1076 und 1080: Die Absetzungssentenzen Gregors VII. an König König Heinrich IV. im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Von der Papstwahl Gregors VII. bis zur Wormser Reichsversammlung

2. Der Bannstrahl von 1076 und Canossa als Folge

3. Die Zeit des Doppelkönigtums

4. Der zweite Bannstrahl und seine Auswirkungen

Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Einleitung

In meiner Hausarbeit „1076 und 1080: Die Absetzungssentenzen Gregors VII. an

König Heinrich IV. im Vergleich“ im Rahmen des Aufbauseminars „Heinrich IV. und Gregor VII. im Streit“ möchte ich mich mit einem vielbesprochenen und diskutierten Thema des Mittelalters beschäftigen, dem sogenannten Investiturstreit.

Dazu werde ich mit dem Aufrollen der Vorgeschichte ab der Erhebung Hildebrands zum Papst Gregor VII. im Jahr 1073 beginnen, um den ideengeschichtlichen Hintergrund, der die beiden späteren Kontrahenten antrieb, nämlich die kirchenreformorientierte Primatsvorstellung Gregors VII. und dem gegenüber die von der sakralen Würde des Königtums bei Heinrich näher zu beleuchten. Außerdem soll so erklärt werden, wie es zu den großen Spannungen kommen konnte, die jeweils in einer Exkommunikation des Königs mit Lösung der Untertanen von den Treueiden endeten.

Meine Hauptquellen beziehe ich aus dem Register des Papstes mit den beiden großen Absetzungssentenzen von 1076 und 1080, sowie den Briefen Heinrich IV., in denen er jeweils zuvor das Herabsteigen Gregors von der Cathedra Petri beziehungsweise seine Absetzung forderte. Diese beiden Sachverhalte mit ihrer Vorgeschichte, Folgen und Veränderungen in der Konstellation zwischen dem Papst, Heinrich und den Fürsten möchte ich miteinander vergleichen, um dann zu klären, warum der zweite Bannstrahl mit seinen Wirkungen so ganz und gar anders verlief als der erste mit den anschließenden berühmten Gang Heinrichs nach Canossa.

Zum Abschluss werde ich kurz versuchen aufzuzeigen, was diese Ereignisse in der Geschichte verändert haben und in welchem Maße sie Einfluss auf zukünftige Geschehnisse hatten.

1. Von der Papstwahl Gregors VII. bis zur Wormser Reichsversammlung

Am Tag der Beisetzung Alexanders II., dem 22.4.1073 wurde sein enger Vertrauter und Archidiakon Hildebrand vom römischen Volk hastig zum neuen Papst erhoben, laut eigener Aussage wohl gegen seinen Willen. Dies widersprach allerdings dem Papstwahldekret Nikolaus II. von 1059, in dem festgelegt worden war, dass dieser vorrangig von Kardinalbischöfen und –priestern gewählt werden solle. Römisches Volk bzw. Adel und der übrige Klerus sollten dadurch an Einfluss verlieren. Dem deutschen Herrscher sollte aufgrund seiner Patriziuswürde als rex romanorum Beteiligung zugestanden werden, wohl auch, weil das junge Reformpapsttum in Rom teils auf die Hilfe des Königtums gegen feindlich gesinnte Kräfte angewiesen war[1]. Gregors VII. Wahl wurde kurz darauf von Klerus und Kardinälen als gültig abgesegnet. Seine Gegner bezweifelten später ihre Rechtmäßigkeit, wogegen er sich aber entschieden wand und sie als Inspirationswahl rechtfertigte. Die Zustimmung König Heinrichs IV. wurde ebenfalls nicht eingeholt, weil der König zu dieser Zeit Verbindung mit, noch vom päpstlichen Vorgänger auf der Fastensynode von 1073 wegen Simonie exkommunizierten Räten aufrecht erhielt, was laut Kirchenrecht dann gleichsam eine Bannung Heinrichs IV. zur Folge hatte[2]. Heinrich erkannte ihn aber zu dieser Zeit als gültigen Papst an. An dieser Bannung war Gregor/Hildebrand wohl nicht ganz unbeteiligt gewesen, weil er schon seit längerer Zeit großen Einfluss und Autorität in der römischen Kurie besaß und den Streit um die Besetzung des Mailänder Erzbischofsstuhls aufgrund seiner reformerischen Einstellung nicht gutheißen konnte. Dort legte nämlich nach langen Wirren zwischen den von päpstlicher Seite gestützten Patarenern, die Priesterehe, Simonie sowie starkes Eingreifen des Königs in puncto Bischofswahlen ebenfalls ablehnten, und der alteingesessenen ambrosianischen Adelskirche der rechtmäßige Bischof Wido sein Amt zugunsten des Klerikers Gottfried ab. Dieser wurde von Heinrich entgegen Kirchenrecht investiert und von den Mailänder Suffraganbischöfen geweiht, was sowohl Rom, wie auch die Pataria nicht anerkannten, da es sich nicht um eine kanonische Wahl handelte. Der Papst bestätigte stattdessen 1072 nach Widos Tod den patarenisch gewählten Atto und dies wiederum missfiel dem König, am gebannten Gottfried festhaltend. Was nun also offiziell an die Räte gerichtet worden war, galt eigentlich eher Heinrich IV. als ernsthafte Warnung gegen

