Die „Wirtschaftswunder“ und der Mangel an Arbeitskräften in Westdeutschland und Japan – zwei Wege der Migrationspolitik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historischer Kontext

3 „Wirtschaftswunder“ in Westdeutschland
3.1 Die Ausgangslage in den Nachkriegsjahren 1945 bis 1949
3.2 Der Aufschwung beginnt – die 1950/60er Jahre
3.3 Arbeitskräftemangel – westdeutsche Einwanderungspolitik als Konsequenz der Vollbeschäftigung und des Mauerbaus 1961

4 „Wirtschaftswunder“ in Japan
4.1 Ausgangslage in den 1950er Jahren
4.2 Der Aufschwung beginnt – die 1960er Jahre
4.3 Arbeitskräftemangel – japanische Binnenmigration und Bevölkerungswachstum als Konjunkturmotor

5 Ölpreiskrise 1973 – das Ende beider „Wirtschaftswunder“

6 Schlussbetrachtung

7 Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das heutige Japan und das gegenwärtige Deutschland haben eine bewegte Geschichte erlebt, welche vor allem im 20. Jahrhundert bemerkenswert viele Parallelen aufweist. Beide Staaten waren vor dem Zweiten Weltkrieg autokratisch-totalitäre Regime – Japan ein Kaiserreich an dessen Spitze der „gottgleiche“ Tenno stand, Deutschland eine nationalsozialistische Diktatur, an deren Spitze eine zumindest als „gottähnliche“ zu bezeichnende Person stand, der „Führer“ – beide Länder haben 1945 das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt, beide auf der Seite der Verlierer, beide Länder erlebten nach einer Phase des Umbruchs und des Aufbaus eine wirtschaftliche und politische Veränderung, in beiden Staaten fand und findet teilweise immer noch ein Demokratisierungsprozess statt und in den 1950/60er Jahren kam in beiden Ländern jenes wirtschaftliche Konjunkturphänomen vor, welches allgemein als „Wirtschaftswunder“ bezeichnet wird und 1973 plötzlich zum Stillstand kam, in beiden Fällen.

Diese erstaunlichen Parallelen legen es nahe, beide Staaten miteinander zu vergleichen, wobei natürlich darauf hingewiesen werden muss, dass es auch erhebliche Unterschiede zwischen diesen beiden Vergleichsobjekten gibt. Ein Unterschied tritt meines Erachtens in Bezug auf das „Wirtschaftswunder“ besonders stark hervor – beide Länder verzeichneten einen Arbeitskräftemangel in jenen Jahren und beide Länder setzten auf unterschiedliche Mechanismen, um diesen Mangel abzustellen. Einer dieser vielseitigen Mechanismen steht in der vorliegenden Arbeit im Fokus der Betrachtung – die Migrations- bzw. Einwanderungspolitik, welche in beiden Staaten völlig unterschiedlich war und auch noch ist. Es stellt sich daher die interessante Frage: Warum gab es unterschiedliche Ansätze einer Migrationspolitik, obwohl Japan und Deutschland das gleiche Problem des Arbeitskräftemangels hatten?

Um diese Frage zu beantworten, erscheint es notwendig einen kurzen Abriss der historischen Entwicklung beider Länder im 20. Jahrhundert darzustellen, da diese Entwicklungen ansatzweise eventuelle Erklärungsversuche liefern könnten. Dieser so genannte historische Kontext wird daher im Punkt 2 nähere Angaben hierzu liefern. Punkt 3 und Punkt 4, samt deren Unterpunkte werden den Hauptteil der Hausarbeit beinhalten. In diesen beiden Punkten erfolgt die Darstellung und grobe Analyse des „Wirtschaftswunders“ und der Migrationspolitik beider Staaten, die als Fallbeispiele für diesen Vergleich stehen – Deutschland und Japan.

Punkt 5 befasst sich thematisch abschliessend mit einem Ereignis, welches allgemein betrachtet die Hochkonjunktur in beiden Ländern zum Erliegen gebracht hat – die Ölpreiskrise des Jahres 1973. Die danach folgende Schlussbetrachtung in Punkt 6 wird dazu dienen, die zuvor dargestellten Ergebnisse zu bündeln und die Antwort auf die in Punkt 1 gestellten Fragen zu formulieren.

