Das vergessene Angebot. Eine in der Klimaschutzdiskussion unbeachtete Dimension


Seminararbeit, 2009

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Einleitung

2. Klimawandel und CO2-Ressourcen

3. Wirksamkeit der Nachfragepolitik zur Reduzierung der CO2-Emissionen
3.1 Methodischer Ansatz der Nachfragepolitik
3.1.1 Pigou-Steuer
3.1.2 Substitute
3.1.3 Mengenbeschränkungen und Zertifikatshandel
3.2 Wirkung der Nachfragepolitik

4. Eine vergessene Dimension in der politischen Debatte: das Angebot
4.1 Angebotselastizität
4.1.1 Zusammenhang zwischen Nachfrage und Angebot
4.1.2 Angebotselastizität der fossilen Energieträger
4.2 Ursachen der fehlenden Angebotselastizität
4.3 Der volkswirtschaftlich optimale Abbaupfad
4.4 Institutionen und Rohstoffförderung
4.4.1 Fehlende Eigentumsrechte
4.4.2 Fehlende Glaubhaftigkeit von Eigentumsrechten
4.5 Carbon Leakage als Folge der fehlenden Angebotselastizität
4.5.1 Veränderungen in der nationalen Wirtschaftsstruktur
4.5.2 Die Entscheidung von Industrieansiedlungen
4.5.3 Preisreduzierungen und Nachfrageerhöhungen
4.5.4 Maßnahmen gegen Carbon Leakage

5. Resümee

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

Anlagenverzeichnis

A1: Folgen der Klimaerwärmung

A2: Ressourcenabbau und Klimaerwärmung

A3: Übersicht über die Wirkungsweisen der Nachfragepolitik

A4: CO2-Emissionen in Deutschland

A5: CO2-Emissionen in Deutschland nach Treibhausgas

A6: CO2-Emissionen in Deutschland nach Quellkategorie

A7: Tatsächliche und projizierte Emissionen der EU-25 und der EU-15

A8: Weltweiter CO2-Ausstoß

A9: Angebotspreiselastizitäten

A10: Angebotspreiselastizitäten bei Preissenkungen

A11: Robuste Regression der Realpreise auf die geförderte Rohölmenge

A12: Erweiterung der Hotelling-Regel

A13: Institutionen und Ölförderung 2008

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Schenkt man der herrschenden Meinung unter den Klimaforschern Glauben, so kommen auf die Erde und die Menschheit durch den Verbrauch fossiler Energieträger enorme Katastrophen für Natur, Gesellschaft und Wirtschaft bereits in den nächsten Jahrzehnten zu. Aus diesen Prognosen wird handlungstheoretisch abgeleitet, dass für Erde und Menschheit der optimale Weg darin bestehen muss, den Kohlenstoffverbrauch drastisch zu reduzieren um Schäden zu vermeiden.

Die in den letzten 15 Jahren durchgeführten Maßnahmen haben größtenteils für die betroffenen Verbraucher eine enorme Einsparung an CO2 bewirkt. Gleichzeitig ist aber der Verbrauch weltweit weiter angestiegen. Ziel dieser Arbeit ist es die Effektivität bisheriger Maßnahmen aufzuzeigen und daraus eine in der Debatte vergessene Dimension zu nennen, deren Bedeutung für einen wirksamen Klimaschutz essentiell ist.

Bevor eine Politikempfehlung entwickelt werden kann, ist es entscheidend, die Kalküle der Wirtschaftssubjekte zu begreifen. Ein Beitrag zu diesem ersten Schritt soll das hier Geschriebene leisten. Voraussetzung für einen effektiven Politikansatz ist nicht der moralische Anspruch, sondern die Anreizkompatibilität von Moral.[1] Dies impliziert aber, die Absichten der Akteure zu kennen und darauf eine Lösungsvariante zu entwickeln.

Bei den Märkten für Kohlenstoffenergieträger handelt es sich wegen der Substituierbarkeit der einzelnen Rohstoffe eigentlich um einen einzelnen Markt.[2] Daher wird im weiteren Verlauf stellvertretend für den gesamten Markt primär auf den Rohölmarkt zurückgegriffen.

