„More economic approach“ in der Fusionskontrolle


Seminararbeit, 2007

28 Seiten, Note: Magna cum Laude

Doktorant Doga Ekrem Doganci (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

I. Einleitung

II. Entwicklung der Fusionskontrolle

III. Starke ökonomische Fundierung

IV. Einfluss auf die Fusionskontrolle
1. Inhaltliche Veränderungen
a) Neue Untersagungskriterium (SIEC)
b) HH-Index
c) Ausgleichsfaktoren
aa) Effizienz
(1) Effizienzdoktrin
(2) Effizienzen in der neuen Wettbewerbspolitik
2. Organisatorische Veränderungen
a) Chefökonom
b) Veränderungen im Verfahren
aa) Änderungen im Verfahrenablauf
bb) Neues Zuständigkeitsregime

V. Gründe für die Ökonomisierung

VI. Schluss

Literatur

I. Einleitung

Die Reform der europäischen Fusionskontrolle von 2004 hat einer Ökonomisierung der FKVO Vorschub geleistet. Sie führte SIEC-Kriterien ein und ermöglciht eine verstärkte Berücksichtigung von Effizienzen – beides durchaus umstrittene Maßnahmen. In dieser Arbeit werden nach der Verdeutlichung der starken ökonomischen Fundierung der neuen FKVO die mit der Reform einhergehenden inhaltlichen und organisatorischen Veränderungen näher betrachtet. Im Anschluss daran soll untersucht werden, warum ein “More economic approach“ in die FKVO einbezogen wurde.

II. Entwicklung der Fusionskontrolle

Die Einrichtung einer Zusammenschlusskontrolle wurde bereits im sog. Spaak-Bericht von 1956 als Angelegenheit gesehen, die durch allgemeine Durchführungsverordnung zu den Artt. 81, 82 zu regeln sei[1]. Aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen sollte der Kontrollmechanismus, dem die Zusammenschlüsse unterliegen, einen präventiven Charakter haben. Das machte eine eigenständige Regelung erforderlich.

Durch die FKVO Nr. 4064/1989 wurde erstmals eine Fusionskontrolle auf europäischer Ebene umfassend geregelt. Wegen der kurzen Fristen, die nach Art. 10 FKVO 1989 für die Beurteilung von Zusammenschlüssen galten, richtete die Kommission innerhalb der zuständigen General Direktion IV eine sog. Merger Task Force, ein, eine Experten-Gruppe, die sich ausschließlich mit der Fusionskontrolle befasste.[2] Die FKVO Nr. 3384/94 im Jahr 1998 setzte die Schwellenwerte etwas herab. Mit dem damals neu eingefügten Art. 1 Abs. 3, galten für bestimmte Fälle (in denen eine mehrfache Anmeldung erforderlich war) niedrigere Schwellenwerte.

Zusätzlich veröffentlichte die Kommission erläuternde Bekanntmachungen zu ihrer Normpraxis wie die Bekanntmachung über den Begriff des Zusammenschlusses (ABL. 1998. C 6615) oder die Bekanntmachung über ein vereinfachtes Verfahren usw. Danach wurde im Jahr 2001 ein Grünbuch über die Änderung der FKVO vorgelegt, das eine lebhafte Diskussion in der interessierten Öffentlichkeit auslöste.

Schließlich hat der Rat Anfang 2004 die Verordnung Nr. 139/2004 verabschiedet und die Durchführungsverordnung vom 7. April 2004 erlassen. Die mit diesen beiden Verordnungen vorgenommene Modernisierung umfasst alle Bereiche europäischer Wettbewerbspolitik, vor allem aber die Fusionskontrolle.

III. Starke ökonomische Fundierung

Die praktische Wettbewerbspolitik mit den ihr zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen und die einschlägigen Teilgebiete der Wirtschaftswissenschaften haben sich in ihrer Entwicklung gegenseitig stark beeinflusst.[3]

Die Notwendigkeit, ökonomische Erkenntnisse ins Wettbewerbsrecht einzubeziehen, wurde offenbar als drei Untersagungsentscheidungen der Kommission durch das Europäischen Gericht erster Instanz aufgehoben wurden (Airtours/Firstchoice[4], Schneider/Legrande[5], Tetra Leval/Sidel[6] )

Das erwähnte Grünbuch über die Änderung der FKVO wurde veröffentlicht, um einen Diskurs über die als erforderlich angesehene Ökonomisierung auszulösen. Die Kommission stellte nicht nur die bisherige Zuständigkeitsverteilung und die Gestaltung des Verfahrens zur Debatte, sondern auch die Übernahme des materiellen US-amerikanischen SLC-Tests und die Berücksichtigung von Effizienzargumenten[7].