seine kirchliche Personalpolitik[3]. Hier wandte sich der Papst noch nicht gegen eine Investitur durch Laienhand, sondern er kritisierte das unrechtmäßige Handeln im Einzelnen. Allerdings wurde auf diese Art und Weise deutlich, dass Gregor/Hildebrand auch später in seiner Amtszeit gewillt sein würde, bisher theoretisch gebliebene Aussagen über die Stellung des Papstes auch praktisch in die Tat umzusetzen[4].

Im September 1073 erhielt Gregor die supplex epistola[5] Heinrichs, einen Brief, in dem er sich sehr um den Papst bemühte, wohl um dessen Wohlwollen zu erhalten, denn neben Rom hatte er zudem noch große Schwierigkeiten im Reich mit den Sachsen. Diese begannen einen Aufstand gegen ihn, da Heinrich, die Strategie seines Vaters fortführend, die Königslandschaft dort mithilfe von Burgen, von seinen Ministerialen verwaltet, hatte ausbauen lassen, was den Großen nicht genehm sein konnte, weil sie Angst um ihre Unabhängigkeit hatten und sie die Konsensherrschaft nicht gewahrt sahen[6]. Heinrich musste sogar wegen dem schon lange schwelenden und sich nun zuspitzenden Konflikt, der schon untere Volksschichten ergriff, von der Harzburg fliehen[7]. Daher konnte er sich nicht mehrere Krisenherde leisten und bat den Kirchenfürsten demütig in Reue um Vergebung für seine Vergehen. Er klagte sich selbst der Mithilfe zur Simonie an, bekannte sich zu seinen schlechten Beratern (… eorum, quorum seductiles nimium secuti sumus consilia), wünschte sich Rat und Hilfe (consilium et auxilium) Gregors und das nicht nur für die Mailänder Frage, sondern auch die anderen Kirchen sollten sich dadurch in Zukunft bessern. Außerdem beschwor er gleich zu Beginn die Einheit zwischen sacerdotium und regnum und versprach Gehorsam (…debiti famulatus fidelissimam exhibitionem). Ob dies allerdings wörtlich zu nehmen war, ist wohl schwer zu sagen, Gregor nahm es jedenfalls hoch erfreut auf, denn nun konnte er hoffen, dass es auch im Reichsepiskopat zu umfassenden Neuerungen mit Unterstützung des Königs kommen konnte. Deshalb versöhnte er sich, durch Legaten vermittelt Ostern 1074 nach erfolgter Buße mit ihm[8]. Auch wenn man die Mailänder Angelegenheit trotz Mahnung von seiten des Papstes noch nicht geregelt hatte, war er dem König Ende 1074 wohl gesonnen[9] und vertraute ihm sogar seine Kirche zum Schutz an[10]. Er selbst wollte aufgrund des Gedankens an eine unitas ecclesiae mit einem Kreuzzug gegen die Seldschuken im Osten ziehen, um die Gläubigen dort zu befreien, wofür er aber keine Unterstützung im Abendland finden sollte[11]. Hier zeigt sich offensichtlich, dass sich Gregor VII. nicht vom Anfang seines Pontifikats an gegen das Zusammenwirken von regnum und sacerdotium gestellt hat[12], sondern er in Sachen Reform zuerst ganz bei der Linie seiner Vorgänger geblieben ist mit Kampf gegen Simonie und Nicolaitismus und die alte Herrschaftsordnung anerkannt hat. Zwar beschrieb er in einem Brief an den Bischof von Como im September 1073 Heinrich schon als caput laicorum[13], degradierte ihn, wenn auch zum höchsten unter ihnen, und verneinte im Prinzip schon die sakrale Würde des Königtums, aber de facto wünschte er hier eine gute Zusammenarbeit, wie einst unter Heinrich III. geschehen. Daher kann man von einem Höhepunkt der guten Beziehungen zwischen den beiden sprechen, als Ärgernis empfand er momentan eher die zögerliche Zusammenarbeit von Seiten der deutschen Bischöfe mit der Kurie[14]. Zu diesem Zeitpunkt ging er also in der praktischen Umsetzung noch nicht mit dem radikalen Reformer Kardinal Humbert von Silva Candida[15] konform, der schon gut 20 Jahre zuvor schrieb, dass die Investitur durchgeführt vom König als einem Laien nicht zulässig sei, was sich aber im Kirchenrecht eben noch nicht niedergeschlagen hatte[16]. Gregor hielt zunächst am traditionellen Gewohnheitsrecht fest, solange es eben kanonisch korrekt ablief.

