Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG)

Entstehung und Inhalt des französischen Plans zur Schaffung einer EVG


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Sicherheitspolitische Ausgangslage

2. Initialereignisse um die Diskussion über einen Verteidigungsbeitrag Westdeutschlands
2.1. Koreakrieg
2.2. Aufrüstung in der DDR

3. Forderungen nach westdeutscher Remilitarisierung
3.1. Vorschläge einer Europa- Armee
3.2. New Yorker Außenministerkonferenz

4. Französischer Plan für eine Europäische Armee (Pleven-Plan)
4.1. Politische Ausgangssituation Frankreichs
4.2. Umsetzung
4.3. Inhalt
4.4. Innerpolitischer französischer Diskurs

5. Vom Pleven-Plan zur EVG
5.1. Parallelverhandlungen der Bundesregierung
5.2. Modifikation und Implementierung deutscher Interessen

6. Adenauers Haltung zur EVG

7. Synopsis

8. Literaturverzeichnis

1. Sicherheitspolitische Ausgangslage

Die europäischen Staaten befanden sich nach Ende des zweiten Weltkrieges zwischen sich zwei gegenüberstehenden antagonistischen Systemen. Deutschland stand als Nahtstelle zwischen Ost und West mit seiner militärstrategischen Schlüsselposition im Blickpunkt der Supermächte. Nachdem sich die beiden deutschen Staaten konstituiert hatten, stand bald die Frage nach Sicherheit im Vordergrund. Bereits im Herbst 1948 sagte Konrad Adenauer zu dem Politiker und späterem französischen Ministerpräsident Georges Bidault: „Sie werden in drei Jahren Truppen von uns verlangen.“[1] Adenauer bewies bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Weitblick und sollte dieses Fernziel auch verwirklichen können. Doch auf dem Weg zum westdeutschen Verteidigungsbeitrag galt es noch viele Hürden zu meistern. Nachfolgend wird in Einbeziehung der weltpolitischen Zusammenhänge die Entstehung und der Inhalt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) erläutert. Besonders wird auf die Rolle Frankreichs und den Vorschlag des französischen Ministerpräsidenten René Pleven eingegangen, der Grundlage und Anfang einer Idee für ein europäisches kontinentales Militärbündnis war. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Rolle des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer von wichtiger Bedeutung. Maßgeblich und nachhaltig prägte und gestaltete er den Prozess und die Fortentwicklung des französischen Plans unter Einbeziehung deutscher Interessen. Zwei Grundkonstanten, einerseits das französische Sicherheitsbedürfnis und die damit verbundene Ablehnung der Schaffung einer deutschen eigenständigen Nationalarmee und andererseits das deutsche Streben nach Gleichberechtigung und Souveränität, charakterisieren die Verhandlungen über die EVG, auf die näher eingegangen wird. Nicht nur Sicherheitspolitik im Weltmaßstab betrieben die Westmächte im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung Deutschlands, sondern auch europäische Integration. Hieran gekoppelt und damit unteilbar verbundene Voraussetzung für den europäischen Einigungsprozess ist auch die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich, die auch ein Hauptanliegen Adenauers war.

2. Initialereignisse um die Diskussion über einen Verteidigungsbeitrag Westdeutschlands

Entscheidend wurde die weltpolitische Situation vor allem durch den Konflikt in Korea beeinflusst, der als Katalysator die Verteidigung Westeuropas vorantrieb[2]. Unmittelbarer in Westdeutschland wahrgenommen als die ideologische Auseinadersetzung in Südostasien, die schließlich in einem Krieg endete, war die Aufstellung von paramilitärischen Einheiten in der Deutschen Demokratischen Republik. Beide Begebenheiten verdeutlichen den virulent gewordenen Ost-West-Konflikt, der maßgeblich das Sicherheitsbewusstsein der Westdeutschen und Alliierten beeinflusst hat und dazu führte, dass „[…] man sich militärtechnisch auf eine neue westdeutsche Streitmacht angewiesen sah, die nun propagiert wurde.“[3]

