Der Jahrhundertkonflikt zwischen Argentinien und Chile

Ein Vergleich der Mediation der britischen Krone und des Papstes im Beagle-Konflikt


Hausarbeit, 2009

36 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Papst Johannes Paul II. schafft Frieden

2. Fragestellung, Definitionen und Untersuchungszeitraum

3. Theoretischer Ansatz: Faith-Based Mediation nach Jacob Bercovitch und Ayse Kadayifci-Orellana

4. Entstehung und Entwicklung der Grenzstreitigkeiten zwischen Argentinien und Chile 7 bis zum Beagle-Konflikt
4.1 Erster Streitpunkt des Beagle-Konflikts: Die Souveränität der Inseln Picton, Nueva und Lennox
4.2 Zweiter Streitpunkt des Beagle-Konflikts: 200-Seemeilen-Zone
4.3 Zwei friedliche Lösungswege bei Grenz- und Territorialstreitigkeiten in Südamerika

5. Analyseeinheit A - Mediation durch die Britische Krone
5.1 Kompetenzen und Aufgaben der britischen Krone als Mediator
5.2 Der Schiedsspruch des Tribunals und die Reaktion der Konfliktparteien
5.3 Die Rolle der britischen Krone als Mediator

6. Analyseeinheit B - Mediation durch den Papst
6.1 Das Problem, einen geeigneten Mediator zur finden
6.2 Kompetenzen und Aufgaben des Papstes als Mediator
6.3 Der Weg bis zum Friedens- und Freundschaftsvertrag von 1984
6.4 Die Vorgehensweise des Papstes in der Mediation

7. Fazit und Schlussfolgerung

8. Anhang
8.1 Schema 1: Faith-Based Key Factors of Mediation
8.2 Schema 2: Secular Key Factors of Mediation
8.3 Karte 1: Kartogrpfische Eingrenzung zum Schiedspruch von 1977
8.4 Karte 2: Päpstlicher Vorschlag von 1980

9. Literaturangaben
9.1 Bibliografische Quellen
9.2 Quellen aus dem Internet

1. Papst Johannes Paul II. schafft Frieden

Der Friedensnobelpreis dürfte die höchste Auszeichnung für Friedensstifter sein. Mit ihm werden Menschen und Organisationen ausgezeichnet, die sich für den Frieden starkgemacht haben (vgl. Norwegian Nobel Institute 2007). Bei den Preisträgern handelte es sich überwiegend um politisch aktive Persönlichkeiten wie Politiker oder Diplomaten (vgl. ebd. 2009), auch religiöse Persönlichkeiten wie Mutter Teresa, Erzbischof Desmond Tutu, der 14. Dalai Lama oder der Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo wurden ausgezeichnet (vgl. ebd.). Sicherlich ist die Ambition religiöser Würdenträger, Frieden stiften zu wollen oder eine Konflikteskalation zu verhindern, in ihrer Religion begründet. Diese Tatsache allein macht sie aber nicht per se zu erfolgreichen Friedensstiftern (vgl. Weingardt 2007: 11-14).

Dabei ist Mediation durch religiöse Persönlichkeiten kein neues Phänomen, denn „Over the last two decades […] they have become significantly more visible in resolving regional and international conflicts“ (Bercovitch und Kadayifci-Orellana 2009: 176). Hierdurch ist eine gestiegene Aufmerksamkeit für religiöse Mediatoren von Konflikten nicht zwangsläufig gegeben (vgl. ebd.: 176f.). Vielmehr wurde das Potenzial von religiösen Persönlichkeiten durch „[…] secular, rational problem-solving approaches and methodological, epistemological perspectives […]“ der Wissenschaft selbst ignoriert (ebd.: 177). Besonders seit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York wurde das Konfliktpotenzial von Religion in den Vordergrund gestellt (vgl. ebd.).

