Belastungen im Lehrerberuf und Aspekte der Bewältigung


Examensarbeit, 2001

79 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Belastungen im Lehrerberuf
2.1 Zur Lehrertätigkeit und den Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer
2.2 Theoretische Grundlagen zur Belastung
2.2.1 Zum Begriff der Belastung
2.2.2 Rahmenmodell der Belastung und Beanspruchung (nach Rudow)
2.2.3 Belastungsmodelle
2.2.3.1 Reiz- oder situationsbezogene Modelle
2.2.3.2 Reaktionsbezogene Modelle
2.2.3.3 Relationale Modelle
2.2.3.4 Modell der Mehrfachbelastung
2.3 Belastungsfaktoren im Lehrerberuf
2.3.1 Belastungen auf der Organisationsebene
2.3.2 Belastungen auf der Individuumsebene
2.3.3 Belastungen auf der Systemebene
2.4 Belastungsreaktionen und –folgen
2.4.1 Stress und Angst
2.4.2 Burnout
2.4.3 Arbeitszufriedenheit

3 Aspekte der Belastungsbewältigung
3.1 Wege der Belastungsbewältigung auf der Organisationsebene
3.1.1 Hilfe durch Professionalisierung der Lehreraus- und fortbildung
3.2 Wege der Belastungsbewältigung auf der Individuumsebene
3.2.1 Hilfe durch Entspannungstechniken
3.2.1.1 Autogenes Training
3.2.1.2 Yoga
3.2.1.3 Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen
3.2.1.4 Meditation
3.2.2 Hilfe durch Belastungsreflexion
3.2.3 Hilfe durch positive Selbstinstruktion
3.2.4 Trainings zur Stressbewältigung (z.B. BMT-L)
3.2.5 Erweiterung der Kompetenzen
3.3 Wege der Belastungsbewältigung auf der Systemebene
3.3.1 Hilfe durch materielle Verbesserungen im Schulsystem
3.3.2 Hilfe durch bildungspolitische Maßnahmen

4 Die Befragung
4.1 Fragestellungen zur Belastung und Belastungsbewältigung
4.2 Der Fragebogen
4.3 Die Durchführung der Befragung
4.4 Auswertung der Daten
4.4.1 Personendaten
4.4.2 Belastungssituation
4.4.3 Belastungsbewältigung
4.5 Kritische Betrachtung der Befragung

5 Schluss

Anhang

Literaturverzeichnis

Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Bild 1: Aufgabenkatalog

Bild 2: Belastungs-Beanspruchungs-Modell

Bild 3: Die Berufsbelastungen der Lehrpersonen nach Kramis-Aebischer (Selbsteinschätzung)

Bild 4: Die Berufsbelastung von Lehrpersonen nach Elbing/Dietrich (Selbsteinschätzung)

Bild 5: Die wichtigsten Berufsbelastungen der Lehrpersonen (Auszug)

Bild 6: Grundformen der Bewältigung

Bild 7: Reaktionen der Lehrkräfte auf schulische Probleme (Auszug)

Bild 8: Aufteilung der Stichprobe

Bild 9: Altersstruktur

Bild 10: Familienstand

Bild 11: Selbsteinschätzung der Berufsbelastung

Bild 12: Belastung der Lehrer und Lehrerinnen nach Schulform

Bild 13: Belastungsfaktoren

Bild 14: Unterschiede bei den Belastungsfaktoren in Bezug auf Geschlecht und Alter

Bild 15: Selbsteinschätzung der Belastungsverarbeitung

Bild 16: Belastung und Belastungsverarbeitung

Bild 17: Belastungsbewältigungsstrategien von Lehrerinnen und Lehrern

1 Einleitung

Vorstellungen, die mit dem Beruf des Lehrers und der Lehrerin verbunden werden, sind sehr vielfältig und häufig völlig gegensätzlich. Da gibt es die Vorstellung von halbtags arbeitenden Lehrkräften, die den halben Tag Zeit zum Faulenzen, für Hobbies und die Familie haben, es existiert aber auch genauso die Vorstellung vom Lehrerberuf als schwerer, verantwortungsvoller Beruf, der äußerst belastend wirken kann. Die letztere Vorstellung spiegelt sich auch in Zeitschriftenartikeln wie z.B. „Höllenjob Lehrer“[1] oder „Horrorjob Lehrer“[2] wider, die auf die hohen Belastungen im Lehrerberuf aufmerksam machen. Auch der Begriff des Burnouts taucht immer häufiger im Zusammenhang mit Lehrerinnen und Lehrern auf.

Die Folgen der Belastungen sind sehr häufig gesundheitliche Beeinträchtigungen, die nicht selten zu Frühpensionierungen führen. So scheidet beispielsweise ca. jede zweite Lehrkraft in Hamburg aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Schuldienst.[3] Solche Forschungsergebnisse sind keine Einzelfälle.

Die dargestellte Situation macht die Notwendigkeit, sich mit den Belastungen im Lehrerberuf und deren Bewältigungsmöglichkeiten zu befassen, deutlich. Deshalb soll der erste Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darin liegen, den bisher erfassten Stand der Belastungsforschung im Lehrerberuf und mögliche Aspekte der Belastungsbewältigung darzustellen. Dabei soll die zusammenfassende Darstellung des Problembereichs um die Lehrer- und Lehrerinnenbelastung und die Möglichkeiten zur Entlastung auch auf Forschungsdefizite und –probleme aufmerksam machen und zum Nachdenken über Verbesserungen in diesem Bereich anregen.

Um die vorliegenden Untersuchungsergebnisse und Erkenntnisse über Belastungen im Lehrerberuf darstellen zu können, sollen zuvor allgemein die Lehrertätigkeit umrissen und die theoretischen Grundlagen zur Belastung dargestellt werden. Anschließend werden häufige Reaktionen auf die vorgestellten Belastungsfaktoren thematisiert.

Das folgende Kapitel hat die Aspekte der Belastungsbewältigung zum Inhalt, da es angesichts der derzeitigen Belastungssituation der Lehrkräfte unumgänglich ist, über mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation nachzudenken.

In dem letzten Kapitel geht es um den zweiten Schwerpunkt der Arbeit, nämlich um eine von mir durchgeführte Befragung von Lehrkräften in Bezug auf die Belastungssituation und ihre Bewältigung. Sie soll eine Ergänzung zu den bestehenden Studien darstellen, indem sie vergleichend zu den bestehenden Studien ausgewertet wird und zusätzlich auf Probleme in der Erforschung dieses Themenbereichs aufmerksam macht.

Der Schluss soll die aufgezeigten Probleme des Forschungsbereichs kurz zusammenfassen und auf notwendige Konsequenzen aufmerksam machen.

Im folgenden Anhang ist der Fragebogen, der dieser Befragung zugrunde lag, zu finden. Das Literaturverzeichnis enthält außer der von mir verwendeten Literatur auch Internet-Adressen, auf die ich innerhalb der vorliegenden Arbeit zurückgegriffen habe.

An dieser Stelle möchte ich noch anmerken, dass ich in einigen Graphiken innerhalb der Arbeit aus Gründen der Platzersparnis Begriffe wie „Lehrer“ und „Schüler“ geschlechtsneutral verwendet habe und somit beide Geschlechter mit einschließe.

2 Belastungen im Lehrerberuf

Dieses Kapitel soll einen Überblick über die Belastungsforschung im Lehrerberuf geben. Dabei soll zuerst allgemein auf die Lehrertätigkeit eingegangen werden, um die Vielfalt der beruflichen Tätigkeiten zu zeigen, die sich zu Belastungssituationen entwickeln können. Danach sollen die unterschiedlichen Forschungsansätze gezeigt werden, um schließlich die durch Forschungen ermittelten Belastungssituationen und die daraus resultierenden Folgen darzustellen. Aufgrund der verschiedenen Forschungsansätze gestaltet sich ein Vergleich der Studien als sehr schwierig, erschwerend kommt die Vielzahl der Untersuchungen hinzu, so dass es nicht ganz einfach ist, sich einen umfassenden Überblick über die bisherige Forschung zu verschaffen.