Dass aber ein Wandel in seinen Denkprozessen stattfand und er zunehmend gewillt war seinen Anspruch durchzusetzen[17], zeichnete sich erneut am Beispiel des französischen Königs ab, dem durch ein Schreiben 1074 an die Bischöfe von Frankreich eine Bannung angedroht wurde, wenn er sein Verhalten nicht ändere[18]. Gegen den päpstlichen Primatsanspruch wandte sich Weihnachten 1074 eine Bischofsversammlung in Straßburg[19]. Diesen wollte Gregor mehr und mehr in innerkirchlichen Fragen durchsetzen, konnte es teils auch, denn an Rom wurden immer mehr Appellationen besonders in Sachen Simonie vorgebracht, was dort als Eingriffsmöglichkeit genutzt wurde, um die Hierarchie über die Landeskirchen auszubauen. Der Prälat Pibo von Toul war wegen Simonie von Rom angeklagt worden, was sich aber nicht bestätigte und dort machte man sich nun dem steigenden Unmut über den Papst Luft, von deutscher Seite besonders die Erzbischöfe Siegfried von Mainz und Liemar von Bremen. Dieser wurde auf der Fastensynode 1075 sodann mit drei anderen suspendiert, was er gerade noch persönlich in Rom wieder beilegen konnte[20], so dass sich das Verhältnis des Reichsepiskopats zum Oberhirten immer weiter verhärtete. Dass Gregor zu Beginn des Jahres sogar einflussreiche Laien, wie z.B. Rudolf von Schwaben versuchte in sein Konzept einzubinden[21], tat sein Übriges. Des Weiteren wurden auf der Synode fünf Räten Heinrichs der Bann angedroht, da sie laut Gregor der Simonie verfallen seien, was aber nicht näher beschrieben wurde. Dies könnte evtl. eine erneute Warnung an den Hof gewesen sein, weil die Mailänder Angelegenheit noch immer nicht beigelegt worden war[22].

In der Frage, ob auf dieser Versammlung auch das erste offizielle Investiturverbot an Laien erfolgte, möchte ich mich aufgrund der Summe der Argumente eher Rudolf Schieffer zuneigen und nicht Johannes Laudage, der eine konträre Position dazu in der Forschung einnahm und vertrat, dass es ein definitives Verbot schon 1075 gab und dazu stützte er sich hauptsächlich auf den Bericht Arnulfs und Aussagen im Register über ein Dekret Gregors von der betreffenden Synode, das er später den ab dato investierten Bischöfen als Suspendierungsbegründung vorhielt[23]. Dagegen ist Schieffer der Meinung, dass es 1075 kein allgemeines Verbot gegeben habe. Zum eine stehe die Quelle Gesta archiepiscoporum Mediolanensium des Mailänder Klerikers und Zeitzeugen Arnulf recht isoliert dar, nicht einmal Gregor erwähnte ein Verbot in seinem Register zu dieser Zeit[24], die folgenden deutlichen Verbote von 1078 und 80 wurden aber eindrücklich am Termin festgehalten. Außerdem hatte er es ja kurz zuvor noch im Sinn, Heinrich seine Kirche anzuvertrauen, während er selbst einen Kreuzzug gen Osten leiten wollte[25]. Zudem deuteten die Geschehnisse im Sommer ebenfalls nicht wirklich auf ein Verbot hin, denn Heinrich investierte sowohl im Bistum Speyer, als auch in Lüttich, wurde von Papst für sein antisimonistisches Vorgehen gelobt und dieser erbat sich ebenfalls von ihm eine Neubesetzung des Bamberger Stuhles nach kirchlichem Recht[26]. Erst im Rückblick Jahre später hielt Gregor die Investituren Heinrichs seit Anfang 1075 für unzulässig, die betroffenen Bischöfe gaben aber an, damals von einem Verbot für Heinrich nichts gewusst zu haben. Schieffer geht nun davon aus, dass es kein Verbot gab, sondern dass die Investituren ungültig seien, weil seine Räte exkommuniziert worden waren und Heinrich sich in der Folgezeit nicht endgültig von ihnen getrennt hatte, was der Papst im Sommer 75 annahm, so dass er sich rückwirkend betrachtet deshalb außerhalb der Kirchengesellschaft befand und demnach auch keine gültigen Einsetzungen vornehmen konnte[27]. Dies alles gelte quasi als „Rechtsfolge“ der Maßnahme gegen seine Ratgeber[28].