Liegt die Gabe, ein erfolgreicher Friedensstifter zu sein, also eher im Bereich persönlicher Fähigkeiten? Haben religiöse Persönlichkeiten durch ihren Glauben ein besonderes Gespür, sozusagen ein Feeling für Konfliktlösung. Oder ist es vielmehr ihr Amt, das ihnen Würde und Autorität verleiht, um Einfluss in der Konfliktvermittlung auszuüben. Dieser Sachverhalt soll exemplarisch am Beispiel des Beagle-Konflikts zwischen Argentinien und Chile untersucht werden. Der Konflikt stellt gleich in dreierlei Hinsicht ein besonderes Beispiel dar: Erstens wurden in ihm mehrere Mediationsversuche vorgenommen (vgl. Weingardt 2007: 49-66). Zu den Vermittlern zählten die USA, die Britische Krone und der Vatikan, wobei nur die letzten beiden in dieser Untersuchung behandelt werden (vgl. ebd.: 52-55). Zweitens ist die Konfliktdauer mit über 100 Jahren ungewöhnlich lang (vgl. ebd.: 49f.). Drittens ist die letzten Endes erfolgreiche Mediation durch die höchste religiöse Instanz einer Weltreligion, Papst Johannes Paul II., erfolgt (vgl. ebd.).

2. Fragestellung, Definitionen und Untersuchungszeitraum

Der Fokus der Untersuchung liegt auf der Mediation der britischen Krone und des Papstes sowie auf den beiden Konfliktparteien Argentinien und Chile. Hierbei wird der Mediation im Beagle-Konflikt die Frage untersucht:

Ist die Religiosität des Mediators bei der Bewältigung eines Konflikts vorteilhaft? In der vorliegenden Untersuchung berufe ich mich bei der Zuordnung von Religiosität auf keine spezifische Definition, da unbestritten sein dürfte, dass der Papst ein religiöser Akteur ist. Dementsprechend wird in dieser Abhandlung die Britische Krone als säkularer Akteur eingestuft, selbst in Anbetracht der Tatsache, dass ihr Amt auf Gottes Gnaden beruht. Diese Unterscheidung findet ebenso Anwendung auf die im Auftrag der Mediatoren handelnden Akteure. Primär muss bei jeder Art von Mediationsbemühungen festgehalten werden, dass diese in ihrem jeweiligen historischen Kontext und der Verbindung der beiden (oder mehrerer) Akteure betrachtet werden müssen (vgl. Bercovitch und Kadayifci-Orellana 2009: 176). Um die Komplexität und die Dynamik der Meditation erschöpfend erfassen zu können, greife ich an dieser Stelle auf einige Merkmale nach Jacob Bercovitch und Richard Jackson aus dem Buch International Conflict (1997) zurück, die für die zu untersuchenden Fälle charakteristisch sind:

„[…] Mediation involves the intervention of an outsider - an individual, a group, or an organization - into a conflict between two or more states or other actors. […] Mediation is a voluntary form of conflict management. The actors involved retain control over the outcome (if not always over the process) of their conflict, as well as the freedom to accept or reject mediation or mediators’ proposals. […] Mediation is usually an ad hoc procedure only“ (ebd.: 127).

Der Untersuchungszeitraum beginnt mit Berufung der britischen Krone als Mediator im Jahr 1971 und erstreckt sich bis zum Vorschlag des Papstes Ende der 80er Jahre. Zwar wurde der Freundschafts- und Friedensvertrag zwischen Chile und Argentinien erst 1984 unterzeichnet, jedoch fand die eigentliche Mediationsphase in dem o.g. Zeitraum statt (vgl. Weingardt 2007: 61). Die Zeitspanne bis zur Unterzeichnung 1984 und Ratifizierung 1985 des Vertrags wird durch mehrere exogene Faktoren, das Attentat auf den Heiligen Vater, den Falklandkrieg, den Tod des Kardinals Samoré und die Rückkehr Argentiniens zur Demokratie, bestimmt, sodass der eigentliche Kompromiss bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitet wurde (vgl. ebd.). Die Analyse wird in zwei Einheiten unterteilt. Den Anfangspunkt der zweiten Einheit setzt die Ankündigung des Papstes, sich für eine Mediation im Beagle-Konflikt zu engagieren.