2. Klimawandel und CO2-Ressourcen

Zweifelsohne besteht eine Verbindung zwischen den weltweiten Temperaturen und der Existenz von Treibhausgasen. Diese sorgen dafür, dass die Erde um ca. 30°C wärmer ist als ohne das Vorhandensein von Treibhausgasen.[3] Zu den Treibhausgasen zählen neben Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasserdampf, Methan (CH4), Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), Ozon (O3) und Lachgas (N2O).[4] Der Wasserdampf in der Atmosphäre ist einem natürlichen Kreislauf unterworfen und kann durch menschliches Handeln nicht unmittelbar beeinflusst werden. Wasserdampf zählt daher nicht zu den Treibhausgasen im engeren Sinn.[5]

Im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ist der Bestand an CO2-Äquivalenten von ca. 290 ppmv im Jahre 1850 auf fast 450 ppmv Ende der 1990er Jahre gestiegen.[6] Ursächlich hierfür waren primär die Nutzung fossiler Brennstoffe, Abholzung und eine sich ändernde Landnutzung.[7] Infolgedessen ist die Durchschnittstemperatur weltweit um 0,7°C angestiegen, wobei eine Beschleunigung in den letzten 30 Jahren zu beobachten war. Dies entspricht einem Maximum über die letzten 12.000 Jahre.[8] Im letzen Jahrzehnt hat die Klimaerwärmung zwar überraschend gestoppt,[9] es ist aber in den kommenden Jahren von einem sprunghaften Anstieg der Temperaturen auszugehen. Abhängig von den CO2-Emissionen wird die Temperatur um 2 bis 7°C gegenüber der vorindustriellen Periode bis 2100 ansteigen.[10] Bereits ein Temperaturanstieg von 2 bis 3°C in den kommenden 50 Jahren wird zu Dürren, Hungersnöten, Flutkatastrophen, einem Rückgang der Biodiversität, Schmelzen der Polkappen und sich veränderten Klimakreisläufen führen.[11]

Am Treibhauseffekt hat das CO2 einen Anteil von 61%, das primär bei der Energieerzeugung entsteht.[12] Nach hundert Jahren werden sich noch 45% und nach 300 Jahren noch 25% des ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids in der Atmosphäre befinden. Die in Gegenwart und Vergangenheit verfeuerten fossilen Ressourcen werden noch das Klima von unzähligen Generationen beeinflussen.[13] Erst nach mehreren Tausend Jahren wird emittiertes CO2 vollständig verschwunden sein.[14] Aussagen, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der CO2-Emissionen auf menschliches Verhalten zurückzuführen ist, sind zu verneinen. Diese Auslegung des Anstiegs stellt primär eine falsche Interpretation des Zusammenspiels zwischen Boden, Vegetation, Meer und Atmosphäre innerhalb des CO2-Kreislaufs dar.[15]

Gleichzeitig ist es unrealistisch, darauf zu hoffen, dass der Klimawandel durch die Begrenztheit der fossilen Energieträger gestoppt wird. So wurden bis zum Jahr 2005 23,1% der Kohlenstoffreserven, 5,7% der konventionellen Kohlenstoffressourcen und 5,1% aller Kohlenstoffressourcen verbraucht.[16] Eine Verbrennung aller heutigen Reserven bis 2100 würde zu einem geschätzten Anstieg der Temperatur um 2,3 bis 5,2°C gegenüber 1800 führen. Durchschnittlich wäre dieser Anstieg sogar um 1,7°C niedrigerer als der von Stern im Business-as-Usual-Szenarium prophezeite Wert. Trotzdem ist aber bereits in diesem Bereich mit enormen Schäden für Mensch und Umwelt zu rechnen. Ein Abbau aller Ressourcen bis 2100 – mit dem eher nicht zu rechnen ist – würde die Temperatur zwischen 5,3 und 11,9°C erhöhen. Dies würde einem Bereich entsprechen, der momentan zwar nicht prognostizierbar ist, in dem die Folgen aber verheerend sein dürften.[17]

3. Wirksamkeit der Nachfragepolitik zur Reduzierung der CO2 -Emissionen

3.1 Methodischer Ansatz der Nachfragepolitik

Ziel der Nachfragepolitik ist es auf den Verbrauch von Kohlenstoffen einzuwirken, um den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu reduzieren. In diesem Rahmen ergeben sich folgende politische Handlungsoptionen:[18]