2.1 Zur Lehrertätigkeit und den Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer

Der Lehrberuf stellt aufgrund seiner Vielseitigkeit komplexe Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule von ihnen zu erfüllen sind. Im folgenden sollen diese dargestellt werden, um zu zeigen, woraus die Belastungen im Lehrerberuf überhaupt erwachsen können. Wirft man einen Blick in die Literatur, die sich mit den Aufgaben und Rollen im Lehrberuf befasst, erkennt man, dass es sich bei den an die Lehrkräfte gestellten Anforderungen um eine ungeheure Fülle von Kriterien handelt, die den Lehrberuf ausmacht. Dies resultiert unter anderem daraus, dass die Berufsausübung und das Lehrer- und Lehrerinnenverhalten von besonderem öffentlichen Interesse sind und jeder (z.B. Schüler, Eltern, Staat oder aber die Wirtschaft) andere Ansprüche an die Lehrer und Lehrerinnen stellt, außerdem sind „die Grenzen zwischen dem Anspruch an Schule als Institution und den explizit formulierten Erwartungen an den Lehrer fließend.“[4]

Den Versuch, einen den Lehrerberuf umfassenden Aufgabenkatalog zu erstellen, unternimmt Elfriede Maria Jung-Strauß in ihrem Buch „Widersprüchlichkeiten im Lehrerberuf.“ Dabei unterscheidet sie zwischen gesetzlich und außergesetzlich definierten Aufgaben, außerdem weist sie darauf hin, dass es keine begriffliche Eindeutigkeit bei der Definition der Aufgaben gibt, auch in Gesetzestexten nicht. Die außergesetzlich definierten Aufgaben untergliedert sie zudem noch in Aufgaben, die aus den Vorstellungen der Erziehungswissenschaften und verwandten Wissenschaften, aus politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen, aus sittlichen und religiösen Vorstellungen und aus Vorstellungen seitens der Schüler resultieren. In dem Aufgabenkatalog, den sie anhand dieser Ergebnisse erstellt hat, unterscheidet sie überdies, welche Aufgaben für welche Gruppen (z.B. Schüler, Eltern, Schule, Gesellschaft,..) von Bedeutung sind (Bild 1).[5]

Bild 1: Aufgabenkatalog

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle[6])

Zur näheren Erläuterung der genannten Aufgaben verweise ich auf die Literatur.

Dieser Aufgabenkatalog stellt ein Beispiel für eine recht differenzierte Betrachtungsweise der Arbeitsaufgaben im Lehrberuf dar,

Eine ebenfalls recht eingehende Betrachtung der Arbeitsaufgaben eines Lehrers/einer Lehrerin liefern K.O. Bauer, A. Kopka und S. Brindt in ihrer Arbeit „Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit“.[7] Allerdings werden hier die Arbeitsaufgaben zuerst mit sechs umfassenderen Aufgaben beschrieben, nämlich: Unterrichten, Erziehen, Beraten, Betreuen, Entwickeln von Schule, und nur der Bereich des Unterrichten wird daraufhin wesentlich detaillierter beschrieben, da er den größten Zeitanteil der Lehrerarbeit in Anspruch nehme und damit gleichzeitig die wichtigste Aufgabe der Lehrer und Lehrerinnen sei. Auf der Ebene des Unterricht werden fünf verschiedene Aufgabenbereiche unterschieden und es wird ausführlich erläutert, welche Aspekte diese Aufgabenbereiche beinhalten, die von Lehrern und Lehrerinnen gefordert werden. An dieser Stelle sollen die fünf Bereiche nur genannt und kurz erläutert werden.

Lehrer müssen soziale Strukturen hervorbringen und für geordnete Arbeitsabläufe sorgen, d.h. dass Kontakte und soziale Bindungen hergestellt werden sollten, den Schülern die Möglichkeit zur Selbstorganisation ermöglicht und diese gefördert wird, bei Bedarf aber auch der Lehrer Leitung und Führung übernehmen sollte, um z.B. Gruppen zu bilden und sie unterrichten zu können.

Lehrer und Lehrerinnen müssen lebendig mit den Schülern interagieren, d.h. sie sollten Regeln für den Umgang miteinander einführen und einüben, Feedback geben und auch empfangen, Gefühle der Schüler wahrnehmen und selber zeigen und ein positives Gruppenklima als Basis für die Interaktion schaffen.

Lehrer und Lehrerinnen müssen die Informationsprozesse lenken und steuern und unterrichtsinterne Kommunikation optimieren, d.h. sie müssen Fragen verständlich stellen, Anweisungen geben, Diskussionen leiten, zuhören, Streitgespräche moderieren, Vorträge halten und vieles mehr.

Lehrer und Lehrerinnen müssen die Lernumgebung für alle Betroffenen adäquat gestalten, d.h. ihren eigenen Körper wirksam im Unterrichtsgeschehen einsetzen, etwas vorführen, interessante Unterrichtsmaterialien einsetzen, Ereignisse und Störungen zu Lernanlässen machen, Rituale zur Unterrichtsorganisation einsetzen, Materialien und Räume ansprechend und anregend gestalten, für Entspannung und Konzentration sorgen.

Lehrer und Lehrerinnen müssen verborgene Arbeiten erledigen, die den Hintergrund professionellen pädagogischen Handelns bilden, d.h. den Unterricht vorbereiten und planen, die Arbeit der Schüler dokumentieren, Unterrichtserfahrungen dokumentieren und archivieren, häusliche Arbeit organisieren, Unterrichtsmaterial archivieren.[8]

Auch hier werden sehr viele Arbeitsaufgaben des Lehrerberufs beschrieben, die überhaupt erst einen Eindruck von der Vielschichtigkeit des Beruf und der damit zwangsläufig verbundenen Belastungsmöglichkeiten geben.

Die bisherigen Ausführungen über die Lehrertätigkeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: Lehrer und Lehrerinnen haben eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen, die von verschiedenen Erwartungsträgern an sie gestellt werden.

Unbestreitbar gibt es viele andere Berufe, in denen ebenfalls eine Vielzahl von Aufgaben erledigt werden müssen; was sind also die besonderen Anforderungen, die den Lehrerberuf ausmachen?

Zum einen müssen Lehrer und Lehrerinnen die Fülle der Aufgaben zeitlich parallel bewältigen. „Der Unterrichtsstoff muss dargestellt und die Schülerbeiträge müssen dazu genutzt werden. Der Zeitrahmen muss eingehalten werden. Gleichzeitig müssen Beobachtungen über Schüler gemacht werden, die für die Bewertung notwenig sind (...) und solche, die für die Förderung einzelner Schüler notwendig sind. Wiederum gleichzeitig muss möglichst „glatt“ das Interesse und die Mitarbeit der Schüler aufrechterhalten werden.“[9] Außerdem müssen Lehrer und Lehrerinnen bei ihrer Arbeit vielen verschiedenen Erwartungen gerecht werden, z.B. denen der Schüler, der Eltern, des Kollegiums, der Vorgesetzten und der Öffentlichkeit[10], die häufig unvereinbar miteinander sind. Entspricht der Lehrer oder die Lehrerin beispielsweise mit offenen Unterrichtsmethoden den Erwartungen von Eltern und Schülern, kann dies schon wieder in Bezug auf die Erwartungen der Öffentlichkeit das falsche Verhalten sein, da diese der Meinung ist, die Schüler würden mit dieser Methode weniger lernen.

Eine weitere Besonderheit ist, dass Lehrer und Lehrerinnen wenig Kontrolle über die Wirkung ihrer eigenen Arbeit haben, da der Erfolg nicht unbedingt von ihren Bemühungen abhängt. Zudem bleibt häufig offen, wann eine Arbeitsaufgabe abgeschlossen ist, was für sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer bedeutet, das Gefühl zu haben, nie mit ihrer Arbeit fertig zu sein, denn: kann man beispielsweise die Förderung von Schülern in bestimmten Bereichen wirklich abschließen? Dies hat auch zur Folge, dass der Erfolg der Arbeit sehr schwer messbar ist.

Schwierig gestaltet sich die Tätigkeit auch durch das öffentliche Interesse an dem Beruf. Dies hat natürlich die Ursache darin, „dass in der Arbeit der Lehrer die Hoffnung und die Zukunft der ganzen nachfolgenden Generation begründet liegt.“[11] Außerdem meint jeder, sich qualifiziert zu dem Thema äußern zu können, denn er hat schließlich einmal die Schule besucht und weiß, was die Arbeit von Lehrern und Lehrerinnen ausmacht.

Hohe Anforderungen ergeben sich auch aus der Tatsache, dass Lehrkräfte während des Unterrichts sich selbst überlassen sind und in dieser Zeit inhaltliche, methodische und disziplinarische Probleme allein lösen müssen, denn im Regelfall arbeiten Lehrerinnen und Lehrer alleine mit einer Lerngruppe und müssen völlig eigenverantwortliche Entscheidungen häufig unter Zeitdruck und in komplexen Situation treffen.[12] Hinzu kommt, dass sich die Aufgaben weitgehend der Routinisierung entziehen, da die Klassen und somit die Schüler und Schülerinnen sowie die Situationen ständig wechseln.[13]

Artikel in Zeitschriften mit den Titeln „Horrorjob Lehrer“[14], „Tollhaus Schule“[15] oder „Höllenjob Lehrer“[16] machen außerdem auf Anforderungen im Lehrberuf aufmerksam, die einen wachsenden Druck zeigen, soziale Probleme zu bekämpfen. Damit nimmt die Aufgabe des Unterrichtens für Lehrer zwar immer noch den größten Zeitanteil in Anspruch, allerdings scheint der erzieherische Anteil durch die Bewältigung der gesellschaftlichen Schwierigkeiten immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. „Wo immer eine Gesellschaft mit einer Schwierigkeit (Aids, Gesundheitsprophylaxe, Aufklärung, Rassismus, Gewalt, Umgang mit Medien) nicht zurechtkommt, richtet sich der Anspruch an die Schule, korrigierend oder präventiv in gesellschaftliche (Fehl-) Entwicklungen einzugreifen.“[17] In diesen Bereich gehören auch die häufig zitierten zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten und Probleme der Schüler und Schülerinnen, die die Lehrerschaft vor neue Anforderungen stellen.