In der Untersuchung werden andere Grenzstreitigkeiten der beiden Länder, wie jene um Patagonien und Feuerland oder die Andenregion, für die Analyse ausgelassen, jedoch im historischen Kontext thematisiert (vgl. Greño Velasco 1978: 71f.; Haffa 1987: 62ff.; Oellers- Frahm 1979: 341f.). Andere Mediationen der britischen Krone zwischen Argentinien und Chile werden nicht untersucht, finden jedoch im historischen Kontext Erwähnung (vgl. Hernekamp 1980: 10ff.; Laudy 2000: 298f.; Oellers-Frahm 1979: 341f.; Weingardt 2007: 52). In den Analyseeinheiten werden die Urteile, Verträge und Abkommen zwischen den Konfliktparteien nicht unter juristischer Perspektive nach allgemeinem oder völkerrechtlichem Inhalt und Gültigkeit untersucht. Lediglich mit dem Fokus auf die Auswirkungen, die die Mediation betreffen, werden die Urteile, Verträge und Abkommen thematisiert.

3. Theoretischer Ansatz: Faith-Based Mediation nach Jacob Bercovitch und Ayse Kadayifci-Orellana

Aufbauend auf den charakteristischen Merkmalen einer Mediation von Jacob Bercovitch und Richard Jackson werden folgend die Faith-Based Key Factors of Mediation mit den säkularen Key Factors of Mediation verglichen1 (Bercovitch und Kadayifci-Orellana 2009: 179-191).

Die Mediators Identity, bestehend aus Legitimacy und Trust, bildet das notwendige Element, das vorhanden sein muss, damit Faith-Based- oder säkulare Mediatoren überhaupt in einen Konflikt eingreifen können (vgl. ebd.: 180, 186f.). Darüber hinaus haben diese beiden Elemente einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang einer Mediation, da „Mediators endowed with legitimacy and who enjoy the parties’ trust can influence the effectiveness of the mediation“ (ebd.: 180). In enger Verbindung mit der Legitimacy als notwendigem Element stehen dabei Impartiality und Neutrality des Mediators als hinreichendes Element (vgl. ebd.: 186f.). Bei Faith-Based Mediators ist die Legitimacy durch das Attribut der moralischen und spirituellen Legitimacy gekennzeichnet (vgl. ebd.). Hinzu wird die Legitimacy religiöser Akteure von der Wahrnehmung untermauert, dass sie von moralischen Prinzipien und nicht verdeckten Interessen geleitet werden, die die Aufnahme und den Verlauf der Mediation beeinflussen können (vgl. ebd.). Hierdurch werden Faith-Based Mediators als High-Ranking Leaders wahrgenommen (vgl. ebd.: 187f.).

Die Mediator Resources, die mit der Mediators Identity als interdependentes Element verbunden sind, bestehen aus Leverage (vgl. ebd.: 180f., 187f.). „Leverage entails the ability to become a relevant actor […] by putting pressure on the parties or offering them inducements to accept a proposed settlement“ (ebd.: 180). Dabei kann Leverage entweder durch die Ausübung von Pressure oder durch Willingness des Mediators ausgeübt werden (vgl. ebd.: 180f.). Durch welches der beiden Attribute Leverage ausgeübt wird, spielt nicht die entscheidende Rolle, da „[…] a mediator’s ability to influence the outcome“ im Endeffekt ausschlaggebend ist (ebd.: 181). Ähnlich wie bei der Mediators Identity sprechen die Autoren auch bei den Mediators Resources der Faith-Based Mediators von moralischen und spirituellen Attributen (vgl. ebd.: 187). Die moralische und spirituelle Leverage bei religiösen Akteuren ist dabei „[…] based on a respected set of values and a well-established influence in the community“ (ebd.). Eine zusätzliche Besonderheit bei Faith-Based Mediators, die bei säkularen Mediatoren nicht vorhanden ist, ist das Element der Time as Resource (vgl. ebd.: 188f.). Die Unterzeichnung eines Friedensvertrags zwischen zwei Konfliktparteien ist i.d.R. nicht ausreichend, um Frieden längerfristig zu sichern (vgl. ebd.). In den ersten beiden Jahren nach einer Vereinbarung, die Frieden bringen soll, ist die Gefahr eines Wiederaufflammens des Konflikts sehr hoch (vgl. ebd.). Faith-Based Mediators kennzeichnen dabei besonders die Umstände, dass sie im Gegensatz zu säkularen Mediatoren zumeist ein Long-Term Involvement in dem Konflikt aufweisen (vgl. ebd.). So sind sie in einem Konflikt, in dem sie als Mediator auftreten, oft auch vor und nach der Mediation zum Beispiel durch humanitäre Hilfe präsent (vgl. ebd.).