2 Historischer Kontext

Das 20. Jahrhundert war für Deutschland und für Japan gleichermaßen prägend und einschneidend. Japans Expansion im asiatischen Raum nahm 1905 erstmals konkrete Formen an. Der vernichtende Sieg über die die zaristische russische Marine ebnete den Weg für einen japanischen Imperialismus, so wurde Korea in jenem Jahr zum japanischen Protektorat und nur fünf Jahre später offiziell annektiert. Im Ersten Weltkrieg kämpfte Japan an der Seite der Alliierten und gehörte damit 1918 zu den „Gewinnern“. Im Versailler Vertrag wurden die ehemaligen Kolonien Deutschlands in China Japan zugesprochen.

Das an Korea angrenzende Gebiet der Mandschurei geriet in den Folgejahren immer mehr unter japanischen Einfluss und Kontrolle – erst wirtschaftlicher Art und in den 1930er Jahren mit der Installation eines Marionettenregimes im „neugeschaffenen“ Staat Mandschuko unter dem ehemaligen letzten chinesischen Kaiser Pu Yi auch politischer Natur.

Der Zweite Weltkrieg begann aus japanischer Sicht bereits im Jahre 1937. Ausgelöst durch den Zwischenfall an der Marco Polo Brücke in Peking begann im gleichen Jahr der zweite japanisch-chinesische Krieg – seit dem befand sich Japan bis zur Kapitulation im September 1945 dauerhaft im Kriegszustand. Die Annäherung Japans an die diktatorischen Regime in Deutschland und Italien führte in den 1940er Jahren zur Bildung einer so genannten „Achse Berlin-Rom-Tokio“. Mit dem Überraschungsangriff der japanischen Marine auf den US-Flottenstützpunkt in Pearl Harbor auf Hawai im Jahre 1941 zwang Japan die USA in den Zweiten Weltkrieg. Wenige Monate später erstreckte sich die japanische Einflusssphäre in Asien über ganz Indonesien, Indochina, große Teile Chinas und Burmas – Mitte 1942 erreichte der japanische Machtbereich in dieser Region der Erde seine maximale Ausdehnung. Das Zäsurjahr 1945 veränderte nicht nur die wirtschaftliche und militärische Situation Japans, sondern auch dessen politische Struktur. Die beiden Atombombenabwürfe der USA über Hiroshima und Nagasaki, sowie die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation Japans markieren das Ende des Zweiten Weltkriegs im pazifisch-asiatischen Raum. Japan geriet unter alliierter US-Besatzung, das autokratische Kaiserregime unter Kaiser Hirohito wurde beseitigt und eine schrittweise Demokratisierung begann.

Das Deutsche Kaiserreich betrieb wie Japan zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine imperialistische Expansionspolitik. Mit dem so genannten „Streben nach einem Platz an der Sonne“ versuchte Deutschland seinen internationalen Einfluss zu vergrößern und zu festigen. Mit der Errichtung des deutschen Kolonialreiches, welche bereits schon 1884 unter Reichskanzler Bismarck begann, nahm dieser Einfluss bzw. diese imperialistische Aussenpolitik deutliche Formen an. 1914 trat das Deutsche Kaiserreich in den Ersten Weltkrieg ein, musste aber trotz anfänglicher militärischer Erfolge vier Jahre später im November 1918 seine Niederlage eingestehen. Der Versailler Friedensvertrag von 1919 wurde als „Schmach“ empfunden und nährte somit „Revanche-Gelüste“ der Deutschen. Die erste Demokratie auf deutschem Boden in Form der Weimarer Republik überlebte gerade mal 16 Jahre. Wirtschaftlich durch die Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 und politisch durch das Erstarken der NSDAP unter massiven Druck geraten endete diese kurze Phase der Demokratie am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Adolph Hitlers zum Reichskanzler.[1]

Das nationalsozialistische Regime betrieb eine extrem aggressive Außenpolitik, welche im September 1939 ihren gewalttätigen Höhepunkt mit der Kriegserklärung an Polen fand. Im Juni 1941 überfiel das Deutsche Reich die UdSSR und begann damit einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen dieses Riesenreich im Osten Europas. Ende 1941 erreichte die deutsche Machtsphäre ihre maximale Ausdehnung, fast ganz Europa war zu jenem Zeitpunkt unter nationalsozialistischer Herrschaft geraten. Im Mai 1945 sah die deutsche Führung ein, dass der Krieg verloren war und unterzeichnete am 7. Mai in Reims die bedingungslose Kapitulation gegenüber den Alliierten und am 8. Mai in Karlshorst gegenüber der UdSSR, der Zweite Weltkrieg in Europa war beendet.