2.1. Koreakrieg

Ein Aufeinandertreffen der beiden Machtprojektionen in Mitteleuropa wurde dadurch verhindert, dass sie sich die Waage hielten. Unter der sicherheitspolitischen ‚Käseglocke’ waren die Europäer nicht in der Lage einen eigenen militärischen Standpunkt zu entwickeln. Die Ursache hierfür war, dass nur die beiden Supermächte „ […] über das Arcanum der modernen Souveränität […]„[4], die Atombombe, verfügten. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Sicherheit in Europa von zwei sich feindlich gegenüberstehenden Mächten bestimmt wird; aber auch, dass die Bedrohungsperzeption nicht ansteigt, solange ein Machtgleichgewicht gehalten wird. Das Machtgleichgewicht wurde aber dadurch beeinflusst, dass in die Beurteilung der Lage, aufgrund des nachfolgend erläuterten Konfliktes in Korea, nun nicht nur mehr Atomwaffen einflossen, sondern auch die Konventionalstreitkräfte. Das Kräfteverhältnis der Landstreitkräfte in Europa verzeichnete eine eindeutige Übermacht der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten; mit einem Verhältnis von 15 zu 103 bei den stationierten Divisionen und von 1.000 zu 20.000 bei den Flugzeugen war dies mehr als deutlich[5]. Vor diesem Hintergrund löste die Nachricht vom Beginn des Koreakrieges weltweit einen Schock aus. Am 25. Juni 1950 begann der Angriff der nordkoreanischen Truppen auf Südkorea. Das amerikanische Außenministerium verkündete wenige Tage nach dem Angriff, dass der Kommunismus nun von Systemumstürzen durch Subversion zu bewaffneter Aggression übergeht[6]. Der Angriffswelle der Nordkoreaner hatte der Süden nichts entgegenzusetzen. Erst mit Hilfe der Amerikaner und einer Gegenoffensive konnte die südkoreanische Hauptstadt Seoul am 26. September 1950 zurückerobert werden. Dieses Beispiel zeigte, wie verheerend es war, sich alleine auf das atomare Übergewicht der USA zu verlassen und die konventionelle Rüstung zu vernachlässigen[7] ; zumal doch eine gewisse Parallele zwischen dem Schicksal des geteilten Deutschland und dem geteilten Korea bestand. Die Westalliierten befürchteten, dass „[…] die Sowjetunion auch die Demarkationslinie in Europa überschreiten könnte […]“[8]. Somit war in militärischen Kreisen der NATO, besonders bei den Amerikanern und den Briten, die Meinung vorherrschend, dass ein deutscher Beitrag zur Verteidigung des Westens, ausgehend auf der Tatsache, dass die NATO über keine nennenswerten Landstreitkräfte in Westeuropa verfügte und ein Aufhalten der Roten Armee erst ab den Pyrenäen möglich wäre, unabdingbar sei[9].

2.2. Aufrüstung in der DDR

Am 29. August 1950 bittet Bundeskanzler Adenauer in einem Memorandum über die Sicherung des Bundesgebiets nach innen und außen an den geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland McCloy, die Alliierten die Sicherheitslage in Westdeutschland zum Gegenstand der Beratungen auf der kommenden Außenministerkonferenz in New York zu machen. Im Kern weißt Adenauer auf die Lage in Fernost hin, die in der Deutschen Bevölkerung zu einer Lethargie geführt habe. Besonders die sich in der sowjetischen Zone befindlichen Besatzungstruppen und die Anstrengungen der DDR, eigene ostdeutsche paramilitärische Kräfte[10] aufzustellen führten zu einer Bedrohung. Anlass zur Sorge bereitete Adenauer vor allem das Kräftemissverhältnis zwischen Ost und West; so haben die Sowjets in Ostdeutschland rund 22 einsatzbereite Divisionen, während die westlichen Besatzungstruppen nur etwa ein Viertel dieser Stärke hatten. Im Hinblick auf die Aufrüstung in der sowjetischen Besatzungszone mahnte Adenauer an, dass die Bundesrepublik der Volkspolizei und den Grenztruppen nichts entgegenzusetzen hat, oder pragmatischer mit Adenauers eigenen Worten ausgedrückt: „Militärisch gesehen waren wir Deutsche vollkommen wehrlos […]“[11]. Aus diesem Grund forderte der Kanzler die Verstärkung der Besatzungstruppen; auch um die Bereitwilligkeit zur Verteidigung des Bundesgebietes zu signalisieren. Adenauer erklärte weiterhin die Bereitschaft, „ […] im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten.“[12] Dieser Vorstoß des Bundeskanzlers, in offensive Form in die sicherheitspolitische Debatte eigenmächtig einzugreifen, traf nicht bei allen Mitgliedern des Kabinetts auf Wohlwollen, zumal dieser Schritt vorher nicht in der Bundesregierung diskutiert worden war[13]. Der damalige Bundesinnenminister und spätere Bundespräsident Heinemann sah sogar im Vorgehen Adenauers den „[…] Anlass, im Oktober 1950 seinen Rücktritt einzureichen.“[14]