„Verspottet von Politikern und allein gelassen von vielen Eltern, müssen Pädagogen unter verschlechterten Bedingungen immer mehr Aufgaben bewältigen und immer schwierigere Kinder bändigen.“[18]

Die Anforderungen sind hoch, in diesem Punkt sind sich alle einig und auch darin, dass diese sich in der jüngeren Zeit gewandelt haben. Allerdings dürfen meines Erachtens nach bei der Betrachtung der Lehrertätigkeit und der sich daraus ergebenden Anforderungen auch nicht die Vorzüge (z.B. keine direkte Kontrolle durch Vorgesetzte, relativ freie Zeiteinteilung für die Arbeit, Arbeit mit Menschen, verhältnismäßig viele Ferien, gute Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung...) vergessen werden, die zweifelsohne immer noch vorhanden sind und die die dargestellten Ansprüche an Lehrkräfte durchaus mildern. Häufig wird aber genau dieser Aspekt gerade in der Literatur, die sich mit der Belastungsthematik beschäftigt, vernachlässigt, was im Endeffekt das Belastungsempfinden verstärken könnte.

Des weiteren fällt bei der Analyse der Lehrertätigkeit in der Literatur auf, dass fast gar nicht zwischen den verschiedenen Schularten differenziert wird. Unbestreitbar ist zwar, dass Lehrer aller Schularten mit den dargestellten Aufgaben konfrontiert werden, allerdings sind die Ausmaße doch recht unterschiedlich. Während für eine Gymnasiallehrkraft der Erziehungsaspekt eher in den Hintergrund tritt, ist dies für eine Grundschullehrkraft eine Aufgabe von großer Bedeutung. Dies zu berücksichtigen wäre vielleicht sinnvoll, um in der Forschung die Belastungen im Lehrerberuf nach allgemeineren Analysen noch schulformspezifischer analysieren zu können und so auch Belastungsbewältigungsstrategien entwickeln zu können, die stärker auf die jeweiligen Probleme der unterschiedlichen Schulformen zugeschnitten sind.

2.2 Theoretische Grundlagen zur Belastung

2.2.1 Zum Begriff der Belastung

Wenn über Belastungen geschrieben und gesprochen wird, wird häufig vernachlässigt, den Begriff vorher überhaupt zu definieren.

Belastung ist laut Medizin, Psychologie: „starke körperliche und seelische Beanspruchung durch anhaltende äußere oder innere Aktivität oder Reizeinwirkung.“[19]

An eine solche oder ähnliche Definition aus dem Brockhaus denkt wahrscheinlich der überwiegende Teil der Menschen, wenn von Belastung die Rede ist. Tatsächlich wird in der Literatur häufig unter Belastung nicht wie in o.g. Definition die körperliche und seelische Beanspruchung verstanden, sondern bevorzugt werden Definitionen wie z.B. folgende von Schönwälder:

Er orientiert sich bei der Beschreibung von Belastungen an den Arbeitswissenschaften und folgert, „dass alle aus Arbeitsaufgaben folgenden Anforderungen an einen Menschen, die geeignet sind, bei ihm physische und psychische Reaktionen hervorzurufen, als Belastungen zu bezeichnen sind; deren Folgen werden als Beanspruchungen benannt.“[20]

Rudow unterscheidet bei einer sehr ähnlichen Definition darüber hinaus körperliche (Anforderungen an Muskelkraft und physiologische Regulationsysteme), psychische (geistige Anforderungen) und soziale (sozial-interaktive Anforderungen) Belastungen[21]. Für die psychische Belastung und Beanspruchung hat sich folgende normierte Definition durchgesetzt:

„Psychische Belastung: Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn wirken.

Psychische Beanspruchung: Die zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung auf die Einzelperson in Abhängigkeit von ihren eigenen habituellen und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Auseinandersetzungsstrategie.“[22]

Statt der Begriffe „Belastung“ und „Beanspruchung“ findet man auch wiederholt den Begriff „Stress“ für berufliche Belastungen. Leider wird dieser Begriff häufig sehr unterschiedlich verwendet. So merkt Ulich beispielsweise an, dass sich Stress und psychische Belastungen nur schwer unterscheiden lassen. In seinen weiteren Ausführungen wird deutlich, dass die Belastung, z.B. Korrekturarbeiten unter bestimmten Bedingungen, wie Zeitdruck o.ä., zu Stress werden kann, der sich beispielsweise in dem Gefühl, der Anstrengung nicht gewachsen zu sein, äußert.[23] Der Übergang ist also fließend.

Vergleicht man diese Ausführungen nun beispielshalber mit der o.g. Definition Schönwälders, wird deutlich, dass Ulich Stress sowohl anstelle von Belastung als auch von Beanspruchung verwendet. Bevorzugt wird von vielen Autoren allerdings die Verwendung der Begriffe „Stress“ und „Stressor“. Auf Ulichs Ausführungen bezogen würden bei Verwendung dieser beiden Termini die Korrekturarbeiten als Stressor bezeichnet, die dann aber nicht unbedingt zum Stress führen müssen, der hier das Gefühl der Anstrengung darstellt.

Letztlich ist zu sagen, dass die Begriffe „Belastung“, „Beanspruchung“ und „Stress“ von vielen Autoren nicht einheitlich verwendet werden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Belastungsforschung mit unterschiedlichen theoretischen Ansätzen vollzogen wird. Aus diesem Grund hat Rudow das Rahmenmodell der Belastung und Beanspruchung entwickelt.

2.2.2 Rahmenmodell der Belastung und Beanspruchung (nach Rudow)

Das Rahmenmodell stellt Belastungen, Beanspruchungsreaktionen und –folgen sowie die möglichen Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten dar. Damit soll es zu einem besseren Verständnis über Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsanforderungen, Belastung, Beanspruchung und arbeitsbedingten Erkrankungen in der Lehrerarbeit dienen.[24]

Bild 2: Belastungs-Beanspruchungs-Modell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle[25])

Rudow unterscheidet objektive und subjektive oder psychische Belastungen. Unter der objektiven Belastung versteht er alle vom Lehrer oder der Lehrerin unabhängigen Faktoren in der Tätigkeit, also den Arbeitsauftrag, womit die unter 2.1 beschriebenen Arbeitsaufgaben gemeint sind; außerdem die Arbeitsbedingungen, also die Bedingungen unter denen sie zu erfüllen sind, so z.B. die räumliche und materielle Ausstattung der Schule, die Schülerzahlen. Die objektive Belastung besteht für ihn aus drei Komponenten, den körperlichen, den geistigen und den sozialen Anforderungen, und ist als wertneutrales Phänomen zu sehen. Die subjektive oder psychische Belastung dagegen entwickelt sich erst durch die Bewertung der objektiven Belastungen. Rudow bezeichnet dies als „Widerspiegelung“ objektiver Belastungen. Vorerfahrungen sind für die Qualität der subjektiven Belastung von entscheidender Bedeutung. Wie eine Situation erlebt und bewertet wird, hängt außerdem stark von den jeweiligen Attributionsstrukturen ab. Dabei geht es um die Zuschreibung vermuteter Ursachen zu Erfolgen und Misserfolgen. Internal attribuierende Menschen schreiben den Erfolg eigenem Können und Wollen zu, external attribuierende schreiben ihn z.B. dem Zufall oder auch der Leichtigkeit einer Aufgabe zu. Diese Zuschreibungen haben großen Einfluss auf die Wahrnehmung künftiger objektiver Belastungssituationen.[26]

Wesentlichen Einfluss auf den Prozess und das Ergebnis der Widerspiegelung haben körperliche und psychische Handlungsvoraussetzungen. Komponenten psychischer Handlungsvoraussetzungen sind Kognitionen, Emotionen, Einstellungen und Motive. Von besonderer Bedeutung sind hier „Motive und Einstellungen zur Berufstätigkeit, die soziale Handlungskompetenz, die pädagogische Qualifikation, die Berufserfahrungen, die psychovegetative Stabilität und die körperliche Leistungsfähigkeit.“ Die subjektive Belastung kann sich als kognitive oder emotionale Belastung äußern, d.h. entweder ist die Schwierigkeit der Aufgaben belastend oder aber die Gefühle bei der Aufgabenerfüllung.[27] In der konkreten Tätigkeit werden nun die psychischen und physischen Handlungsvoraussetzungen des Lehrers und der Lehrerin gefordert und es tritt eine psychophysische Beanspruchung auf. Die Beanspruchungsreaktionen lassen sich in zwei Bereiche gliedern, die psychische Anspannung einerseits und die somatischen Veränderungen in verschiedenen Organen und Organsystemen andererseits. Ob und welche Beanspruchungsreaktionen auftreten, hängt also von der Bewertung der objektiven Belastung und von der Wirksamkeit der Belastungsbewältigung ab. Unter Beanspruchungsreaktionen versteht Rudow zeitlich begrenzte, reversible psychophysische Phänomene, unter Belastungsfolgen dagegen überdauernde, chronische, bedingt reversible psychophysische Erscheinungen.