3.1.1 Pigou-Steuer

Der Gesetzgeber hat mittels der Besteuerung die Möglichkeit das Kaufverhalten der Wirtschaftssubjekte zu beeinflussen.[19] In diesem Zusammenhang wird versucht Verhalten, das als gesellschaftlich unerwünscht gilt, zu reduzieren. Die Steuer wirkt als zusätzlicher Preisaufschlag, wodurch nur noch diejenigen Nachfrager am Markt kaufen, denen der persönliche Nutzen aus dem Kauf mindestens dem Bruttokaufpreis entspricht. Der besteuerte Marktpreis hat somit eine Lenkungsfunktion. Der optimale Aufschlag entspricht den (diskontierten) marginalen externen Kosten, die durch den Verbrauch dauerhaft entstehen.[20]

Ein Beispiel hierfür stellt das Energiesteuergesetz (EnergieStG) dar, dessen Besteuerung allgemein unter dem Titel „Ökosteuer“ bekannt ist. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass das in Deutschland gültige EnergieStG den Ausstoß pro t CO2 unterschiedlich stark hinsichtlich Verwendungszweck und Energieträger besteuert. Hierdurch entstehen Anreizprobleme für den Verbraucher CO2 zu vermeiden, da er auch auf andere fossile Brennstoffe umsteigen könnte.[21]

3.1.2 Substitute

Staatliche Aktivitäten und Unterstützungen im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) tragen dazu bei, dass Technologien entwickelt werden, die CO2 einsparen oder sogar neutral sind. Durch Marktversagen im FuE-Wettbewerb kommt es aber ohne staatliche Interventionen unter Umständen nicht zu privaten FuE-Initiativen.[22]

Ziel der Subventionen ist es Technologien wettbewerbsfähig zu machen, deren Produktionskosten ohne Subventionen oberhalb den Marktpreisen an den Energiemärkten liegen. Als Beispielhaft dafür ist das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) zu nennen, das neben Anschluss von Anlagen auch die vorrangige Abnahme, Übertragung, Verteilung und Vergütung und den bundesweiten Ausgleich des abgenommenen und vergüteten Stroms regelt.[23]

Mittels des EEG wird versucht über den Marktprozess die Erzeuger und Verbraucher von klimafreundlicher Energie mit Klugheitsargumenten zu überzeugen. Der deutsche Gesetzgeber geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er Kommunen die Ermächtigung gibt, nach der sie Bauherrn verpflichten können, bei der Errichtung von Gebäuden bauliche Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien zu treffen.[24] Nationale Substitute im Rahmen des europäischen Zertifikathandels sind aber wirkungslos, da die CO2-Einsparung in einem anderen Land kompensiert wird.[25]

3.1.3 Mengenbeschränkungen und Zertifikatshandel

Der Ausstoß an CO2 kann auch reduziert werden, in dem die Menge durch eine staatliche Regulierung gedrosselt wird. Die Drosselung kann traditionell über klassische Ordnungspolitik erfolgen, die jedem Wirtschaftssubjekt vorschreibt, wie viel es ausstoßen darf. Ein neuerer Ansatz ist der Emissionshandel, der über käuflich zu erwerbende Zertifikate die Summe der Emissionen regelt.

Die Menge der Zertifikate ist – ähnlich auch wie bei der klassischen Ordnungspolitik – eine politische Entscheidung. Ob die Gesamtmenge zu strikt oder zu locker ist, ist neben der Bedeutung des Ausstoßes für den Klimawandel immer eine subjektive Bewertungsfrage, die a priori einen Trade-Off beinhaltet. Daher ist im europäischen Verfahren vorgesehen, dass die Nationalstaaten unter Berücksichtigung der Öffentlichkeit und einem Genehmigungsvorbehalt der Europäischen Kommission die Gesamtzahl der nationalen Emissionen bestimmt.[26] Darüber hinaus ist beabsichtigt, mit der neuen Richtlinie eine lineare Herabsetzung der Obergrenze im Zeitverlauf vorzunehmen um das Ziel einer Reduktion von 20% bis 2020 gegenüber 2005 zu erreichen.[27] Für Emittenten würde somit Planungssicherheit für einen langfristigen Zeitraum entstehen.

