Die Räuber - Streben nach Emanzipation und Revolution


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Die Räuber – Ein Drama im Zeichen der Revolution?

2. Franz Moor – Rebell gegen die theologische Ordnung
2.1. Der Materialismus als philosophische Grundlage
2.2. Negation der Liebe und des Lebens als Wert an sich
2.3. Negation von Gott und Gewissen
2.4. Die Inversion der Aufklärung

3. Karl Moor – Rebell gegen die politische Ordnung
3.1. Der geniale Tat- und Kraftmensch
3.2. Karls Gesellschaftskritik und die Verselbstständigung der Gewalt

4. Das Scheitern beider Revolutionäre
4.1. Die Wiederkehr des Geleugneten
4.2. Die Anerkennung der sittlichen Weltordnung

5. Fazit: Die Grenzen der Emanzipation

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Die Räuber – Ein Drama im Zeichen der Revolution?

Glaubt man den Ausführungen eines Augenzeugen, so müssen sich bei der Uraufführung von Schillers Werk „Die Räuber“ am 13. Januar 1783 auf der Bühne in Mannheim, wahrhaft dramatische Szenen in den Zuschauerrängen abgespielt haben:

„Rollende Augen, geballte Fäuste, fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme (…). Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Welt hervorbricht.“[1]

Schon hier wird deutlich welch euphorische Wirkung die pathetische und affektgeladene Sprache, aber auch die revolutionäre Intention des Stückes auf das Publikum ausgeübt haben mussten. Emanzipation des Individuums und Revolution gegen die ungerechte staatliche Ordnung waren die Schlagworte, welche die Zuschauer aufrüttelten und bewegten.

So ist es nicht verwunderlich, dass in zahlreichen frühen Interpretationen die Revolutionsthematik ganz im Vordergrund der Analyse des Werkes stand. „Die Räuber“ wurde als ein großes Freiheitsdrama wahrgenommen und Karl Moor als Verfechter einer neuen, republikanischen Ordnung. Ein Beispiel hierfür sind die französischen Revolutionäre, die 1792 dem Verfasser der Räuber das „Revolutionspatent“ ausstellten und ihm schließlich das Diplom eines „citoyen francais“ verliehen.[2] Freilich müssen um zu solch einer pauschalen Deutung zu gelangen, viele Widersprüche des Dramas und besonders der „störende“ Schluss außer Acht gelassen werden.[3] Für eine vollständige Interpretation sind aber gerade diese Punkte von eminenter Bedeutung. So stellt Dietrich Steinbach fest, dass „Die Räuber“ „wie kein anderes Werk Schillers ein Drama der grellen Gegensätze (…) [sei]“[4], während Scherpe anmerkt die „Räuber“ seien ein „aufs Revolutionäre zielende Stück, das in sich doch die Möglichkeiten der Revolution energisch bestreitet.“[5]

Hiermit ist das Ziel dieser Arbeit definiert. In dem Spannungsfeld zwischen revolutionärer Zielsetzung und deren Verweigerung soll eine umfassende Deutung des Motivs des Strebens nach Revolution und Emanzipation erfolgen. Hierzu werden die beiden Hauptfiguren und „Revolutionäre“ des Stückes, Franz und Karl Moor, einer Analyse unterzogen, die sowohl philosophische und politische Aspekte einbezieht. Im ersten Punkt wird ausgehend von einer kurzen Definition des Materialismus[6], Franz Moors „Philosophie der Verzweiflung“[7] und die daraus resultierenden Emanzipationsbestrebungen näher erläutert. Der zweite Punkt beschäftigt sich anschließend mit Karl Moors idealistischer Weltsicht und dem Aufbegehren gegen die gesellschaftliche Ordnung. Ein abschließender Vergleich zeigt die Gründe für das letztendliche Scheitern beider „Rebellen“ auf und stellt kurze Thesen zur Gesamtbetrachtung des Stückes dar.

2. Franz Moor – Rebell gegen die theologische Ordnung

2.1 Der Materialismus als philosophische Grundlage

Um Franz Moors Wirken und Zielsetzungen genauer zu analysieren, ist es zunächst notwenig einen Blick auf die philosophischen Grundlagen dieses Charakters zu werfen, da Franz’ Denken und Handeln tief im Materialismus verwurzelt ist. Nicht umsonst wurde er bereits als „Philosoph unter den Theaterschurken“[8] bezeichnet, der dem Leser aufgrund seines Verstandes trotz aller Abneigung eine gewisse Bewunderung abtrotzt.