Grundsätzlich werden außerdem positive und negative Beanspruchungsreaktionen und –folgen unterschieden. Positive Beanspruchungsreaktionen äußern sich beispielsweise in geistiger Aktivität und Wohlbefinden, Belastungen werden in diesem Fall positiv bewertet und fordern die Lehrkräfte heraus. Solche Reaktionen führen zu emotionaler Stabilität und tragen zur Aneignung wirksamer Handlungsmuster bei, die rückwirkend wieder positive Beanspruchungsreaktionen bedingen.

Zu den negativen Beanspruchungsreaktionen zählen sowohl die psychische Ermüdung, also eine Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit, deren Erscheinungsformen sehr vielfältig sein können, als auch die psychische Sättigung. Diese meint einen „Zustand der nervös-unruhevollen, affektbetonten Ablehnung sich wiederholender Tätigkeiten oder Situationen“. Die Monotonie als „Zustand herabgesetzter psychophysischer Aktiviertheit, der durch Unterforderung entstehen kann und der Stress, der durch das Erleben einer Gefährdung oder Bedrohung hervorgerufen wird“ zählen ebenfalls zu den negativen Beanspruchungsreaktionen. Psychische Ermüdung kann zu psychischer Übermüdung führen, Stress zu chronischem Stress und diese Folgen möglicherweise zum Burnout. Bei solchen Überbelastungen droht eingeschränkte pädagogische Handlungskompetenz, die dann wiederum die Beanspruchungsreaktionen verstärkt.[28] Auf die Belastungsreaktionen und –folgen werde ich in Kapitel 2.4 ausführlicher eingehen.

Das Modell zeigt, dass zwar objektive Belastungsfaktoren im Lehrberuf durchaus zu ermitteln sind, z.B. Arbeitszeit, Schülerzahlen o.ä., diese aber noch nichts über die wirkliche psychische Belastung der Lehrkräfte aussagen, da sie von jeder Lehrkraft unterschiedlich bewertet werden. Ebenso kann von Beanspruchungsreaktionen und –folgen auch nicht auf die objektiven Arbeitsbelastungen geschlossen werden, da die Lehrkräfte aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen diese unterschiedlich bewerten und mit unterschiedlichen Bewältigungsstrategien auf die Belastungen reagieren. Damit widerspricht dieses Modell auch vielen Studien, die Belastungsfaktoren und Belastungsreaktionen und –folgen erheben und diese dann miteinander in Verbindung bringen, denn Belastungsfaktoren können zwar subjektiv belastend wahrgenommen werden, jedoch müssen aufgrund geeigneter Bewältigungsstrategien nicht unbedingt negative Beanspruchungsreaktionen auftreten.

2.2.3 Belastungsmodelle

In der bisherigen Belastungsforschung gibt es verschiedene Ansätze, nach denen die Belastungsanalysen im Lehrberuf vorgenommen wurden. Vier von ihnen sollen im folgenden kurz vorgestellt werden.

2.2.3.1 Reiz- oder situationsbezogene Modelle

Bei diesem Modell gelten Situations- oder Reizmerkmale als objektive Belastungsfaktoren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmte Funktionsstörungen des Organismus bewirken. Für eine Studie bedeutet dies, dass Lehrkräften bestimmte Belastungsfaktoren vorgegeben werden, die dann nach dem Belastungsgrad einzuschätzen sind und in eine Reihenfolge gebracht werden können. Dieses Modell liegt den meisten Untersuchungen zugrunde. Auch die Prüfliste zur vorwiegend psychischen Belastung in der Lehrerarbeit (PBL), die zur Gefährdungsbeurteilung in Schulen eingesetzt werden kann, basiert auf diesem Konzept.[29] Kritisch zu betrachten ist bei diesem Konzept die eingeschränkte Vergleichbarkeit aufgrund unterschiedlicher Termini für gleiche Faktoren, verschiedenen Umfanges oder verschiedener Sachverhalte und eine gewisse Willkür bei der Auswahl der einzuschätzenden Belastungsfaktoren. Rudow kritisiert zudem, dass Konzepte, mit denen versucht wird, nur einzelne Belastungen unsystematisch zu erfassen, einen begrenzten Beschreibungs- und Operationalisierungswert haben.[30]

2.2.3.2 Reaktionsbezogene Modelle

Bei diesem Modell stellt ein bestimmtes Reaktionsmuster des Organismus einen Indikator für Beanspruchungsreaktionen, z.B. Stress dar, das unabhängig von der Art des auslösenden Reizes auftritt.[31] Es handelt sich hierbei also um ein situations- und personenunabhängiges Reizmuster, welches Rückschlüsse auf Belastungsfaktoren zulassen soll. Kritisch anzumerken ist hier die Annahme der Unspezifität des Reizmusters[32]. Da sich Beanspruchungsreaktionen außerdem als Summe aus Bewertungen unterschiedlicher Belastungsfaktoren darstellen, können solche Reaktionsmuster bei der Bestimmung von Belastungsfaktoren wenig helfen.

2.2.3.3 Relationale Modelle

Relationale Modelle basieren auf der kognitiv-transaktionalen Stresstheorie von Lazarus der sechziger Jahre.[33] Im Gegensatz zu den reiz- oder situationsbezogenen Modellen, die nur die objektiven Belastungsfaktoren berücksichtigen und den reaktionsbezogenen Modellen, die nur die Reaktionen des Organismus interpretieren, steht bei den relationalen Modellen die Person-Umwelt-Interaktion im Mittelpunkt. Wahrnehmung und Bewertung der Situation durch die Person ist hier von Bedeutung und wird als wichtige Komponente des Belastungserlebens aufgefasst. Mit Hilfe dieses Modells lässt sich auch im Gegensatz zu den anderen beiden eine Antwort auf die Frage finden, warum verschiedene Personen auf denselben Reiz unterschiedlich reagieren. „Psychischer Stress...gründet sich weder in der Situation noch in der Person, sondern entsteht aus der Art, wie die Person die adaptive Beziehung einschätzt.“[34] Dies bedeutet auch, dass eine Situation umso bedrohlicher erlebt wird, je geringer die persönlichen Handlungsmöglichkeiten sind, da die Situation dann als schwierig bewertet wird.

Dieses Modell stimmt im wesentlichen mit dem Rahmenmodell der Belastung und Beanspruchung Rudows überein, denn auch hier wird die Bedeutung der Widerspiegelung der objektiven Faktoren, also der Bewertung der Situation und der Einschätzung eigener Bewältigungsmöglichkeiten in den Vordergrund gestellt.

2.2.3.4 Modell der Mehrfachbelastung

Da auf Lehrer und Lehrerinnen immer mehrere verschiedene Belastungsfaktoren einwirken, kann man hier auch von einer Mehrfachbelastung sprechen. Mehrfachbelastung bedeutet: „Auf den Lehrer wirken gleichzeitig und dauerhaft

mehrere, verschiedenartige Belastungsfaktoren ein. Dauerhaft bedeutet jedoch nicht, dass die Kombination unbedingt ständig bestehen muss, sie muss jedoch wiederholt mit entsprechender Intensität und Zeitdauer auftreten.“[35] Zu unterscheiden ist eine additive und eine multiplikative Verknüpfung der Belastungsfaktoren. Multiplikativ bedeutet, dass sich die einzelnen Faktoren in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken bzw. sich jeweils bedingen. Dunckel betrachtet Mehrfachbelastungen als Kombination aus Handlungsanforderungen, also Arbeitsaufgaben, Regulationshindernissen wie Probleme bei der Aufgabenerfüllung (z.B. kleine Klassen, schwierige Schüler) und dem Handlungsspielraum. Bestimmte Merkmalskombinationen seien hier hinsichtlich der psychosozialen Gesundheit problematisch, so seine Annahme.[36] Empirische Befunde über Kombinationen von Belastungsfaktoren, die eine Mehrfachbelastung ergeben, existieren jedoch noch nicht.

Die dargestellten Modelle zeigen nur einen Ausschnitt aus den für Belastungs- und Beanspruchungsanalysen verwendeten Modellen, die die Belastungssituation von unterschiedlichen Seiten betrachten. Aufgrund der vielfältigen Analysemethoden ist es schwierig, Schlüsse im Hinblick auf die Belastungssituation zu ziehen, andererseits ist es notwendig, die verschiedenen Methoden anzuwenden, um die Komplexität der Lehrerarbeit und somit der Belastungssituation zu erfassen. Weitere Modelle zur Belastungsanalyse sind z.B. das Handlungsmodell oder das Modell der belastenden Lebens- und Tagesereignisse (hier geht es um außerberufliche Ereignisse).

