnes. Als der Sohn kurz danach stirbt, verheimlicht Arria ihrem Mann den Tod, sie täuscht sogar vor, dass er noch leben würde. Dabei wird ihre Willensstärke gelobt, durch welche es ihr gelingt, ihre Trauer zu verbergen. In 3,16.6 wird bekräftigt, weshalb diese Willensstärke mehr Beachtung verdient als das Stoßen eines Dolches in die Brust: Das Vortäuschen beinhaltet weder den Preis des Ruhmes noch der Unsterblichkeit.

In Abschnitt 7-9 gibt es einen historischen Rückblick, es wird über Scribonius berichtet, der von Paetus im Vorgehen gegen Claudius unterstützt wurde[16]. Als Paetus nach dem Tod von Scribonius nach Rom verschleppt wird, kommen erstmals die Durchsetzungsfähigkeit und die Willensstärke der Arria zum Vorschein: Trotz Verbot folgt sie ihrem Mann unter gefährlichen Bedingungen. Ebenso wird bereits in 9 auf ihren konkreten Todesbeschluss hingewiesen[17], als sie ihr Unverständnis gegenüber der Frau des Scribonianus äußert, die nach dem Tod ihres Mannes sich nicht zum Selbstmord entschlossen hatte.

[...]


[1] Plin. epist.1.1: non servato temporis ordine.

[2] Siehe dazu auch: Ziegler, Konrat (Hg.): „Plinius d. Jüngere“, in: Paulys Real-Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaft (1951), Bd. XXI,1, Sp. 442.

[3] Vgl. dazu auch: Andersen, Carl (Hg.): „Brief“, in: Lexikon der Alten Welt (1965), Bd.1, Sp 496.

[4] Plin.epist. 1,1.1; 9,28.5.

[5] Bütler, Hans- Peter: Die geistige Welt des jüngeren Plinius. Studien zur Thematik seiner Briefe, Heidelberg 1970, 22f.

[6] Vgl. : Ludolph, Matthias: Epistolographie und Selbstdarstellung. Untersuchung zu den „Paradebriefen“ Plinius des Jüngeren, Tübingen 1997, 18f.

[7] Das ist auch ein Grund, weshalb Plinius häufig auch für eitel gehalten wurde, diese Eitelkeit stand in einem paradoxen Gegensatz zu seinen eher angenehmen, freundlichen Wesenszügen; vgl. dazu hierzu: Ebd., 12.

[8] Siehe dazu: Sherwin-White, Adrian N.: The letters of Pliny. A historical and social commentary, Oxford 1998, 32.

[9] Siehe dazu: Bütler, geistige Welt des jüngeren Plinius, 73.

[10] Ebd., 248.

[11] In Dio 60.16. 5-6 wird zusätzlich noch erwähnt, dass Arria mit Messalina eng befreundet war.

[12] Fannia war die Tochter des Senators P. Fannius Thrasea Paetus und der jüngeren Arria. Sie war mit Helvidius Priscus dem Älteren verheiratet, den sie im Exil unter Nero und Vespasian begleitet hatte. Sie war in der Verfolgung von Senecio und Arulenus Rusticus wegen Verrat verwickelt und wurde 93 in Verbannung geschickt. Nach ihrer Freilassung im Jahr 97 verlangte sie von Plinius die Verfolgung von Publicius Certus, weil er an der Verurteilung von Helvidius dem Jüngeren, ihrem Stiefsohn mitbeteiligt war. Siehe dazu auch: Sherwin-White, letters of Pliny, 747.

[13] Siehe dazu: Bütler, geistige Welt des jüngeren Plinius, 73.

[14] alia clariora, aliora maiora.

[15] quae tibi existimo tam mirabilia tibi legenti fore, quam mihi audienti fuerunt.

[16] Das fand im Jahre 42 statt.

[17] 3,16.9: ex quo manifestum est ei consilium pulcherrimae mortis non subitum fuisse.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Frauenportraits bei Plinius dem Jüngeren
Untertitel
Inhaltliche und sprachliche Interpretation der Briefe 3,16; 4,19 und 7,24
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Klassische Philologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V144386
ISBN (eBook)
9783640539499
ISBN (Buch)
9783640539802
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brief 3.16, Brief 4.19, Brief 7.24, Plinius der Jüngere, Plinius, Briefliteratur, Frauen Antike, Frauenportraits
Arbeit zitieren
Sarah Marcus (Autor:in), 2009, Frauenportraits bei Plinius dem Jüngeren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144386

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