Der letzte Key Factor, Motivation for Mediation, ist ebenfalls interdependent mit der Mediators Identity verbunden (vgl. ebd.: 181f.). Auch besteht ein wechselseitiges Verhältnis zu den Mediator Resources, wobei die Time as Resource als hinreichende Bedingung zu verstehen ist (vgl. ebd.: 180-191). Zur Legitimacy und Trust der Mediators Identity kommt die Credibility of Motivation for Mediation hinzu, welche ebenfalls die Effektivität der Mediation beeinflussen kann (vgl. ebd.). „If the parties believe that the mediator is sincerely interested in reducing violence and resolving the conflict it is more likely that they will trust the mediator“ (ebd.: 181). Das Interesse und damit verbunden die Credibility des Mediators stellen dabei den entscheidenden Unterschied zwischen Faith-Based und säkularer Mediation dar, denn „[…] interest usually intertwines with other, less altruistic, motivations ranging from a desire to gain access to major political leaders […]“ (ebd.: 181f.). Faith-Based Mediators „[…] are more likely to be perceived as evenhanded, trustworthy, and possessing a strong moral and spiritual commitment than their secular counterparts“ (vgl. ebd.: 190). Diese Eigenschaften werden ihnen durch ihre religiöse Motivation unterstellt, welche es ihnen erlaubt „[…] to be regarded as neutral mediators with no ulterior motives but to do the work of God“ (ebd.).

Folgend soll nun dieser theoretische Ansatz in der Untersuchung Anwendung finden. Dabei werden zuerst die historischen Entwicklungen des Beagle-Konflikts dargestellt. Der Fokus liegt vor allem auf den für die Analyseeinheiten wichtigen Ereignissen. Ebenso werden bilaterale Verträge dargestellt, welche eine spätere Analyse überhaupt es möglich machen, bzw. auf deren Grundlage diese basieren.

4. Entstehung und Entwicklung der Grenzstreitigkeiten zwischen Argentinien und Chile bis zum Beagle-Konflikt

Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Lateinamerika vorherrschenden Bestrebungen nach Unabhängigkeit erfassten auch das Vizekönigreich Rio de la Plata2 und das Generalkapitanat3 von Chile. Der Grenzverlauf zwischen den neu gegründeten Staaten Chile und Argentinien richtete sich nach den damaligen Verwaltungsgrenzen (vgl. Wagner 1992: 42-46, 55f.). Da sich die unabhängig gewordenen Länder als legitime Nachfolger der Königreiche Spaniens und Portugals betrachteten, beriefen sie sich bei der Grenzziehung untereinander auf das Prinzip des uti possidetis4, welches zwischen den damaligen Kolonialmächten im Vertrag von Madrid vereinbart wurde (vgl. Haffa 1987: 38, 62, 76f.; Hernekamp 1980: 5; Wagner 1992: 53ff.). Während die Vereinbarung zwischen den Kolonialmächten den Status quo sicherstellen sollte, ergab sich für die unabhängigen Länder in Lateinamerika ein übergeordnetes Problem, das noch nicht erschlossene Territorium sicherzustellen (vgl. Wagner 1992: 56). Die Form des Besitzprinzips, ohne weite Teile Patagoniens oder des Amazonas effektiv zu besitzen, wurde in Lateinamerika in einer leicht modifizierten Version übernommen (vgl. Hernekamp 1980: 5; Oellers-Frahm 1979: 343; Wagner 1992: 56).

„Dieses Manko wurde durch den Zusatz ‚iuris‘ überwunden. Es galt nun anstelle des ‚Ihr sollt so besitzen, wie ihr tatsächlich besitzt,‘ vielmehr ‚Ihr sollt das besitzen, worauf ihr das Recht habt, es zu besitzen‘“ (Wagner 1992: 56).