Die Vergabe der Zertifikate kann entweder über Zuteilung oder Versteigerung erfolgen. So erfolgte in den Jahren 2005 und 2008 in Europa die Vergabe mittels Zuteilung und ab 2013 soll die Vergabe in immer mehr Bereichen durch Versteigerung erfolgen.[28] Unter der Bedingung vollkommener Märkte hat das Verfahren der Zertifikatsvergabe keinen Einfluss auf die Effizienz.[29] Da die Zertifikate handelbar sind,[30] würden diese auch bei ineffizienter Zuteilung an denjenigen verkauft werden, der die höchsten Vermeidungskosten hat und infolgedessen die höchste Zahlungsbereitschaft für den Erwerb von Zertifikaten. Bei einer Versteigerung bemisst sich die Zahlungsbereitschaft analog und die höchsten Gebote werden von denjenigen abgegeben, die die höchsten Vermeidungskosten haben. Die Begründung der EU für die Umstellung auf eine Versteigerung, lässt ahnen, dass kein vollkommener Markt im Bereich des Zertifikatshandels vorliegt: „Mit der Versteigerung werden Effizienz, Transparenz und Einfachheit […] am besten gewährleistet und unerwünschte Verteilungseffekte vermieden.“[31] Zusätzlich führt Hans W. Sinn den Lobbyismus auf, der ebenfalls zu einer ineffizienten Zertifikatsverteilung beiträgt.[32]

Das Zertifikathandelssystem der EU ist mit dem des Kioto-Abkommens sogar kompatibel[33] um auf das globale Problem des Klimawandels eine Lösungsmöglichkeit zu haben.

3.2 Wirkung der Nachfragepolitik

Deutschland hat sich im Rahmen des Kyoto-Vertrages Einsparungen von 21% CO2-Äquivalente für den Zeitraum 1990 bis zum Mittelwert der Jahre von 2008 bis 2012 auferlegt.[34] Dieses Ziel wurde bereits erfüllt und es liegen in den Zeitreihen keine Hinweise darauf vor, dass eine Trendumkehr stattfinden könnte.[35] Unter diesem Gesichtspunkt könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass die oben beschriebenen Maßnahmen der Nachfragepolitik bisher effektiv waren und Deutschland mit diesem oder einem im obigen Sinne etwas verstärkten Maßnahmenbündel auch das neue Ziel einer Reduktion von 14% bis 2020 gegenüber 2005 erreichen wird.[36]

Der Ausstoß in Deutschland oder auch in der EU ist aber ein falscher Indikator zur Beurteilung der Wirksamkeit der Klimapolitik. Der Klimawandel, der durch die Emissionen verursacht wird, ist kein spezifisches deutsches oder europäisches Problem, sondern ein globales Problem. Glaubt man dem Stern-Bericht führt der Klimawandel primär zu Problemen in Ländern der zweiten und dritten Welt und nur mittelbar, z. B. durch Migration, zu Problemen in Europa.[37]

Europa hat wegen der frühen Industrialisierung und der damit einhergehenden Nutzung fossiler Energieträger stark zum bisherigen Klimawandel beigetragen. Gleichzeitig führte die bisherige Politik zu einem deutlichen Rückgang der Emissionen gegenüber 1990 und weitere Anstrengungen werden den Ausstoß in Europa verstärkt reduzieren.[38]

Entscheidend für das Weltklima sind nicht nur die Maßnahmen in Europa, sondern die weltweite Entwicklung und hier ergibt sich ein erschreckendes Bild. Trotz Kioto-Protokoll und europäischer Nachfragepolitik ist keine Trendumkehr bei den Emissionen zu erkennen. Vielmehr erscheint gerade eine Beschleunigung der Entwicklung stattzufinden.[39] Die Nachfragepolitik reduziert in Europa den Ausstoß zwar deutlich, aber einen globalen Effekt hat diese Politik nicht. Bezüglich des Klimawandels ist sie nicht effektiv.