2.3 Belastungsfaktoren im Lehrerberuf

Um die vorliegenden Untersuchungsergebnisse und Erkenntnisse über die Belastungen im Lehrerberuf strukturieren zu können, sollen sie, dem Beispiel Kramis-Aebischers folgend, drei Ebenen zugeordnet werden, der Organisationsebene, der Individuumsebene und der Systemebene. Dabei lassen sich Belastungen, die sich aus Problemen innerhalb des Kollegiums und der Schulgemeinschaft ergeben, auf der Organisationsebene ansiedeln; Belastungsfaktoren, die sich aus Persönlichkeitsmerkmalen und demographischen Merkmalen der Lehrerinnen und Lehrer ergeben, lassen sich auf der Individuumsebene lokalisieren, und die Belastungen, die sich aus den Berufsanforderungen, der Berufsrolle, der Berufssituation und den Anstellungsbedingungen, also aus objektiven Belastungen ergeben, lassen sich schließlich der Systemebene zuordnen.[37]

Die einzelnen Belastungsfaktoren lassen sich nicht trennscharf den einzelnen Ebenen zuordnen, da sie teilweise zusammenhängen und sich gegenseitig bedingen.

Die Fülle der Studien zur Belastung im Lehrerberuf ist sehr groß, allerdings gibt es eher wenige neuere Untersuchungen. Zu den neuesten Studien dieses Themenbereichs gehören die der folgenden Autoren: Redeker, Wegener u.a., Terhart u.a., Kramis-Aebischer und Schaarschmidt.[38], wobei Redeker allerdings nur Lehrkräfte der Sekundarstufe II einbezieht. Aus diesem Grund soll diese Studie hier vernachlässigt werden. Sehr viele der anderen Untersuchungen stammen aus den 80er Jahren.

Angesichts der Menge der Untersuchungen sollen im folgenden in erster Linie die neueren Untersuchungen vorgestellt werden und nur ergänzend auf ältere Studien eingegangen werden.

Ein generelles Problem bei der Deutung der Ergebnisse ergibt sich durch die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Studien, eingeschränkt vergleichbar deshalb, weil es sich beispielsweise um offene sowie geschlossene Fragestellungen handelt. Bei offenen Fragestellungen gibt es im Gegensatz zu geschlossenen keine vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Problematisch ist außerdem, dass sich bei geschlossenen Fragestellungen die vorgegebenen Belastungsfaktoren in ihrer Formulierung unterscheiden oder die Auswahl an Belastungsfaktoren unterschiedlich ist.

Bevor die einzelnen Belastungsfaktoren vorgestellt werden, soll das in einigen wenigen Studien ermittelte Ausmaß der wahrgenommenen Belastung aufgezeigt werden.

Kramis-Aebischer ermittelte bei der Befragung von 152 Lehrerinnen und Lehrern folgendes Ergebnis:

Bild 3: Die Berufsbelastungen der Lehrpersonen nach Kramis-Aebischer (Selbsteinschätzung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle[39])

Elbing und Dietrich ermittelten folgende Einstufungen der beruflichen Belastungen, von 300 Lehrpersonen:

Bild 4: Die Berufsbelastung von Lehrpersonen nach Elbing/Dietrich (Selbsteinschätzung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle[40])

Terhart u.a. stellten folgende Frage: Viele Lehrer fühlen sich gesundheitlich (physisch und psychisch) belastet. Trifft das auch für Sie zu?

Darauf antworteten 50 % der Lehrkräfte mit „Ja“, 44 % mit „Nein“.[41]

Alle drei Befragungen zeigen, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer belastet fühlen. Dass sich bei der Befragung von Terhart u.a. im Gegensatz zu den anderen beiden nur 50 % der Lehrkräfte belastet fühlt, könnte daran liegen, dass sie nur die Wahl zwischen ja und nein hatten, während bei den anderen Befragungen auch die Möglichkeit der mittleren Belastung gegeben war. Auf jeden Fall zeigen die Darstellungen unabhängig von der unterschiedlichen Fragestellungen, dass Lehrkräfte sich belastet fühlen. Welche objektiven Faktoren für dieses Belastungsempfinden verantwortlich sind und wovon dies sonst noch abhängt, soll im folgenden geklärt werden.

2.3.1 Belastungen auf der Organisationsebene

Mehrere Studien zeigen, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Lehrerinnen und Lehrer bei Befragungen nach Belastungsfaktoren Probleme mit Kollegen und der Schulleitung sowie der Schulaufsicht u. –behörde als belastend empfinden. So befragten Becker und Gonschorek 1988/1989 109 erfahrene Ausbildungslehrerinnen und –lehrer nach Belastungsfaktoren, die möglicherweise Ursachen für das Burnout-Syndrom darstellen. Von den 777 Nennungen entfielen113 (14,5 %) auf die Schulaufsicht, 79 (10,2 %) auf Kollegen und 76 (9,8 %) auf die Schulleitung (Prozentangaben vom Verfasser). Die Schulaufsicht nahm damit den zweiten von neun Rangplätzen ein, die Kollegen den fünften und die Schulleitung den siebten.

In Bezug auf die Schulaufsicht wirken die zahlreichen Gesetze, Erlasse und Verordnungen, die Abhängigkeit und Bevormundung erzeugen, belastend. Auch Ängste gegenüber Vorgesetzten oder deren mangelnde Anerkennung spielen hier eine Rolle. Probleme mit Kollegen entstehen beispielsweise durch mangelnde Offenheit untereinander, d.h. es findet kein Austausch über fachliche, methodische und organisatorischen Fragen statt. Dies führt dann zu einer Verschlechterung des Gruppenklimas. Auch die Unfähigkeit des Kollegiums, sich über Erziehungsgrundsätze zu einigen, wirkt in diesem Bereich als Belastung. Hinsichtlich der Schulleitung bereitet kleinliches, ungerechtes, bürokratisches Verhalten und eine Überbetonung sekundärer Arbeitstugenden (z.B. Ordnung, Sauberkeit...) Probleme.[42]

Ähnliche Ergebnisse sind auch bei Terhart u.a. zu finden. 31,6 % der 514 befragten Lehrerinnen und Lehrer gaben bei dieser ebenfalls offenen Fragestellung Schwierigkeiten mit der Schulaufsicht und –behörde einschließlich Schulleitung als belastend an, 28,5 % erleben Probleme mit Kollegen als besonders belastend. Bei der Frage mit vorgegebenen Belastungsfaktoren empfanden sogar ca. 60 % Bürokratie und juristische Hemmnisse als belastend und ca. 25 % fühlen sich allein gelassen.[43]

Kramis-Aebischer befragte ebenfalls 152 Lehrerinnen und Lehrer nach Belastungsfaktoren, und auch hier zeigen sich relativ hohe Werte in Bezug auf das Kollegium. 43 % belastet das Klima im Kollegium, ebenfalls 43 % leiden unter dem Gefühl des „Alleinseins“ in ihrem Beruf, und 42 % erleben ihre Stellung im Kollegium als Belastung.[44]

Die dargestellten Ergebnisse zur Belastung durch das Kollegium und die Schulgemeinschaft werden immer wieder in der Literatur bestätigt. So merkt auch Weddig die Hindernisse in der Lehrerarbeit, die sich durch die übergeordneten Behörden ergeben, an und weist ebenso auf die häufig zu beobachtende Festgefahrenheit innerhalb des Lehrerkollegiums hin, die Neuerungen zum Prüfstein für Ausdauer und Standhaftigkeit werden lässt.[45]

Auch Rudow berichtet von einer Studie, in der 49 % der 44 befragten Lehrerinnen und Lehrer über Schwierigkeiten im Umgang mit Kollegen, Schulleitern und der Schulaufsicht klagen. Belastungen ergeben sich beispielsweise aus Angst vor dem Schulleiter, Rivalitäten im Kollegium, Abhängigkeiten von Vorgesetzten oder fehlendem Durchsetzungsvermögen im Kollegium. Belastend wirken sich ebenfalls unterschiedliche pädagogische Wertvorstellungen zu Bildungs- und Erziehungszielen aus.[46]

Immer wieder berichten Lehrer auch von der aus den dargestellten Problemen entstehenden „Einzelkämpfer-Situation“, die allerdings auch schwierig zu durchbrechen zu sein scheint, denn die Kooperationsbeziehungen sind im Gegensatz zu anderen Berufen im Lehrerberuf nicht geregelt. Die Schulleitung kann „Lehrpersonen höchstens informieren, anregen oder begeistern. Lehrpersonen jedoch zu verändertem Denken und Handeln zu führen ist schwierig, da die relative Autonomie der Lehrpersonen eine Eigendynamik hat.“[47]