Zwischen Argentinien und Chile wurde das Prinzip des uti possidetis iuris zum ersten Mal in dem Vertrag über Frieden, Freundschaft, Handel und Schifffahrt aus dem Jahr 1855 festgeschrieben und damit de lege lata (vgl. Díaz Albónico 1988: 23, 30; Greño Velasco 1978: 68f.; Haffa 1987: 38f., 77f.; Hernekamp 1980: 7, 1985: 551; Wagner 1992: 56f., 66f., 82-85). Neben der gegenseitigen Anerkennung der Souveränität und eines Verteidigungsbündnisses wurde außerdem die gewaltsame Lösung von Grenzstreitigkeiten a priori als Casus Belli ausgeschlossen (vgl. Haffa 1987: 38f.; Hernekamp 1980: 7f.; Wagner 1992: 59). Als Grenze zwischen den beiden Ländern wurden „[…] those which they possessed as such at the time of their separation from the Spanish dominion in 1810“ angenommen (Hernekamp 1980: 7, 1985: 551). In den Folgejahren waren Argentinien und auch Chile in Kriege5 mit anderen Nachbarstaaten verwickelt, wodurch auch die Kriegsgefahr untereinander anstieg (vgl. Hernekamp 1980: 9; Wagner 84). Als verschärfender Faktor kam hinzu, dass die Besiedlung Patagoniens über die Anden und den Seeweg Chiles energisch vorangetrieben wurde (vgl. Haffa 1987: 77f.; Hernekamp 1980: 7f.).

Unter den Umständen, dass sich Chile im Norden des Landes wieder im Krieg befand und Argentinien die Inbesitznahme Patagoniens durch chilenische Siedler heftig kritisierte, kam der Grenzvertrag zwischen Argentinien und Chile im Jahre 1881 zustande (vgl. Díaz Albónico 1988: 32; Haffa 1987: 78, 82, 109-113; Hernekamp 1980: 9f., 1985: 552; Lacoste 2004: 88f.; Laudy 2000: 295f.; Oellers-Frahm 1979: 341; Wagner 1992. 89-95; Weingardt 2007: 49, 52). Grundbestandteil des Vertrags war die Teilung Patagoniens, des Feuerlandes und der Magellanstraße zwischen beiden Staaten, die durch folgende Kriterien geregelt wurde:

„The boundary-line shall run in that extent over the highest summits of the said Cordilleras which divide the waters, and shall pass between the sources (of streams) flowing down to either side“ (Hernekamp 1980: 110, Artikel I des Grenzvertrags).

Für Feuerland wurde die Teilung an Längen- und Breitengraden in Minuten und Sekunden genauen Angaben festgelegt (vgl. Haffa 1987: 82, 84ff., 96f., 109-113; Hernekamp 1980: 111, Artikel II des Grenzvertrags). Die inselreiche Region südlich von Feuerland wurde dabei in eine westliche und östliche Region unterteilt. Bereits kurze Zeit später erwies sich der Artikel I des Vertrags als nicht praktikabel und führte zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern. Die Festlegung der Grenzen durch die Kordilleren und Wasserscheiden wurde von beiden Staaten unterschiedlich interpretiert (vgl. Haffa 1987: 82, 84ff., 96f.; Hernekamp 1980: 9f., 1985: 552; Oellers-Frahm 1979: 341; Wagner 1992: 89f.; Weingardt 2007: 50), sodass die Kriterien in einem Protokoll im Jahr 1893 nochmals präziser formuliert werden mussten (vgl. Wagner 1992: 90f.). Eine klar definierte Unterteilung des Beagle- Kanals wurde jedoch auch in diesem Protokoll nicht beschlossen (vgl. ebd.). Das damit erstmals eingeführte (bi)ozeanische Prinzip sollte eine Auslegungshilfe für den Grenzvertrag darstellen, sofern mit Artikel I ex lege keine eindeutige territoriale Zuordnung erfolgen konnte (vgl. Haffa 1987: 82, 84ff., 109-113; Hernekamp 1980: 10, 1985: 552; Lacoste 2004: 89; Wagner 1992: 90f.; Weingardt 2007: 52).