Die angestrebte Ökonomisierung zeigte sich auch sehr deutlich in den veröffentlichten Leitlinien zur Bewertung horizontaler Fusionen, mit deren Inkrafttreten am1.5.2004 die Reform ihren vorläufigen Abschluss fand. Der Inhalt dieses Dokuments ist der beste Beleg für die Ökonomisierung der EU-Fusionskontrolle. Nahezu jede Neuerung stellt eine Reaktion auf zuvor geäußerte wirtschaftswissenschaftliche Kritik dar.[8] Im Folgenden wirx, die ganze Kette von inhaltlichen und organisatorischen Änderungen in der EU-Fusionskontrolle zu untersucht. Das auf der Reform basierende neue Recht und die Rolle der Ökonomisierung wird in der Untersuchung identifiziert. Das dient dazu, die Reform vom traditionellen Wettbewerbsrecht zu unterscheiden.

IV. Einfluss auf die Fusionskontrolle

Die Ökonomisierung führt durch die Reformen der EU-Fusionskontrolle zu vielen Neuerungen. Wir betrachten zunächst die inhaltlichen, materiellen Änderungen, weil diese am schwersten wiegen.

1. Inhaltliche Veränderungen

Durch die Verabschiedung der FKVO von 2004, entstanden zahlreiche inhaltliche Modifikationen. Die Gleichstellung des materiellen Tests im Sinne eines wirkungs-basierenden Ansatzes ,die Differenzierung zwischen koordinierten und nicht koordinierten Effekten, der Zurückgriff auf den bisher wenig verwendeten HH-Index und die Benennung relevante Ausgleichsfaktoren inklusive Effizienzgesichtspunkten sind dabei als wichtigste materielle Neuerungen der Reform zu nennen.[9]

a) Neue Untersagungskriterium (SIEC)

Für die FKVO gilt seit 2004 ein neues Untersagungskriterium sog. SIEC Test (Significant Impediment to Effective Competition). Nach dem solche Zusammenschlüsse durch die wirksamer Wettbewerb im gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wurde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, für mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären sind.

Die neue Formulierung des Art. 2 II, III FKVO kann als eine Brücke[10] zwischen den Befürwortern des SLC Test (Substantial Lessening of Competition) und des bisherigen Marktbeherrschungstests. Wahrend es bei dem SLC Test auf eine wesentliche Verminderung des Wettbewerbs ankommt,[11] kommt es bei dem Marktbeherrschungstest auf die Entstehung oder die Verstärkung einer beherrschenden Stellung als Untersagungskriterium an. Der Marktbeherrschungstest bleibt nämlich als ein Regelbeispiel in der Definition des SIEC Tests bestehen.

Dass man den Marktbeherrschungstest nicht durch den SLC-Test ersetzt hat, hat den Vorteil, dass die bisherige europäische Praxis im Rahmen des neuen Wettbewerbsrechts nach der FKVO bei der Berücksichtigung von Effizienzen zu Rate ziehen kann. Erwägungsgrund 26 betont, dass frühere Urteile der europäischen Gerichte gem. der Verordnung (EWG) Nr. 4064–89 weiterhin als Orientierung dienen sollen. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Erwartung der Kommission aus den Horizontalleitlinien, Tz. 4, zu nennen, dass in den meisten Fällen der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem gemeinsamen Markt das Kriterium der Marktbeherrschung zugrunde gelegt wird.

Der SIEC-Test unterscheidet zwischen koordinierten und nicht-koordinierten (unilateral) Effekten. Beispielsweise im Fall von Air Tour–First Choice[12] wurden die Kriterien vom Gericht erster Instanz zusammengefasst um eine kollektive beherrschende Stellung im Oligopol anzunehmen. Der Sache nach ging es um die Übernahme der Firma First Choice durch Airtours, welche die Kommission, untersagte, da sie annahm, es würde faktisch ein Triopol entstehen. Die sah den Untersagungstatbestand als erfüllt an, obwohl keiner der Wettbewerber alleine eine dominante Stellung eingenommen hätte[13].Das Gericht erster Instanz hob jedoch die Entscheidung von Kommission am 6. Juli 2002 auf. Die anlässlich dieser Entscheidung vom Gericht erster Instanz herausgearbeiteten Kriterien für eine kollektive Marktbeherrschung (Markttransparenz, Disziplinierungsmechanismus, gegenseitige Dritte) erfassen nicht die einseitige Ausübung von Marktmacht ohne eine zumindest stillschweigende Abstimmung mit den anderen Oligopolisten (sog. unilaterale Effekte).

Die Reform erweitert die Eingriffsschwelle der EU-Fusionskontrolle. Die greift jetzt auch, wenn eine Koordinierung zwischen Oligopolmitgliedern unwahrscheinlich ist.[14] Auch dann unterliegen die fusionierenden Unternehmen der Kontrolle der Kommission. Die neuen Kriterien erfassen die kollektive Markbeherrschung und nicht koordinierte Effekte innerhalb und außerhalb eines Oligopols.