Aufgrund der o.g. Sachlage ist ein Vergleich der verschiedenen Studien schwierig, auch wird oft nicht deutlich, von welchen Personengruppen insbesondere die Belastungsfaktoren auf der Organisationsebene als belastend empfunden werden. Terhart u.a. und besonders Schaarschmidt bilden hier eine Ausnahme. So stellten Terhart u.a. fest, dass das Gefühl des „Alleingelassenseins“ und somit auch die Belastung durch Kollegen auf alle Lehrer zutrifft, unabhängig von Alter und Schulform. Von der Schulaufsicht belastet fühlen sich am ehesten Grundschullehrer und Gymnasiallehrkräfte, unter Bürokratie und juristischen Hemmnissen leiden vor allem die 40-45jährigen.[48] Kramis-Aebischers Kollektivstudie zeigt in Bezug auf Alter und Geschlecht keine signifikante Korrelation zu den von ihr ermittelten Berufsbelastungen.[49]

Trotz der Problematik in den Untersuchungen wird deutlich, dass die dargestellten Belastungsfaktoren bei der Belastungssituation eine wesentliche Rolle spielen. Bedenklich sind die Ergebnisse aber besonders dann, wenn den Hinweisen in der Literatur über den Zusammenhang von psychischer Erschöpfung und dem Klima an der Schule Rechnung getragen wird. „Eine Befragung von 1000 Lehrern, die an Haupt-, Real-, und Berufschulen sowie an Gymnasien unterrichten, ergab: je gerechter und kompetenter die Pädagogen ihr Kollegium empfinden, desto seltener kommt es zu psychischer Erschöpfung“[50]

„Wie Friedmann aufzeigen konnte, besteht ein hoher Zusammenhang zwischen ausgebrannten Lehrkräften einer Schule und deren Teamfähigkeit.“[51]

Auch Rudow berichtet von einem festgestellten signifikanten „Zusammenhang zwischen dem Leitungsstil des Direktors, der Arbeitsatmosphäre an der Schule, der Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer zum Kollegium und dem Krankenstand.“[52] Dies sind nur einige Beispiele zu diesem in der Literatur häufig genannten Zusammenhang.

Es bleibt noch anzumerken, dass es sich bei den aufgezeigten Belastungsfaktoren um subjektive Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer handelt, die, folgt man dem Rahmenmodell zur Belastung und Beanspruchung Rudows, mit den individuellen Eigenschaften und auch mit den Arbeitsanforderungen und Arbeitsbedingungen in Zusammenhang gebracht werden müssen, damit Ansätze für Veränderungen zur Verminderung der Belastungen gefunden werden können.

Da Schaarschmidt in seiner Untersuchung eine Methode anwendet, in denen sich die persönliche Art und Weise der Auseinandersetzungen mit den Berufsanforderungen widerspiegelt, möchte ich diese kurz vorstellen und dann seine Ergebnisse zu den Belastungsfaktoren auf der Organisationsebene präsentieren.

Schaarschmidt führte bei 3000 Lehrerinnen und Lehrern aus verschiedenen Regionen eine Befragung durch, die das individuelle Muster des arbeitsbezogenen Verhaltens und Erlebens mittels des von Schaarschmidt und Fischer entwickelten diagnostischen Instruments AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebnismuster) erfasst. Drei Bereiche des Verhaltens und Erlebens werden mit dem AVEM berücksichtigt: das Arbeitsengagement, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und die Emotionen. Daraus ergeben sich dann vier stabile Muster, die einerseits psychische Gesundheit, andererseits gesundheitliche Risiken aufzeigen: Muster G: Gesundheit, Engagement, Belastbarkeit, Zufriedenheit, Muster S: Schonung, wenig Engagement, Ruhe und Ausgeglichenheit, Zufriedenheit, Risikomuster A: überhöhtes Engagement, Verausgabungsbereitschaft, eingeschränkte Belastbarkeit, geringe Zufriedenheit, Risikomuster B: wenig Engagement, eingeschränkte Belastbarkeit, hohe Resignationstendenz, sehr geringe Zufriedenheit.

In den verschiedenen Mustern spiegelt sich die Art und Weise der Auseinandersetzung mit den Berufsanforderungen wider.

Die Ergebnisse weisen auf einen hohen Prozentsatz von Lehrkräften hin, die den Risikomustern A und B zuzuordnen sind.[53] In Niedersachsen beispielweise gehören 35 % dem Risikomuster B an, 27 % dem Risikomuster A, 25 % dem Muster S und nur 13 % dem Muster G.

Auch in dieser Untersuchung hatten die Lehrerinnen und Lehrer die Aufgabe, verschiedene Belastungssituationen zu bewerten. Die Angaben des Belastungsgrades wurden nach der jeweiligen Musterzugehörigkeit differenziert. Die Beziehung zu Kollegen rangiert bei den niedersächsischen Lehrern von 22 Plätzen auf dem 18. Platz, die Beziehung zum Schulleiter auf dem 19. und die Zusammenarbeit mit der Schulverwaltung auf dem 20. Im Gegensatz zu den anderen Untersuchungen nehmen die Belastungsfaktoren der Organisationsebene hier also einen insgesamt niedrigeren Stellenwert ein. Am belastendsten werden die Situationen vom Risikomuster B empfunden, dann folgt das Risikomuster A, daraufhin das Muster S und schließlich das Muster G.[54]

Bei dieser Art der Untersuchung zeigt sich also der persönliche Stil der Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen und den Arbeitsanforderungen, welcher sich somit auf die Beanspruchungssituation auswirkt. Förderlich ist eine solche Untersuchung für die gezielte Verbesserung der Ressourcen bei der Belastungsbewältigung.

2.3.2 Belastungen auf der Individuumsebene

Lehrer und Lehrerinnen neigen häufig dazu, Belastungssituationen auf ungünstige Rahmenbedingungen zurückzuführen. Subjektiv werden diese objektiven Faktoren aber sehr unterschiedlich verarbeitet, weshalb man sagen kann, dass sich Lehrerinnen und Lehrer Belastungssituationen häufig selber schaffen.

Im Laufe des Berufslebens entwickelt sich ein System von Mustern der Wahrnehmung, ein „Persönliches Paradigma“, das von übergreifenden leitmotivischen Sätzen, z.B. „Ich muss auf alles eine perfekte Antwort wissen“ gesteuert wird. Diese Wahrnehmungsmuster steuern das Unterrichtserleben und können dazu führen, dass die berufliche Anforderungssituation als ständige Belastung wahrgenommen wird.[55]

Belastungen, die also aus Wahrnehmungsprozessen, Emotionen und Selbstkonzepten der Lehrkräfte resultieren, lassen sich demnach auf der Individuumsebene ansiedeln. Außerdem bestimmen auf dieser Ebene demographische Faktoren wie z.B. Alter, Geschlecht, Berufserfahrung, aber auch private Lebensereignisse eine Rolle.

Wichtig ist auf dieser Ebene auch das Stichwort der Selbstbelastung. „Darunter verstehen wir die Belastung, welcher sich der Lehrer bzw. die Lehrerin aufgrund oft verfestigter und sogar automatisierter Verhaltensweisen bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben selbst aussetzt. Es ist also der Anteil der psychischen Belastung, welcher in erster Linie durch individuelle Handlungsvoraussetzungen determiniert ist. Dazu zählen vor allem das Sprechverhalten, Konflikthandhabungsstile, unrealistische Einstellungen zum Beruf, fehlende fachliche Kompetenzen für bestimmte Unterrichtsfächer u.a.m..“[56]

Besonders bedeutsam sind in der Lehrerarbeit folgende Handlungsvoraussetzungen: Motive und Einstellungen zum Beruf, soziale Handlungskompetenz, pädagogische Qualifikation, Berufserfahrungen, psychovegetative Stabilität und körperliche Leistungsfähigkeit.[57] Probleme in diesen individuellen Bereichen können schnell zu Belastungen führen.

Nach individuellen Problemen befragten Terhart u.a. 514 Lehrer. Dem Punkt „Schüler werden mir immer fremder“ stimmten durchschnittlich 15 % der befragten Lehrer zu, wobei die Hauptschullehrer mit 22 % den größten Anteil ausmachen. Organisation nicht genügend gelernt zu haben, empfinden ca. 12 % der Männer als Belastung und 16 % der Frauen. Sich den eigenen beruflichen Problemen nicht stellen zu können, scheint für insgesamt eher weniger Lehrkräfte eine Belastung darzustellen, nämlich für durchschnittlich 5 %. Die eigene Überforderung geben 8,1 % als Belastungsfaktor an. Diese individuellen Probleme scheinen einen eher geringeren Stellenwert im Belastungserleben einzunehmen. Belastender werden offensichtlich mangelhafte Kompetenzen wahrgenommen. Einem Mangel an therapeutischer Kompetenz stimmen durchschnittlich 43 % der Männer und 58 % der Frauen zu, wobei der Anteil an Grund- und Hauptschullehrern größer ist.