3. Forderungen nach westdeutscher Remilitarisierung

Im Jahr 1949 waren sich die Westalliierten noch einig darüber, dass nie wieder eine Bedrohung von Deutschland ausgehen darf. Die Wiederbewaffnung stand nicht zur Debatte. Die Militärs bewerteten die Lage allerdings anders; für sie war auch schon 1949 ein Verteidigungsbeitrag der Westdeutschen nicht ausgeschlossen. Sie erbrachten Vorschläge, die schwachen NATO Verbände durch Eingliederung westdeutscher Truppenverbände zu stärken[15] – solche Eingaben fanden aber kein positives Echo bei den westlichen Regierungen. Gleichwohl erkannten und bewerteten die Alliierten das Problem der Sicherheit Westeuropas, wenn auch nicht in gleichem Maße wie nach dem Ausbruch des Koreakrieges, und machten Vorschläge, die aus heutiger Sicht als Präventivmaßnahmen angesehen werden können. So schlug der britische Außenminister Bevin vor, eine Bundespolizei aufzustellen[16], die entsprechend der ostdeutschen Volkspolizei konstruiert sein sollte. Früh favorisierte Adenauer derartige Anstrengungen, eine schlagkräftige Polizeitruppe unter Befehlsgewalt des Bundes aufzustellen. Nicht zu verwirklichen war dieses Projekt nicht zuletzt auch deshalb, da die Länder dem Bund eine derartige Kompetenz absprachen; so war der Weg „[…] über eine Bundespolizei zu einer Kadertruppe für einen zukünftigen westdeutschen Verteidigungsbeitrag zu gelangen und dadurch planerisch und organisatorisch die spätere Aufstellung westdeutscher Streitkräfte vorzubereiten“[17] gescheitert. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass der Bundestag am 15. Februar 1951 das Gesetz über den Bundesgrenzschutz verabschiedete. Der Bundesgrenzschutz stellte, auch in Reaktion und aufgrund der Veränderung der Lage, den Kompromiss zu einer Bundespolizei dar. Der BGS war „Kristallisationskern“[18] der späteren Bundeswehr und die erste paramilitärische Einheit auf Bundesebene vor der Bundeswehr, die neben polizeilichen Aufgaben wie Grenzkontrollen, auch den ersten Sicherheitsbeitrag im Sinne einer Armee leistete.

3.1. Vorschläge einer Europa- Armee

Bevor es zu konkreten Plänen und einer gemeinsamen Willensbildung über eine Verteidigungsgemeinschaft kam, formulierten verschiedene Politiker des Westens Gedanken über eine gemeinsame Europäische Armee. Der italienische Außenminister Sforza wies im April 1950 während der Verhandlungen des Nordatlantikrates auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Armee, auch mit deutscher Beteiligung, hin[19].

Winston Churchill erhob eine Forderung gleichen Tenors. Churchill prägte mit seinem Motto „let Europe arise“ schon in den frühen Nachkriegsjahren die Forderung nach einer gemeinsamen Identität Europas. Am 12. August 1950 schlug er auf der Beratenden Versammlung des Europarates in Straßburg vor, eine Europäische Armee zu bilden; der Vorschlag („[…] creation of a European army under a unified command […]“[20] ) wurde mit einer Mehrheit von 89 zu 5 Stimmen (bei 27 Enthaltungen) angenommen[21].

[...]


[1] Baring, Arnulf: Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, S. 118

[2] Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 294

[3] Dülffer, Jost: Europa im Ost-West-Konflikt 1945-1990, S. 22

[4] Timmermann, Heiner: Deutschlandvertrag und Pariser Verträge, S. 17

[5] Greiner, Christian: Die NATO als Militärallianz, S. 73

[6] Foerster , Roland G.: Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan, S. 287

[7] Borowsky, Peter: Deutschland 1945 – 1969, S. 140

[8] Maier/Wiggershaus: Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956, S. 137

[9] Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 295

[10] hierbei handelt es sich um die kasernierte Volkspolizei und die Grenztruppen

[11] Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945 – 1953, S. 347

[12] Booms, Hans: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, S. 18

[13] Borowsky, Peter: Deutschland 1945 – 1969, S. 141

[14] Elvert, Jürgen: Deutschland 1949 – 1989, S. 85

[15] Hoeth, Lutz: Die Wiederbewaffnung Deutschlands, S. 179

[16] ebd., S. 180

[17] Foerster , Roland G.: Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan, S. 492

[18] Baring, Arnulf: Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, S. 81

[19] Krüger, Dieter: Sicherheit durch Integration, S. 203

[20] vgl. Gossel, Daniel: Briten, Deutsche und Europa, S. 51

[21] Herbst, Ludolf, Vom Marshallplan zur EWG, S. 260

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG)
Untertitel
Entstehung und Inhalt des französischen Plans zur Schaffung einer EVG
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V143699
ISBN (eBook)
9783640546329
ISBN (Buch)
9783640545810
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europäische, Verteidigungsgemeinschaft, Entstehung, Inhalt, Plans, Schaffung
Arbeit zitieren
David Parma (Autor:in), 2009, Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143699

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