Die Besatzungspolitik der Alliierten Frankreich, Großbritannien und der USA sahen eine Demokratisierung, eine Demilitarisierung, eine „Denazifizierung“ und eine Dekartellisierung vor – eine Politik der vier „D´s“. Am 23. Mai 1949 trat im Westen Deutschlands das Grundgesetz in Kraft und die Bundesrepublik Deutschland war geboren, die zweite Demokratie auf deutschem Boden. Im Osten Deutschlands entstand am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik. Diese manifestierte Teilung Deutschlands war das Ergebnis einer Ost-West-Konfrontation zwischen der westlich-demokratischen Welt unter der „Führung“ der USA und der östlich-autoritären Welt unter der „Führung“ der UdSSR.

3 „Wirtschaftswunder“ in Westdeutschland

Bereits kurz nach Kriegsende begann der Wiederaufbau des zerstörten Deutschlands – in beiden Teilen des Landes. Doch im Zuge der Wirtschaftssubventionen der USA in Form des so genannten „Marshallplans“ ging der Wiederaufbau in Westdeutschland rascher vonstatten, als im östlichen Teil, der aufgrund seiner „Zugehörigkeit“ zur sowjetischen Einflusssphäre von den Finanzmitteln ausgeschlossen war.

Genau genommen begann das westdeutsche „Wirtschaftswunder“ mit der Einführung der Deutschen Mark und der dazugehörigen Abschaffung der Reichsmark. Dieser Prozess – auch Währungsreform genannt – stellte 1948 die Weichen für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland.

3.1 Die Ausgangslage in den Nachkriegsjahren 1945 bis 1949

Die Bundesrepublik Deutschland, gegründet mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, war wirtschaftlich vor allem durch die Kriegsfolgen geprägt. Die Industrie- und Produktionsleistung betrug nur ein Bruchteil der Vorkriegsproduktion. So sank die industrielle Produktion innerhalb der drei westlichen Besatzungszonen bis 1946 auf ca. 30 Prozent des Standes von 1938.[2]

Das Jahr 1947 galt als Krisenjahr dieser Nachkriegsphase und kann als Tiefpunkt der negativen Entwicklung gesehen werden. Trotz steigender Bevölkerungszahlen stagnierte die Produktion. Durch ausbleibende Niederschläge wurde die Ernte in jenem Jahr stark beeinträchtigt und der anhaltende Brennstoffmangel machte den harten Winter 1947/48 zu einer zusätzlichen starken Belastung für die Bevölkerung.[3]

Durch alliierte Hilfslieferungen konnte eine Hungersnot verhindert werden. In dieser Phase der Nachkriegsjahre wurde auch eine Veränderung der alliierten Besatzungspolitik deutlich:

- Vor allem die USA waren an einer wirtschaftlichen Entwicklung der westlichen Besatzungszonen interessiert und forcierten diese ab 1948.

[...]


[1] Um ein Zäsurdatum zu finden, habe ich den 30. Januar 1933 gewählt, da Adolph Hitler von diesem Datum an bis zum Mai 1945 die Macht in Deutschland besaß. Es ist allerdings bekannt, dass das Ende der Weimarer Republik sich nicht plötzlich an einem Tag (jenem 30. Januar 1933) vollzog, sondern – um es mit Peukerts Worten zu sagen - „[d]ie Freiheit starb etappenweise“. Vgl. Detlev J. K. Peukert, Die Weimarer Republik, Frankfurt/Main 1987, S. 261.

[2] Vgl. hierzu Friedrich-Wilhelm Henning, Das industrialisierte Deutschland 1914 bis 1992, 9. Aufl., Paderborn 1997, S. 192.

[3] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die „Wirtschaftswunder“ und der Mangel an Arbeitskräften in Westdeutschland und Japan – zwei Wege der Migrationspolitik
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Geschichte/Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Bürger und Staat – Deutschland und Japan in vergleichender Perspektive
Note
2,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V143691
ISBN (eBook)
9783640523542
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Japan-Deutschland, Wirtschaftswunder, Migrationspolitik, Arbeitskräftemangel
Arbeit zitieren
René Cremer (Autor:in), 2007, Die „Wirtschaftswunder“ und der Mangel an Arbeitskräften in Westdeutschland und Japan – zwei Wege der Migrationspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143691

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