Mangelhafte pädagogisch-psychologische Kompetenz empfinden ca. 33 % der 30-35jährigen Lehrkräfte als Belastung, aber nur ca. 18 % der 55-60jährigen.[58] Dies könnte vielleicht als Ausdruck der längeren Berufserfahrung gewertet werden. Trotz der relativ hohen Prozentzahlen gehören die Faktoren auch noch zu den eher weniger belastenden.

Mangelnde Qualifikation als Belastungsfaktor nimmt auf Becker und Gonschoreks Rangliste den letzten Platz ein. Auch hier zeigt sich wie bei Terhart, dass die individuellen Lehrerprobleme eher als weniger belastend empfunden werden, allerdings wurden hier Ausbildungslehrer befragt, die als besonders engagiert und qualifiziert gelten, weshalb Becker und Gonschorek darauf hinweisen, dass sich das Befragungsergebnis hier sicher nicht generalisieren lässt.[59]

Schaarschmidt ermittelte den Belastungsgrad, der sich aus dem eigenen Gesundheitszustand der Lehrkräfte ergibt. Von 22 Rangplätzen belegt dieser Faktor den 14. Platz, dabei fällt auf, dass die Risikomuster A und B (also ca. 62 %) diesen Faktor wesentlich belastender empfinden als die Muster G und S, aber ihm auch eher nur einen mittleren Belastungsgrad zuspricht.[60] Da sich das Belastungsempfinden auch wieder ungünstig auf den Gesundheitszustand auswirken kann, und dieser dann wieder das Belastungsempfinden verstärkt, besteht die Gefahr der Entstehung eines Kreislaufes, aus dem ein Ausweg zunehmend schwierig wird.

Außer des Gesundheitszustandes lassen sich bei dieser Untersuchung keine weiteren Belastungsfaktoren finden, die sich auf der Individuumsebene ansiedeln ließen. Dieses hat wohl den Grund, dass durch die Mustereinteilung solche Faktoren im Wesentlichen erfasst sind.

Etwas ausführlicher soll hier zuletzt auch die Studie Kramis-Aebischers vorgestellt werden. Auch sie hat den 152 Lehrkräften Belastungsfaktoren, die die individuelle Ebene betreffen, zur Einschätzung vorgegeben und erhielt dabei folgende Ergebnisse:

Bild 5: Die wichtigsten Berufsbelastungen der Lehrpersonen (Auszug)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle[61])

In den Faktoren a) und b) spiegelt sich meines Erachtens nach die Einstellung zum Beruf wieder, in c), d), e) und f) die Emotionen und in h), i), j) und k) verschiedene Kompetenzen. Die Emotionen werden hier durchschnittlich als am meisten belastend empfunden, allerdings bewegen sich alle diese individuellen Faktoren vom Belastungsgrad her im Mittelfeld. Eine Tendenz , die auch in den anderen Studien zu erkennen war.

Anzumerken ist bei Belastungsfaktoren der Individuumsebene generell, dass sie in sehr vielen Studien gar nicht berücksichtigt werden, wesentlich häufiger handelt es sich bei den vorgegebenen einzuschätzenden Faktoren um solche, die die allgemeinen Anforderungen im Beruf, die Arbeitssituation und die Berufsrolle betreffen.

Probleme auf dieser Ebene wirken sich natürlich auch auf die Belastungsfaktoren der anderen Ebenen aus. Ein Lehrer oder eine Lehrerin, die sich gesundheitlich gut fühlt, eine positive Einstellung zum Beruf hat und sich auch noch kompetent fühlt, wird wahrscheinlich auch andere Situationen, z.B. große Klassen oder ein geringes Interesse seitens der Schüler weniger belastend erleben als Lehrkräfte mit schlechteren Leistungs- Handlungs- und gesundheitlichen Voraussetzungen.

Insgesamt lässt sich den Studien entnehmen, dass individuelle Probleme anscheinend weniger belastend empfunden werden als viele andere Faktoren, die sich beispielsweise aus den Arbeitsanforderungen und –bedingungen ergeben. Eine Vermutung meinerseits wäre in dieser Hinsicht, dass sich zahlreiche Lehrer gar nicht eingestehen möchten, dass sich viele Probleme durch die eigene Person ergeben. Natürlich ist es einfacher, die Probleme auf andere Bedingungen zurückzuführen, die man ohnehin nicht ändern kann, anstatt an sich selbst zu arbeiten, um die Lage zu verbessern. Wer gibt auch schon gerne zu, sich in mancher Hinsicht für inkompetent zu halten oder psychisch instabil zu sein? Möglich ist auch, dass einem Teil der Lehrkräfte wirklich nicht bewusst ist, dass die Probleme bei ihnen liegen und es ihnen daher schwerfällt, Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Bewältigung der Belastungen zu finden.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Faktoren Alter und Geschlecht eingehen. Auffallend ist, dass sie in vielen Studien bei der Ermittlung der Belastungsfaktoren nicht berücksichtigt werden, obwohl dies teilweise von entscheidender Bedeutung ist. Daher kann ich lediglich Tendenzen hinsichtlich dieser Belastungsfaktoren aufzeigen.

Lehrerinnen fühlen sich häufig durch die Doppelbelastung, die sich aus den zwei Arbeitsplätzen Haus und Schule ergibt, durch den immer noch fortdauernden Kampf um Autorität und durch die teilweise ungünstigen Zeitstrukturen (z.B. durch Konferenzen am Nachmittag), die trotz möglicher Teilzeitarbeit gegeben sind und schwer mit der Familie in Einklang zu bringen sind, stärker belastet als Männer.[62] Ulich berichtet in diesem Zusammenhang von einer Studie, die Häbler und Kunz 1985 durchführten. In fast allen Tätigkeiten erlebten Frauen hier stärkere Belastungen als Männer mit Ausnahme der Verwaltungsarbeiten. Insbesondere durch schülerspezifische Probleme sind Lehrerinnen, vor allem die älteren, stärker belastet als Lehrer.[63] Ursache dafür ist, dass sich Lehrerinnen stärker als Lehrer auf Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern einlassen und ihnen auch als Ansprechpartner für persönliche Probleme zur Verfügung stehen. Dies ergab ein Studie von Katrin Flaake.[64]

Ein weiteres Ergebnis der Studie von Häbler/Kunz ist der Anstieg des Belastungserlebens bei 47 % der Lehrerinnen und Lehrer im Laufe ihrer Berufstätigkeit. Dies ist unter anderem auf die mit zunehmendem Alter einhergehende sinkende Leistungsfähigkeit zurückzuführen.

Ein ähnliches Ergebnis hat Terhart vorzuweisen. Auch er fragte 514 Lehrerinnen und Lehrer 1992 nach der Veränderung einiger Faktoren im Laufe ihrer Biographie, u.a. nach der Belastbarkeit im Berufsleben. 57,5 % gaben hierbei eine im Laufe der Zeit gesunkene Belastbarkeit an, bei 32,7 % ist sie gleich geblieben und nur bei 9,8 % gestiegen. Passend zu diesem Ergebnis zeigte sich auch hinsichtlich der Frage, ob man sorgen- oder hoffnungsvoll in die Zukunft sieht, eine klare Altersabhängigkeit. Während knapp 15 % der 30-35jährigen eher sorgenvoll in die Zukunft schaut, tun dies bei den 55-60jährigen schon knapp 30 % und gut 20 % der 55-60jährigen gaben sogar an, keine Hoffnungen mehr zu haben.[65]

Schaarschmidt zeigt allerdings auch, dass sich ältere Lehrerinnen und Lehrer häufig fachlich und erzieherisch kompetenter fühlen als jüngere, was mit einem höheren Maß an Zufriedenheit einhergeht. Dies dürfte wohl auf die größere Berufserfahrung zurückzuführen sein. Eine höhere Leistungsbereitschaft konnte er ebenfalls bei den älteren Lehrerinnen und Lehrer ermitteln, wodurch allerdings in dieser Altersgruppe auch eine bedenkliche Tendenz zur Selbstüberforderung erkennbar ist, die stark belastend wirkt.[66]

Wie man sieht, spielen also individuelle Faktoren wie das Alter oder das Geschlecht beim Belastungserleben eine bedeutende Rolle, die in den Studien über die Belastung im Lehrberuf mehr Berücksichtigung finden sollten, damit die Forschung nach geeigneten Bewältigungsstrategien personengruppenspezifischer durchgeführt werden kann.

2.3.3 Belastungen auf der Systemebene

Die meisten Untersuchungen befassen sich im Hinblick auf die Belastungsfaktoren mit den objektiven Faktoren, also mit Faktoren, die sich aus den Berufsanforderungen und der Berufssituation ergeben. Die dabei angewendeten Forschungsansätze können den reizorientierten Belastungsmodellen zugeordnet werden. In der Tat ist es so , dass die zunehmende Belastung der Lehrenden in der Schule in weiten Teilen auf die verschlechterten Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist. Lehrerinnen und Lehrer werden mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, ohne dass sie durch Ausbildung oder Weiterbildung die dafür erforderlichen Kompetenzen erwerben konnten.