4. Eine vergessene Dimension in der politischen Debatte: das Angebot

4.1 Angebotselastizität

Die Nachfragepolitik hat nur dann einen Einfluss auf die Verbrennung von CO2, wenn durch eine reduzierte Nachfrage auch die Förderung der fossilen Treibstoffe zurückgehen würde. Kernthese der Kritik von Hans W. Sinn an der Nachfragepolitik ist, dass das Angebot preisunelastisch ist.[40]

4.1.1 Zusammenhang zwischen Nachfrage und Angebot

Bevor empirisch bewiesen wird, ob das Angebot elastisch reagiert, soll der Zusammenhang aufgezeigt werden, inwieweit grundsätzlich die Nachfrage das Angebot beeinflussen kann.[41] Hierzu werden die drei unter 3.1 aufgeführten Politikmaßnahmen auf das Angebot hin untersucht:

- Pigou-Steuer (3.1.1):

Durch eine Steuer auf das Endprodukt erhöht sich für den Verbraucher der Preis, indem die Angebotskurve in Höhe der Steuer in einem Preis-Mengen-Diagramm nach links oben verschoben wird (exogen). Dieselbe Angebotsmenge ist zu einem um die Steuer erhöhten Preis verfügbar. Für die Verbraucher entspricht die Verschiebung der Angebotskurve einer Bewegung auf der Nachfragekurve nach oben (endogen). Bei einer elastischen Nachfrage werden nur noch die Konsumenten das Produkt kaufen, deren Grenznutzen mindestens dem erhöhten Preis entspricht. Dadurch sinkt die umgesetzte Menge. Die Kosten der Steuer tragen aber nicht alleine die Konsumenten. Bei einem elastischen Angebot sind die Produzenten gleichzeitig dazu gezwungen ihren Nettopreis zu senken, um einen für sie optimalen Gewinn im Marktgleichgewicht zu erzielen.[42]

- Substitute (3.1.2):

Werden Substitute auf den Markt gebracht, führt dies dazu, dass sich die Nachfragekurve im Preis-Mengen-Diagramm nach links unten verschiebt (exogen). Es werden weniger Güter nachgefragt, da diese durch andere Technologien ersetzt wurden. Die Produzenten begegnen diesem Angebotsüberhang bei einem elastischen Angebot mit einem unmittelbaren Preisrückgang und der Drosselung der Menge, um für sie den gewinnmaximalen Punkt zu erreichen.[43] Das Ergebnis ist ein Marktgleichgewicht mit niedrigerem Marktpreis und geringerem Verbrauch durch eine Bewegung auf der Angebotskurve nach unten (endogen).[44]

- Mengenbeschränkungen (3.1.3)

Mengenbeschränkungen müssen im Preis-Mengen-Diagramm um zu wirken links von der Gleichgewichtsmenge sein. Die Nachfrage wird somit eingeschränkt und die Verbraucher begegnen dieser Verknappung damit, dass sie sich unter Berücksichtigung ihres Grenznutzens gegenseitig überbieten. Das Ergebnis ist, dass nur noch diejenigen am Markt nachfragen, die einen höheren Preis bereit sind zu zahlen, bis die Mengenbeschränkung erreicht ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein stabiles Marktgleichgewicht, da bei diesem Preis die Anbieter einen Anreiz haben mehr zu produzieren, als es eigentlich die Mengenbeschränkung erlaubt. In einem nationalen Kontext kann dies zu einem informalen Markt führen,[45] im internationalen Kontext führt dies bei starrem Angebot dazu, dass das Gut in Ländern ohne Mengenbeschränkung vermehrt verkauft wird (vgl. dazu auch 4.5).[46]

4.1.2 Angebotselastizität der fossilen Energieträger

Ist das Angebot unelastisch, hat keine der bisher beschriebenen Maßnahmen einen Einfluss auf das Angebot. Die Entwicklung der Emissionen lässt genau diesen Schluss zu. Im nun folgenden Teil dieser Arbeit wird die Angebotselastizität empirisch am Rohölmarkt untersucht, da aus Mineralölen zumindest in Deutschland der größte Teil des Endenergieverbrauchs stammt (2006: 38,5%).[47]

Die Angebotselastizität εS lässt sich nach folgender Formel bestimmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(1)

Der Zähler beschreibt die relative Mengenänderung des Angebotes zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und der Nenner die relative Preisänderung im selben Zeitraum, wobei angenommen wird, dass das Angebot vom Preis abhängig ist. Dabei darf der betrachtete Zeitraum nicht unberücksichtigt bleiben. Die Elastizität ist in Sektoren, in denen eine kurzfristige Kapazitätsausweitung schwierig ist, anfangs unelastisch, langfristig ist sie aber durchaus elastisch.[48] Da die Erdölförderung und Verarbeitung zumindest kurzfristig unelastisch ist,[49] wurde in diesem Zusammenhang die Elastizität über Ein-, Zwei-, Drei-, Fünf- und Zehnjahreszeiträume mit Realpreisen untersucht.