Durch eine für die spätere Untersuchung notwendige explizite Darstellung des Grenzvertrags und des Bezug nehmenden Protokolls sollen nun die zwei Streitpunkte zu Beginn der Analyseeinheiten dargestellt werden. Anschließend wird auf friedliche Lösungswege in Grenz- und Territorialstreitigkeiten in Südamerika eingegangen. Hierdurch soll die nötige Basis für die Analyse geschaffen werden, um den Kontext der Mediation durch die Britische Krone und den Heiligen Vater besser nachvollziehen und verstehen zu können.

4.1 Erster Streitpunkt des Beagle-Konflikts: Die Souveränität der Inseln Picton, Nueva und Lennox

Der Beagle-Konflikt ist ein Konflikt, der sich im Laufe der Zeit entwickelt hat mit den Versuchen, andere Grenzstreitigkeiten zwischen Argentinien und Chile zu beheben (vgl. Laudy 2000: 295). Eine unpräzise Formulierung des Artikels III des Grenzvertrags sowie des Artikels II des Protokolls bildet den Kern des Beagle-Konflikts (vgl. Abschnitt 4; Hernekamp 1980: 13, 1985: 522; Laudy 2000: 295f.).

Der Artikel III des Grenzvertrags legt die Teilung des Feuerlandes in Längen- und Breitengrade bis zum Beagle-Kanal fest (vgl. Abschnitt 4; Hernekamp 1980: 111f., Artikel III des Grenzvertrags). „Das Gebiet östlich dieser Linie sollte nach dem Vertrag Argentinien, das Gebiet westlich davon Chile gehören“ (Wagner 1992: 97). Dazu wurde festgelegt, dass „[…] the other islands there may be on the Atlantic […]“ zu Argentinien gehören sollten (Abschnitt 4; Hernekamp 1980: 111f., Artikel III des Grenzvertrags). „[…] to Chile shall belong all the islands to the south of Beagle Channel […]“ (ebd.).

Hinzutretend wurde im Artikel II des Protokolls festgelegt, dass „[…] Chile no puede pretender punto alguno hacia el Atlántico, como la República Argentina no puede pretender lo hacia el Pacífico“6 (Abschnitt 4; Hernekamp 1980: 114, Artikel II des Protokolls). Während der westliche Beginn des Beagle-Kanals präzise mit dem Längengrad in Artikel III des Grenzvertrags festgeschrieben wurde, blieb sein östliches Ende offen (vgl. Greño Velasco 1978: 78f.; Laudy 2000: 297f.). Im Fokus der unterschiedlichen Interpretation beider Artikel standen drei Inseln, Picton, Nueva und Lennox, die sich östlich der Insel Navarino befinden (vgl. Greño Velasco 1978: 76f.; Hernekamp 1980: 13, 1985: 552; Laudy 2000: 295f.; Wagner 1992: 98; Weingardt 2007: 51; Karte 1). Aus Sicht Argentiniens endet der Beagle-Kanal hinter der Insel Navarino, wodurch alle drei genannten Inseln zum Atlantik und somit zu Argentinien gehören sollten (vgl. ebd.). Die chilenische Seite betrachtete wiederum die drei Inseln dem Beagle-Kanal zugehörig, wodurch diese zur pazifischen Küste und somit zu Chile gehören sollten (vgl. ebd.).

4.2 Zweiter Streitpunkt des Beagle-Konflikts: 200-Seemeilen-Zone

„Die beginnende Reform des internationalen Seerechts […] gab der Beagle-Frage offensichtlich eine neue Dimension […]“, da diese den Konflikt auf die Hoheitsbefugnisse über das Meer um Kap Hoorn ausdehnte (Hernekamp 1980: 15). Das bis dahin als mare liberum bezeichnete Prinzip ermögliche allen Staaten die Nutzung internationaler Gewässer unter der Toleranz einer 3- oder 12-Seemeilen-Zone zur jeweiligen Küste (vgl. Burgt 2005: 18f.). Mit der unilateralen Ausweitung der Seemeilengrenze bis zum Kontinentalschelf7 durch die USA im Jahr 1945 wurde eine Neuordnung des Seerechts notwendig, da einige Staaten, darunter auch Argentinien und Chile, sich dieses Recht ebenso nahmen (vgl. Greño Velasco 1978: 79f.). Die Ausweitung der nationalen Hoheitsgewässer und damit die Befugnis, diese nutzen zu können, bildeten den Kern der Verhandlungen um eine Reform des Seerechts8 (vgl. Greño Velasco 1978: 79f.; IOI 2009; Laudy 2000: 296). Durch das Statut des nullum crimen sine lege der 200-Seemeilen-Zone wurde aus „[…] den ehemals wertlosen Territorien […]“ um Kap Hoorn ein besonders aus wirtschaftlicher Sicht unschätzbarer Reichtum für die Nation, die sie besaß(Hernekamp 1985: 552, vgl. Hernekamp 1980: 68f.).