Aus den meisten Studien geht hervor, dass Probleme mit verhaltensauffälligen, uninteressierten Schülern den wichtigsten Belastungsfaktor darstellen. Terhart u.a. ermittelten, dass durchschnittlich ca. 50 % der Lehrer zu viele schwierige Schülerinnen und Schüler als Belastung erleben. Dabei bestätigt sich die Erwartung, dass wesentlich mehr Lehrer und Lehrerinnen an Grund- und Hauptschulen dieser Belastung ausgesetzt sind (gut 60 %und knapp 70 %) als Gymnasial- und Realschullehrer und –lehrerinnen. (20 % und 45 %).[67]

Uninteressierte Schüler und Schülerinnen stehen auch bei Kramis-Aebischer an der Spitze der belastenden Faktoren mit immerhin 77 %. Schüler und Schülerinnen mit Verhaltenauffälligkeiten empfinden 66 % der befragten Lehrkräfte als Belastung.[68]

Schaarschmidts Ergebnisse machen hier keine Ausnahme. Das Verhalten schwieriger Schüler steht hier ebenfalls an der Spitze. Dieser Faktor wirkt auf alle Muster (G, S ,A ,B) belastend, wenn auch die Risikomuster A und besonders B und somit die Mehrheit der Lehrerschaft diesen Faktor als am meisten belastend einschätzen.[69] Und schließlich bestätigen auch Becker und Gonschoreks Untersuchung diese Ergebnisse. Belastung durch Problemschüler liegt hier mit 145 von 777 Nennungen auf dem ersten Platz.[70]

Ohne weiteres könnte diese Liste der Untersuchungen, die ähnliche Ergebnisse zeigen, erweitert werden. Wegener u.a., die 513 Lehrkräfte, die an Gymnasien, Realschulen, Grund- und Hauptschulen unterrichten, nach ihren psychomentalen Belastungen und Beanspruchungen befragten, konnten durch ihre Korrelationsstudien einen eindeutigen Zusammenhang von pädagogischen Problemen, z.B. Disziplinlosigkeit von Schülerinnen und Schülern, mit der Erschöpfbarkeit der Lehrkräfte feststellen.[71]

[...]


[1] Focus (2001).

[2] Der Spiegel (1993).

[3] Vgl. Wegner, R.; Ladendorf, B.; Mindt-Prüfert, S. Poschadel, B. (1998), S. 249.

[4] Grimm, M.A. (1993), S. 12.

[5] Jung-Strauss, E.M. (2000), S. 70-78.

[6] Ebenda, S. 77.

[7] Bauer, K.O.; Kopka, A.; Brindt, S. (1999)

[8] Vgl. Bauer K.O.; Kopka A.; Brindt S. (1999), S. 113-160.

[9] Bromme, R.: Zur empirischen Analyse beruflichen Wissens von Lehrer – Fachwissen ist mehr als Stoff und Menschenkenntnis. In: Schönwälder, H.-G. (Hrsg.) Lehrerarbeit, Freiburg 1987, S. 52, zit. nach: Ulich K. (1996), S. 24.

[10] Vgl. Barth A.-R. (1992), S. 93-96.

[11] Ebenda S. 89.

[12] Vgl. Grunder, H.-U.; Bieri, T. (1995), S. 92.

[13] Ulich, K. (1996), S. 27.

[14] Der Spiegel (1993).

[15] Der Spiegel (1991).

[16] Focus (2001)

[17] Ebenda, S. 93.

[18] Focus (2001), S. 64.

[19] Brockhaus 2000.

[20] Schönwälder, H.-G. (1989), S. 11.

[21] Vgl. Rudow, B. (2000), S. 36.

[22] ISO 10075. Ergonomic principles related to mental work-load – General terms and definitions, 1991, zit. nach: Rudow, B. (2000), S. 36.

[23] Vgl. Ulich, K. (1996), S. 65.

[24] Vgl. Rudow (2000), S. 38.

[25] Rudow (1990), S. 6

[26] Vgl. Grunder, H.-U.; Bieri, T. (1995), S. 97.

[27] Vgl. Rudow, B. (2000), S. 36.

[28] Vgl. Rudow, B. (2000), S. 38-43.

[29] Vgl. Rudow, B. (2000), S. 129-133.

[30] Vgl. Rudow, B. (1994), S. 76.

[31] Vgl. Grimm, M.A. (1993), S. 25.

[32] Vgl. Kramis-Aebischer (1995), S. 30.

[33] Lazarus, R.S. (1966).

[34] Lazarus, R.S.: Stress und Stressbewältigung – ein Paradigma, in: Filipp, S.-H. (Hrsg.): Kritische Lebensereignisse, München 1990, zit. nach: Grimm, M.A. (1993), S. 26.

[35] Rudow, B. (1994), S. 86.

[36] Vgl. Dunckel, H.: Mehrfachbelastung und psychosoziale Gesundheit, in: Greif, S.; Bamberg, E.; Semmer, N. (Hrsg.): Psychischer Stress am Arbeitsplatz, Göttingen 1991, S. 154-167, zit. nach: Stähling, R. (1998), S. 16-17.

[37] Vgl. Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 98.

[38] Redeker, S. (1993); Wegener u.a. (1998); Terhart, E. u.a. (1994); Kramis-Aebischer (1995); Schaarschmidt, U. (1999).

[39] Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 205.

[40] Elbing, E.; Dietrich, G.: Lehrerurteile zu Aspekten ihrer Berufssituation; Teil I. München 1982, S. 45, zit. nach: Ulich, K. (1996), S. 76.

[41] Vgl. Terhart u.a. (1994), S. 221.

[42] Vgl. Becker, G.E.; Gonschorek, G. (1989), S. 11-12.

[43] Vgl. Terhart, E. u.a. (1994), S. 211-219.

[44] Vgl. Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 205-207.

[45] Vgl. Weddig, B. (1989), S. 9.

[46] Vgl. Rudow,B. (2000), S. 55-56.

[47] Vgl. Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 111.

[48] Vgl. Terhart u.a. (1994), S. 217-218.

[49] Vgl. Kramis-Aebischer (1995), S. 178.

[50] Blech, J. (1999).

[51] Friedmann, I.A.: High- and low-burnout schools. School culture aspects of teacher burnout, in: Journal of Educational Research, 84 (6), 325-333, zit. nach: Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 110.

[52] Rudow, B. (2000), S. 56.

[53] Vgl. Schaarschmidt, U.; Kieschke, U. Fischer, A.W.: Beanspruchungsmuster im Lehrerberuf, S 244-250, 254 in: Schaarschmidt, U. (1999), S. 244-268.

[54] Vgl. Schaarschmidt, U.; Kieschke, U. Fischer, A.W.: Beanspruchungsmuster im Lehrerberuf, S. 258 in: Schaarschmidt, U. (1999), S. 244-268.

[55] Vgl. Burow, A.-O. (1998), S. 20-21.

[56] Rudow, B. (2000), S. 40.

[57] Vgl. ebenda.

[58] Vgl. Terhart u.a. (1994), S. 211-219.

[59] Vgl. Becker, G.E.; Gonschorek, G. (1989), S. 13.

[60] Vgl. Schaarschmidt, U. (1999), S. 258.

[61] Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 205-206.

[62] Vgl. Bremer, Ilse: Ich bin eine zweigeteilte Frau. Belastungen von Frauen in der Schule, in: Gudjons, H. (1993), S. 21-25.

[63] Vgl. Häbler, H.; Kunz, A.: Qualität der Arbeit und Verkürzung der Arbeitszeit in Schule und Hochschule, München 1985, zit. nach: Ulich, K. (1996), S. 81-82.

[64] Vgl. Flaake, Karin: Grenzenlose Wünsche-Beschränkte Möglichkeiten. Lehrerinnen und Entlastungsmöglichkeiten, in: Gudjons, H. (1993), S. 134.

[65] Vgl. Terhart, E. (1997), S. 8.

[66] Vgl. Schaarschmidt, U. (1998), S. 12.

[67] Vgl. Terhart, E. u.a. (1994), S. 217.

[68] Vgl. Kramis-Aebischer, K. (1995), S. 205.

[69] Vgl. Schaarschmidt, U. (1999), S. 258.

[70] Vgl. Becker, G.E.; Gonschorek, G. (1989), S. 11.

[71] Vgl. Wegener u.a. (1998), S. 256.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Belastungen im Lehrerberuf und Aspekte der Bewältigung
Hochschule
Universität Lüneburg  (Schulpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
79
Katalognummer
V14370
ISBN (eBook)
9783638197892
ISBN (Buch)
9783638698917
Dateigröße
2076 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Belastungen, Lehrerberuf, Aspekte, Bewältigung
Arbeit zitieren
Anne Urbutt (Autor:in), 2001, Belastungen im Lehrerberuf und Aspekte der Bewältigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14370

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