Die Elastizität ist weltweit kurzfristig (Einjahreszeitraum) eher isoelastisch (0,69), mittelfristig tendenziell unelastisch (zwei-: 0,37, drei-: 1,67, fünfjährig 0,37) und langfristig isoelastisch (zehnjährig: 0,96). Bereinigt man die Angebotsänderungen von Ausreißern auf dem 99%-Quantil, so ergibt sich ein durchaus unelastisches Bild (ein-: 0,31, zwei-: 0,32, drei-: 0,26, fünf-: 0,23, zehnjährig: 0,60). Dies bedeutet aber nicht, dass die Produktion in allen Ländern unelastisch ist. Teilweise ist sie sogar extrem elastisch. Die vordergründige Ursache wird aber nicht in einer Preisänderung liegen, sondern in einer allgemeinen Ausweitung der Kapazität (z. B. Rohstofffunden), da dies in der Regel Länder mit einer sehr geringen Förderquote betrifft.[50] Die Analyse der weltweiten Fördermenge erscheint daher repräsentativer.

Unter 4.1.1 wurde angeführt, dass Substitute und Steuern einen negativen Preiseffekt haben. Deshalb wurden in Anlage A10 nur Elastizitäten berücksichtigt, bei denen ein negativer Preiseffekt vorlag. Zweifelsohne können die Preisänderungen primär nicht auf eine sich ändernde Nachfragepolitik in Europa zurückgeführt werden. Jedoch bietet diese Rechnung die Möglichkeit nachfragepolitische Maßnahmen aus Angebotssicht besser zu verstehen. Diese Analyse unterstreicht die Ergebnisse von Anlage A9 und bestätigt Hans W. Sinns zentrales Argument seiner These im Kern. Die Elastizitäten auf dem 99%-Quantil belaufen sich hier auf:

- einjährig: 0,16 - fünfjährig: 0,26
- zweijährig: 0,34 - zehnjährig: 0,32
- dreijährig: 0,18

Ein vom Ergebnis ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die realen Rohölpreise robust auf die produzierten Weltmengen regressiert, um zu messen, ob ein Zusammenhang zwischen Preis und Menge besteht. Auf dem 5%-Signifikanzniveau haben lediglich der aktuelle Preis und der um zehn Jahre verzögerte Preis einen Einfluss auf die Förderung. Der Zusammenhang bei dem um zehn Perioden verzögerten Preis, erscheint jedoch fraglich, da das Vorzeichen davon abhängig ist, ob mit oder ohne Konstante geschätzt wird.[51]

[...]


[1] Homann (2008, S. 14)

[2] Sinn (2008a, S. 330)

[3] Stern (2006, S. 6)

[4] Sinn (2008a, S. 24 – 31)

[5] Arbeitskreis Wasserstofftechnologie (2002, S. 13)

[6] Stern (2006, S. 4, Grafik 1.1)

[7] Stern (2006, S. 3)

[8] Stern (2006, S. 5 – 7)

[9] Met Office, http://www.metoffice.gov.uk/climatechange/policymakers/policy/slowdown.html , 25.11.2009

[10] Allison et al (2009, S. 51 – 52)

[11] Anlage 1

[12] betrachtet auf 100 Jahre, Sinn (2008a, S. 30, Tabelle 1.1), Stern (2006, S. iv, Grafik 1)

[13] Sinn (2008a, S. 354)

[14] Archer, Brovkin (2008, S. 284)

[15] Sinn (2008a, S. 354) und zum Kreislauf zwischen Atmosphäre und Meeren vgl. Archer, Brovkin (2008, S. 287 - 288) oder Hooss et al (2001, S. 195 – 198)

[16] Sinn (2008a, s. 351). Dabei bezeichnen Reserven diejenigen Vorkommen, deren Förderung sich zu momentanen Marktpreisen lohnt. Die konventionellen Ressourcen umfassen die Reserven und Bestände, die noch nicht exakt erforscht wurden und die Förderung unter heutigen Preisen zu teuer ist. Alle Ressourcen beinhalten auch Bestände, die unter heutigen Bedingungen nur extrem aufwändig gewonnen werden können.