[...]


1 Vergleiche zu den schriftlichen Erläuterungen Schema 1 und 2 (vgl. Anhang auf Seite 31).

2 Der Name Argentinien leitet sich von dem lateinischen Wort argentum (= Silber) ab und wurde ab ungefähr 1861 verwendet (vgl. Gerño Velasco 1978: 68).

3 Das Generalkapitanat Chile war Teil des Vizekönigreichs Peru. Es bestand bis 1818 und umfasste die heutige Mitte Chiles (vgl. Wagner 1992: 35-41).

4 „Uti possidetis“ (lat. = was ihr besitzt), vollständig „Uti possidetis, ita possideatis“ (= wie ihr besitzt, so sollt ihr besitzen), ist eine Ausformung des völkergewohnheitsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes (http://dic.academic.ru/dic.nsf/dewiki/1443496, Zugriff: 23.08.2009).

5 Argentinien führte an der Seite von Brasilien und Uruguay erfolgreich den Tripel-Allianz-Krieg (1864-1870) gegen Paraguay (vgl. Wagner 1992: 84), Chile an der Seite von Peru, Bolivien und Ecuador hingegen den Spanisch-Südamerikanischen Krieg (1865-1871) gegen das Königreich Spanien, in dem sie ihre Unabhängigkeit verteidigen mussten. Kurz danach führte Chile ebenfalls erfolgreich den pazifischen oder auch als Salpeterkrieg (1879-1884) bezeichneten Eroberungsfeldzug gegen Bolivien und Peru (vgl. Hernekamp 1980: 9).

6 „Chile keinen Zugang zum Atlantik, sowie die Republik Argentinien keinen Zugang zum Pazifik innehat“ (eigene Übersetzung).

7 Der Kontinentalschelf, oder Kontinentalsockel oder auch Festlandsockel genannt, ist die Bezeichnung des küstennahen Meeresbodens, der bis zu 200 Meter unter dem Meeresspiegel liegt (vgl. http://dic.academic.ru/dic.nsf/dewiki/790262, Zugriff: 20.08.2009). In Anlehnung an diese Definition wurde die spätere ausschließliche Wirtschaftszone auf eine 200-Seemeilen-Zone festgelegt (vgl. Vereinte Nationen 1982: 23, Teil V, Artikel 57).

8 Ab Mitte der 50er Jahre wurde in drei Konferenzen (den United Nations Convention on the Law of the Sea UNCLOS I bis III) das Seerecht neu verhandelt und mit dem Seerechtsübereinkommen von 1982 zum Abschluss gebracht (vgl. Burgt 2005: 18-26).

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Der Jahrhundertkonflikt zwischen Argentinien und Chile
Untertitel
Ein Vergleich der Mediation der britischen Krone und des Papstes im Beagle-Konflikt
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Religion in den Internationalen Beziehungen
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
36
Katalognummer
V143662
ISBN (eBook)
9783640547296
ISBN (Buch)
9783640551248
Dateigröße
1008 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dazu wurden historische Quellen in englischer und spanischer Sprache verwendet. Die spanischsprachigen wurden übersetzt und als Fussnote eingefügt. Kommentar der Dozentin: Eine interessante, theoretisch angeleitete und empirisch detailreiche Arbeit!
Schlagworte
Mediation, Konflikt, Katholische, Kirche, Argentinien, Chile, Schiedsspruch, religiöse Konflikte, Friedensstifter
Arbeit zitieren
Bachelor of Political Science Stefan Rodrigo Spriestersbach (Autor:in), 2009, Der Jahrhundertkonflikt zwischen Argentinien und Chile , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143662

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