Die in den Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse genannten Sachverhalte (koordinierte Wirkungen) entsprechen weitgehend den Tatbeständen, die nach der bisherigen Praxis der Kommission und der Gerichte entwickelt worden sind, den Wettbewerb zu beeinträchtigen.[15] Für eine koordinierte Wirkung maßgeblich ist die Fähigkeit der Beteiligten, die Koordinierungsmodalitäten ausdrücklich oder stillschweigend zu vereinbaren und die Koordinierung aufrechtzuerhalten.

Basierend auf der vom Gericht erster Instanz getroffenen Entscheidung im Fall Airtours/First Choice werden zur Beurteilung koordinierter Effekte abweichende Kriterien zur Prüfung herangezogen. Dazu gehören a) die Markttransparenz mit hinreichender Genauigkeit und Wahrscheinlichkeit, die Entwicklung des Verhaltens der anderen Mitglieder auf dem Markt zu erfahren, b) Abschreckungsmittel, die langfristig für den Anreiz sorgen, nicht vom gemeinsamen Vorgehen abzuweichen, so dass nicht jede auf Vergrößerung des Marktanteils gerichtete Maßnahme sofort erwidert wird. Ferner (c) muss gewährleistet sein, dass die voraussichtlichen Reaktionen der tatsächlichen oder potenziellen Konkurrenten und der Verbraucher die Ergebnisse des gemeinsamen Vorgehens nicht in Frage stellen.[16]

Unilaterale Effekte sind einseitige, also nicht auf einer offenen oder stillschweigenden Koordinierung beruhende Auswirkungen eines Zusammenschlusses. Faktoren, die solche Effekte bedenklich machen sind’: Hohe Marktanteile der fusionierenden Unternehmen; die fusionierenden Unternehmen sind nahe Wettbewerber; begrenzte Möglichkeit der Kunden, zu einem anderen Anbieter zu wechseln (Substituierbarkeit); Erhöhung des Angebots durch die Wettbewerber bei Preiserhöhungen unwahrscheinlich; Fähigkeit des fusionierten Unternehmen, die Wettbewerber am Wachstum zu hindern; Beseitigung einer wichtigen Wettbewerbskraft durch den Zusammenschluss’’[17]. Erwähnte Faktoren sind die Kriterien aus den Leitlinien zur Feststellung der unilateralen Effekten. Sie stimmen weitgehend mit der bisherigen Praxis überein. Dadurch dass die FKVO jetzt auch unilaterale Effekte erfasst, hat die Kommission mehr Entscheidungsraum. Sie prognostiziert im SIEC-Test die oben genannten Effekte, um heraus zu finden, ob ein wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird.

[...]


[1] Immenga-Korper, S. 194.

[2] S. Drauz im Schwerpunkt des Kartellrechts 1990 / 91, S. 89.

[3] Audretsch, 1996, Jacquemin, 1999.

[4] Rs.t-342\99, 6. 6. 2002

[5] Rs.t-310\01, 22. 10. 2002

[6] Rs.t-5\02, 25. 10. 2002

[7] Eingehend zum Grünbuch Arnold EWS 2002, 449 ff.

[8] EUZW 2002-197ff., Drauz WUW 2002, 444 ff.

[9] Zitat von Röller-Hans, W. Friedricks, 2004 Band 6

[10] Tilmann WuW 2004 Band 3

[11] http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l26096.htm

Zusammenfassung der FKVO

[12] KOMM 6.6.2002,Case 342/99

[13] CWG Dialog,Magazin der CWG e.v an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU Chemnitz, Entwicklungslinien des konzepts der kollektiven Marktbeherschung im Rahmen der europäischen Fusionskontrolle von Dipl. Ök Jens Metge und PD DR. Walter Elberfeld,Ausgabe 02/03 Juli 2003,S.6f

[14] Erwägungsgrund 25.

[15] Mestmäker-Schweitzer, S. 639.

[16] EVG 6.6.2002, Slg. 2002 II 2585 –Airtours / Kommission.

[17] Zitiert aus den Leitlinien (31, 33, 36, …) WuWE EU-R 559.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
„More economic approach“ in der Fusionskontrolle
Hochschule
Universität Münster
Note
Magna cum Laude
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V143346
ISBN (eBook)
9783640546282
ISBN (Buch)
9783640545926
Dateigröße
590 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
More economic approach in der Fusionskontrolle, HH-Index, Ökonomisierung der FKVO, SIEC-Kriterien, Effizienz, Effizienzen in der neuen Wettbewerbspolitik, Chefökonom
Arbeit zitieren
Doktorant Doga Ekrem Doganci (Autor:in), 2007, „More economic approach“ in der Fusionskontrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143346

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