[17] Sinn (2008a, S. 349 bis 359) und Anlagen A1 und A2

[18] zur Übersicht vgl. Anlage A3

[19] § 3 Abs. 1 Halbsatz 2 AO

[20] Hier wird von einer dynamischen Erweiterung der ursprünglich statischen Pigou-Steuer ausgegangen (Farzin (1996, S. 32 – 33 und 41 – 42)). Eine Internalisierung ist natürlich nur dann möglich, wenn die Kosten ermittelbar sind.

[21] Sinn (2008a, S. 131 und 134). Im Zusammenhang mit der „Ökosteuer“ wird oft darauf hingewiesen, dass die Einnahmen nicht für ökologische Projekte verwendet werden, sondern primär zur Unterstützung der Rentenversicherung.[21] Dies ist aber ein durchaus rechtmäßiges Vorgehen, denn jede Steuer unterliegt im Grundsatz dem Nonaffektationsprinzip, nach dem Steuern der allgemeinen Haushaltsdeckung des Staates dienen (§ 3 Abs. 1 Halbsatz 1 AO und § 8 Bundeshaushaltsordnung).

[22] Blum et al (2006, S. 197 – 206), vgl. hierzu z. B. Aufruf des Max-Plank-Instituts für Physik vom 28.04.1998 oder das Projekt zur Absenkung des CO2-Ausstoßes von Verbrennungsmotoren unter Einhaltung der jetzigen und zukünftigen Abgasemissionsgrenzwerte der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

[23] § 2 EEG

[24] so z. B. in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchstabe b) BauGB

[25] Traber, Kemfert (2007, S. 14 – 15)

[26] Art. 11 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2003/87/EG

[27] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG (S. 8)

[28] Art. 10 der Richtlinie 2003/87/EG, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG (S. 8)

[29] Coase (1960, S. 5)

[30] Art. 12 der Richtlinie 2003/87/EG

[31] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG (S. 8)

[32] Sinn (2008a, S. 106)

[33] Art. 25 der Richtlinie 2003/87/EG i. V. m. der Richtlinie 2004/101/EG und Art. 17 Kioto-Protokoll

[34] Art. 3 Abs. 1 Kioto-Protokoll i. V. m. Anhang II der Richtlinie 2002/358/EG

[35] Anlagen A4 bis A6

[36] Anlage II der Entscheidung Nr. 406/2009/EG

[37] Anlage A1, Stern (2006; S. 111 – 114)

[38] Anlage A7

[39] Anlage A8

[40] Sinn (2008a, S. 339 – 342) oder auch Sinn (2008b, S. 129 – 135)

[41] Stiglitz, Walsh (2002, S. 79 – 83)

[42] Hall, Lieberman, (2002, S. 85 – 88)

[43] Blum et al (2006, S. 36)

[44] Hall, Lieberman (2002, S. 98 – 100)

[45] Butterworth (1994, S. 67– 70)

[46] Sinn (2008a, S. 342 – 349)

[47] Sinn (2008a, S. 124 Abbildung 3.1)

[48] Samuelson, Nordhaus (2007, S. 113 – 114)

[49] MWV (2004, S. 41 – 45), vgl. auch Krautkraemer (1998, S. 2067)

[50] Anlage A9

[51] Anlage A11

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Das vergessene Angebot. Eine in der Klimaschutzdiskussion unbeachtete Dimension
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Lehrstuhl Allokation und Wachstum)
Veranstaltung
Seminar Allokation und Wachstum
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
39
Katalognummer
V143671
ISBN (eBook)
9783640544721
ISBN (Buch)
9783640545216
Dateigröße
1790 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klimawandel, Angebot, Politik, Ökonomie, Hotelling, Elastizität, Nachfrage
Arbeit zitieren
Diplom-Verwaltungswirt (FH) Matthias Will (Autor:in), 2009, Das vergessene Angebot. Eine in der Klimaschutzdiskussion unbeachtete Dimension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143671

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