Der Materialismus ist eine philosophische Weltanschauung, nach der alle Vorgänge, das heißt die gesamte Wirklichkeit, auf die Materie zurückgeführt werden können. Deshalb sind auch alle Ideen und Gedanken materiell bedingt und eine Reaktion auf körperliche Prozesse. Somit ist der Materialismus in der Regel atheistisch und antikirchlich ausgerichtet, da die Existenz eines höheren Wesens oder ein Leben nach dem Tod von den meisten Materialisten vehement verneint wird.[9] Die Wurzeln materialistischen Denkens reichen von der Antike, in der zahlreiche Philosophen die Existenz der Götter anzweifelten und ein neues rationales- und naturwissenschaftliches Weltbild bevorzugten[10], bis in die heutige Zeit. In dieser Arbeit soll vor allem auf zwei „skandalöse“ Werke des französischen Materialismus aus dem achtzehnten Jahrhundert näher eingegangen werden.

J.O. de la Mettrie[11] stellt in seinem Werk „L’ homme machine“ den Mensch als ein gänzlich durch den Körper gelenktes Wesen dar und prägt somit das Bild eines „mechanischen Menschen“, der völlig frei von metaphysischen Einflüssen ist.[12] Diesem Weltbild entspricht auch die Philosophie von Helvétius[13], der in seiner Schrift „De l’ homme“ alle Tätigkeiten auf die menschliche Selbstliebe zurückführt, woraus er schließt, dass der Mensch zunächst nur den Nutzen einer Handlung im Sinn hat und keine Unterscheidung zwischen Gut und Böse treffen kann. Erst durch Erziehung und Gesetze wird der angeborene Egoismus in die richtigen Bahnen gelenkt.[14] Schiller kritisiert in seiner Jugendphilosophie diese Auffassungen scharf und formuliert in der „Theosophie des Julius“ Gegenpositionen, in denen er das Dasein Gottes und ein verbindendes Band der Sympathie zwischen allen Menschen beschwört.[15] In der Figur des Franz zeichnet Schiller einen lasterhaften Nihilisten, der nach den reinen Maximen des Materialismus lebt und somit „Vernunftkräfte entfesselt, die allen Glauben und alle Werte zerstören“.[16] Franz will die bestehende theologische und sittliche Ordnung durch seine philosophischen Überlegungen zersetzen und auf diese Weise die Aufklärung in aufgeklärter Weise widerlegen. Am Ende soll eine tyrannische und egoistische Gesellschaft entstehen, in denen die Bürger ausgebeutet und misshandelt werden: „ Streicheln und Kosen ist meine Sache nicht. Ich will euch die zackigte Sporen ins Fleisch hauen und die scharfe Geisel versuchen.“[17] Dieses Vorgehen Franz’ und seine Absichten sollen nun in den folgenden Punkten näher erläutert werden.

[...]


[1] Von Heiseler, Bernt: Schiller. Leben und Werk, Gütersloh 1959, S. 49.

[2] Vgl. Scherpe, Klaus R.: Die Räuber, in: Hinderer, Walter (Hg.): Schillers Dramen. Neue Interpretationen, Stuttgart 1983, S. 11. (Im Folgenden abgekürzt als Scherpe)

[3] Diese Widersprüche zeigen sich durch das letztendliche Scheitern beider Revolutionäre. Franz Moor wählt den Freitod und Karl Moor erkennt endgültig die staatliche Ordnung an.

[4] Steinbach, Dietrich: Die Räuber, in: Lehmann, Jakob (Hg.): Kleines deutsches Dramenlexikon, Königsstein 1983, S. 269.

[5] Scherpe, S. 14.

[6] Aufgrund des gegebenen Umfangs der Arbeit ist nur eine skizzenhafte Darstellung des Materialismus möglich. Im Zentrum stehen eine Begriffsbestimmung, sowie eine Betrachtung des französischen Materialismus im 18. Jahrhundert.

[7] Schiller, Friedrich: Die Räuber (Reclams Universalbibliothek Nr. 15) Stuttgart 2001, S.133. (Im Folgenden abgekürzt als Räuber)

[8] Riedel, Wolfgang: Die Aufklärung und das Unbewusste. Die Inversionen des Franz Moor, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 37, Göttingen 1993, S.198. (Im Folgenden abgekürzt als Rieder)

[9] Vgl. Materialismus, in: Brockhaus Enzyklopädie, Mannheim 1991, S.303f. (Im Folgenden abgekürzt als Brockhaus)

[10] Ein Beispiel hierfür ist die Lehre Demokrits, der die Beschaffenheit der Welt allein auf Atome zurückführt und andere Kräfte ausschließt.

[11] J.O de la Mettrie (1709-1751), französischer Arzt und Philosoph.

[12] Vgl. Brockhaus, S. 304.

[13] C.A Helvétius (1715-1771), französischer Philosoph.

[14] Vgl. http://www.philosophenlexikon.de/helvet.htm.

[15] Vgl. Riedel, S. 199ff.

[16] Scherpe, S. 22.

[17] Räuber, S. 58.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Räuber - Streben nach Emanzipation und Revolution
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V143895
ISBN (eBook)
9783640771424
ISBN (Buch)
9783640771660
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Räuber, Streben, Emanzipation, Revolution
Arbeit zitieren
Frank Hoyer (Autor:in), 2005, Die Räuber - Streben nach Emanzipation und Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143895

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