[...]


[1] Hehl, Ernst-Dieter, König-Kaiser-Papst. Gedankliche Kategorien eines Konfliktes, in: Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Hg), Salisches Kaisertum und neues Europa. Die Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V., Darmstadt 2007, S. 11f.

[2] Blumenthal, Uta-Renate, Der Investiturstreit, Stuttgart/Berlin/Köln 1982, S. 125.

[3] Tellenbach, Gerd, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert, Göttingen 1988 (Die Kirche in ihrer Geschichte; 2), S. 164f.

[4] Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 165.

[5] Die Briefe Heinrichs IV., 5, ed. Carl Erdmann, MGH, Deutsches Mittelalter. Kritische Studientexte, Leipzig 1937, S. 8.

[6] Boshof, Egon, Heinrich IV. Herrscher an einer Zeitenwende. 2. überarb. Aufl., Göttingen/Zürich 1990 (Persönlichkeit und Geschichte; 108/109), S. 52f.

[7] Ebd., S. 56f.

[8] Struve, Tilman, Salierzeit im Wandel. Zur Geschichte Heinrichs IV. und des Investiturstreites, Köln 2006, S. 97.

[9] Register Gregors VII., II, 30, ed. Erich Caspar, MGH Epistolae selectae II.2, München 1978, S. 164: Moneo autem te, fili excellentissime…

[10] Reg. II, 31, S. 167: …tibi Romanam ecclesiam relinquo, …

[11] Goez, Werner, Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, Stuttgart/Berlin/Köln 2000, S. 122.

[12] Goez, Kirchenreform, S. 123.

[13] Reg. I, 20, S. 33: …, qui laicorum est caput, …

[14] Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 185.

[15] Schieffer, Rudolf, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots für den deutschen König, Stuttgart 1981 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica; 28), S. 40.

[16] Ebd., S. 97.

[17] Erkens, Franz-Reiner, Herrschersakralität im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Investiturstreit, Stuttgart 2006, S. 199f.

[18] Reg. II, 5, S. 132: Quodsi vos audire noluerit […] apostolice animadversionis gladium nequaquam eum diutius effugere posse…

[19] Boshof, Heinrich IV., S. 62f.

[20] Ebd., S. 63.

[21] Reg. II, 45, S. 184: … vos officium eorum, quos aut symoniace promotos et ordinatos aut in crimine fornicationis iacentes cognoveritis, nullatenus recipiatis…

[22] Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 185f.

[23] Laudage, Johannes, Gregorianische Reform und Investiturstreit, Darmstadt 1993 (Erträge der Forschung; 282), S. 37ff.

[24] Schieffer, Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 117.

[25] Ebd., S. 123.

[26] Ebd., S. 125f.

[27] Schieffer, Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 148f.

[28] Ebd., S. 152.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
1076 und 1080: Die Absetzungssentenzen Gregors VII. an König König Heinrich IV. im Vergleich
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
26
Katalognummer
V144251
ISBN (eBook)
9783640539444
ISBN (Buch)
9783640539963
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Investiturstreit
Arbeit zitieren
Christine Schmidt (Autor:in), 2009, 1076 und 1080: Die Absetzungssentenzen Gregors VII. an König König Heinrich IV. im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144251

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